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Lieber Knast als Klapse

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Werner-Fuss-Zentrum

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Sep 17, 2010, 12:59:03 PM9/17/10
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Die Jungle-World bringt in Ihrer neuesten
Ausgabe (Nr. 37) vom 16. September 2010 einen Artikel zum
Maßregelvollzug (Umgangssprachlich: Forensik).
Wir empfehlen diesen Artikel wärmstens zur Lektüre, auch wenn darin
der Forensik-Psychiater Seifert mit der völlig absurden Behauptung
wiedergegeben wird, dass die schweren und systematischen
Menschenrechtsverletzungen der Forensik angeblich ein "Erfolgsmodell"
wären.


"Lieber Knast als Klapse

Immer mehr Straftäter werden von deutschen Gerichten in forensischen
Psychiatrien untergebracht. Die Insassen im so­genannten
Maßregelvollzug sitzen für ihre Taten meist erheblich länger fest als
im Gefängnis.
von Marcus Latton"
Quelle:
http://jungle-world.com/artikel/2010/37/41726.html

Ganzer Artikel:
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Lieber Knast als Klapse

Immer mehr Straftäter werden von deutschen Gerichten in forensischen
Psychiatrien untergebracht. Die Insassen im so­genannten
Maßregelvollzug sitzen für ihre Taten meist erheblich länger fest als
im Gefängnis.

von Marcus Latton

Es sind oft nur Details, die darüber entscheiden, ob aus einem
Diebstahl ein räuberischer Diebstahl wird. Sven P.* ist Mandant des
Berliner Rechtsanwalts Alexander Paetow, er wurde mehrmals beim
Stehlen erwischt. Als es dabei einmal zu einer Rangelei mit einem
Ladendetektiv kam, sah es das urteilende Gericht als erwiesen an, dass
er mit seinem Handeln das Diebesgut verteidigen wollte. Der Tatbestand
des räuberischen Diebstahls war damit erfüllt. Wenn der Wert der Beute
gering ist, verhängen deutsche Gerichte für diese Tat eine Haftstrafe
von mindestens einem Jahr. Doch ein Psychiater attestierte Sven P.
eine hohe Wiederholungsgefahr sowie eine geistige Störung. Damit galt
er als vermindert schuldfähig. Er kam nicht ins Gefängnis, sondern
wurde im Rahmen des sogenannten Maßregelvollzugs in eine forensische
Psychiatrie eingewiesen. »Da sitzt er deswegen schon seit drei
Jahren«, sagt sein Verteidiger Paetow. Der Wert der gestohlenen Waren
lag zwischen 15 und 55 Euro.

Hinter der bürokratischen Floskel »Maßregelvollzug« verbirgt sich eine
besondere Form der Haft, von der vor allem zwei Personenkreise
betroffen sind. Suchtkranke Delinquenten können in eine forensische
Psychiatrie eingewiesen werden, wenn sie zum Beispiel im Alkoholrausch
eine Straftat begangen haben. Der Aufenthalt in der Forensik ist in
ihrem Fall auf zwei Jahre begrenzt, im Einzelfall kann er jedoch
verlängert werden. Größtenteils gilt der Maßregelvollzug allerdings
für Rechtsbrecher, die in ärztlichen Gutachten als schuldunfähig oder
vermindert schuldfähig eingeschätzt werden. Sie können von den
Gerichten in forensischen Psychiatrien untergebracht werden, wenn sie
wegen ihrer Erkrankung als gefährlich gelten und weitere erhebliche
Straftaten wie Gewalt- oder Sexualdelikte von ihnen zu erwarten sind.
Der Maßregelvollzug ist für sie grundsätzlich unbefristet. Die Zahl
der von dieser Haftform Betroffenen hat sich in den vergangenen Jahren
stetig erhöht. Nach Informationen des Statistischen Bundesamtes saßen
vor 20 Jahren 3 649 Personen für ihre Straftaten in der Forensik. Im
Jahr 2009 waren es bereits 9 251 Menschen, das sind knapp 1 000 mehr
als im Jahr zuvor.

Für den Anwalt Alexander Paetow ist die steigende Zahl der
Einweisungen unter anderem auf eine veränderte Spruchpraxis der
Gerichte zurückzuführen. »Bei den Urteilen wurden in den vergangenen
Jahren tendenziell die Sicherheitsinteressen der Bevölkerung in den
Fokus gerückt und weniger die Freiheitsansprüche der Gefangenen«, sagt
er. Auch die Berichterstattung über spektakuläre Verbrechen, die von
Insassen der forensischen Psychiatrie begangen wurden, hat nach
Paetows Ansicht zu dieser Entwicklung beigetragen. Als Beispiel nennt
er den Fall Frank Schmökel. Diesem gelang in den neunziger Jahren
mehrmals die Flucht aus dem Maßregelvollzug in Brandenburg. Bei einem
Freigang im Jahr 2000 stach er seine Mutter und einen Pfleger nieder
und erschlug einen Rentner.

Doch Anwälten, die sich mit dem Thema befassen, macht nicht nur der
schlechte Ruf ihrer Mandanten zu schaffen. »Der Umgang mit dem
Maßregelvollzug ist immer restriktiver geworden«, sagt Paetow. So
werden nicht nur Hafterleichterungen wie Freigänge seltener genehmigt.
Auch die juristischen Auflagen für die Entlassungen wurden in den
vergangenen Jahren erhöht, was dazu führt, dass Insassen in der
Forensik meist sehr viel länger einsitzen als im Regelvollzug. Im
Durchschnitt handelt es sich um sechs bis acht Jahre.

Dieter Seifert geht davon aus, dass verurteilte Diebe in der Forensik
Einzelfälle sind. Er arbeitet am Institut für Forensische Psychiatrie
der Universität Duisburg und hat untersucht, welche Taten zu einer
Einweisung führen. »Der Anteil derer, die wegen Bagatelldelikten im
Maßregelvollzug untergebracht sind, hat sich seit den acht­ziger
Jahren verringert«, stellt er fest. Vielmehr seien in der jüngeren
Vergangenheit mehr und mehr Personen eingewiesen worden, die wegen
schwerer Delikte wie Mord verurteilt wurden. Die Tatsache, dass die
Zahl der Forensik-Insassen kontinuierlich steigt, führt auch Seifert
auf das abstrakte Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft zurück. Seit
den neunziger Jahren habe dieses Bedürfnis zugenommen und Richter in
ihrer Entscheidung beeinflusst – trotz sinkender Kriminalitätsrate.
»Man kommt mit dem Bau neuer Psychiatrien fast gar nicht mehr
hinterher«, sagt Seifert. »Die Entwicklung, immer mehr Menschen in
Gefängnissen oder Psychiatrien wegzuschließen, lässt sich jedoch
europa- und sogar weltweit beobachten.«

Dennoch bezeichnet er den Maßregelvollzug als Erfolgsmodell. Seifert
zitiert eine Studie, die er im vergangenen Jahr selbst angefertigt
hat: Demnach wurden nur zehn bis 15 Prozent aller aus der Forensik
entlassenen Probanden mit schweren Delikten rückfällig. Bei ehemaligen
Insassen des Regelvollzuges läge dieser Anteil hingegen bei 50 bis 70
Prozent. »Wir haben mit dem Maßregelvollzug eine Möglichkeit gefunden,
die Gefährlichkeit von Straftätern zu reduzieren.«

Mit dieser Einschätzung gibt sich René Talbot vom Berliner Verein
Psychiatrie-Erfahrene nicht zufrieden. »Forensische Psychiatrie
bedeutet die totale Negierung des Subjekts, die Unterwerfung unter
eine rein willkürliche Herrschaft eines Ärzteregimes«, sagt er. Sein
Verein kritisiert vor allem die Zwangsbehandlung, die im
Maßregelvollzug Alltag sei, etwa mit neuroleptischen Medikamenten.
»Jede Zwangsbehandlung in einer Psychiatrie ist Terror, in der
Forensik ist es der zeitlich unbegrenzte Terror.«

Die Psychiatrie-Erfahrenen fordern eine ersatzlose Streichung des
Paragrafen 63 im Strafgesetzbuch über die Unterbringung im
Maßregelvollzug. Stattdessen soll ein Gefangener nur dann
psychiatrisch therapiert werden können, wenn er selbst der Meinung
ist, dass er diese Behandlung benötige. »Wenn der Arzt zu der
Überzeugung gelangen sollte, er habe erfolgreich geheilt, dann sollte
er das Gericht auch davon überzeugen, dass vorzeitig entlassen werden
soll«, sagt Talbot.

Denn es hängt auch bei der derzeitigen Regelung von den
psychiatrischen Gutachten ab, ob ein Patient entlassen werden kann
oder nicht. Zwar liegt die Entscheidung in der letzten Instanz bei den
Gerichten. In Frage gestellt werden die Gutachten von diesen jedoch so
gut wie nie, weiß Alexander Paetow.

Für den Rechtsanwalt ergibt sich daraus eine neue Herausforderung im
Gerichtssaal. »Bei Angeklagten, die von einer Unterbringung in den
Maßregelvollzug gefährdet sind, ist die Verteidigungsstrategie heute
eine ganz andere.« So spekulierten die Strafverteidiger bei vielen
ihrer Mandanten früher meist auf eine verminderte Schuld- oder eine
Schuldunfähigkeit, um eine Gefängnisstrafe zu verhindern. »Ganz nach
dem Motto: Aus der Psychiatrie kriegen wir die Leute schneller wieder
heraus.« Heute gilt nach Paetows Einschätzung das Gegenteil. Viele
Anwälte, die für das Thema sensibilisiert sind, setzen meist alles
daran, bei der Verurteilung den Regelvollzug zu erreichen. Denn in der
Forensik sitzen ihre Mandanten im schlimmsten Fall für den Rest ihres
Lebens.
Quelle:
http://jungle-world.com/artikel/2010/37/41726.html


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Das UN Hochkommissariat für Menschenrechte hat die Grundlage, aufgrund
derer Menschen die Sonderbehandlungen in der Forensik erfahren,
ohnehin schon Anfang 2009 für illegal erklärt:
"UN Hochkommissariat für Menschenrechte:
Forensische Psychiatrie ist illegal"
http://zwangspsychiatrie.de/forensik_illegal
http://www2.ohchr.org/english/bodies/hrcouncil/docs/10session/A.HRC.10.48.pdf

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Lieber Knast als Klapse!
Lieber Gefängnis als Forensik!
Lieber Gefängnis als Psychiatrie!

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Bitte vormerken:
Die Geburtstags- Party zum 30-jährigen Bestehen der Irren-Offensive
findet am 16. Oktober im Rauchhaus statt.
http://www.rauchhaus1971.de
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Dies ist ein Hinweis des
Werner-Fuß-Zentrums
im Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
werne...@gmx.de
www.psychiatrie-erfahrene.de

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