Tim Ritberg <t...@server.invalid> wrote:
>
https://de.wikipedia.org/wiki/Grippeimpfung#Wirksamkeit
> "Bericht zur Epidemiologie der Influenza in Deutschland«. Laut Bericht
> für die Saison 2017/2018 lag die Wirksamkeit der Influenzaimpfung gegen
> den in der Saison 2013/2014 häufig zirkulierenden Subtypen A (H3N2) bei
> minus 66 % (-187 bis 17 %), Geimpfte waren also nicht etwa seltener,
> sondern deutlich häufiger mit diesem Virus infiziert als Ungeimpfte"
Ich habe mir mal das Original des RKI geholt:
https://influenza.rki.de/saisonberichte/2017.pdf
Den obigen Text habe ich so im Original nicht gefunden. Vermutlich ist
es eine Interpretation der Tabelle 18 auf S. 105 aus diesem Bericht.
Ich habe sie mal hier reinkopiert:
======================================================================
Tab. 18: Schätzung der Wirksamkeit der saisonalen Influenzaimpfung
gegen eine laborbestätigte Influenzaerkrankung, Saison 2012/13 bis
2017/18.
(Sub-)Typ A(H1N1)pdm09 A(H3N2) B
(95 %-KI) (95 %-KI) (95 %-KI)
--------- ---------------- ---------------- ----------------
2012/13 58 % 26 % 25 %
(23 bis 77 %) (-22 bis 55 %) (-23 bis 55 %)
2013/14 55 % -66 % 52 %
(-97 bis 90 %) (-187 bis 17 %) (-287 bis 94 %)
2014/15 40 % 29 % 3 %
(-15 bis 69 %) (-2 bis 51 %) (-68 bis 45 %)
2015/16 14 % wenige Nachweise 11 %
(-35 bis 45 %) (-38 bis 43 %)
2016/17 wenige Nachweise 21 % wenige Nachweise
(-12 bis 44 %)
2017/18 48 % wenige Nachweise 1 %
(11 bis 70 %) (-36 bis 28 %)
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Ich finde zwei Dinge auffällig:
1. Die Konfidenzintervalle sind generell sehr groß, d.h. die Schätzung
der wahren Werte ist sehr ungenau. Und ganz besonders gilt das für die
Saison 2013/14. Wenn man sich den von Dir kritisierten Wert von -66 %
anschaut, sieht man, dass der Wert tatsächlich zwischen -187 und +17 %
liegen kann. Nun wirst Du vielleicht sagen: Na, bitte, das zeigt doch,
wie schädlich die Impfung ist. Dann schau Dir aber mal den Wert rechts
davon an. Da hast Du eine Wirksamkeit von +52 %, was ganz toll klingt.
Man sieht aber, dass das KI von -287 bis + 94 % reicht. Der Bereich ist
also noch größer als bei H3N2. Die Wirksamkeit der Impfung gegen den
Subtyp B betrug also zwischen etwa -300 bis +100 Prozent. Was soll man
mit so einer Aussage anfangen? Nichts. Die Daten sind komplett wertlos.
So große Konfidenzintervalle zeigen vorallem eines, nämlich dass die
Stichprobe viel zu klein war. Es wundert mich, ehrlich gesagt, dass das
RKI solche Werte überhaupt veröffentlicht, bzw. sich nicht um bessere
Daten bemüht.
2. Mal angenommen, die KI wären klein, man könnte also mit den Werten
für die Wirksamkeit etwas anfangen, dann sieht man, dass der Wert von
-66 % der einzig negative in einem Umfeld von positiven Werten ist,
ohne dass sich die zugrundeliegende Theorie oder Behandlung geändert
hätte. Das ist so, wie wenn Du täglich Dein Gewicht misst und einen
Tag dabei hast, an dem Du 20 kg weniger wiegst als sonst, obwohl Du
nichts geändert hast, also Dich nicht plötzlich auf dem Mond oder im
Wasser wiegst. So etwas spricht immer für einen Ausreißer. Sei es ein
Eingabefehler, ein Rechenfehler, oder sonst etwas. Ausreißer hat man
in jeder Studie und es gibt ganze Theorien dazu, wie man mit ihnen
umgehen sollte.
> Soviel zum Thema negativer Impfschutz.
Nee, soviel zum Thema: Tim hat eine vorgefasste Meinung zum Thema
Impfen und sucht nun krampfhaft nach Daten, die seine Meinung stützen
sollen.
Es gibt einen wichtigen Aspekt, den Du übersiehst: Daten ersetzen
keine Theorie. Sondern: mit Daten beweist man Theorien. Erst braucht
man eine Theorie, dann versucht man, sie mit Daten zu stützen. Daten
alleine sagen gar nichts.
Beispielsweise gibt es eine positive Korrelation zwischen der Menge
von gegessener Eiscréme und Sonnenbrand. Wenn viel Eis gegessen wird,
gibt es auch viel Sonnenbrand. Heißt das also, dass man vom Eis essen
Sonnenbrand bekommt? Nein, natürlich nicht, niemand käme auf die
Idee, so eine abstruse Theorie zu konstruieren, alle wissen, dass der
Zusammenhang nur darin besteht, dass im Sommer mehr Eis gegessen wird
und die Leute im Sommer mehr Sonnenbrand haben.
Aber genau das machst Du: Du siehst eine negative Korrelation zwischen
Influenza-Impfung und Infektion und konstruierst daraus einen negativen
Impfschutz. Dafür gibt es keinen Beweis, so wie es keinen Beweis gibt,
dass man vom Eisessen Sonnenbrand bekommt. Das einzige was Du hast,
sind die Zahlen, die im Falle der Impfwirksamkeit auch noch mit einer
so hohen Unsicherheit behaftet sind, dass sie ohnehin wertlos sind.
Wenn Du beweisen möchtest, dass eine Impfung einen negativen Impfschutz
erzeugt, solltest Du erstmal eine schlüssige Theorie dafür entwickeln
und dann nach Daten suchen, die diese Theorie stützen.
Ja, und WISO hat im Kommentar ja auch eine Interpretation geliefert:
Der negative Wert des Impfstoffs Astrazeneca bedeutet aber natürlich
nicht, dass der Impfstoff die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung
mit Covid-19 verstärkt. Andere Faktoren, wie zum Beispiel eine
höhere Testbereitschaft oder sorgloseres Verhalten aufseiten der
Geimpften könnten für die höhere Rate an erkrankten Geimpften
verantwortlich sein.
> Wer jetzt noch glaubt, alle Menschen mit der gleiche Methode behandeln
> zu müssen, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.
Was hat das mit dem obigen Thema zu tun?
Martin