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Hat Cantor doch geirrt?

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albrecht

unread,
Sep 14, 2004, 8:59:41 AM9/14/04
to
Hi,

Ich meine einen Gegen-Beweis zu Cantors Beweis der Überabzählbarkeit
der reellen Zahlen gefunden zu haben. Gut, das haben schon viele
gemeint. Sei jetzt egal. Ich will diese Beweisführung auch noch nicht
offen legen. Aber natürlich führt die Annahme der Existenz eines
Gegenbeweises zu Überlegungen, wo der Fehler in Cantors sog.
Diagonalverfahren liegt oder liegen könnte, und diese möchte ich hier
kurz darstellen um mich mit der Kritik dazu auseinanderzusetzen
(Alternativ wäre noch möglich, dass Beweis und Gegenbeweis beide
formal richtig sind. Dies würde zu einer Stärkung der
intuitionistischen Position führen, den Beweis durch Widerspruch für
unendliche Mengen und Gedanken über Unendliches noch fragwürdiger
machen).
Kurz sei das Diagonalverfahren dargestellt:

Cantor betrachtet eine Liste der reellen Zahlen in der
Dezimalzahlenschreibweise mit den einzelnen Stellen a_ij

0 , a_11 a_12 a_13 ….
0 , a_21 a_22 a_23 …
0 , a_31 a_32 a_33 …

und stellt fest, dass er, wenn er aus dieser Liste eine Zahl erzeugt,
indem er die Dezimalziffer a_11 nimmt, verändert, die Ziffer a_22
nimmt, und verändert, die Ziffer a_33 nimmt, verändert, ad infinitum,
und somit eine Dezimalzahl der Form

0 , a_11' a_22' a_33'

also aus den jeweils veränderten Ziffern a_ij' aufbaut, diese neue
Zahl unmöglich in der oberen Liste enthalten sein kann (denn sie
unterscheidet sich gegenüber jeder Zahl der Liste an mindestens einer
Dezimalstelle). Da aber nur eine Abzählbarkeit der reellen Zahlen
gewährleistet ist wenn eine „nummerierbare" Aufzählung möglich ist und
die wesentliche Bedingung ist, dass eine solche Aufzählung alle
Elemente der betrachteten Menge erfasst, ist die Menge der reellen
Zahlen überabzählbar. Es genügt immer die Betrachtung einer
gleichmächtigen Teilmenge.

Um einen Beweis zu betrachten, der die Abzählbarkeit ergibt, sei dies
am Beispiel der rationalen Zahlen kurz gezeigt.

Hier werden die Brüche in der Form

1/1 1/2 1/3 1/4 1/5 1/6 ….
2/1 2/2 2/3 2/4 2/5….
3/1 3/2 3/3 3/4 ….
4/1 4/2 4/3 …..
5/1 5/2…..
6/1…..

aufgeführt und nun immer diagonal, also in der Reihenfolge 1/1 1/2 2/1
3/1 2/2 1/3 1/4 2/3 3/2 4/1 5/1 4/2 3/3 …. durchnummeriert. Durch
dieses Verfahren ist gewährleistet, dass jede rationale Zahl
irgendwann einmal in der Aufzählung auftaucht und entsprechend
nummeriert wird (ob die Liste nur gekürzte Brüche enthält oder nicht
ist eigentlich egal). Da jede rationale Zahl eine eigene Nummer
bekommt, handelt es sich um eine eindeutige Abbildung – die
Mächtigkeit der rationalen Zahlen ist gleich der Mächtigkeit der
natürlichen Zahlen.

Nun zur Kritik: in dem oberen Beweis wird mit einer Liste der reellen
Zahlen gearbeitet. Nun kann man bei den nat. Zahlen eine erste Zahl
n_0, z.B. 1, angeben. Und man kann zu jeder Zahl n die nächste Zahl n'
= n+1 angeben. Aus diesem Grund lässt sich beim Beweis mit den
rationalen Zahlen eine Liste erzeugen, die einen Anfang und ein
Bildungsgesetz hat. Im Grunde eine Reproduktion der Definition der
nat. Zahlen durch die vollständige Induktion.

Bei den reellen Zahlen ist genau dies nicht möglich. Es gibt keine
erste reelle Zahl. Sie müsste etwa 0, 000000 …... also unendlich
viele Nullen und an der „unendlichsten" Stelle eine 1 haben.
Und es gibt kein Bildungsgesetz für eine nächste Zahl. Welche Zahl
folgt auf 0,345067 … ?
Damit ist aber der Anspruch, den Cantor an seine Liste der reellen
Zahlen stellt nur sehr gering. Er besteht nämlich nur darin, dass die
Liste in beliebiger Folge unendlich viele reelle Zahlen enthält. Gibt
es eine solche Liste überhaupt? Denn wie will ich ohne einen Anfang
und ohne eine Anordnung überhaupt gewährleisten, dass die Liste
vollständig ist (oder aber evtl. auch Zahlen mehrfach enthält) bzw.
kann diese Liste eigentlich immer nur einen Ausschnitt aus dem
Kontinuum der reellen Zahlen darstellen. Die Liste beginnt irgendwo
und endet irgendwo. Dies bedeutet aber, dass die Zahl, die Cantor
mittels seines Diagonalverfahrens bestimmt z.B. vor dem Anfang seiner
Liste stehen könnte. Wenn dem aber so wäre müsste die Nummerierung nur
entsprechend verschoben werden, um diese Zahl mit einzubeziehen. Und
die Nummerierung gelänge.

Dies ist meine Kritik auf Cantors Diagonalverfahren und Motiv für die
Suche eines Gegenbeweises. Vielleicht gibt es auch noch ein anderes
Beweisverfahren das im Vergleich zum klassischen schlüssiger ist. Wenn
dem so wäre, wäre es schön, wenn mich jemand darauf aufmerksam machen
würde. Und ich bin natürlich an jeder Art von Kritik und Hinweise
interessiert.


Ciao

Albrecht

Pether Hubert

unread,
Sep 14, 2004, 9:09:57 AM9/14/04
to
albs...@gmx.de (albrecht) writes:
> Bei den reellen Zahlen ist genau dies nicht möglich. Es gibt keine
> erste reelle Zahl. Sie müsste etwa 0, 000000 …... also unendlich
> viele Nullen und an der „unendlichsten" Stelle eine 1 haben. Und
> es gibt kein Bildungsgesetz für eine nächste Zahl. Welche Zahl folgt
> auf 0,345067 … ?

Niemand verlangt, daß es ein Bildungsgesetz gibt. Es reicht, wenn man
eine vollständige Liste hat. Vertauscht man bei dieser z.B. die
dritte und die zwölfte Zahl, hat man eine andere, immer noch
vollständige, Liste.

> Damit ist aber der Anspruch, den Cantor an seine Liste der reellen
> Zahlen stellt nur sehr gering. Er besteht nämlich nur darin, dass
> die Liste in beliebiger Folge unendlich viele reelle Zahlen enthält.

Eben. Wo ist das Problem?

> Gibt es eine solche Liste überhaupt?

Nein. Das wird ja gerade bewiesen. Gäbe es eine solche Liste, wäre
die betrachtete Menge abzählbar.

> Denn wie will ich ohne einen Anfang und ohne eine Anordnung
> überhaupt gewährleisten, dass die Liste vollständig ist (oder aber
> evtl. auch Zahlen mehrfach enthält) bzw. kann diese Liste
> eigentlich immer nur einen Ausschnitt aus dem Kontinuum der reellen
> Zahlen darstellen.

Das wird ja letztlich auch gezeigt.

> Die Liste beginnt irgendwo

Ja.

> und endet irgendwo.

Wer behauptet das?

> Dies bedeutet aber, dass die Zahl, die Cantor mittels seines
> Diagonalverfahrens bestimmt z.B. vor dem Anfang seiner Liste stehen
> könnte. Wenn dem aber so wäre müsste die Nummerierung nur
> entsprechend verschoben werden, um diese Zahl mit einzubeziehen. Und
> die Nummerierung gelänge.

Dann hättest Du eine neue Liste, mit der Du genau dasselbe machen
könntest. Das ist es ja gerade: _Jede_ Liste ist unvollständig.

Ciao,

Pether
--
Wenn Du es verkaufen kannst, zögere nicht, es zu stehlen.
(Erwerbsregel 172)

Carsten König

unread,
Sep 14, 2004, 9:13:28 AM9/14/04
to

albrecht <albs...@gmx.de> schrieb in im Newsbeitrag:
f375353e.04091...@posting.google.com...

> Hi,
>
> Ich meine einen Gegen-Beweis zu Cantors Beweis der Überabzählbarkeit
> der reellen Zahlen gefunden zu haben. Gut, das haben schon viele
> gemeint. Sei jetzt egal. Ich will diese Beweisführung auch noch nicht
> offen legen. Aber natürlich führt die Annahme der Existenz eines
> Gegenbeweises zu Überlegungen, wo der Fehler in Cantors sog.
> Diagonalverfahren liegt oder liegen könnte, und diese möchte ich hier
> kurz darstellen um mich mit der Kritik dazu auseinanderzusetzen
> (Alternativ wäre noch möglich, dass Beweis und Gegenbeweis beide
> formal richtig sind.

Naja, ich bin wirklich kein Experte, aber Deinen Gegenbeweis
wirst Du schon posten müssen.

>Dies würde zu einer Stärkung der
> intuitionistischen Position führen, den Beweis durch Widerspruch für
> unendliche Mengen und Gedanken über Unendliches noch fragwürdiger
> machen).
> Kurz sei das Diagonalverfahren dargestellt:
>
> Cantor betrachtet eine Liste der reellen Zahlen in der
> Dezimalzahlenschreibweise mit den einzelnen Stellen a_ij
>

> 0 , a_11 a_12 a_13 ..
> 0 , a_21 a_22 a_23 .
> 0 , a_31 a_32 a_33 .


>
> und stellt fest, dass er, wenn er aus dieser Liste eine Zahl erzeugt,
> indem er die Dezimalziffer a_11 nimmt, verändert, die Ziffer a_22
> nimmt, und verändert, die Ziffer a_33 nimmt, verändert, ad infinitum,
> und somit eine Dezimalzahl der Form
>
> 0 , a_11' a_22' a_33'
>
> also aus den jeweils veränderten Ziffern a_ij' aufbaut, diese neue
> Zahl unmöglich in der oberen Liste enthalten sein kann (denn sie
> unterscheidet sich gegenüber jeder Zahl der Liste an mindestens einer
> Dezimalstelle).

Richtig, das stimmt schon mal.

> Da aber nur eine Abzählbarkeit der reellen Zahlen
> gewährleistet ist wenn eine "nummerierbare" Aufzählung möglich ist
und
> die wesentliche Bedingung ist, dass eine solche Aufzählung alle
> Elemente der betrachteten Menge erfasst, ist die Menge der reellen
> Zahlen überabzählbar.

Man braucht einen Bijektion in die Menge der natürlichen Zahlen,
das steckt dahinter.

> Es genügt immer die Betrachtung einer
> gleichmächtigen Teilmenge.

ja

> Um einen Beweis zu betrachten, der die Abzählbarkeit ergibt, sei dies
> am Beispiel der rationalen Zahlen kurz gezeigt.
>
> Hier werden die Brüche in der Form
>

> 1/1 1/2 1/3 1/4 1/5 1/6 ..
> 2/1 2/2 2/3 2/4 2/5..
> 3/1 3/2 3/3 3/4 ..
> 4/1 4/2 4/3 ...
> 5/1 5/2...
> 6/1...


>
> aufgeführt und nun immer diagonal, also in der Reihenfolge 1/1 1/2
2/1

> 3/1 2/2 1/3 1/4 2/3 3/2 4/1 5/1 4/2 3/3 .. durchnummeriert. Durch


> dieses Verfahren ist gewährleistet, dass jede rationale Zahl
> irgendwann einmal in der Aufzählung auftaucht und entsprechend
> nummeriert wird (ob die Liste nur gekürzte Brüche enthält oder nicht
> ist eigentlich egal).

Nein, das ist nicht egal, weil daß der Injektivität der gefundenen
Abbildung
widerspricht, man kann diese aber "übergehen".

> Da jede rationale Zahl eine eigene Nummer

> bekommt, handelt es sich um eine eindeutige Abbildung - die


> Mächtigkeit der rationalen Zahlen ist gleich der Mächtigkeit der
> natürlichen Zahlen.
>
> Nun zur Kritik: in dem oberen Beweis wird mit einer Liste der reellen
> Zahlen gearbeitet. Nun kann man bei den nat. Zahlen eine erste Zahl
> n_0, z.B. 1, angeben. Und man kann zu jeder Zahl n die nächste Zahl
n'
> = n+1 angeben. Aus diesem Grund lässt sich beim Beweis mit den
> rationalen Zahlen eine Liste erzeugen, die einen Anfang und ein
> Bildungsgesetz hat. Im Grunde eine Reproduktion der Definition der
> nat. Zahlen durch die vollständige Induktion.

Ich sehe schon worauf das hinausläuft. Im Beweis von Cantor gehst
man davon aus, man "hätte" eine Bijektion f zwischen N und R, dann
nimmt man das Element von R, dessen eindeutiges Urbild unter f die
natürliche Zahl 0 (bzw. 1) ist und nennt dieses r_0, so erhält man
die gewünschte Folge!

>
> Bei den reellen Zahlen ist genau dies nicht möglich. Es gibt keine

> erste reelle Zahl. Sie müsste etwa 0, 000000 .... also unendlich


> viele Nullen und an der "unendlichsten" Stelle eine 1 haben.

Nein, Du verstehts das Prinzip des Beweises nicht, durch die
Annahme man hätte eine Bijektion (was man zum Widerspruch
führen will) bekommt man eine "erste" reelle Zahl unter dieser
Bijektion (siehe oben).

> Und es gibt kein Bildungsgesetz für eine nächste Zahl. Welche Zahl

> folgt auf 0,345067 . ?


> Damit ist aber der Anspruch, den Cantor an seine Liste der reellen
> Zahlen stellt nur sehr gering. Er besteht nämlich nur darin, dass die
> Liste in beliebiger Folge unendlich viele reelle Zahlen enthält. Gibt
> es eine solche Liste überhaupt?

Na klar, N ist Teilmenge von R.

> Denn wie will ich ohne einen Anfang
> und ohne eine Anordnung überhaupt gewährleisten, dass die Liste
> vollständig ist (oder aber evtl. auch Zahlen mehrfach enthält) bzw.
> kann diese Liste eigentlich immer nur einen Ausschnitt aus dem
> Kontinuum der reellen Zahlen darstellen.

Deswegen sind ja R und N nicht gleichmächtig, was der Widerspruchs-
beweis formal zeigt.

> Die Liste beginnt irgendwo
> und endet irgendwo.

Nein, man betrachtet Folgen, da hat jedes Glied einen Nachfolger,
also endet die Liste nicht.

> Dies bedeutet aber, dass die Zahl, die Cantor
> mittels seines Diagonalverfahrens bestimmt z.B. vor dem Anfang seiner
> Liste stehen könnte.

Wichtig ist nur, das diese Zahl bestimmt in R liegt, aber nicht durch
die
"Liste" abgedeckt wird, damit hat man doch den Widerspruch
zur Annahme "ich kann alle r \in R durchnummerieren"

>Wenn dem aber so wäre müsste die Nummerierung nur
> entsprechend verschoben werden, um diese Zahl mit einzubeziehen. Und
> die Nummerierung gelänge.

Nein, dann machs genauso und Du bekommst einen neue Zahl die nicht
drin liegt.


> Dies ist meine Kritik auf Cantors Diagonalverfahren und Motiv für die
> Suche eines Gegenbeweises.

Versuche erst einmal den Beweis zu verstehen.

>Vielleicht gibt es auch noch ein anderes
> Beweisverfahren das im Vergleich zum klassischen schlüssiger ist.

Das ist eines der schönsten Beispiele eines Beweises die ich kenne,
was willst Du mehr? Widerspruchsbeweise sind eben nicht konstruktiv.

> Wenn
> dem so wäre, wäre es schön, wenn mich jemand darauf aufmerksam machen
> würde. Und ich bin natürlich an jeder Art von Kritik und Hinweise
> interessiert.

Ich denke an Kritik und Hinweisen hast Du jetzt einiges.

Ciao,
Carsten


Helge Volland

unread,
Sep 14, 2004, 9:13:54 AM9/14/04
to
albrecht wrote:
> Bei den reellen Zahlen ist genau dies nicht möglich. Es gibt keine
> erste reelle Zahl. Sie müsste etwa 0, 000000 …... also unendlich
> viele Nullen und an der „unendlichsten" Stelle eine 1 haben.

Warum? Ist 0 keine reelle Zahl?

> Und es gibt kein Bildungsgesetz für eine nächste Zahl. Welche Zahl
> folgt auf 0,345067 … ?

Ist die 'nächste Zahl' nicht eine beliebige größere? Die lässt sich
auch immer in den reellen Zahlen finden.

Aber ich bin kein Mathematiker und gehe da mit gesundem
Menschenverstand ran :-)

helge

--
Perfection is achieved not when you have nothing more to add,
but when you have nothing left to take away.
(Antoine de Saint-Exupery)

Message has been deleted

Stefan Rueping

unread,
Sep 14, 2004, 9:09:14 AM9/14/04
to
albrecht wrote:
> Ich meine einen Gegen-Beweis zu Cantors Beweis der Überabzählbarkeit
> der reellen Zahlen gefunden zu haben. Gut, das haben schon viele
> gemeint. Sei jetzt egal. Ich will diese Beweisführung auch noch nicht
> offen legen.

Und ich kann fliegen, indem ich schnell genug mit den Ohren wackele. Nur
nicht, wenn jemand zuguckt.

> Nun zur Kritik: in dem oberen Beweis wird mit einer Liste der reellen
> Zahlen gearbeitet.

Es wird angenommen, dass so eine Liste existiert, denn genau das
bedeutet der Begriff "abzählbar". Der daraus gefolgerte Widerspruch
zeigt, dass diese Liste nicht existieren kann.


Tschüss,

Stefan Rüping

Theo Wollenleben

unread,
Sep 14, 2004, 9:22:28 AM9/14/04
to
albrecht wrote:
> Kurz sei das Diagonalverfahren dargestellt:
>
> Cantor betrachtet eine Liste der reellen Zahlen in der
> Dezimalzahlenschreibweise mit den einzelnen Stellen a_ij
>
> 0 , a_11 a_12 a_13 ….
> 0 , a_21 a_22 a_23 …
> 0 , a_31 a_32 a_33 …

> Nun zur Kritik: in dem oberen Beweis wird mit einer Liste der reellen


> Zahlen gearbeitet. Nun kann man bei den nat. Zahlen eine erste Zahl
> n_0, z.B. 1, angeben. Und man kann zu jeder Zahl n die nächste Zahl n'
> = n+1 angeben.

Genau.

> Bei den reellen Zahlen ist genau dies nicht möglich.

Informiere dich darüber, was Mächtigkeit, Abzählbarkeit und indirekter
Beweis bedeuten!

Marc Olschok

unread,
Sep 14, 2004, 10:51:04 AM9/14/04
to
albrecht <albs...@gmx.de> wrote:
> Hi,
>
> Ich meine einen Gegen-Beweis zu Cantors Beweis der Überabzählbarkeit
> der reellen Zahlen gefunden zu haben. Gut, das haben schon viele
> gemeint. Sei jetzt egal. Ich will diese Beweisführung auch noch nicht
> offen legen.[...]

Klasse. Melde Dich wieder, wenn Du Deinen Beweis posten willst.

Marc

Stefan Behrens

unread,
Sep 14, 2004, 12:31:58 PM9/14/04
to
On 14 Sep 2004 05:59:41 -0700, albs...@gmx.de (albrecht) wrote:

>Ich meine einen Gegen-Beweis zu Cantors Beweis der Überabzählbarkeit

>der reellen Zahlen gefunden zu haben. [...] Ich will diese

>Beweisführung auch noch nicht offen legen.

Soll das eine moderne Variante von Fermat werden? ;-)

Horst Kraemer

unread,
Sep 14, 2004, 1:01:21 PM9/14/04
to
albs...@gmx.de (albrecht) wrote:

> Hi,

> [...]

Ich will - anstatt auf Deine Kritikpunkte im Einzelnen einzugehen -
fuer den Fall, dass Du den Gehalt des CANTORschen Beweises nicht voll
gewuerdigt hast, skizzieren, *was* CANTOR eingentlich beweist:

Zu jeder mit den natuerlichen Zahlen numerierten Liste a_0,a_1,...
reeller Zahlen zwischen 0 und 1 gibt es eine reelle Zahl zwischen
0 und 1, die nicht in dieser Liste vorkommt.

Bist Du bereit, daraus zu schließen, dass es keine Liste gibt, die
*alle* reellen Zahlen zwischen 0 und 1 enthaelt ?

--
Horst

Hermann Kremer

unread,
Sep 14, 2004, 3:31:49 PM9/14/04
to
Marc Olschok schrieb in Nachricht ...


... und bis dahin kann man ja mal wieder Georg Cantor lesen:-)
http://134.76.163.65/agora_docs/49439TABLE_OF_CONTENTS.html
--> S. 117
Das ist die berühmte Stelle in der Arbeit von Georg Cantor von 1874, in
der er die Überabzählbarkeit der reellen Zahlen nachweist.

Wie schon David Hilbert so treffend bemerkte: "... wir lassen uns nicht aus
dem von [Georg] Cantor geschaffenen Paradies vertreiben ..."
http://134.76.163.65/agora_docs/26802TABLE_OF_CONTENTS.html
--> S. 161-190, Zitat auf S. 171

Grüße
Hermann
--

>Marc


albrecht

unread,
Sep 15, 2004, 4:24:42 AM9/15/04
to
Hi,

Ich versuche mal, auf die bisher erhobenen Einwände pauschal zu
antworten. Es scheint mir so, dass die erhobene Kritik im Wesentlichen
darauf hinaus läuft, dass der Widerspruchsbeweis die Existenz einer
Liste aller reellen Zahlen behauptet und dann durch das
Diagonalverfahren belegt, dass diese Liste eben nicht vollständig sein
kann. Kurz gesagt, Cantor behauptet eben nicht, dass es eine solche
Liste gibt. Aber – und hier setzt wieder meine Kritik an – er nimmt
zuerst die Existenz einer solchen Liste an. Nun habe ich die Frage:
Kann eine solcher Liste vielleicht auch aus anderen Gründen als der
Überabzählbarkeit nicht existieren? Der Widerspruch ergäbe sich z.B.
aus einem fehlerhaften Konstruktionsprinzip. Ein Beispiel: Ich habe
die Aufgabe, eine Liste von den Schafen auf einer Koppel herzustellen.
Ich stelle mich an den Zaun und schreibe beim ersten Schaf, das in
meine Nähe kommt „Schaf 1" beim nächsten „Schaf 2", etc. Ich sage nun
naiv, dass ich auf diese weise eine Liste der Schafe bekomme, aber es
ist sofort klar, dass diese Liste nicht die Anforderungen erfüllt, die
wir normaler weise an eine Liste stellen.
Ich fordere also, dass eine Liste ein erstes Element und für jedes
n-te Element ein und nur ein nächstes Element besitzen darf, dass sie
prinzipiell alle Elemente erfasst, auch evtl. erst nach unendlicher
Zeit und dass sie kein Elemente mehrfach aufnimmt. Eine Ansammlung,
die diese Kriterien nicht erfüllt, ist keine Liste. Wenn ich aber
keine Ansammlung erzeugen kann, die diese Anforderungen erfüllt, kann
ich aus dem Umstand, dass dies keine Liste ist nichts anderes
herleiten, als dass die Listenkriterien nicht erfüllt sind.
Anders gesagt, beweist Cantor, dass die reellen Zahlen nicht
anordenbar sind. Daraus ergibt sich aber m.E. höchstens die
Konsequenz, dass die Frage nach der Gleichmächtigkeit nicht
entscheidbar ist. Noch einmal anders: Warum muss eine anordenbare
Menge (die nat. Zahlen) weniger mächtig sein als eine nicht
anordenbare?

Eine andere Argumentationskette:
Ich wende das Diagonalverfahren eben an, um die bijektive Zuordnung zu
erzeugen: Man nehme ein beliebiges Intervall an reellen Zahlen. Wir
hätten sogar ein erstes Element, wenn die untere Grenze mit
eingeschlossen wäre und stellen damit eine „Liste" her, ganz analog
zum Beweisverfahren. Nun ist die Konstruktion aber noch nicht fertig.
Vielmehr wird nun auf diese Liste das Diagonalverfahren in eben der
bekannten weise angewendet und die sich ergebende neue Zahl zur Liste
hinzugefügt – ad infinitum. Im Prinzip nichts anderes, wie wenn ich
sage, jede nat. Zahl hat einen Nachfolger ad infinitum.
Die obige Konstruktion würde nun direkt garantieren, dass diese
„Liste" eben jede reelle Zahl enthält. Indem ich nun bei jedem
Hinzufügen auch noch den Zähler meiner Nummerierung um eins erhöhe
(der freilich schon auf unendlich steht, aber dies ist keine Grenze,
an der ich nicht weiterzählen dürfte; mein Zähler wird halt noch
unendlicher) , ergibt sich eine bijektive Zuordnung zu N (immer
vorausgesetzt, dass man die Herstellung einer Ursprungsliste
akzeptiert. Vorteilhaft wäre es vielleicht mit einer Liste wie:
0,1111111…
0,222222…
.
.
.
0,999999….
0,10101010…
0,12121212….
.
.
.

zu beginnen. Aus dieser „Keimliste" würde dann der Rest der reellen
Zahlen durch das Diagonalverfahren entwickelt werden).

Von der Ausführung, es gäbe keine erste reelle Zahl, rücke ich
jetzt nachdrücklich ab. Natürlich kann man die Null als erste reelle
Zahl betrachten, bzw. einfach ein Intervall nehmen, dessen mit
eingeschlossene Schranke das erste Element bildet.

Ich bin gespannt auf die weiteren Reaktionen

Ciao

Albrecht

Theo Wollenleben

unread,
Sep 15, 2004, 4:45:51 AM9/15/04
to
albrecht wrote:
> Es scheint mir so, dass die erhobene Kritik im Wesentlichen
> darauf hinaus läuft, dass der Widerspruchsbeweis die Existenz einer
> Liste aller reellen Zahlen behauptet und dann durch das
> Diagonalverfahren belegt, dass diese Liste eben nicht vollständig sein
> kann.

Genau.

> Nun habe ich die Frage:
> Kann eine solcher Liste vielleicht auch aus anderen Gründen als der
> Überabzählbarkeit nicht existieren?

Nein. Informiere dich darüber, was "Überabzählbarkeit" bedeutet!

> Ich fordere also, dass eine Liste ein erstes Element und für jedes
> n-te Element ein und nur ein nächstes Element besitzen darf, dass sie
> prinzipiell alle Elemente erfasst, auch evtl. erst nach unendlicher
> Zeit und dass sie kein Elemente mehrfach aufnimmt.

Informiere dich darüber, was "Mächtigkeit" bedeutet!

> Noch einmal anders: Warum muss eine anordenbare
> Menge (die nat. Zahlen) weniger mächtig sein als eine nicht
> anordenbare?

Wer sagt das denn? Was hat das mit dem Problem zu tun?

> Nun ist die Konstruktion aber noch nicht fertig.
> Vielmehr wird nun auf diese Liste das Diagonalverfahren in eben der
> bekannten weise angewendet und die sich ergebende neue Zahl zur Liste
> hinzugefügt – ad infinitum. Im Prinzip nichts anderes, wie wenn ich
> sage, jede nat. Zahl hat einen Nachfolger ad infinitum.
> Die obige Konstruktion würde nun direkt garantieren, dass diese
> „Liste" eben jede reelle Zahl enthält.

Du hast seit deiner ersten Nachricht nichts dazugelernt.

> (der freilich schon auf unendlich steht, aber dies ist keine Grenze,
> an der ich nicht weiterzählen dürfte; mein Zähler wird halt noch
> unendlicher)

Der Zähler darf aber niemals den unendlichsten aller Zähler
überschreiten. Denn sonst käme es zu einer logischen
Rückkopplungsingularitätsanomalie im unendlich großen Phrasenraum.

Axel Schmitz-Tewes

unread,
Sep 15, 2004, 5:34:08 AM9/15/04
to
albrecht schrieb:

> Es scheint mir so, dass die erhobene Kritik im Wesentlichen
> darauf hinaus läuft, dass der Widerspruchsbeweis die Existenz einer
> Liste aller reellen Zahlen behauptet und dann durch das
> Diagonalverfahren belegt, dass diese Liste eben nicht vollständig sein
> kann.

Aus 'abzählbar' folgt die Existenz einer solchen Liste. ( Du mußt
nämlich nur abzählen ;-)

Also gilt: Wenn es eine solche Liste nicht gibt, kann die nicht
auflistbare Menge auch nicht abzählbar sein.

Dann sind Trivialitäten der formalen Logik.

Ein Widerspruchsbeweis ist ein bißchen diffiziler. Man nimmt im
Gegensatz zu dem, was man eigentlich beweisen will, an, daß wir eine
Liste (Abzählung) der Menge hätten. Diese Tatsache wird nun zu einem
Widerspruch geführt. Damit ist dann die zu beweisende Aussage dann
gezeigt.

Die zugrunde liegende Logik beruht auf den Satz des ausgeschlossenen
Dritten oder anders formuliert für jede Aussage A ist (A oder non A)
immer gültig.

Wenn nun (non A) zu einem Widerspruch führt, kann (non A) nicht
konsistent mit den übrigen Regeln sein und ist damit nicht gültig, weil
aber der Satz von ausgeschlossenen Dritten gilt, folgt also A.

(Konsistenz ist eine wichtige Voraussetzung )

Du könntest jetzt versuchen diese sprachliche Beschreibung auf unsere
Situation anzuwenden.

Au := 'Es gibt keine Aufzählung der reellen Zahlen'

non Au = ... (?)

Aussage B = (Es existiert x mit (x ist Aufzählung der reellen Zahlen im
Intervall (0,1))

formuliert mit Prädikat A(x) := 'x ist Aufzählung der rellen Zahlen in
(0,1)' :

B := '(Es existiert x ) mit A(x)'

zeige nun: aus (non Au ) läßt sich sowohl B als auch non B ableiten.

Das Cantorsche Diagonalelement zeigt dabei den Zwischenschritt

(für alle x) gilt ( A(x) -> non A(x) ).

Damit ist (non Au) nicht konsistent und Au _muß_ gelten, solange die
involvierte Mathematik überhaupt konsistent ist ;-)


> Kurz gesagt, Cantor behauptet eben nicht, dass es eine solche
> Liste gibt.


Es geht nicht um das, was Cantor _nicht_ behauptet.

> Aber - und hier setzt wieder meine Kritik an - er nimmt


> zuerst die Existenz einer solchen Liste an. Nun habe ich die Frage:


überdenke Deine Kritik noch einmal in diesem Lichte...

Axel

Gastfreund aus Korinth

unread,
Sep 15, 2004, 5:58:19 AM9/15/04
to
On Wed, 15 Sep 2004 01:24:42 -0700, albrecht schrieb:

> Es scheint mir so, dass die erhobene Kritik im Wesentlichen
> darauf hinaus läuft, dass der Widerspruchsbeweis die Existenz einer
> Liste aller reellen Zahlen behauptet und dann durch das
> Diagonalverfahren belegt, dass diese Liste eben nicht vollständig sein
> kann.

Achten wir ein wenig auf die Sprache. Statt "Liste" sagen wir "Folge".

> Kurz gesagt, Cantor behauptet eben nicht, dass es eine solche
> Liste gibt. Aber – und hier setzt wieder meine Kritik an – er nimmt
> zuerst die Existenz einer solchen Liste an. Nun habe ich die Frage:
> Kann eine solcher Liste vielleicht auch aus anderen Gründen als der
> Überabzählbarkeit nicht existieren?

Nein, weil der Begriff "überabzählbar" gerade bedeutet, daß es eine
solche Folge nicht geben kann.

> Der Widerspruch ergäbe sich z.B.
> aus einem fehlerhaften Konstruktionsprinzip.

Es könnte sein, daß das Verfahren, mit dem Cantor nachweist, daß eine
Folge reeller Zahlen nicht alle reelle Zahlen enthalten kann, falsch ist.
Aber der Beweis ist sehr kurz und leich überschaubar und bis jetzt ist
niemandem ein logischer Fehler aufgefallen.

> Ein Beispiel: Ich habe
> die Aufgabe, eine Liste von den Schafen auf einer Koppel herzustellen.
> Ich stelle mich an den Zaun und schreibe beim ersten Schaf, das in
> meine Nähe kommt „Schaf 1" beim nächsten „Schaf 2", etc. Ich sage nun
> naiv, dass ich auf diese weise eine Liste der Schafe bekomme, aber es
> ist sofort klar, dass diese Liste nicht die Anforderungen erfüllt, die
> wir normaler weise an eine Liste stellen.

Darum, wie die Folge erzeugt wird, d.h. wie auf die Schafe die Zahlen
rangeschrieben werden, wird nicht gesprochen. Die Frage ist, ob wir
genügend Zahlen haben.

> Ich fordere also, dass eine Liste ein erstes Element und für jedes
> n-te Element ein und nur ein nächstes Element besitzen darf, dass sie
> prinzipiell alle Elemente erfasst, auch evtl. erst nach unendlicher
> Zeit und dass sie kein Elemente mehrfach aufnimmt. Eine Ansammlung,
> die diese Kriterien nicht erfüllt, ist keine Liste. Wenn ich aber
> keine Ansammlung erzeugen kann, die diese Anforderungen erfüllt, kann
> ich aus dem Umstand, dass dies keine Liste ist nichts anderes
> herleiten, als dass die Listenkriterien nicht erfüllt sind.
> Anders gesagt, beweist Cantor, dass die reellen Zahlen nicht
> anordenbar sind.

Die reellen Zahlen sind leicht anzuordnen. Wenn x und y zwei reelle Zahlen
sind, gilt entweder x <= y oder y <= x. Mit Ordnung hat dieses Problem
nichts zu tun.

> Daraus ergibt sich aber m.E. höchstens die
> Konsequenz, dass die Frage nach der Gleichmächtigkeit nicht
> entscheidbar ist. Noch einmal anders: Warum muss eine anordenbare
> Menge (die nat. Zahlen) weniger mächtig sein als eine nicht
> anordenbare?

Jede Menge kann angeordnet werden, dieser Weg führt Dich in die irre. Der
Begriff "weniger mächtig" ist ein mathematisch genau definierter Begriff,
d.h. man hat auch auf der Menge der Kardinalzahlen die Relation <= und
für zwei Kardinalzahlen a und b gilt a <= b oder b <= a. Das ist keine
triviale Aussage und wird als Satz von Bernstein bezeichnet.

jb

Gottfried Helms

unread,
Sep 15, 2004, 6:12:45 AM9/15/04
to
Am 15.09.04 10:24 schrieb albrecht:

> entscheidbar ist. Noch einmal anders: Warum muss eine anordenbare
> Menge (die nat. Zahlen) weniger mächtig sein als eine nicht
> anordenbare?
>

Du hast das Problem genannt, daß der Grund, warum etwas nicht
in eine Liste (=abzählbar) gebracht werden kann, auch in etwas
anderem liegen kann, als der "überabzählbarkeit", z.B. daß das
Listenprinzip "nicht anwendbar" ist, also, nach Deiner
Formulierung: wieso ist "nicht abzählbar" gleich "über-abzählbar",
(wenn ich das richtig verstanden habe). Es könnte ja z.B. auch
"unter-abzählbar" oder überhaupt ein ungeeignetes Exemplar für
den versuch des Abzählens sein.
Daß aus "nicht-abzählbar" in diesem Fall "über-abzählbar" folgt
(und nicht "nicht anwendbar" oder "unter-abzählbar") ergibt sich
daraus, daß die abzählbare Liste N eine Untermenge von R ist,
und nicht eine Obermenge oder eine zu R fremde Menge.

Meine 2 pfenninge...

Gottfried Helms

Lukas-Fabian Moser

unread,
Sep 15, 2004, 6:51:59 AM9/15/04
to
Hallo,

On 15 Sep 2004 01:24:42 -0700, albs...@gmx.de (albrecht) wrote:

>Ich versuche mal, auf die bisher erhobenen Einwände pauschal zu
>antworten. Es scheint mir so, dass die erhobene Kritik im Wesentlichen
>darauf hinaus läuft, dass der Widerspruchsbeweis die Existenz einer
>Liste aller reellen Zahlen behauptet und dann durch das
>Diagonalverfahren belegt, dass diese Liste eben nicht vollständig sein
>kann. Kurz gesagt, Cantor behauptet eben nicht, dass es eine solche
>Liste gibt. Aber – und hier setzt wieder meine Kritik an – er nimmt
>zuerst die Existenz einer solchen Liste an. Nun habe ich die Frage:
>Kann eine solcher Liste vielleicht auch aus anderen Gründen als der
>Überabzählbarkeit nicht existieren? Der Widerspruch ergäbe sich z.B.

Du begehst hier einen Denkfehler, den ich auch bei Erstsemestern in
Übungsgruppen öfters erlebt habe: Du vergißt, daß mathematische
Begriffe eine präzise definierte Bedeutung haben, die vollkommen
unabhängig ist von irgendwelchen Assoziationen, die der Wortklang beim
Laien wecken kann.

So wunderten sich die Studenten über die Aussage "|Q ist abzählbar"
mit dem Argument, sie könnten doch niemals alle rationalen Zählen.
Dabei hat das auch niemand behauptet: definitionsgemäß bedeutet
Abzählbarkeit einer Menge X nur, daß es eine [je nachdem, ob man
endliche Mengen als abzählbar bezeichnen möchte oder nicht] surjektive
bzw. bijektive Abbildung |N -> X gibt.

Nun lautet dein Argument ungefähr folgendermaßen: "Könnte die
Nichtexistenz dieser Liste (= surjektiven Abbildung |N -> |R) nicht
auch aus anderen Gründen als der Überabzählbarkeit folgen?" Bedenkt
man nun, daß Überabzählbarkeit einer Menge X *definiert ist* als die
Nichtexistenz einer surjektiven Abbildung |N -> X - unabhängig davon,
welche Assoziationen das Wort "Überabzählbar" bei Dir oder sonst
jemandem wecken könnte -, ist dein Argument äquivalent zur Frage:

"Könnte diese Abbildung nicht auch aus anderen Gründen als wegen der
ihrer Nichtexistenz nicht existieren?" Die Sinnlosigkeit dieser Frage
ist aber wohl evident.

Grüße, Lukas

Gerd Thieme

unread,
Sep 15, 2004, 9:39:32 AM9/15/04
to
albrecht wrote:

> Es scheint mir so, dass die erhobene Kritik im Wesentlichen
> darauf hinaus läuft, dass der Widerspruchsbeweis die Existenz einer
> Liste aller reellen Zahlen behauptet

^^^^^^^^^
Das wird nicht behauptet, sondern nur als Hypothese angenommen.

So funktionieren alle indirekten Beweise. Man nimmt das Gegenteil von
dem an, was man beweisen will, und konstruiert daraus irgendeinen
Widerspruch. Weil man aus richtigen Annahmen keinen Widerspruch
konstruieren kann, hat man damit bewiesen, daß die Annahme falsch war.

Es ist dabei völlig unwesentlich, welcher Widerspruch konstruiert wird.
Es kann das unmittelbare Gegenteil der ursprünglichen Annahme sein, aber
auch irgendetwas Anderes.



> und dann durch das Diagonalverfahren belegt, dass diese Liste eben
> nicht vollständig sein kann. Kurz gesagt, Cantor behauptet eben

> nicht, dass es eine solche Liste gibt. Aber ? und hier setzt wieder
> meine Kritik an ? er nimmt zuerst die Existenz einer solchen Liste
> an.

Genau. Aus dieser Annahme schließt er auf ihr Gegenteil. Aus Wahrem
folgt aber niemals Falsches. Also ist die Annahme nicht wahr. Elementare
Logik.

Gerd

Rudolf Sponsel

unread,
Sep 15, 2004, 11:04:20 AM9/15/04
to
Horst Kraemer wrote:
> albs...@gmx.de (albrecht) wrote:
>
>
>>Hi,
>
>
>>[...]
>
>
> Ich will - anstatt auf Deine Kritikpunkte im Einzelnen einzugehen -
> fuer den Fall, dass Du den Gehalt des CANTORschen Beweises nicht voll
> gewuerdigt hast, skizzieren, *was* CANTOR eingentlich beweist:
>
> Zu jeder mit den natuerlichen Zahlen numerierten Liste a_0,a_1,...
> reeller Zahlen zwischen 0 und 1 gibt es eine reelle Zahl zwischen
> 0 und 1, die nicht in dieser Liste vorkommt.

heißt eine hier mindestens eine oder sogar unendlich viele?

> Bist Du bereit, daraus zu schließen, dass es keine Liste gibt, die
> *alle* reellen Zahlen zwischen 0 und 1 enthaelt ?

Hm, warum soll man sich keine Liste *denken* können, in der *alle*
reellen Zahlen enthalten sind? Man denkt ja auch ansonsten z.B "jede
reelle Zahl ..." <=> "für alle reellen Zahlen gilt ..." und kann sie
doch niemals aufschreiben.

Richtig ist es wohl, wenn man von einer operationalen, hergestellten
Liste spricht. Die ist immer endlich und kann infolgedessen
diesbezüglich immer ergänzt werden.

Man könnte sagen *alle* reellen Zahlen "gibt" es gar nicht - weil es
eben unendlich viele sind - aber wieso darf man dann in anderen
Zusammenhängen von *allen* reellen Zahlen reden?

Vielleicht gings ja auch um die intuitionistische Gretchenfrage: darf
man Aussagen über Objekte machen, die man letztlich nicht operational
konstruieren kann? Brouwer und die Intuitionisten bestritten dies.

Man könnte dann sagen: Entweder darf ich über unendliche mathematische
Objekte reden, auch wenn ich sie nicht ob der Unendlichkeit konstruieren
kann, dann kann ich aber auch über eine (gedachte) unendliche Liste
reden, die alle reellen Zahlen enthält oder ich darf es ansonsten auch
nicht.

.. irgendwie verwickelt ...

Rudolf Sponsel, Erlangen

Klaus Loerke

unread,
Sep 15, 2004, 11:13:58 AM9/15/04
to
> > Zu jeder mit den natuerlichen Zahlen numerierten Liste a_0,a_1,...
> > reeller Zahlen zwischen 0 und 1 gibt es eine reelle Zahl zwischen
> > 0 und 1, die nicht in dieser Liste vorkommt.
>
> heißt eine hier mindestens eine oder sogar unendlich viele?

"es gibt ein" heißt wie immer in der Mathematik "es gibt mindestens ein".

> > Bist Du bereit, daraus zu schließen, dass es keine Liste gibt, die
> > *alle* reellen Zahlen zwischen 0 und 1 enthaelt ?
>
> Hm, warum soll man sich keine Liste *denken* können, in der *alle*
> reellen Zahlen enthalten sind?

Wenn "denken" bedeutet, daß das Gedachte in sich schlüssig ist, dann zeigt
Cantors Beweis, daß man eine solche Liste nicht denken kann.

> Man denkt ja auch ansonsten z.B "jede
> reelle Zahl ..." <=> "für alle reellen Zahlen gilt ..." und kann sie
> doch niemals aufschreiben.

Das ist (hier) nicht der Punkt. Für jede reelle Zahl gibt es z.B. eine, die
noch größer ist. Wann immer du mir eine reelle Zahl nennst, nenn ich dir
eine größere. Es ist nicht wichtig, ob man jede Zahl wirklich "anfassen"
kann. Es ist nur wichtig, daß, wannimmer du mir eine Zahl nennst, ich eine
größere finde.

> Richtig ist es wohl, wenn man von einer operationalen, hergestellten
> Liste spricht. Die ist immer endlich und kann infolgedessen
> diesbezüglich immer ergänzt werden.

Nein, _das_ ist hier nicht der Punkt. Es geht nicth darum, ob man eine Liste
konstruieren kann. Es geht darum, daß man von jeder Liste zeigen kann, daß
sie nicht vollständig ist. Gib mir eine Liste, und ich sage dir, ätsch,
diese Zahl steht nicht drauf.


> Man könnte dann sagen: Entweder darf ich über unendliche mathematische
> Objekte reden, auch wenn ich sie nicht ob der Unendlichkeit konstruieren
> kann, dann kann ich aber auch über eine (gedachte) unendliche Liste
> reden, die alle reellen Zahlen enthält oder ich darf es ansonsten auch
> nicht.

Dieser Beweis spielt sich innerhalb von ZFC ab. Egal ob man Konstruktivist,
Intuitionist Mengenlehrer oder sonstwas ist, arbeitet man in ZFC. Da gibt es
halt ein paar Axiome, die das Fundament biden. Vielleicht gefallen einem K.
oder I. diese Axiome nicht, aber wenn er in ZFC arbeitet, gelten diese.
Punkt.

Du sagst ja auch nicht "Bei Schwerelosigkeit wird mir schlecht, also sind
Ergebnisse, die unter Schwerelosigkeit erzielt werden, falsch."

klaus


Jutta Gut

unread,
Sep 15, 2004, 11:45:49 AM9/15/04
to
Ich kann deine Logik nicht nachvollziehen. Du meinst, "einen Gegen-Beweis

zu Cantors Beweis der Überabzählbarkeit der reellen Zahlen gefunden zu
haben". Du bist also der Meinung, dass die reellen Zahlen abzählbar sind,
also dass es eine Liste aller reeller Zahlen gibt. Und dann erklärst du,
dass es eine solche Liste nicht gibt. So what?

"albrecht" <albs...@gmx.de> schrieb

> Ich fordere also, dass eine Liste ein erstes Element und für jedes
> n-te Element ein und nur ein nächstes Element besitzen darf, dass sie
> prinzipiell alle Elemente erfasst, auch evtl. erst nach unendlicher
> Zeit und dass sie kein Elemente mehrfach aufnimmt. Eine Ansammlung,
> die diese Kriterien nicht erfüllt, ist keine Liste. Wenn ich aber
> keine Ansammlung erzeugen kann, die diese Anforderungen erfüllt, kann
> ich aus dem Umstand, dass dies keine Liste ist nichts anderes
> herleiten, als dass die Listenkriterien nicht erfüllt sind.
> Anders gesagt, beweist Cantor, dass die reellen Zahlen nicht
> anordenbar sind.

Genau diese Eigenschaft nennt man üblicherweise nicht "anordenbar",
sondern "abzählbar". Wenn es keine Liste gibt, ist R nicht abzählbar.
Du fällst dir mit deiner Argumentation selbst in den Rücken.

Grüße
Jutta


Horst Kraemer

unread,
Sep 15, 2004, 12:51:00 PM9/15/04
to
Rudolf Sponsel <rathsman...@nefkom.net> wrote:

> Horst Kraemer wrote:
> > albs...@gmx.de (albrecht) wrote:
> >
> >
> >>Hi,
> >
> >
> >>[...]
> >
> >
> > Ich will - anstatt auf Deine Kritikpunkte im Einzelnen einzugehen -
> > fuer den Fall, dass Du den Gehalt des CANTORschen Beweises nicht voll
> > gewuerdigt hast, skizzieren, *was* CANTOR eingentlich beweist:
> >
> > Zu jeder mit den natuerlichen Zahlen numerierten Liste a_0,a_1,...
> > reeller Zahlen zwischen 0 und 1 gibt es eine reelle Zahl zwischen
> > 0 und 1, die nicht in dieser Liste vorkommt.
>
> heißt eine hier mindestens eine oder sogar unendlich viele?
>
> > Bist Du bereit, daraus zu schließen, dass es keine Liste gibt, die
> > *alle* reellen Zahlen zwischen 0 und 1 enthaelt ?
>
> Hm, warum soll man sich keine Liste *denken* können, in der *alle*
> reellen Zahlen enthalten sind? Man denkt ja auch ansonsten z.B "jede
> reelle Zahl ..." <=> "für alle reellen Zahlen gilt ..." und kann sie
> doch niemals aufschreiben.

Da ist ein kleiner Unterschied. Von der "Menge der aller reellen
Zahlen" kann man auch in einer nicht elaborierten "intuitiven"
Mengenlehre ohne weiteres sprechen. Es geht aber hier um den Begriff
"numerierte Liste von reellen Zahlen", d.h. von einer Menge von
reellen Zahlen, bei der zusaetzlich jedem Element der Menge eindeutig
eine "Nummer" alias "natuerliche Zahl" zugeordnet ist. Dass man jede
beliebige Menge auch numerieren kann, folgt nicht aus diesen Axiomen.

Ob man bei einer beliebigen Menge von der "numerierten Liste aller
Elemente der Menge" sprechen darf, ist im Einzelfall nachzupruefen.

Man kann unter Anwendung der Axiome der "ueblichen" Mengenlehren
leicht zeigen, dass z.B. die Potenzmenge der natuerlichen Zahlen (die
Menge der Teilmengen von N) nicht numeriert werden kann.

Insbesondere zeigt der Cantorsche Beweis, dass die Menge der reellen
Zahlen aus [0,1] nicht numeriert werden kann. Also ist es ohne
vorherige Pruefung nicht legitim, von einer "numerierten Liste aller
reellen Zahlen" zu sprechen oder eine solche auch nur zu "denken", da
so ein Ding nachweislich in sich widerspruechlich ist.

--
Horst

Peter Niessen

unread,
Sep 15, 2004, 1:39:59 PM9/15/04
to

Oder noch kürzer:
Wenn sich schon eine Teilliste aus R nicht mit N abzählen lässt, wie soll
es dann für ganz R gehen?

Mit freundlichen Grüßen
Peter Nießen

Peter Niessen

unread,
Sep 15, 2004, 3:15:00 PM9/15/04
to
Am 15 Sep 2004 01:24:42 -0700 schrieb albrecht:

> Ich bin gespannt auf die weiteren Reaktionen

Argumente hast Du genug bekommen :-))
Was ist aber mit der Frage wenn im Sinne der Abzählbarkeit (Mächtigkeit)
gilt:
es gibt Mengen C; D ;... so das gilt
N<R<C<D<... ?
Viel Spass beim Grübeln über die Tücken der Mengenlehre.

Mit freundlichen Grüßen
Peter Nießen

Übrigens:
Im Sinne der Ordinalzahlen kann man ganz locker weiter als Unendlich
zählen.

Rudolf Sponsel

unread,
Sep 15, 2004, 4:41:21 PM9/15/04
to
Horst Kraemer wrote:
> Rudolf Sponsel <rathsman...@nefkom.net> wrote:
>
>
>>Horst Kraemer wrote:
>>
>>>albs...@gmx.de (albrecht) wrote:
>>>
...
(a)

> Man kann unter Anwendung der Axiome der "ueblichen" Mengenlehren
> leicht zeigen, dass z.B. die Potenzmenge der natuerlichen Zahlen (die
> Menge der Teilmengen von N) nicht numeriert werden kann.

(b)


> Insbesondere zeigt der Cantorsche Beweis, dass die Menge der reellen
> Zahlen aus [0,1] nicht numeriert werden kann. Also ist es ohne
> vorherige Pruefung nicht legitim, von einer "numerierten Liste aller
> reellen Zahlen" zu sprechen oder eine solche auch nur zu "denken", da
> so ein Ding nachweislich in sich widerspruechlich ist.

Auch wenn alle mit dem Kopf schütteln - ich trau mich mal und meine, daß
mir (a) so und (b) nicht so einfach einleichtet. Effektiv sollte man
zu jeder rellen Zahl aus [0,1] eine natürliche Zahl (Nummer) angeben
können. Mir scheint, das ist durch ein Spiel mit folgenden Regeln machbar.

I. Spieler S1 beginnt und sagt eine reelle Zahl R, Spieler S2 ordnet
dieser Zahl R eine natürliche Zahl N zu.

II. R und N dürfen sich nicht wiederholen.

III Zur Kontrolle für N wird N fortlaufend um 1 erhöht. Zur
Erleichterung kann die jeweils höchste Zahl des letzten Spielzugs
vermerkt werden

IV. Zur Kontrolle für R wird ein neues R zwischen der nächst größeren
und nächst kleineren eingeordnet.

Spielbeginn:
01 S1: 0,1 S2: 1
02 S1: 0,11 S2: 2
03 S1: 0,111 S2: 3
05 S1: 0,1101 S2: 5
06 S1: 0,110101 S2: 6
04 S1: 0,1111 S2: 4 Merke höchste: 6
...
...

Obwohl intuitiv klar ist, daß es natürlich viel, viel mehr reelle Zahlen
geben muß als natürliche, sehe ich bei *diesem* Spiel nicht, wieso man
nicht jeder reellen Zahl eine natürliche Zahl ("Nummer") zuordnen können
soll.

Auch für die Potenzmenge sollte dieses Spiel möglich sein.
01 S1: {1} S2: 1
02 S1: {1,2} S2: 2
S1: {1} S2: 3
S1: {2} S2: 4

N S1: 2^N -1 Vorgänger + 2^N -1

Ich versuche mal eine Deutung: so lange man im Effektiven, beim
tatsächlichen Nummerieren bleibt, ist eine solche Zuordnung möglich.
Es scheint ein Spiel ohne Ende: Zu jeder Zahl R kann immer wieder eine
Zahl N gefunden werden. Das mutet sehr paradox, ja widersprüchlich an.

Was kann gegen dieses Spiel eingewendet werden?

Rudolf Sponsel, Erlangen

albrecht

unread,
Sep 16, 2004, 4:31:02 AM9/16/04
to
Horst Kraemer <horst....@epost.de> wrote in message news:<7m8ek0h2deqqvpk77...@4ax.com>...

Nein.

Hi,

>Zu jeder mit …


Man muss sich fragen, was man sich unter Liste den eigentlich
vorstellt. Ich sehe zwei Bilder: Einmal eine fertige Liste die
tatsächlich vorliegt. Dies entspricht einer abzählbaren endlichen
Menge. Oder aber eine Liste die ständig fortgeschrieben wird. Diese
Liste wird nicht durch ihre Elemente sondern durch ihr
Konstruktionsverfahren definiert. Die nat. Zahlen, wenn sie aus der
vollständigen Induktion entwickeln werden, entsprechen genau so einer
„dynamischen" Liste. Diese Liste ist nie fertig. Selbst wenn beim
Beginn der Welt angefangen worden wäre, die Liste der nat. Zahlen
aufzustellen, wäre die Liste zwar, für unsere Verhältnisse, unendlich
lang. Aber es würde immer noch unendlich weiter gezählt werden. Von
fast unendlich bis unendlich ist es unendlich weit.
Die Liste der nat. Zahlen hat sehr angenehme Eigenschaften: Jedes
Element beinhaltet die Information, welche Elemente schon aufgezählt
worden wären, wenn man von 1 beginnend zu dem Element hochgezählt
hätte. Wenn ich diese Liste aufstelle, habe ich nie die Sorge dass ich
ein Element zum wiederholten male auflisten würde, das heißt, ich
brauche keinen Algorithmus, der testet, ob ein Element schon in meiner
Menge enthalten ist. Wenn eine Menge gezählt wird, die diese
Eigenschaft nicht hat, muss ich mich z.B. damit behelfen, dass ich
schon aufgelistete bzw. gezählte Elemente markiere oder ähnliches.
Des Weiteren kann ich auch kein Element vergessen. Dadurch dass jedes
Element einen definitiven Nachfolger hat ist gewährleistet, dass ich,
wenn ich bis n zähle, alle Vorgänger durchlaufe. Bei einer Menge, bei
der dies nicht der Fall ist brauche ich einen Algorithmus, der
gewährleistet, dass am Schluss kein Element übrig bleibt. Bei einer
unendlichen Menge muss dies durch das Konstruktionsprinzip gegeben
sein.
Ich behaupte nun, dass es einen Algorithmus gibt, der, in einem
unendlichen Prozess, eine Liste der reellen Zahlen zwischen 0 und 1
ausgibt. Wie auch bei der Definition der nat. Zahlen kann ich
Vorschriften verwenden, die unendlich oft angewendet werden. Bei der
vollständigen Induktion ist diese Vorschrift: Erzeuge für jedes n
n'=n + 1 oder auch als Nachfolger-Operation s(n)=n+1 bekannt.
Bei der Menge der reellen Zahlen wäre diese Operation, die unendlich
oft angewandt wird, genau das Cantor'sche Diagonalverfahren mit dem
Zusatz: Hänge die erzeugte Zahl an die schon vorhandene Liste an und
erhöhe den Zähler um 1.
In einem unendlichen Prozess entsteht so, aus einer unendlichen
Startliste heraus, eine vollständige Liste der reellen Zahlen.


Ciao

Albrecht

Gerd Thieme

unread,
Sep 16, 2004, 4:51:11 AM9/16/04
to
Rudolf Sponsel wrote:

> Obwohl intuitiv klar ist, daß es natürlich viel, viel mehr reelle Zahlen
> geben muß als natürliche, sehe ich bei *diesem* Spiel nicht, wieso man
> nicht jeder reellen Zahl eine natürliche Zahl ("Nummer") zuordnen können
> soll.

Dein »Spiel« ist zwar durch die Einführung eines zweiten Mitspielers
unnötig kompliziert (einfaches Durchzählen tut's auch), aber der Effekt
ist derselbe: Wie auch immer Deine beiden Spieler entscheiden, das
Cantorsche Diagonalenverfahren liefert eine reelle Zahl, die der erste
Spieler ausgelassen hat.

Gerd

Andreas Homrighausen

unread,
Sep 16, 2004, 4:56:27 AM9/16/04
to
Hallo Albrecht,

> Ich behaupte nun, dass es einen Algorithmus gibt, der, in einem
> unendlichen Prozess, eine Liste der reellen Zahlen zwischen 0 und 1
> ausgibt.

solch einen Algorithmus gibt es nicht. *g*


> Bei der Menge der reellen Zahlen wäre diese Operation, die unendlich
> oft angewandt wird, genau das Cantor'sche Diagonalverfahren mit dem
> Zusatz: Hänge die erzeugte Zahl an die schon vorhandene Liste an und
> erhöhe den Zähler um 1.

Dein Algorithmus findet überabzählbar viele reelle Zahlen zwischen
0 und 1 nicht...

> In einem unendlichen Prozess entsteht so, aus einer unendlichen
> Startliste heraus, eine vollständige Liste der reellen Zahlen.

Nein, eben nicht. Cantors Beweis ist ein Widerspruchsbeweis,
daher reicht _ein_ einziges Gegenbeispiel. Du willst aber
_alle_ reelle Zahlen zwischen 0 und 1 ausgeben.

Grüße,
Andreas

Gerd Thieme

unread,
Sep 16, 2004, 5:03:42 AM9/16/04
to
Rudolf Sponsel wrote:

> Auch für die Potenzmenge sollte dieses Spiel möglich sein.
> 01 S1: {1} S2: 1
> 02 S1: {1,2} S2: 2
> S1: {1} S2: 3
> S1: {2} S2: 4
>
> N S1: 2^N -1 Vorgänger + 2^N -1
>

> Was kann gegen dieses Spiel eingewendet werden?

Auch hier liefert das Diagonalverfahren zuverlässig eine Menge, die
Spieler S1 ausgelassen hat. Man kann sie so konstruieren: Sie enthält
die von S2 genannte Zahl genau dann, wenn die unmittelbar zuvor von S1
genannte Menge diese Zahl nicht enthält.

Möglicherweise hast Du in Deinen Überlegungen nur endliche Mengen
betrachtet.

Gerd

Rudolf Sponsel

unread,
Sep 16, 2004, 2:57:31 PM9/16/04
to
Gerd Thieme wrote:
> Rudolf Sponsel wrote:
>
>
>>Auch für die Potenzmenge sollte dieses Spiel möglich sein.
>>01 S1: {1} S2: 1
>>02 S1: {1,2} S2: 2
>> S1: {1} S2: 3
>> S1: {2} S2: 4
>>
>>N S1: 2^N -1 Vorgänger + 2^N -1
>>
>>Was kann gegen dieses Spiel eingewendet werden?
>
>
> Auch hier liefert das Diagonalverfahren zuverlässig eine Menge, die
> Spieler S1 ausgelassen hat. Man kann sie so konstruieren: Sie enthält
> die von S2 genannte Zahl genau dann, wenn die unmittelbar zuvor von S1
> genannte Menge diese Zahl nicht enthält.

Läßt sich das an einem Beispiel zeigen?

> Möglicherweise hast Du in Deinen Überlegungen nur endliche Mengen
> betrachtet.

Das Spiel kann endlos gedacht werden. Und auf jede Zahl, die S1 nennt,
kann S2 eine N zuordnen.

Führt mich zur Frage, was denn "das" "Unendliche" sein soll außer einer
"Spiel-" oder Verfahrensregel?

Rudolf Sponsel, Erlangen

Horst Kraemer

unread,
Sep 16, 2004, 3:32:51 PM9/16/04
to
Rudolf Sponsel <rathsman...@nefkom.net> wrote:

Ja. Damit kannst Du alle reellen Zahlen in Binaerdarstellung
durchnumerieren, die irgendwann mit 1 enden (und danach nur Nullen
haben). Dies ist allerdings nur eine echte Teilmenge der rationalen
Zahlen ;-)


> Obwohl intuitiv klar ist, daß es natürlich viel, viel mehr reelle Zahlen
> geben muß als natürliche, sehe ich bei *diesem* Spiel nicht, wieso man
> nicht jeder reellen Zahl eine natürliche Zahl ("Nummer") zuordnen können
> soll.
>
> Auch für die Potenzmenge sollte dieses Spiel möglich sein.
> 01 S1: {1} S2: 1
> 02 S1: {1,2} S2: 2
> S1: {1} S2: 3
> S1: {2} S2: 4
>
> N S1: 2^N -1 Vorgänger + 2^N -1
>
> Ich versuche mal eine Deutung: so lange man im Effektiven, beim
> tatsächlichen Nummerieren bleibt, ist eine solche Zuordnung möglich.
> Es scheint ein Spiel ohne Ende: Zu jeder Zahl R kann immer wieder eine
> Zahl N gefunden werden. Das mutet sehr paradox, ja widersprüchlich an.
>
> Was kann gegen dieses Spiel eingewendet werden?

Auch hier zaehlst du nur die endlichen Teilmengen von N. Die Menge der
endlichen Teilmengen von N kann man natuerlich numerieren. Interessant
sind die unendlichen Teilmengen von N. Diese kann man nicht
numerieren. Beweis, dass die Menge der Teilmengen natuerlicher Zahlen
nicht numerierbar sind:

Angenommen, wir haetten eine Numerierung von Teilmengen von N.

0 -> {} (leere Menge)
1 -> M(1)
2 -> M(2)
....

Fuer jedes k gilt nun: entweder ist k Element von M(k) oder k ist
nicht Element von M(k). Jetzt betrachten wir alle k mit der
Eigenschaft, dass k nicht Element von M(k) ist.

Die Menge aller dieser k, denen eine Menge zugeordnet ist, die k nicht
enthaelt, nennen wir K-.

Jetzt zeigen wir, dass K- nicht rechts als Bild eines n vorkommt.
Sei M(n) = K-.

Dieses n haette nun eine bestuerzende Eigenschaft.

Wenn n \in K- , dann waere ja aufgrund der Definition von K- n nicht
\in K-, wenn n nicht \in K-, dann waere n wiederum aufgrund der
Definition von K- in K-. n kann also weder Element von K- sein noch
nicht Element von K-, also gibt es so ein n nicht...

--
Horst

Horst Kraemer

unread,
Sep 16, 2004, 3:43:13 PM9/16/04
to
albs...@gmx.de (albrecht) wrote:

> Bei der Menge der reellen Zahlen wäre diese Operation, die unendlich
> oft angewandt wird, genau das Cantor'sche Diagonalverfahren mit dem
> Zusatz: Hänge die erzeugte Zahl an die schon vorhandene Liste an und
> erhöhe den Zähler um 1.
> In einem unendlichen Prozess entsteht so, aus einer unendlichen
> Startliste heraus, eine vollständige Liste der reellen Zahlen.

Natuerlich kannst Du zu einer abzaehlbar unendlichen Liste von reellen
Zahlen jeweils ein durch das Cantor-Verfahren konstruierte Element
hinzufuegen. Wie zeigst Du aber, dass Du dabei *jede* reelle Zahl
erwischst, d.h. dass es zu *jeder* reellen Zahl, die nicht in der
Ursprungsliste ist, einen Schritt mit einer bestimmten Nr. k gibt,
indem genau *diese* Zahl hinzugefuegt wird? Hier steckst Du wieder
genau das hinein, was Du beweisen willst: dass die Restmenge, die Du
nicht durch die urspruenglichen Liste erwischt hast, wiederum
abzaehlbar ist.

--
Horst

Roland Harnau

unread,
Sep 16, 2004, 4:50:01 PM9/16/04
to
Horst Kraemer <horst....@epost.de> writes:

Das Standardargument muss hier, wie von Gerd angegeben, leicht
modifiziert werden, da Rudolfs Spiel allenfalls eine injektive
Abbildung f: Pot(N) --> N liefert, die nach den Spielregeln so
definiert ist:

Einer Teilmenge A von N wird durch f eine natürliche Zahl n genau dann
zugeordnet, wenn in einer Spielrunde S1 A sagt und S2 mit n
antwortet. Dann ist die "paradoxe Menge" K definiert als

K :={ n | n wird von S2 in einer Spielrunde geantwortet und ist nicht
in der Teilmenge A von N enthalten, die von S1 in dieser Runde genannt
wird.}

oder formaler

K:={n | n \in im(f) und für dasjenige A mit f(A)=n ist n \notin A.}.

Mit k:=f(K) (k ist diejenige natürliche Zahl, mit der S2 antwortet,
wenn S1 K sagt) erhält man aufgrund der Definition von A:

Für alle natürlichen Zahlen n gilt:

n ist Element von K <=> n wird von S2 in einer Spielrunde geantwortet
und ist nicht in der Teilmenge A von N enthalten, die von S1 in dieser
Runde genannt wird.

Nach Definition ist k die Antwort von S2 auf die die "Frage" K von S1, so
dass sich aus obiger Äquivalenz der Widerspruch

k ist Element von K <=> k ist nicht Element von K.

ergibt.

Roland



Roland Harnau

unread,
Sep 16, 2004, 4:54:47 PM9/16/04
to
Horst Kraemer <horst....@epost.de> writes:

Das Standardargument muss hier, wie von Gerd angegeben, leicht


modifiziert werden, da Rudolfs Spiel allenfalls eine injektive
Abbildung f: Pot(N) --> N liefert, die nach den Spielregeln so
definiert ist:

Einer Teilmenge A von N wird durch f eine natürliche Zahl n genau dann
zugeordnet, wenn in einer Spielrunde S1 A sagt und S2 mit n
antwortet. Dann ist die "paradoxe Menge" K definiert als

K :={ n | n wird von S2 in einer Spielrunde geantwortet und ist nicht
in der Teilmenge A von N enthalten, die von S1 in dieser Runde genannt
wird.}

oder formaler

K:={n | n \in im(f) und für dasjenige A mit f(A)=n ist n \notin A.}.

Mit k:=f(K) (k ist diejenige natürliche Zahl, mit der S2 antwortet,

wenn S1 K sagt) erhält man aufgrund der Definition von K:

Für alle natürlichen Zahlen n gilt:

n ist Element von K <=> n wird von S2 in einer Spielrunde geantwortet
und ist nicht in der Teilmenge A von N enthalten, die von S1 in dieser
Runde genannt wird.

Nach Definition ist k die Antwort von S2 auf die die "Frage" K von S1, so
dass sich aus obiger Äquivalenz der Widerspruch

k ist Element von K <=> k ist nicht Element von K.

ergibt.

Roland



Rudolf Sponsel

unread,
Sep 16, 2004, 6:37:58 PM9/16/04
to
Das soll o.B.d.A für beliebige R gelten, also auch für z.B.
0,173456777779123450452 .......
mit 1 oder 0 soll nichts Binäres gemeint sein.

Oben ist die Numerierung anders, sie folgt der Ordnung (2^N)-1;N=1,2,...

Betrachtete Anz. El.kumul. Benötigte
Potenzmengen zum Vorgänger Nummern
Np Nr
1 -> 1 -> 1
1,2 -> 1+3 -> 4
1,2,3 -> 4+7 -> 11
1,2,3,4 -> 11+15 -> 26
...

Ich sehe nicht, wieso dieses Spiel oder Verfahren nicht endlos
fortgesetzt (gedacht) werden kann.

Interessant ist natürlich die Frage: was steht am gedachten Ende eines
solchen Spiels oder Verfahrens? *Ein* "Unendliches"?

Ich meine, es ist wenig zweckmäßig, möglicherweise gefährlich "vom
Unendlichen" ("das Unendliche") zu reden als ob das irgendwas Genaues
sei. Das ist zunächst eine Metapher. Verfahrensmäßig eine gute, die
besagt, daß man eine Regel angeben kann, die ohne zu einem Ende zu
gelangen, immer weiter fortgeführt werden kann. N abzählen ist ja ein
sehr schönes natürliches Beispiel.

Will sagen: spricht man "vom Unendlichen" heißt das so lange nichts, wie
man nicht konkret angibt, um was geht und wie die Spiel- oder
Verfahrensregel lautet. Sprechen von "unendlich" erfordert: gibt eine
Regel an, deren Anwendung ohne zu enden, fortgesetzt werden kann. Und
nenne das Gebiet, auf das diese Regel angewendet werden soll. Das Gebiet
heißt im obigen Beispiel "Potenzmengen" und die Regel ist hier das von
mir gewählte Verfahren der Numerierung:

(1) Beginne mit dem Anfang, von mir mit 1 gewählt.
(2) Errechne die benötigten Nummern mit Nr = (2^N)-1
(3) Setze mit dem jeweiligen Nachfolger fort, also erhöhe jeweils um 1
(4) Zähle die Nr(n)zu Nr(n-1)
(5) und immer weiter so (bis S1 zugibt: es geht immer weiter so ;-))

> Fuer jedes k gilt nun: entweder ist k Element von M(k) oder k ist
> nicht Element von M(k). Jetzt betrachten wir alle k mit der
> Eigenschaft, dass k nicht Element von M(k) ist.
>
> Die Menge aller dieser k, denen eine Menge zugeordnet ist, die k nicht
> enthaelt, nennen wir K-.
>
> Jetzt zeigen wir, dass K- nicht rechts als Bild eines n vorkommt.
> Sei M(n) = K-.
>
> Dieses n haette nun eine bestuerzende Eigenschaft.
>
> Wenn n \in K- , dann waere ja aufgrund der Definition von K- n nicht
> \in K-, wenn n nicht \in K-, dann waere n wiederum aufgrund der
> Definition von K- in K-. n kann also weder Element von K- sein noch
> nicht Element von K-, also gibt es so ein n nicht...

Das mag schon sein, ändert aber nichts an dem Spiel: Jeder Teilmenge
kann im konkreten Fall eine neue Nummer zugeordnet werden.

Das sollte auch für die reellen Zahlen gehen, obwohl intuitiv klar ist,
daß die Mächtigkeit von R vermutlich eine vielfache Potenz von - einem
nun genauer anzugebenen - "unendlich" von N sein könnte. Wenn man es
ganz weit treibt - und MathematikerInnen tun das, wie ich sie kenne ;-)
- kommt dann wahrscheinlich raus, die Mächtigkeit von R ist
"unendlich^unendlich der von N.

Nebenfrage: ich ging bislang davon aus, daß "unendlich" nicht als Zahl
interpretiert wird: ist das richtig?

Rudolf Sponsel, Erlangen

Rainer Rosenthal

unread,
Sep 17, 2004, 1:43:12 AM9/17/04
to

"Rudolf Sponsel" schrieb

>
> Nebenfrage: ich ging bislang davon aus, daß "unendlich"
> nicht als Zahl interpretiert wird: ist das richtig?

Hallo Rudolf,

wenn Du Dir Dein Spiel mal ganz in Ruhe anschaust, dann
wirst Du feststellen, als dass es nur eine Illustration
der Tatsache ist, dass sich die natürlichen Zahlen in die
reellen Zahlen einbetten lassen. Will sagen: es gibt
Mengen reeller Zahlen, die in eins-zu-eins-Beziehung
gesetzt werden können zu den natürlichen Zahlen.

Dass sich nun umgekehrt auch die rellen Zahlen in die
natürlichen einbetten liessen, meinst Du daraus einfach
folgern zu können. Du *glaubst* halt, dass es so sei.
Für diese Richtung der Beweisführung bringt Dein Spiel
aber rein gar nichts.

Du könntest übrigens den Anfang des Beitrags des OP
sorgfältig lesen. Er hat in sehr deutlicher Sprache den
Cantor-Beweis dargestellt. Allerdings scheint es, dass
er ihn nur "hergebetet" hat und ihm die tiefere Frömmig-
keit fehlt, um im Bild zu bleiben :-))

Wenn Du tief in Dich hineinhörst, dann wirst Du feststellen,
dass sich in Dir alles dagegen sträubt, liebgewordene
Vorstellungen über "was ist eine Menge und was ist eine
Teilmenege" anders anzuschauen als durch die Endlich-Brille.
Und dann kommt auch heraus, dass Du eigentlich ständig
fragst: "Wieso soll ich abzählbare Teilmengen der reellen
Zahlen nicht abzählen können?" Kannst Du ja, kannst Du ja!
Aber *alle* erwischst Du damit halt nicht.
Komisch - ich glaube, dass das Mathematik-Gen dasjenige ist,
das einen Beweis auch dann akzeptiert, wenn er nicht der
Bestätigung der eigenen Meinung dient.

Gruss,
Rainer Rosenthal
r.ros...@web.de
--
P.S. Robin Chapman hat in sci.math provokativ festgestellt,
dass "das Unendliche" kein Gegenstand der Mathematik sei.
Das hat was. Es ist nur scheinbar ein Widerspruch, wenn ich
das in einem Mathe-Posting schreibe :-)

Dieter Jungmann

unread,
Sep 17, 2004, 1:50:42 AM9/17/04
to
Horst Kraemer schrieb:

>
> albs...@gmx.de (albrecht) wrote:
>
> > Hi,
>
> > [...]
>
> Ich will - anstatt auf Deine Kritikpunkte im Einzelnen einzugehen -
> fuer den Fall, dass Du den Gehalt des CANTORschen Beweises nicht voll
> gewuerdigt hast, skizzieren, *was* CANTOR eingentlich beweist:
>
> Zu jeder mit den natuerlichen Zahlen numerierten Liste a_0,a_1,...
> reeller Zahlen zwischen 0 und 1 gibt es eine reelle Zahl zwischen
> 0 und 1, die nicht in dieser Liste vorkommt.

So ist es. Die Frage ist aber, ob dieser Beweis ein ausreichendes
Argument fuer die Unterscheidung zwischen abzaehlbaren und ueber-
abzaehlbaren Mengen ist. Meiner Meinung nach beweist er, dass die
Maechtigkeitsdefinition fuer unendliche Mengen einen Widerspruch
enthaelt. Begruendung:

Gegeben ist die Menge A der reellen Zahlen des Intervalls (0,1).
Eine Teilmenge B von A wird bijektiv auf N abgebildet, oder anders
gesagt, B ist die Menge der reellen Zahlen, die in der Liste enthalten
sind. Das Diagonalverfahren zeigt nun, dass B nicht mit A
identisch sondern eine echte Teilmenge von A ist.

Es sei C die Menge, die alle Zahlen aus B und zusaetzlich
eine Zahl d enthaelt, von der mit dem Diagonalverfahren
gezeigt wurde, dass sie kein Element von B ist.
C ist ebenfalls abzaehlbar und B ist echte Teilmenge von C.
Das Diagonalverfahren beweist also, dass C nicht auf seine
echte Teilmenge B bijektiv abgebildet werden kann.

Der uebliche "Beweis", dass sich N auf eine echte unendliche Teilmenge
bijektiv abbilden laesst, besteht darin, dass eine Konstruktion
angegeben wird, mit der die Elemente der Mengen in einer bestimmten
Reihenfolge aufgefuehrt werden. Selbst wenn man ausser acht laesst,
dass eine Konstruktion nur eine Folge von (immer groesseren) endlichen
Mengen aber nie eine unendliche Menge ergibt, wuerde dieser "Beweis"
nur fuer diese Konstruktion (und die daraus ableitbaren weiteren
Konstruktionen) gelten. Es lassen sich fuer dieselben beiden
Mengen aber auch beliebig viele Konstruktionen angeben,
fuer die es keine Bijektion gibt.

Das geniale am Diagonalverfahren ist, dass die Reihenfolge,
in der die Elemente von B aufgefuehrt werden, beliebig ist.
Das ist sogar eine wesentliche Voraussetzung fuer den Beweis.
Wir haben damit folgende Fakten:

Da C abzaehlbar ist, existiert mindestens _eine_ Bijektion L
von C auf N.
Fuer B existiert fuer jede beliebige Reihenfolge der Zahlen
eine Bijektion auf N. Wir waehlen daher die Bijektion K von B
auf N, welche die reellen Zahlen von B in derselben Reihenfolge
wie L auffuehrt. Mit einer Ausnahme ist also jeder nat. Zahl,
der mit L die reelle Zahl a aus C zugeordnet wird, mit K
dieselbe Zahl a aus B zugeordnet. Der nat. Zahl n dagegen,
der mit L die Zahl d aus C zugeordnet wird, ist keine Zahl aus
B zugeordnet.

Mit anderen Worten: Wenn fuer die abzaehlbare Menge C eine
Bijektion auf N existiert, dann existiert fuer die Menge
B = C\d keine Bijektion auf N sondern nur eine Bijektion auf N\n.
Damit ist die Maechtigkeitsdefiniton fuer unendliche Mengen
widerlegt.

mfg
Dieter

Stefan Rueping

unread,
Sep 17, 2004, 4:09:58 AM9/17/04
to
Rudolf Sponsel wrote:
> Das Spiel kann endlos gedacht werden. Und auf jede Zahl, die S1 nennt,
> kann S2 eine N zuordnen.
>
> Führt mich zur Frage, was denn "das" "Unendliche" sein soll außer einer
> "Spiel-" oder Verfahrensregel?

Der Haken ist, dass du in deinem Spiel subtil die Spielregeln verletzt.
Die Spielregeln für Abzählbarkeit besagen, dass Spieler 1 eine Liste
geben muss, in der alle reellen Zahlen drin sind (in dem Sinne, dass er
zu jeder natürlichen Zahl die reelle Zahl an dieser Position in der
Liste angibt und sich dann nicht mehr umentscheiden darf). Wenn S1 aber
so eine Liste angibt, dann kann man ihm wie Cantor gezeigt eine reelle
Zahl sagen, die nicht in seiner Liste drin ist. Reelle Zahlen werden
aber nun üblicherweise als Äquivalenzklassen von Cauchy-Folgen
rationaler Zahlen definiert, also reicht es hier, eine solche
Cauchy-Folge anzugeben (wieder in dem Sinne, dass ich zu jeder
natürlichen Zahl eine rationale Zahl, das Folgenglied, angebe und mich
dabei an gewisse Spielregeln halte). Das ist erfüllt, wenn man zu jeder
natürlichen Zahl die entsprechende Nachkommastelle der Cantorzahl
angeben kann. Das Spiel geht also so: Du sagst "gib mir die n-te Stelle
der Cantor-Zahl" und darauf sage ich "Gerne, aber gib mir bitte erst die
n-te Zahl deiner Liste" und dann wende ich den Cantor-Trick an.
Dass es durchaus beliebig viele andere Listen geben kann, die die so
konstruierte Cauchy-Zahl enthalten, ist unwichtig, denn die Aufgabe ist
ja nicht zu jeder Zahl eine Liste zu konstruieren, in der die Zahl
vorkommt, sondern eine Liste zu konstruieren, in der jede Zahl vorkommt.
Du hast mit deinem Spiel eher eine Abhängigkeit zwischen der Menge aller
Spiele und den reellen Zahlen konstruiert, das ist etwas völlig anderes.


Tschüss,

Stefan Rüping

--
*VORSICHT* Meine Nachrichten könnten Ironie enthalten.

Horst Kraemer

unread,
Sep 17, 2004, 4:13:59 AM9/17/04
to
Rudolf Sponsel <rathsman...@nefkom.net> wrote:

(Ich antworte noch einmal ausser der Reihe)



> I. Spieler S1 beginnt und sagt eine reelle Zahl R, Spieler S2 ordnet
> dieser Zahl R eine natürliche Zahl N zu.
>
> II. R und N dürfen sich nicht wiederholen.
>
> III Zur Kontrolle für N wird N fortlaufend um 1 erhöht. Zur
> Erleichterung kann die jeweils höchste Zahl des letzten Spielzugs
> vermerkt werden
>
> IV. Zur Kontrolle für R wird ein neues R zwischen der nächst größeren
> und nächst kleineren eingeordnet.
>
> Spielbeginn:
> 01 S1: 0,1 S2: 1
> 02 S1: 0,11 S2: 2
> 03 S1: 0,111 S2: 3
> 05 S1: 0,1101 S2: 5
> 06 S1: 0,110101 S2: 6
> 04 S1: 0,1111 S2: 4 Merke höchste: 6
> ...
> ...
>
> Obwohl intuitiv klar ist, daß es natürlich viel, viel mehr reelle Zahlen
> geben muß als natürliche, sehe ich bei *diesem* Spiel nicht, wieso man
> nicht jeder reellen Zahl eine natürliche Zahl ("Nummer") zuordnen können
> soll.

Bei dieser Art von Gedankenexperimenten musst Du hoellisch aufpassen.
Mit Deiner Vorschrift "ordne jede neue reelle Zahl entsprechend ihrer
Groesse in die bisherige endliche Liste ein" kommst Du in Teufels
Kueche,

Gehen wir einfach mal davon aus, dass Du nur reelle Zahlen aus dem
Intervall [0,1] nimmst.

Das Hauptproblem ist, dass man diesem Prozess kein sinnvolles
Endprodukt zuordnen kann. Am "Schluss" soll doch eine durchnumerierte
Folge von reellen Zahlen dastehen, wobei *jede* entnommene reelle Zahl
x eine gewisse Position n(x) in der Liste hat.

Um den "Schluss" zu materialisieren, kannst Du Dir ja vorstellen, dass
die einzelnen Schritte zu den Zeitpunkten 1 - 1/2^k stattfinden und Du
stellst dann die bange Frage: wie sieht die Liste zum Zeitpunkt 1 aus?

Wie lautet das erste Listenelement zum Zeitpunkt 1, falls man annimmt,
dass man alle reellen Zahlen erwischt hat ? Muesste doch eigentlich 0
sein, denn in dem Moment, wo man die 0 erwischt hat, setzt man sie
nach vorne und da bleibt sie fuer alle Zeiten, Und wie lautet das
zweite Listenelement ? Muesste doch der Nachfolger von 0 in der
natuerlichen Ordnung der reellen Zahlen sein, aber den gibts ja
nicht...

Dies ist uebrigens kein Gegenargument dafuer, dass Du alle reellen
Zahlen erwischen koenntest. Dies kracht bereits, wenn Du nur auf diese
Weise die *rationalen* Zahlen aus [0,1] abzaehlen willst, denn es gibt
auch keine kleinste rationale Zahl >0, aber andererseits kann man alle
rationalen Zahlen p/q aus [0,1] in einer numerierten Liste anordnen,
nur eben nicht in einer der Groesse nach sortieren Liste.

Der Teufel steckt bereits in der Vorstellung, dass das staendige
Umsortieren einer sich verlaengernden Liste zu einer sortierten
unendlichen Liste fuehren muss - d.h. dass es ueberhaupt zu
irgendeiner durch den Ablauf festgelegten eindeutigen unendlichen
Liste fuehren muss. Dass dies nicht geht, erkennst Du bei Deiner Idee
bereits daran, dass, nachdem die 0 aufgetaucht ist, sich das zweite
Element der Liste unendlich oft aendern muss und es daher nie ein
"endgueltiges" zweites Element in einer potentiellen "endgueltigen
Liste" geben kann.

Und bei der Abzaehlbarkeit geht es immer um "endgueltige" Listen, in
der jeder natuerlichen Zahl ein Objekt zugeordnet *ist*.


Mathematisch gehoren solche Fehlschluesse in die Klasse "unzulaessiges
Vertauschen von Grenzwerten", oder anders ausgedrueckt, in der blinden
Annahme, dass sich gewisse Eigenschaften einer Folge auch automatisch
auf den "Grenzwert" dieser Folge uebertragen.

--
Horst

Klaus Loerke

unread,
Sep 17, 2004, 4:44:16 AM9/17/04
to
> Ich sehe nicht, wieso dieses Spiel oder Verfahren nicht endlos
> fortgesetzt (gedacht) werden kann.

Kann es ja. Aber in deinem Spiel wurden dann nicht alle reellen Zahlen
genannt.

Mach doch mal ein anderes Spiel: Ordne jeder reellen Zahl nach obigen Regeln
eine natürliche Zahl zu.

> Das sollte auch für die reellen Zahlen gehen, obwohl intuitiv klar ist,
> daß die Mächtigkeit von R vermutlich eine vielfache Potenz von - einem
> nun genauer anzugebenen - "unendlich" von N sein könnte.

*Diese* Intuition hätte ich gerne. Ist dir auch intuitiv klar, daß Q und N
gleichmächtig sind?

> Wenn man es
> ganz weit treibt - und MathematikerInnen tun das, wie ich sie kenne ;-)
> - kommt dann wahrscheinlich raus, die Mächtigkeit von R ist
> "unendlich^unendlich der von N.

Wenn man es weiter treibt, stellt man fest, daß das
"Standard-Axiomen-System" der Mengenlehre zu schwach ist, diese Frage zu
beantworten.

klaus


Klaus Loerke

unread,
Sep 17, 2004, 4:45:55 AM9/17/04
to
> > Ich behaupte nun, dass es einen Algorithmus gibt, der, in einem
> > unendlichen Prozess, eine Liste der reellen Zahlen zwischen 0 und 1
> > ausgibt.
> solch einen Algorithmus gibt es nicht. *g*

Was schon allein an der Definition des Algorithmus liegt. ;)


klaus


albrecht

unread,
Sep 17, 2004, 5:12:19 AM9/17/04
to
Hi,

ich denke, eine Schwierigkeit beim erfassen des Diagonalverfahrens
liegt in dem Umgang mit „mehrfachen Unendlichkeiten". Beim
hypothetischen Aufstellen einer Liste der reellen Zahlen fängt es
damit an, dass wir ja nicht einmal fähig sind, auch nur ein Element
der Liste anzugeben. Die erste Zeile geht schon ins Unendliche. Nun
sollen auch noch unendlich viele dieser unendlichen Zeilen
untereinander geschrieben werden und darauf ein Verfahren angewandt
werden, das unendlich lange läuft.
Freilich fordert dies den gesunden Menschenverstand in einem hohen
Maße heraus, umso mehr, wenn ich jetzt auch noch behaupte, diese „in
alle Richtungen unendliche" Menge sei gleichmächtig wie die Menge der
nat. Zahlen.
Auf der anderen Seite finden wir uns damit ab, dass die rationalen
Zahlen gleichmächtig sind wie N obwohl auch bei Q gilt, dass in einem
beliebigen Intervall, also in einer echten Teilmenge von Q, schon
unendlich viele Zahlen enthalten sind. Und als Mathematiker muss man
sich auch damit anfreunden, dass die Menge der reellen Punkte auf
einer Strecke gleichmächtig ist mit der Menge aller reellen Punkte in
einem Quadrat, ja sogar dem Kubus oder jeder beliebigen
n-dimensionalen Entsprechung (Beweis von Cantor).
Dass man R auf jede beliebige seiner echten Teilmengen abbilden kann,
z.B. durch die Funktion x = 1/(x+1) in der alle reellen positiven
Zahlen auf das offene Intervall ]0,1] abgebildet werden ist auch
erstaunlich. Aber ebenso kann ich in N alle Zahlen z.B. auf die
Quadratzahlen abbilden, sprich, die Quadratzahlen sind gleichmächtig
wie N. Oder auch die geraden Zahlen, wahrscheinlich auch die
Primzahlen. Man kann verallgemeinern, dass es beliebig viele
verschiedene echte Teilmengen von N gibt die gleichmächtig sind. Man
kann eine unendliche Menge als eine Menge definieren, die auf echte
Teilmengen von sich selbst abbildbar ist. Und dies gilt ebenso für N
wie auch für R.

Zurück zu meinem Ansatz, die Gleichmächtigkeit von N und R zu zeigen.
Nachdem in mehreren Runden die Begriffe geklärt und ein paar
Unklarheiten im Ausdruck offenkundig wurden, mache ich einen neuen
Versuch. Interessant ist auch, dass im Verlauf dieser Diskussion oder
Verteidigungsschrift, wie man es auch nennen könnte, für mich der
Knackpunkt des Diagonalverfahrens immer klarer wird.

Um noch einmal kurz zusammenzufassen: Cantors Beweis zielt darauf ab,
für jede denkbare Liste von reellen Zahlen zeigen zu können, dass sie
unvollständig sein muss. Dies macht er, indem er zeigt, dass für jede
beliebige Liste eine Zahl konstruiert werden kann, die nicht in dieser
Liste enthalten ist.
Der Fehler in diesem Gedankengang liegt m.E. darin, dass Cantor diese
Listen statisch denkt, m.a.W. das Diagonalverfahren wird auf eine
fertige, abgeschlossene, wenn auch unendliche, aber doch in gewissen
Sinne erfassbare Liste angewandt.
Letztlich führt dies auf eine Sichtweise des aktual Unendlichen. Das
Unendliche wird als realisiert angesehen und kann damit entsprechend
behandelt werden.
Die Gegenvorstellung dazu lässt nur das potentiell Unendliche zu. Der
Begriff „unendlich" bezeichnet mehr etwas wie Schrankenlosigkeit, die
Möglichkeit etwas wieder und wieder durchzuführen ohne je an Grenzen
zu stoßen, eben so, wie man nat. Zahlen immer weiter zählen kann.
Diese gegensätzliche Anschauung kann man auch mit der begrifflichen
Dichotomie >statisch – dynamisch< beschreiben. Beim aktual Unendlichen
sieht man etwas gewordenes also statisches, das man dann „anfassen"
und „behandeln" kann.
Die Vorstellung von potentiell Unendlichem erinnert an ein dynamisches
System. Etwas ist in einem ständigen Werden begriffen, ist in Bewegung
ohne je ein Ende zu finden.

Wenden wir diese Betrachtungsweise auf das Diagonalverfahren an, so
betrachtet Cantor eine unendliche Liste als ausgeführt, statisch,
aktual, und sagt nun, dass die durch das Diagonalverfahren erzeugte
Zahl nicht in dieser Liste enthalten ist.
Die dynamische Betrachtungsweise sieht nun diese Liste in einem
ständigen Werden begriffen, eben dem potentiell Unendlichen
zustrebend. Aber diese wird nie fertig, ständig werden neue Zeilen
hinzugefügt, ständig wächst die Liste. Genauso wie das Zählen immer
weiter und weiter führt zum potentiell Unendlichen.
Bei dieser dynamischen Betrachtungsweise kann nun eben das Cantor'sche
Diagonalverfahren dazu benutzt werden, die für das Wachsen
erforderlichen Zeilen zu erzeugen. Dem sog. Nachfolgeoperation
s(n)=n+1 beim Zählen entspricht bei der Auflistung von R eben der
Anweisung, das Diagonalverfahren anzuwenden und die erzeugte Zahl an
die Liste anzuhängen. In diesem Sinne wäre die Liste potentiell
unendlich; aber es ist evident, dass diese Liste jede reelle Zahl
enthält, da sie spätestens dann der Liste hinzugefügt würde wenn das
Diagonalverfahren sie erzeugt. Anders gesagt, jede Zahl, auf die ich
die Liste prüfen möchte, wäre spätestens in dem Moment der Prüfung in
der Liste enthalten. Die Situation ist analog mit der Frage: enthält N
die Zahl x. Indem ich nun z.B. von 1 bis x hochzähle, sprich, eine
Liste aller Zahlen von 1 bis einschließlich x anlege, könnte es so
scheinen, wie wenn erst durch die Frage nach dem x dieses dieser Liste
hinzugefügt wird. Dieses Beispiel ist freilich trivial da wir einer
Zahl sofort ansehen, ob sie aus N ist bzw. es ließe sich auch auf eine
andere weise als mit einer Liste prüfen, ob x in N enthalten ist.

Zu meiner früheren Argumentation, das Aufstellen einer Liste der
reellen Zahlen könnte auch aus einem anderen Grund als der größeren
Mächtigkeit der R scheitern, ist mir ein Beispiel eingefallen:
Ich behaupte, es lässt sich keine Liste der Gasmoleküle, die bei einer
bestimmten Temperatur und einem bestimmten Druck in einem bestimmten
Volumen eingeschlossen sind, angeben. Trotzdem ist die Anzahl dieser
Moleküle endlich, ja ich kann sogar deren genaue Zahl angeben (mittels
Avogadro- Konstante und allg. Gasgesetz).
Untersuchen wir diesen Fall: Wollte ich die Gasmoleküle im Behälter
zählen, würde ich daran scheitern, dass sie wie wild herumflitzen und
ich nicht unterscheiden kann, welches Molekül schon gezählt ist und
welches nicht. Könnte ich die Bewegung der Teilchen stoppen so dass
ich sie über ihren Ort unterscheiden kann? Nein, denn der absolute
Nullpunkt auf den die Temperatur zu diesem Zweck abgesenkt werden
müsst kann nicht erreicht werden.
Eine andere praktische Methode, eine Menge zu zählen ist die, die
Elemente einzeln aus der Menge zu entfernen. Ich würde also ein
kleines Loch in den Behälter machen und es so einrichten, dass zur
Zeit nur ein Molekül durch das Loch fliegt und dieses detektieren und
zählen. Nun stoße ich auf ein anderes, unüberwindliches Problem. Um
alle Teilchen zu zählen muss ich nach und nach alle Teilchen aus dem
Behälter entfernen. Dazu müsste ich aber in dem Behälter schließlich
letztendlich ein vollkommenes Vakuum erzeugen. Auch dies ist
unmöglich.
Ergo: Ich kann nicht einmal von jeder endlichen Menge eine Liste
anfertigen. Diese Menge ist aber nicht überabzählbar unendlich. Ich
kann ihre Kardinalzahl angeben. Damit wird die Beweismethode mit
Listenaufstellung vieldeutig. Die Unmöglichkeit, eine Liste
aufzustellen, kann bedeuten dass die Menge überabzählbar unendlich ist
- oder, dass etwas anderes nicht stimmt! (mal flappsig gesagt)

Um jetzt der Verwirrung vorzubeugen: Die letzte Argumentation dient
dazu, Cantors Verfahren die Mächtigkeit unendlicher Menge zu
vergleichen (N , R) allgemein in Frage zu stellen. Auch wenn man den
Schluss akzeptierte, dass es keine vollständige Liste der R geben
kann, würde sich m.E. damit nicht schlussfolgern lassen, dass R eine
größere Mächtigkeit wie N besitzt.
Trotzdem meine ich noch weitergehend, entsprechend der vorhergehenden
Argumentation zeigen zu können, dass es eben doch eine Liste aller R
gibt und damit card(N)=card(R).

Ciao


Albrecht

Klaus Loerke

unread,
Sep 17, 2004, 5:36:14 AM9/17/04
to
Hi!

> ich denke, eine Schwierigkeit beim erfassen des Diagonalverfahrens
> liegt in dem Umgang mit "mehrfachen Unendlichkeiten". Beim
> hypothetischen Aufstellen einer Liste der reellen Zahlen fängt es
> damit an, dass wir ja nicht einmal fähig sind, auch nur ein Element
> der Liste anzugeben.

Doch. Meine Liste fängt mit "1" an.

> Die erste Zeile geht schon ins Unendliche.

Das kann sie. Muß sie aber nicht.

> Nun
> sollen auch noch unendlich viele dieser unendlichen Zeilen
> untereinander geschrieben werden und darauf ein Verfahren angewandt
> werden, das unendlich lange läuft.

Eine gewisse "operative" Vorstellung mag helfen. Aber das ist nur ein
"Trick", um es uns leichter zu machen, über diese Konstruktion zu sprechen
bzw. sie uns vorzustellen. Es ist aber kein Wesenszug des Beweises.


> Auf der anderen Seite finden wir uns damit ab, dass die rationalen
> Zahlen gleichmächtig sind wie N obwohl auch bei Q gilt, dass in einem
> beliebigen Intervall, also in einer echten Teilmenge von Q, schon
> unendlich viele Zahlen enthalten sind.

"Finden wir uns damit ab"? Nein. Wir haben es bewiesen und diese Tatsache
dadurch erst verstanden. Das liegt daran, daß wir uns von der "Struktur"
der rationalen Zahlen blenden lassen. Wenn man mit solch großen Mengen
arbeitet, klammert man sich halt gerne an ihre Struktur, um die Menge fassen
zu können. Bei Q ist es die einer dichten linearen Ordnung. Und diese
Struktur will einem halt weiß machen, es gäbe mehr Brüche als natürliche
Zahlen. Schließlich liegen zwischen zwei natürlichen Zahlen "unendlich"
viele Brüche. Aber verwechsel nicht Struktur mit Mächtigkeit.


> Dass man R auf jede beliebige seiner echten Teilmengen abbilden kann,
> z.B. durch die Funktion x = 1/(x+1) in der alle reellen positiven
> Zahlen auf das offene Intervall ]0,1] abgebildet werden ist auch
> erstaunlich.

Ja? Sei M eine nicht-leere Teilmenge von R, m\in M. Definiere eine
Abbildung R->M durch r|->m. Wenn du meinst, man könne R auf jede seiner
echten Teilmengen *bijektiv* abbilden, ist das auch nicht richtig. So
existiert keine bijektive Abbildung R->Q.

> Aber ebenso kann ich in N alle Zahlen z.B. auf die
> Quadratzahlen abbilden, sprich, die Quadratzahlen sind gleichmächtig
> wie N. Oder auch die geraden Zahlen, wahrscheinlich auch die
> Primzahlen.

Ja. Das hat der alte Euklid schon bewiesen.

> Man kann verallgemeinern, dass es beliebig viele
> verschiedene echte Teilmengen von N gibt die gleichmächtig sind.


Es kommt sogar noch schlimmer: Es gibt so viele unendliche Teilmengen von N
wie es reelle Zahlen gibt.

> Man
> kann eine unendliche Menge als eine Menge definieren, die auf echte
> Teilmengen von sich selbst abbildbar ist. Und dies gilt ebenso für N
> wie auch für R.

So wurde/wird es sogar gemacht. Genauer: Eine Menge M heißt unendlich, wenn
es eine echte Teilmenge N\sub M und eine Bijektion N-> M gibt.

> Um noch einmal kurz zusammenzufassen: Cantors Beweis zielt darauf ab,
> für jede denkbare Liste von reellen Zahlen zeigen zu können, dass sie
> unvollständig sein muss. Dies macht er, indem er zeigt, dass für jede
> beliebige Liste eine Zahl konstruiert werden kann, die nicht in dieser
> Liste enthalten ist.
> Der Fehler in diesem Gedankengang liegt m.E. darin, dass Cantor diese
> Listen statisch denkt, m.a.W. das Diagonalverfahren wird auf eine
> fertige, abgeschlossene, wenn auch unendliche, aber doch in gewissen
> Sinne erfassbare Liste angewandt.

Mach das nicht an dem Begriff der "Liste" fest. Formal zeigt man, daß eine
Funktion f: N->R niemals surjektiv sein kann. Diese Funktion als "Liste"
zu bezeichnen, ist nur ein Kniff, den Beweis einem mathematischen Laien zu
erklären.


> Letztlich führt dies auf eine Sichtweise des aktual Unendlichen. Das
> Unendliche wird als realisiert angesehen und kann damit entsprechend
> behandelt werden.

Eine Funktion N->R ist aktual vorhanden. (im Rahmen einer Mengenlehre)

> Die Gegenvorstellung dazu lässt nur das potentiell Unendliche zu. Der
> Begriff "unendlich" bezeichnet mehr etwas wie Schrankenlosigkeit, die
> Möglichkeit etwas wieder und wieder durchzuführen ohne je an Grenzen
> zu stoßen, eben so, wie man nat. Zahlen immer weiter zählen kann.
> Diese gegensätzliche Anschauung kann man auch mit der begrifflichen

> Dichotomie >statisch - dynamisch< beschreiben. Beim aktual Unendlichen


> sieht man etwas gewordenes also statisches, das man dann "anfassen"
> und "behandeln" kann.
> Die Vorstellung von potentiell Unendlichem erinnert an ein dynamisches
> System. Etwas ist in einem ständigen Werden begriffen, ist in Bewegung
> ohne je ein Ende zu finden.

Ach herrje. Bist du Geiseswissenschaftler? scnr.


> Die dynamische Betrachtungsweise sieht nun diese Liste in einem
> ständigen Werden begriffen, eben dem potentiell Unendlichen
> zustrebend.

> ..

Wie gesagt, die "Liste" ist nur eine sehr blumige Umschreibung für ein
mathematisch sehr wohl faßbares und aktual vorhandenes Objekt.

> Um jetzt der Verwirrung vorzubeugen: Die letzte Argumentation dient
> dazu, Cantors Verfahren die Mächtigkeit unendlicher Menge zu
> vergleichen (N , R) allgemein in Frage zu stellen. Auch wenn man den
> Schluss akzeptierte, dass es keine vollständige Liste der R geben
> kann, würde sich m.E. damit nicht schlussfolgern lassen, dass R eine
> größere Mächtigkeit wie N besitzt.

Dann mach dir bitte erst einmal klar, was Begriffe wie Mächtigkeit,
mächtiger etc. bedeuten. Das sind alles klar und eindeutig definierte
Begriffe, die keinen Interpretationsspielraum besitzen. Oftmals sind
Bezeichnungen so gewählt, daß sie sich mit Konotationen aus dem üblichen
Sprachgebrauch decken, aber keinesfalls ist die Konotation eines albrecht
maßgeblich, sondern *immer* die (mathematische) Definition.

klaus


Christian Stapfer

unread,
Sep 17, 2004, 6:29:20 AM9/17/04
to

Ich kann mir nicht verkneifen, an dieser Stelle
einzuwerfen, dass die transfinite Mengenlehre
durchaus *auch* auf "naiver" Übertragung von im
Umgang mit *endlichen* Mengen gewonnenen Intuitionen
auf *unendliche* Mengen beruht.
Statt den cantorschen Beweis zum Anlass
zu nehmen, naive Vorstellungen des "mehr als"
(wie: in dieser Büchse hat es "mehr" Kekse als in
jener Büchse - weil sich keine 1-1 Beziehung
zwischen ihnen *definieren* lässt) auf Unendliches
zu übertragen, könnte man sich genauso gut auf
den Standpunkt stellen, dass aus dem cantorschen
Beweis nur folgt, dass der Definitionsprozess
für reelle Zahlen nicht (konstruktiv) abschliessbar
sei.

Gruss,
Christian Stapfer
--
»Das Unendliche findet sich nirgends realisiert;
es ist weder in der Natur vorhanden, noch
als Grundlage in unserem verstandesmässigen Denken
zulässig.. . Das Operieren mit dem Unendlichen kann
nur durch das Endliche gesichert werden. ... Die
Rolle, die dem Unendlichen bleibt, ist vielmehr
lediglich die einer Idee ... (die) alle Erfahrung
übersteigt.«
- David Hilbert: ‘Über das Unendliche’


albrecht

unread,
Sep 17, 2004, 7:04:35 AM9/17/04
to
Horst Kraemer <horst....@epost.de> wrote in message news:<joqjk0t5tvj1q3i4c...@4ax.com>...

>
> Natuerlich kannst Du zu einer abzaehlbar unendlichen Liste von reellen
> Zahlen jeweils ein durch das Cantor-Verfahren konstruierte Element
> hinzufuegen. Wie zeigst Du aber, dass Du dabei *jede* reelle Zahl
> erwischst, d.h. dass es zu *jeder* reellen Zahl, die nicht in der
> Ursprungsliste ist, einen Schritt mit einer bestimmten Nr. k gibt,
> indem genau *diese* Zahl hinzugefuegt wird? Hier steckst Du wieder
> genau das hinein, was Du beweisen willst: dass die Restmenge, die Du
> nicht durch die urspruenglichen Liste erwischt hast, wiederum
> abzaehlbar ist.


Hi,

Primär wollte ich zeigen, dass der Cantor'sche Beweis nicht
folgerichtig zu einer Überabzählbarkeit von R führt.
Ein Beweis der Abzählbarkeit der R ist hier bis jetzt noch nicht
gegeben. Man müsste zuerst eine geeignete Ausgangsliste konstruieren
und dann einen Algorithmus entwickeln, der dafür sorge trägt dass das
Diagonalverfahren auf sinnvolle weise durchgeführt wird. Das
Diagonalverfahren gewährleistet, dass nur Zahlen erzeugt werden, die
in der Liste nicht enthalten sind. Nach unendlicher Zeit würde die
Liste vollständig sein müssen!

Gruß

Albrecht

Klaus Loerke

unread,
Sep 17, 2004, 7:19:13 AM9/17/04
to
> Primär wollte ich zeigen, dass der Cantor'sche Beweis nicht
> folgerichtig zu einer Überabzählbarkeit von R führt.

Ach? Der Beweis zeigt, daß R nicht abzählbar sein kann. Da man jede Menge,
die nicht abzählbar ist, überabzählbar nennt....

> Ein Beweis der Abzählbarkeit der R ist hier bis jetzt noch nicht
> gegeben.

Wie auch? R ist halt nicth abzählbar.

> Man müsste zuerst eine geeignete Ausgangsliste konstruieren
> und dann einen Algorithmus entwickeln, der dafür sorge trägt dass das
> Diagonalverfahren auf sinnvolle weise durchgeführt wird. Das
> Diagonalverfahren gewährleistet, dass nur Zahlen erzeugt werden, die
> in der Liste nicht enthalten sind. Nach unendlicher Zeit würde die
> Liste vollständig sein müssen!

hö? Du meinst, daß man mit dem Diagonalverfahren immer weitere Zahlen
erzeugt und der "Ursprungsliste" hinzufügt? Was würde man am Ende denn
erhalten? Und wie lang wäre diese Liste?

klaus

Gerd Thieme

unread,
Sep 17, 2004, 8:11:40 AM9/17/04
to
Rudolf Sponsel wrote:

>> Auch hier liefert das Diagonalverfahren zuverlässig eine Menge, die
>> Spieler S1 ausgelassen hat. Man kann sie so konstruieren: Sie enthält
>> die von S2 genannte Zahl genau dann, wenn die unmittelbar zuvor von S1
>> genannte Menge diese Zahl nicht enthält.
>
> Läßt sich das an einem Beispiel zeigen?

In dem von Dir schon benutzten Beispiel läßt S1 unter anderem eine Menge
{3, 4, ...} aus. Dein Beispiel ist zu kurz, als daß ich die Pünktchen
schon auflösen könnte.

Ein vollständiges Beispiel für eine ausgelassene Menge kann natürlich
erst vorgelegt werden, wenn ein vollständiges Beispiel für das von Dir
vorgeschlagene Spiel da ist. Für den Beweis ist das aber nicht
erforderlich.

Hätte S1 die oben konstruierte Menge genannt, dann hätte S2 daraufhin
mit einer Zahl k geantwortet. Frage: Ist k Element der von S1 soeben
genannten Menge?

Ja? Dann ist k laut obenstehender Konstruktionsvorschrift kein Element.
Nein? Dann ist k laut obenstehender Konstruktionsvorschrift ein Element.

Siehst Du nun den Widerspruch?

>> Möglicherweise hast Du in Deinen Überlegungen nur endliche Mengen
>> betrachtet.
>
> Das Spiel kann endlos gedacht werden. Und auf jede Zahl, die S1 nennt,
> kann S2 eine N zuordnen.

Das habe ich nicht gemeint.



> Führt mich zur Frage, was denn "das" "Unendliche" sein soll außer einer
> "Spiel-" oder Verfahrensregel?

Die Anzahl der Elemente in den von S1 genannten Mengen kann unendlich
sein. Beispielsweise müßte S1 auch die Menge aller ungeraden Zahlen
nennen und die Menge aller gregorianischen Schaltjahreszahlen und die
Menge aller Primzahlen größer 100 und die Menge aller geraden Zahlen
außer 18, 22 und 404 usw.

Die Menge der endlichen Teilmengen der natürlichen Zahlen ist abzählbar,
die Menge der Teilmengen der natürlichen Zahlen ist es nicht.

Gerd

Rudolf Sponsel

unread,
Sep 17, 2004, 8:47:10 AM9/17/04
to
Rudolf Sponsel wrote:
> Horst Kraemer wrote:
>> albs...@gmx.de (albrecht) wrote:
>>> Rainer
u.a.
...

Zwischennachricht. Erst mal Danke für die Kritik und Anregungen.
Werde mich damit beschäftigen.

Möchte aber zwischendurch doch noch mal klarstellen, daß das
"Spiel" nichts anderes sagte als es sagt: Der S1, R-Proponent (reelle
Zahlen) oder P-Proponent (Potenzmenge) fängt an und S2 liefert zu jeder
Zahl R oder P ein N. Natürlich bewegen wir uns damit im "Endlichen".
Ich hatte erwartet, die Zunft murmelt: trivial (klang ja auch an mit der
Deutung 'einfach durchzählen').

Es ging mir nicht um *alle*. *Alle* gibt es (faktisch) nicht. *Alle* ist
entweder "endlich" oder es gibt es nicht (faktisch) und bezeichnet ein
Verfahren. Daher kann man *alle* auch gar nicht erwischen. Es gibt "alle
N" so wenig wie "alle R" (bislang in meinem Denken). Man kann ja auch
keine Liste aller N erstellen, wie sollte da erst R gehen? "Unendlich"
heißt bezüglich einer Verfahrensvorschrift es gibt kein Ende und damit
auch kein *alle*. Damit ist doch eigentlich alles ;-) gesagt. Mir
scheint der Begriff *alle* ist auch sehr tückisch. Vielleicht sollte man
*alle* nur in der Weise *alle in Bezug ....* verwenden (vielleicht ein
neuer Thread?). Alle geraden Zahlen gäbe es demnach nicht oder nur im
Endlichen, aber es gibt das "Gerade".

Rudolf Sponsel,
Erlangen

Klaas Ole Kuertz

unread,
Sep 17, 2004, 11:53:03 AM9/17/04
to
Moin moin!

> Der Fehler in diesem Gedankengang liegt m.E. darin, dass Cantor diese
> Listen statisch denkt, m.a.W. das Diagonalverfahren wird auf eine
> fertige, abgeschlossene, wenn auch unendliche, aber doch in gewissen
> Sinne erfassbare Liste angewandt.

Wenn es Dir besser gefällt, dann bezeichne doch R etc. als Mengen, die in
einer "dynamischen Liste" aufgezählt werden können, und N etc. als Mengen,
die in einer "statischen Liste" aufgezählt werden können. Und schwups hast
Du neue Begriffe, die einfach genau dasselbe aussagen wie "abzählbar" und
"überabzählbar"!

Du selbst siehst doch offenbar ein, daß es einen Unterschied gibt: Mit dem,
was Du Dir unter einer "statischen Liste" aufzählst, kann R nicht
beschrieben werden, N und Q aber schon. Daß dieser kleine, feine Unterschied
besteht, ist genau das, was Cantor gezeigt hat.

> Auch wenn man den Schluss akzeptierte, dass es keine vollständige
> Liste der R geben kann, würde sich m.E. damit nicht schlussfolgern
> lassen, dass R eine größere Mächtigkeit wie N besitzt.

Dabei ist aber doch "Mächtigkeit" nur eine Worthülse - man könnte dafür auch
"Krömpfel" sagen, was dazu führen würde, daß man sich nicht mit der naiven
Vorstellung von "Mächtigkeit" da ranwagt und falsche Vorstellungen gewinnt!

Also: Definition: Zwei Mengen haben den gleichen Krömpfel, falls zwischen
ihnen keine bijektive Abbildung existiert. Wir haben (wie Du schreibst)
eingesehen, daß es keine vollständige Liste von R geben kann, d.h. auch kein
bijektive Abbildung zwischen N und R. Damit haben sie nicht den gleichen
Krömpfel.

Nun: s/Krömpfel/Mächtigkeit.

Viele Grüße, </KOK>

--
Klaas Ole Kürtz . www.kuertz.net

Rainer Rosenthal

unread,
Sep 17, 2004, 12:58:18 PM9/17/04
to

"Christian Stapfer" konnte sich

> ... nicht verkneifen an dieser Stelle einzuwerfen, dass


> die transfinite Mengenlehre durchaus *auch* auf "naiver"
> Übertragung von im Umgang mit *endlichen* Mengen
> gewonnenen Intuitionen auf *unendliche* Mengen beruht.

sowie im weiteren Verlauf:
> ... könnte man sich genauso gut auf


> den Standpunkt stellen, dass aus dem cantorschen
> Beweis nur folgt, dass der Definitionsprozess
> für reelle Zahlen nicht (konstruktiv) abschliessbar
> sei.

Hallo Christian,

das sind halt die fruchtbaren Metaphern, über die
Julian Jaynes so feinsinnig nachgedacht hatte. Nix gegen
die (mehr oder weniger) naive Übertragung von
Vorstellungen, die sich über ähnlichen Wort- und Sprach-
gebrauch ergibt.

Aber reiz- und sinnvoll wird's ja erst dann, wenn man
das Neue aufmerksam betrachtet und es nicht zu ignorieren
versucht. Ich wollte Rudulf Sponsel eigentlich nur ganz
kurz und knapp darauf hinweisen, dass er stets und ständig
von Elementen aus N ausgehend solche aus R bestimmt. Und
dass er meint, damit irgendwas Relevantes für die andere
Richtung ausgesagt zu haben. Bei endlichen Mengen ist das
tatsächlich wahr, aber eben nur da.

Das mit dem "nicht konstruktiv abschliessbar" nehme ich
mal zur Kenntnis. Ich kann allerdings nix damit anfangen.
Ich denke, dass jeder, der den Cantor-Beweis gerne verstehen
will, es nach einiger Zeit auch schaffen kann. Dabei reicht
das ganz naive Bild von den rellen Zahlen als "diesen Dingern,
die hinten immer noch 'ne Ziffer mehr haben dürfen."

> "Das Unendliche findet sich nirgends realisiert;

> ..."


> - David Hilbert: ‘Über das Unendliche’

Sach ich ja (bzw. Robin Chapman).

Gruss,
Rainer Rosenthal
r.ros...@web.de
--
Das Unendliche findet sich nirgends realisiert.
- Hilbert (1862-1943) in 'Über das Unendliche'
Mathematische Annalen 95 (1926) pp. 161-190

Ralf Bader

unread,
Sep 17, 2004, 2:01:03 PM9/17/04
to
albrecht wrote:

Um mit dem Diagonalverfahren eine weitere reelle Zahl zu bekommen,
muß bereits eine unendlich lange Liste vorliegen. Sonst liefert das
Diagonalverfahren nur eine endliche Ziffernfolge.

> die Liste anzuhängen. In diesem Sinne wäre die Liste potentiell
> unendlich; aber es ist evident, dass diese Liste jede reelle Zahl
> enthält, da sie spätestens dann der Liste hinzugefügt würde wenn das
> Diagonalverfahren sie erzeugt. Anders gesagt, jede Zahl, auf die ich
> die Liste prüfen möchte, wäre spätestens in dem Moment der Prüfung in

Das Diagonalverfahren heißt doch nicht, die nächste reelle Zahl, die dir
gerade zur Überprüfung in den Sinn kommt, am "Ende" der Liste anzufügen.

> der Liste enthalten. Die Situation ist analog mit der Frage: enthält N
> die Zahl x. Indem ich nun z.B. von 1 bis x hochzähle, sprich, eine
> Liste aller Zahlen von 1 bis einschließlich x anlege, könnte es so
> scheinen, wie wenn erst durch die Frage nach dem x dieses dieser Liste
> hinzugefügt wird. Dieses Beispiel ist freilich trivial da wir einer
> Zahl sofort ansehen, ob sie aus N ist bzw. es ließe sich auch auf eine
> andere weise als mit einer Liste prüfen, ob x in N enthalten ist.

Was heißt, "man sieht einer Zahl sofort an, ob sie aus N ist"?
Du siehst z.B. sofort, ob die kleinste Lösung einer Gleichung 10.
Grades ganzzahlig ist?

> Zu meiner früheren Argumentation, das Aufstellen einer Liste der
> reellen Zahlen könnte auch aus einem anderen Grund als der größeren
> Mächtigkeit der R scheitern, ist mir ein Beispiel eingefallen:
> Ich behaupte, es lässt sich keine Liste der Gasmoleküle, die bei einer
> bestimmten Temperatur und einem bestimmten Druck in einem bestimmten
> Volumen eingeschlossen sind, angeben. Trotzdem ist die Anzahl dieser
> Moleküle endlich, ja ich kann sogar deren genaue Zahl angeben (mittels
> Avogadro- Konstante und allg. Gasgesetz).
> Untersuchen wir diesen Fall: Wollte ich die Gasmoleküle im Behälter
> zählen, würde ich daran scheitern, dass sie wie wild herumflitzen und
> ich nicht unterscheiden kann, welches Molekül schon gezählt ist und
> welches nicht. Könnte ich die Bewegung der Teilchen stoppen so dass
> ich sie über ihren Ort unterscheiden kann? Nein, denn der absolute
> Nullpunkt auf den die Temperatur zu diesem Zweck abgesenkt werden
> müsst kann nicht erreicht werden.
> Eine andere praktische Methode, eine Menge zu zählen ist die, die
> Elemente einzeln aus der Menge zu entfernen. Ich würde also ein
> kleines Loch in den Behälter machen und es so einrichten, dass zur
> Zeit nur ein Molekül durch das Loch fliegt und dieses detektieren und
> zählen. Nun stoße ich auf ein anderes, unüberwindliches Problem. Um
> alle Teilchen zu zählen muss ich nach und nach alle Teilchen aus dem
> Behälter entfernen. Dazu müsste ich aber in dem Behälter schließlich
> letztendlich ein vollkommenes Vakuum erzeugen. Auch dies ist
> unmöglich.

Ja, schön. In den Worten von Herbert Mehrtens (Moderne Sprache Mathematik,
Suhrkamp 1990, eine Darstellung der "Grundlagenkrise" der Mathematik und
ihrer Bezüge zur allgemeinen Kultur, in dem zufällig der Cantorsche Beweis
als einleitendes Beispiel für den nichtmathematischen Teil der Leserschaft
gebracht wird, dafür, wie Mathematik "gemacht" wird; das ist übrigens die
Sprechweise im Jargon, man macht Mathematik, wenn man sich eine Theorie
ausdenkt oder einen Satz beweist): "In der Mathematik wird an einer Sprache
ohne Gegenstand gearbeitet, einem strikt regelhaften System von
Imperativen, dessen Gewißheit in elementaren Selbstbezüglichkeiten des
Bezeichnens gründet." Also nicht in Gasmolekülen.

> Ergo: Ich kann nicht einmal von jeder endlichen Menge eine Liste
> anfertigen. Diese Menge ist aber nicht überabzählbar unendlich. Ich
> kann ihre Kardinalzahl angeben. Damit wird die Beweismethode mit
> Listenaufstellung vieldeutig. Die Unmöglichkeit, eine Liste
> aufzustellen, kann bedeuten dass die Menge überabzählbar unendlich ist
> - oder, dass etwas anderes nicht stimmt! (mal flappsig gesagt)
>
> Um jetzt der Verwirrung vorzubeugen: Die letzte Argumentation dient
> dazu, Cantors Verfahren die Mächtigkeit unendlicher Menge zu
> vergleichen (N , R) allgemein in Frage zu stellen. Auch wenn man den
> Schluss akzeptierte, dass es keine vollständige Liste der R geben
> kann, würde sich m.E. damit nicht schlussfolgern lassen, dass R eine
> größere Mächtigkeit wie N besitzt.

Die einzige Voraussetzung des Cantorschen Arguments ist, daß es eine
Bijektion zwischen N und R gäbe. Da sich aus dieser Voraussetzung
(und nichts weiterem, das auch noch falsch sein könnte) ein Widerspruch
ergibt, ist ebendiese Voraussetzung falsch.

Das Diagonalargument funktioniert im Übrigen auch, wenn man sich auf deinen
"dynamischen" (mathematisch würde man sagen, konstruktivistischen)
Standpunkt stellt. Eine reelle Zahl ist dann gegeben z.B. durch ein
Bildungsgesetz für die Ziffern, das man sich als Computerprogramm
vorstellen kann, in einer bestimmten Programmiersprache, etwa C.
Diese konstruktivistischen reellen Zahlen sind echt weniger als die
"formalistischen".
Ein C-Programm ist eine endliche Folge von Zeichen aus einem bestimmten
Alphabet (ASCII). Solche Zeichenfolgen kann man auflisten, erst die aus
einem Zeichen, dann die aus 2 Zeichen usw. Man kann auch nachprüfen, ob
so eine Zeichenfolge ein syntaktisch korrektes Programm ist; insbesondere
kann das auch ein Compiler. Nehmen wir weiter an, es wäre auch nachprüfbar,
ob ein sysntaktisch korrektes Programm im obigen Sinne eine reelle Zahl
beschreibt. Dann können wir aus der Gesamtliste aller ASCII-Zeichenfolgen
die Liste der Beschreibungen konstruktivistischer reeller Zahlen
aussondern, und erhalten damit eine Liste ebendieser. Diese Liste muß
natürlich, wenn wir uns auf einen konsequent konstruktivistischen
Standpunkt stellen, ebenfalls konstruierbar sein, d.h., es muß ein
C-Programm T geben, das ein beliebiges anderes C-Programm X als
Eingabedatum nimmt, und als Ausgabe angibt, ob X Beschreibung einer
reellen Zahl ist oder nicht.
Somit erhielten wir die Liste aller konstruktivistischen reellen Zahlen.
Aber hoppla, wir können nun folgendes Bildungsgesetz angeben: Nimm die k.te
Stelle der k.ten Zahl in dieser Liste, addiere 1, das Ergebnis mod 10 ist
die k.te Ziffer (oder so). Dies liefert eine konstruktivistische Zahl z,
deren gesamte Konstruktionsvorschrift auch die Bildung der Liste
einschließt, bzw. muß für die k.te Ziffer von z das "linke obere
kxk-Quadrat" der Liste erzeugt werden (die deshalb auch voll konstruktiv
sein muß). Und z unterscheidet sich von jeder Zahl der Liste. Ergo: Diese
Liste kann nicht gebildet werden. Das liegt daran, daß es kein Programm T
gibt (die Spezifikation von T ist nämlich die einzige gravierende Lücke in
der obigen Skizze). Die Menge der konstruktivistischen reellen Zahlen ist
aber nur abzählbar unendlich.

> Trotzdem meine ich noch weitergehend, entsprechend der vorhergehenden
> Argumentation zeigen zu können, dass es eben doch eine Liste aller R
> gibt und damit card(N)=card(R).

Es gibt noch andere Beweise für die Überabzählbarkeit von IR, als den
Cantorschen. Ist natürlich theoretisch möglich, daß da immer und überall
Fehler gemacht wurden, aber praktisch ungefähr so wahrscheinlich wie ein
Fehler im kleinen Einmaleins.


Ralf

Roland Harnau

unread,
Sep 17, 2004, 1:57:01 PM9/17/04
to
Rudolf Sponsel <rathsman...@nefkom.net> writes: [...]

> Möchte aber zwischendurch doch noch mal klarstellen, daß das
> "Spiel" nichts anderes sagte als es sagt: Der S1, R-Proponent (reelle
> Zahlen) oder P-Proponent (Potenzmenge) fängt an und S2 liefert zu
> jeder Zahl R oder P ein N. Natürlich bewegen wir uns damit im
> "Endlichen".
> Ich hatte erwartet, die Zunft murmelt: trivial (klang ja auch an mit
> der Deutung 'einfach durchzählen').
>
> Es ging mir nicht um *alle*. *Alle* gibt es (faktisch) nicht.

Doch. Das Unendlichkeitsaxiom von ZF(C) (einem Axiomensystem der
Mengenlehre) garantiert die Existenz einer induktiven Menge. Der
Schnitt aller induktiven Mengen ist per Definition die Menge der
natürlichen Zahlen, und die ist nachweisbar *nicht* endlich.


Roland

Ralf Bader

unread,
Sep 17, 2004, 2:09:42 PM9/17/04
to
Dieter Jungmann wrote:


> Mit anderen Worten: Wenn fuer die abzaehlbare Menge C eine
> Bijektion auf N existiert, dann existiert fuer die Menge
> B = C\d keine Bijektion auf N sondern nur eine Bijektion auf N\n.
> Damit ist die Maechtigkeitsdefiniton fuer unendliche Mengen
> widerlegt.
>
> mfg
> Dieter


Es existiert eine Bijektion von N auf N\n: c |-> c wenn c<n,
c |-> n+1 für c>=n. Damit ist deine Widerlegung widerlegt.


Ralf

Roland Harnau

unread,
Sep 17, 2004, 2:10:09 PM9/17/04
to
"Christian Stapfer" <n...@dev.nil> writes:
[...]

> Ich kann mir nicht verkneifen, an dieser Stelle einzuwerfen, dass
> die transfinite Mengenlehre durchaus *auch* auf "naiver" Übertragung
> von im Umgang mit *endlichen* Mengen gewonnenen Intuitionen auf
> *unendliche* Mengen beruht.

Dabei kann ich mir nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass wenn du
die axiomatische Mengenlehre tatsächlich kennen würdest, wüßtest, dass
sie keineswegs auf einer '"naiven" Übertragung" von "Intuitionen" (was
sind das eigentlich genau?) bezüglich endlicher Mengen beruht (das ist
schon deswegen falsch, da die Mathematiker durch den vortheoretischen
naiven Gebrauch der reellen Zahlen in der Analysis eine Intuition im
Umgang mit überabzählbaren Mengen entwickelt haben, und gerade die
Grundlagenprobleme der Analysis historisch Anlass zur Entwicklung der
Mengenlehre waren), und sie, im Gegensatz zur schlechten Metaphysik
der Konstruktivisten und Intuitionisten, /klare/ Begriffe (Was
bedeutet genau die Phrase dass "der Definitionsprozess für reelle
Zahlen nicht (konstruktiv) abschliessbar sei."?) nicht"zu bieten hat.

Roland

Roland Harnau

unread,
Sep 17, 2004, 2:15:46 PM9/17/04
to
"Christian Stapfer" <n...@dev.nil> writes:
[...]
> Ich kann mir nicht verkneifen, an dieser Stelle einzuwerfen, dass
> die transfinite Mengenlehre durchaus *auch* auf "naiver" Übertragung
> von im Umgang mit *endlichen* Mengen gewonnenen Intuitionen auf
> *unendliche* Mengen beruht.

Dabei kann ich mir nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass wenn du


die axiomatische Mengenlehre tatsächlich kennen würdest, wüßtest, dass
sie keineswegs auf einer '"naiven" Übertragung" von "Intuitionen" (was
sind das eigentlich genau?) bezüglich endlicher Mengen beruht (das ist
schon deswegen falsch, da die Mathematiker durch den vortheoretischen
naiven Gebrauch der reellen Zahlen in der Analysis eine Intuition im
Umgang mit überabzählbaren Mengen entwickelt haben, und gerade die
Grundlagenprobleme der Analysis historisch Anlass zur Entwicklung der
Mengenlehre waren), und sie, im Gegensatz zur schlechten Metaphysik
der Konstruktivisten und Intuitionisten, /klare/ Begriffe (Was

bedeutet genau die Phrase dass "der Definitionsprozess für reelle
Zahlen nicht (konstruktiv) abschliessbar sei."?) zu bieten hat.

Roland

Rainer Rosenthal

unread,
Sep 17, 2004, 3:32:12 PM9/17/04
to

"Dieter Jungmann" schrieb

> Gegeben ist die Menge A der reellen Zahlen des
> Intervalls (0,1). Eine Teilmenge B von A wird
> bijektiv auf N abgebildet, oder anders gesagt,
> B ist die Menge der reellen Zahlen, die in der
> Liste enthalten sind. Das Diagonalverfahren
> zeigt nun, dass B nicht mit A identisch sondern
> eine echte Teilmenge von A ist.

Ja.

>
> Es sei C die Menge, die alle Zahlen aus B und zusaetzlich
> eine Zahl d enthaelt, von der mit dem Diagonalverfahren
> gezeigt wurde, dass sie kein Element von B ist.

Ja, ok.

> C ist ebenfalls abzaehlbar und B ist echte Teilmenge von C.

Aber ja doch. Und eine Abzählung ist schnell gefunden, denn
wenn Du B aufzählst als b_1, b_2, b_3, ..., dann bekommst Du
eine Aufzählung von C als c_1, c_2, c_3, ... mit folgender
Festlegung: c_1 = c und c_2 = b_1, c_3 = b_2 usw., d.h.
mit c_i = b_{i-1} für alle i > 1.

> Das Diagonalverfahren beweist also, dass C nicht auf seine
> echte Teilmenge B bijektiv abgebildet werden kann.

Aber wieso denn nicht? Das ist doch das Einfachste von der
Welt, zwei schon fix und fertig durchgezählte Mengen einander
in eineindeutiger Weise zuzuordnen. Du ordnest dem c_1 das b_1
zu, dem c_2 das b_2 usw.

Was hat das Diagonalverfahren denn damit zu tun? Das Verfahren
hat Dir eine Menge B samt Durchzählung b_1, b_2, b_3, ...
geliefert. Was Du damit machst, ist dann Dein Bier. Das ist
doch dem Verfahren egal. Das Verfahren wartet geduldig auf
den nächsten Cantor-Widerleger und bastelt ihm wieder so eine
Menge B. Und der darf sie auch wieder aufblähen zu einer Menge
C. Er darf die wildesten Sachen damit machen - alles recht,
aber in keiner Weise mit dem Verfahren in Zusammenhang.

> Damit ist die Maechtigkeitsdefiniton fuer unendliche Mengen
> widerlegt.

Eben nicht. Erst dann, wenn eine ordentliche Beweiskette
vorliegt, kann irgendwas als "widerlegt" gelten.

Gruss,
Rainer Rosenthal
r.ros...@web.de


Horst Kraemer

unread,
Sep 17, 2004, 3:55:35 PM9/17/04
to
albs...@gmx.de (albrecht) wrote:

Genau hier steckt der Pferdefuss: Was bedeutet *nach* unendlicher
Zeit? Zeit ist kein Begriff der Mathematik und seine Einfuehrung
vernebelt nur das, was eigentlich gemeint ist. Wenn ein Algorithmus
Zahlen erzeugt, tut er das nacheinander. Man kann die Schritte, mit
denen er Zahlen konstruiert, numerieren. Und es geht nicht darum, zu
fragen, was Sache ist, wenn der Algorithmus "fertig" ist, es geht nur
darum, dass es zu *jeder* reellen Zahl x einen Schritt nr. k(x) gibt,
in der genau diese Zahl hinzugefuegt/konstruiert wird - nicht mehr und
nicht weniger. Aber dies zu zeigen, wird Dir nicht gelingen.

--
Horst

Christian Stapfer

unread,
Sep 18, 2004, 1:01:08 AM9/18/04
to
Roland Harnau wrote:
> "Christian Stapfer" <n...@dev.nil> writes:
> [...]
>> Ich kann mir nicht verkneifen, an dieser Stelle einzuwerfen, dass
>> die transfinite Mengenlehre durchaus *auch* auf "naiver" Übertragung
>> von im Umgang mit *endlichen* Mengen gewonnenen Intuitionen auf
>> *unendliche* Mengen beruht.
>
> Dabei kann ich mir nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass wenn du
> die axiomatische Mengenlehre tatsächlich kennen würdest,

Leere Polemik.

> wüßtest, dass sie keineswegs auf einer '"naiven" Übertragung"
> von "Intuitionen" (was sind das eigentlich genau?) bezüglich
> endlicher Mengen beruht

Zum Beispiel: die Übertragung der Vorstellung, dass,
was im endlichen Fall unmittelbar einleuchten mag,
*auch* im unendlichem Fall aus der Nicht-Definierbarkeit
einer 1-1 Beziehung zwischen zwei Mengen deren
Ungleichheit in einem "objektiv *quantitativen*" Sinne
folge.

> (das ist schon deswegen falsch, da die Mathematiker
> durch den vortheoretischen naiven Gebrauch der
> reellen Zahlen in der Analysis

Axiomatisierung ist nur eine *Kodifizierung* von
naiven Intuitionen, mehr nicht: damit werden solche
Intuitonen *keineswegs* notwendigerweise richtiger.
David Hilberts vielzitierter Schlachtruf "aus dem
Paradies, das und Cantor geschaffen hat, wird uns
niemand vertreiben" spricht in dieser Hinsicht ja
auch Bände...

> eine Intuition im Umgang mit überabzählbaren Mengen
> entwickelt haben,

Ganz klarer Müll: allenfalls kann man Erfahrungen mit
formalen Konsequenzen aus axiomatisch kodifizierten
naiven Intuitionen sammeln - mehr nicht.
Was die Möglichkeit, im Umgang mit Mathematik
angemessene Intuitionen bezüglich Unendlichem -
krasser noch: bezüglich "überabzählbar Unendlichem"
- zu gewinnen betrifft, muss man sich ganz klar machen,
dass auch axiomatische Mengenlehre ein System ist,
das ganz im Abzählbaren verbleibt (Skolem-Löwenheim).
Die in ZFC definierbaren reellen Zahlen sind allemal
nur abzählbar-unendlich viele. Was nichts daran
ändert, dass das Cantorsche Diagonalargument natürlich
auch in ZFC formulierbar ist. Ein Aufzählungsverfahren
für die in ZFC *definierbaren* reellen Zahlen ist aber,
und dies zeigt der Cantorsche Beweis in diesem
speziellen Falle tatsächlich, in ZFC *selbst* nicht
definierbar (Widerspruchsfreiheit von ZFC einmal
vorausgesetzt).
Ein David Hilbert war sich darüber nur allzu
schmerzhaft im klaren. Daher sein Rechtfertigungsversuch
mittels Metamathematik. Aber Junior von heute kann
solche Skrupel eines David Hilbert offenbar nicht
mehr nachvollziehen: er ist eben ganz und gar in das
herrschende *Dogma* einsozialisiert...

> und gerade die Grundlagenprobleme der Analysis historisch
> Anlass zur Entwicklung der Mengenlehre waren),
> und sie, im Gegensatz zur schlechten Metaphysik
> der Konstruktivisten und Intuitionisten,

Ich würde Konstruktivisten und Intuitionisten in
dieser Hinsicht nicht in denselben Topf werfen
wollen.

> /klare/ Begriffe (Was bedeutet genau die Phrase dass
> "der Definitionsprozess für reelle Zahlen nicht
> (konstruktiv) abschliessbar sei."?) zu bieten hat.

(Konkretes Beispiel: siehe meine Erläuterung des
des realen Kerns der Bedeutung des Cantorschen
Diangonalverfahrens für ZFC.)

"Reelle Zahlen" waren schon lange *vor* der
dogmatisch-panikartigen Postulationitis (einer
Entzündung des Postulationsnervs) der axiomatischen
Mengenlehre verwendet worden. Axiomatische Mengenlehre
ist und war mehr ein Verfahren, endlos scheinende
Diskussionen gewaltsam abzubrechen.
Wenn Rolf Leis seinen Studenten in einer
Einführung zur Initesimalrechnung (WS 1992/93)
schrieb "wie gesagt, inzwischen hat sich der Streit
etwas gelegt: und wir haben gelernt mit der Krise
zu leben", dann sehe ich in einem solchen Eingeständnis
*ungeklärter* Grundlagenfragen *mehr* Ehrlichkeit,
als Junior heutzutage zu verkraften in der Lage zu
sein scheint.

Gruss,
Christian Stapfer
--
"Skolem, ohne die Mengenlehre deshalb, wie etwa
Paul Lorenzen, gleich ganz zu verwerfen, hat daraus,
was Cantor wohl tief genug getroffen hätte, auf
den schlechthin illusionären Charakter der
Cantorschen Vorstellungen eines objektiv
vorhandenen Überabzählbaren geschlossen".
- Jürgen Schmitd: "Mengenlehre"


Rainer Rosenthal

unread,
Sep 18, 2004, 6:08:46 AM9/18/04
to

"Christian Stapfer" schrieb

> Roland Harnau schrieb:


> > eine Intuition im Umgang mit überabzählbaren Mengen
> > entwickelt haben,
>
> Ganz klarer Müll: allenfalls kann man Erfahrungen mit
> formalen Konsequenzen aus axiomatisch kodifizierten
> naiven Intuitionen sammeln - mehr nicht.

Aber hallo! Wenn ich eines im Laufe meines länglichen
Lebens gelernt habe, dann dies: Man wird alt wie ein
Haus und lernt immer noch nicht aus.

Und wer kann trennen zwischen den "Tatsachen", aus denen
man etwas gelernt hat und den "Erfahrungen" durch die man
mit ihnen bekannt geworden ist?

Also: Mülleimer auf und Rolands Aussage wieder rausholen.
Sie wird sicher noch gut sein :-)

Gruss,
Rainer Rosenthal
r.ros...@web.de
--

Es lernen durch Metaphern die Weissen und die Kaffern.
(Sinngemäss nach dem Studium von Julian Jaynes)

Christian Stapfer

unread,
Sep 18, 2004, 9:47:09 AM9/18/04
to
Rainer Rosenthal wrote:
>
> "Christian Stapfer" schrieb
>
>> Roland Harnau schrieb:
>> > eine Intuition im Umgang mit überabzählbaren Mengen
>> > entwickelt haben,
>>
>> Ganz klarer Müll: allenfalls kann man Erfahrungen mit
>> formalen Konsequenzen aus axiomatisch kodifizierten
>> naiven Intuitionen sammeln - mehr nicht.
>
> Aber hallo! Wenn ich eines im Laufe meines länglichen
> Lebens gelernt habe, dann dies: Man wird alt wie ein
> Haus und lernt immer noch nicht aus.
>
> Und wer kann trennen zwischen den "Tatsachen", aus denen
> man etwas gelernt hat und den "Erfahrungen" durch die man
> mit ihnen bekannt geworden ist?
>
> Also: Mülleimer auf und Rolands Aussage wieder rausholen.
> Sie wird sicher noch gut sein :-)

Was ich in dem Mülleimer werfen wollte war dies:
den Glauben, dass formales Hantieren mit Axiomen
mit irgend etwas anderem als je nur *Abzählbarem* vor
sich gehe. Wenn einer glaubt, beim Hantieren mit ZFC
Überabzählbarem begegnet zu sein, dann halluziniert
er: Überabzählbares in einem absoluten Sinne ist mit
einem solchen System gar nicht zu erfassen.
Woher also der kausale Kontakt mit "Überabzählbarem",
der hier suggeriert wurde? Sicher *nicht* mit der
axiomatischen Methode: die ist schon beim Versuch, eine
konstruktive Zahlentheorie vollständig zu erfassen,
hoffnungslos überfordert...

Gruss,
Christian


Robert Figura

unread,
Sep 18, 2004, 10:07:15 AM9/18/04
to
albrecht wrote: [...]

Hallo!

Dass man |Q auftählen kann, nicht aber |R ist schon schräg. Nimmt man z.B.
die Misch-"Folge" von Sharkovsky:

3, 5, 7, 9, ...
6,10,14,18, ...
12,20,28,36, ...
...
32, 16, 8, 4, 1. (hier hört sie auf)

Da hat man unendlich viele Zeilen, unendlich viele Spalten, sogar ein
letztes Element und doch für jedes x in |N genau ein Glied mit diesem Wert.

Allerding haben wir in einer auf Ziffern basierenden Konstruktion nie einen
endlichen Index für unendliche Dezimalbrüche (z.B. pi). Man könnte also
statt der 1 bei pi anfangen oder algebraische Zahlen darüber einflechten...

Da ist eben immer noch Platz für weitere Zahlen. Das ist das Problem.

Schade, daß man mit Meta-Konstruktionen auch nicht weiter kommt. Hier beißt
sich denn auch die Katze in den Schwanz, da die Beweise für Berechenbarkeit
zumeist auf dem Diagonalverfahren fußen. Ist vielleicht nicht so praktisch.
Aber man kann leicht sehen dass sich bei Konstruktiven Methoden die
Mächtigkeit vererbt.

Das wär' natürlich Fett, Cantor zu wiederlegen, G"odel gleich mit, und dann
schreiben wir selbstverifizierende Programme...

Ach diese Zahlen.
Da 2^|N also die Teilmengen von |N echt mächtiger sind als |N finde ich es
als Problem anschaulicher:

{}

{1} {2} ...

{1,2} {1,3} ...
{2,3} {2,4} ...
{3,4} {3,5} ...
...

{1,2,3} {1,2,4} ...
{1,3,4} {1,3,5} ...
{1,4,5} {1,4,6} ...
...
{2,3,4} {2,3,5} ...
{2,4,5} {2,4,6} ...
{2,5,6} {2,5,7} ...
...

Die Einelementigen sind soviele wie |N, die Zweielementigen |N x |N, die
Dreielementigen |N x |N x |N usw. Dann lassen wir mal immer eine Zahl weg
(die minus ein-elementigen):

{1,2,3...} = |N

{2,3,4...} {1,3,4...}...

... (siehe oben)

Wir haben immer noch nicht die Teilmenge der geraden Zahlen oder die
Quadratzahlen oder etwa die Menge die mit den Abständen ihrer Elemente die
Ziffern von Pi darstellt (etwa so):

[wir brauchen ja auch die 0, daher machen wir mal {x,x+1} ^= 0]

3.1415...: {1,5,7,12,14,20,...}

Das nenne ich Kontinuum. Die seltsame Eigenschaft beliebig viel (oder feine)
Struktur zu schlucken. Is irgendwie nicht dasselbe wie eine anzahl Orangen
(noch so groß).

Das ist kein Beweis (den hatten wir schon), es ist zur Anschauung.

Grüße
- Robert Figura

P.S.: Oh gott, da geht ja erst das Transfinite los. Jeder Schüler kennt |R,
aber ob wohl die dann folgenden Entitäten in nächster Zeit populäre
Bedeutung erlangen...

--
/* mandlsig.c v0.23 (c) by Robert Figura */
I=1702;float O,o,i;main(l){for(;I--;putchar("oO .,\nm>cot.bitamea\
@urigrf <raguFit erobR"[I%74?I>837&874>I?I^833:l%5:5]))for(O=o=l=
0;O*O+o*o<(16^l++);o=2*O*o+I/74/11.-1,O=i)i=O*O-o*o+I%74*.04-2.2;}

Paul Ebermann

unread,
Sep 18, 2004, 12:39:37 PM9/18/04
to
"Dieter Jungmann" skribis:

> Es sei C die Menge, die alle Zahlen aus B und zusaetzlich
> eine Zahl d enthaelt, von der mit dem Diagonalverfahren
> gezeigt wurde, dass sie kein Element von B ist.
> C ist ebenfalls abzaehlbar und B ist echte Teilmenge von C.
> Das Diagonalverfahren beweist also, dass C nicht auf seine
> echte Teilmenge B bijektiv abgebildet werden kann.

Nein. Dein letztes "also" ist nicht begründet.
Es wurde gezeigt, dass es eine Zahl in C gibt,
die nicht in B ist, aber das heißt nicht, dass
es keine Bijektion zwischen B und C gibt.

Vielleicht ist es etwas irritierend, aber eine der
Charakterisierungen unendlicher Mengen ist es, dass
sie sich auf (bestimmte, nicht alle) Teilmengen
bijektiv abbilden lassen.

Und: Es gibt keine "maximale" abzählbare Menge (oder
auch Teilmenge von A) - zu jeder gibt es immer noch
eine größere, mit einem Element mehr. In A sind immer
noch genug Elemente übrig.
Das ist genauso wie bei den endlichen Mengen ...

> Der uebliche "Beweis", dass sich N auf eine echte unendliche Teilmenge
> bijektiv abbilden laesst, besteht darin, dass eine Konstruktion
> angegeben wird, mit der die Elemente der Mengen in einer bestimmten
> Reihenfolge aufgefuehrt werden. Selbst wenn man ausser acht laesst,
> dass eine Konstruktion nur eine Folge von (immer groesseren) endlichen
> Mengen aber nie eine unendliche Menge ergibt, wuerde dieser "Beweis"
> nur fuer diese Konstruktion (und die daraus ableitbaren weiteren
> Konstruktionen) gelten.

???

Es reicht doch, wenn wir _eine_ Bijektion haben.

> Es lassen sich fuer dieselben beiden
> Mengen aber auch beliebig viele Konstruktionen angeben,
> fuer die es keine Bijektion gibt.

Es hat ja auch keiner behauptet, das jede Abbildung
zwischen zwei gleichmächtigen Mengen eine Bijektion ist.


Paul

Rudolf Sponsel

unread,
Sep 19, 2004, 10:49:43 AM9/19/04
to

Danke für den Hinweis, Das habe ich mir schon gedacht, daß das nicht
anders als über ein Axiom und über 'geeignete' Definitionen geht, da
scheint mir doch eine sehr ideologische Entscheidung zu sein. Wenn ichs
recht verstehe heißt das, man kann so tun als gäbe es z.B. alle N, Q
oder R als *Ganzes*. Für mein Verständnis wäre das ein Widerspruch in
sich. "Unendlich" denke ich als nicht abgeschlossen oder abschließbar.
Betrifft das den Streit zwischen "aktual Unendlichem" und "potentiell
Unendlichem"?

Habe mir mal den Cantor angeschaut und verblüfft festgestellt, daß er
bei den rationalen Zahlen bei der Zuordnung so vorgeht wie ich meine,
daß nummerieren im Prinzip gehen sollte. Und war dann noch viel
verblüffter als ich las, daß N und Q gleichmächtig sein sollen.

Nummerieren können und gleichmächtig war für mich bislang etwas
Unterschiedliches.

Genau wie mir doch klar scheint, daß es ein Vielfaches von Q als N geben
müßte, wenn man sich "unendlich" als Ganzes denkt, weil ja jedes
Intervall zwischen zwei N mit Q beliebig "Q-dicht" aufgefüllt werden
können sollte. Also sehr intuitiv oder dem gesunden Menschenverstand
nahe scheint mir das nicht konstruiert zu sein. Macht man das
absichtlich so abwegig?

Rudolf Sponsel, Erlangen

Gerd Thieme

unread,
Sep 19, 2004, 11:42:39 AM9/19/04
to
Rudolf Sponsel wrote:

> Nummerieren können und gleichmächtig war für mich bislang etwas
> Unterschiedliches.

Ist es auch. »Numerieren können« ist dasselbe wie »abzählbar« oder eben
wie »gleichmächtig mit der Menge der natürlichen Zahlen«.

»Gleichmächtig« können auch andere Mengen sein, zum Beispiel die reellen
und die komplexen Zahlen, oder, um bei unseren Beispielen zu bleiben,
die Menge der reellen Zahlen und die Menge der Teilmengen der
natürlichen Zahlen.

> Genau wie mir doch klar scheint, daß es ein Vielfaches von Q als N geben
> müßte, wenn man sich "unendlich" als Ganzes denkt, weil ja jedes
> Intervall zwischen zwei N mit Q beliebig "Q-dicht" aufgefüllt werden
> können sollte.

Du weigerst Dich, unendliche Mengen als handhabbare Objekte
anzuerkennen, weil Du sie Dir nicht vorstellen kannst. Gleichzeitig
nimmst Du Deine Vorstellungskraft zur Richterin darüber, ob
unterschiedliche Mengen gleichmächtig sind oder nicht.

> Also sehr intuitiv oder dem gesunden Menschenverstand
> nahe scheint mir das nicht konstruiert zu sein.

Wenn die liegende 8 im Spiel ist, sollte man dem gesunden
Menschenverstand tunlichst mißtrauen. Übung für den Anfang: die Menge
der natürlichen Zahlen und die Menge der geraden Zahlen sind
gleichmächtig.

> Macht man das absichtlich so abwegig?

Wie hättest Du es denn gern? Wo sich Mathematik und naive Vorstellung
ins Gehege kommen, wird die Mathematik für politisch inkorrekt erklärt,
oder was?

Gerd

Roland Harnau

unread,
Sep 19, 2004, 12:25:14 PM9/19/04
to
"Christian Stapfer" <n...@dev.nil> writes:

> Roland Harnau wrote:
>> "Christian Stapfer" <n...@dev.nil> writes:
>> [...]
>>> Ich kann mir nicht verkneifen, an dieser Stelle einzuwerfen, dass
>>> die transfinite Mengenlehre durchaus *auch* auf "naiver"
>>> Übertragung von im Umgang mit *endlichen* Mengen gewonnenen
>>> Intuitionen auf *unendliche* Mengen beruht.
>>
>> Dabei kann ich mir nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass wenn
>> du die axiomatische Mengenlehre tatsächlich kennen würdest,
>
> Leere Polemik.

Eine treffenende Beschreibung deiner Beiträge in dsmath.


>> wüßtest, dass sie keineswegs auf einer '"naiven" Übertragung" von
>> "Intuitionen" (was sind das eigentlich genau?) bezüglich endlicher
>> Mengen beruht
>
> Zum Beispiel: die Übertragung der Vorstellung, dass, was im
>endlichen Fall unmittelbar einleuchten mag, *auch* im unendlichem
>Fall aus der Nicht-Definierbarkeit einer 1-1 Beziehung zwischen zwei
>Mengen deren Ungleichheit in einem "objektiv *quantitativen*" Sinne
>folge.

Was bedeutet "quantitativ" hier genau? Die Definition von
"gleichmächtig" über eine Bijektion ist unabhängig von der Frage, ob
man es mit endlichen oder unendlichen Mengen zu tun hat, die Idee ist
dieselbe. Das zentrale Merkmal der Mengenlehre ist die "naive"
Komprehension, also die Aussage, dass es zu einer Eigenschaft von
Objekten eine Menge gibt, die genau diejenigen Objekte als Elemente
enthält, die diese Eigenschaft instantiieren. Die Idee ist derart
intuitiv (wenn auch bei "naiver" Anwendung nicht widerspruchsfrei),
dass sie für einen Großteil der Mathematik ausreicht - ohne
axiomatische Mengenlehre -, und sie ist unabhängig von Unterscheidung
endlich/unendlich.

>
>> (das ist schon deswegen falsch, da die Mathematiker
>> durch den vortheoretischen naiven Gebrauch der
>> reellen Zahlen in der Analysis
>
> Axiomatisierung ist nur eine *Kodifizierung* von naiven Intuitionen,
> mehr nicht:

Eine Axiomatierung ist eine (formale) *Charakterisierung* von
(eventuell relationen) Begriffen, das hat mit "naiven Intuitionen"
erst einmal nichts zu tun. Zumal /Intuitionen/ sowieso keine
hinreichende *erkenntnistheoretische* Basis für Aussagen liefern.

>damit werden solche Intuitonen *keineswegs* notwendigerweise
>richtiger.

Das gilt aber ebenso für Intuitionen über /endliche/ Mengen. Es ist
(erkenntnistheoretisch) nichts gewonnen, wenn man sich darauf
beschränkte.

>> eine Intuition im Umgang mit überabzählbaren Mengen entwickelt
>> haben,
>
> Ganz klarer Müll:

Aber sicher. <tätschel>

>allenfalls kann man Erfahrungen mit formalen Konsequenzen aus
>axiomatisch kodifizierten naiven Intuitionen sammeln - mehr nicht.

Nein. Deine Sicht ist eine nachträgliche formalistische
Reinterpretation der Historie. Tatsächlich hatte man mit dem durch
Newton/Leibnis eingeführten Calculus ein nach bestimmten formalen
Regeln funktionierendes Kalkül, mit dem auf einfache Weise nicht nur
alte, mit umständlichen aber logisch einwandfreien Mitteln gewonnene
Resultate der Griechen reproduziert werden konnten, er lieferte auch
eine Vielzahl neuer interessanter Ergebnisse, die Anwendung in den
sich entwickelnden Naturwissenschaften fanden. Trotz dieses Erfolgs
waren eine ganze Reihe von Mathematikern mit der Situation
unzufrieden, sie suchten nach einer inhaltlichen logischen Fundierung
dieses sich recht beliebig ausnehmenden Regelsystems. Die Bemühungen
gipfelten schließlich in der Entwicklung der moderen Logik und
Mengenlehre (die Cantor /inhaltich/ auffasste), die einen adäquaten
Rahmen für die Analysis bietet. Die "formalen Konsequenzen" (im Sinne
der syntaktischer Regeln für die Ableitbarkeit bestimmter
Zeichenketten aus anderen) des Axiomensystems entsprechen dabei, wie
der Korrektheits- und Vollständigkeitssatz für 1-stufige Sprachen
zeigt, inhaltlich - in einem Modell des Axiomensystems - der
semantischen Folgerungsrelation.


> Was die Möglichkeit, im Umgang mit Mathematik angemessene
> Intuitionen bezüglich Unendlichem - krasser noch: bezüglich
> "überabzählbar Unendlichem" - zu gewinnen betrifft, muss man sich
> ganz klar machen, dass auch axiomatische Mengenlehre ein System ist,
> das ganz im Abzählbaren verbleibt (Skolem-Löwenheim).

Aus der Tatsache, dass es abzählbare Modelle von ZF gibt, bedeutet
nur, dass die Axiome der Mengenlehre (als Zeichenketten) so
interpretiert werden können, dass eine objektsprachliche Aussage
innerhalb von ZF wie "Es gibt eine überabzählbare Menge" übersetzt in
die Metasprache zu einer Aussage über allenfalls abzählbare Entitäten
führt. Ein solches Modell ist aber kein /intendiertes/ Modell,
allenfalls eine mehr oder minder abstruse aber formal mögliche
Interpretation der Axiome.

Wenn du schon mit Skolem-Löwenheim argumentierst - diesen Satz als
gültig ansiehst - so präsupponierst du in der Metasprache die
Mengenlehre, da die Modelltheorie die übliche Mengenlehre eben
voraussetzt. Du kannst also nicht modelltheoretische Argumente für
dich in Anspruch nehmen, ohne das vorauszusetzen, was du eigentlich
bestreiten möchtest, nämlich die Existenz unendlicher und sogar
überabzählbarer Objekte.

> Die in ZFC definierbaren reellen Zahlen sind allemal nur
> abzählbar-unendlich viele.

Die Menge der reellen Zahlen ist aber in ZF definierbar und sie ist,
nach dem in ZF definierten *internen* Begriff der Mächtigkeit,
*überabzählbar*. Dabei spielt es keine Rolle, ob jede einzelne reelle
Zahl definierbar ist.

>Was nichts daran ändert, dass das Cantorsche Diagonalargument
>natürlich auch in ZFC formulierbar ist. Ein Aufzählungsverfahren für
>die in ZFC *definierbaren* reellen Zahlen ist aber, und dies zeigt
>der Cantorsche Beweis in diesem speziellen Falle tatsächlich, in ZFC
>*selbst* nicht definierbar (Widerspruchsfreiheit von ZFC einmal
>vorausgesetzt).

Wenn ZFC widerspruchsfrei ist, hat es nach dem Vollständigkeitssatz
ein Modell, und dann zeigt das Cantorsche Argument (objektsprachlich),
dass es überabzählbare Mengen gibt. Wenn ZFC dagegen nicht
widerspruchsfrei ist, zeigt Cantors Argument *nichts*.


> Ein David Hilbert war sich darüber nur allzu schmerzhaft im
> klaren. Daher sein Rechtfertigungsversuch mittels Metamathematik.

Es gibt eine interessante Erklärung, die IIRC im Artikel über
Beweistheorie in Barwise, /Handbook of Mathematical Logik/, zu finden
ist, warum Hilbert überhaupt zum Formalismus griff, obwohl Zermelo
eine akzeptable Axiomatisierung der Mengenlehre, die die Paradoxien
vermied und die auch Hilbert kannte, zur Verfügung stand: Hilbert ging
es in diesem Fall nicht um eine Grundlagenfrage, er wollte, unter dem
Eindruck, dass Brouwers Intuitionismus zunehmend Einfluss gewann,
einen /Putsch/ (das Wort hat Hilbert selbst verwendet) verhindern.


> Aber Junior von heute kann solche Skrupel eines David
>Hilbert offenbar nicht mehr nachvollziehen: er ist eben ganz und gar
>in das herrschende *Dogma* einsozialisiert...

Es wäre grundsätzlich schön, wenn du deinen religiösen Eifer etwas
zügeln könntest, und *Argumente* statt bloßer *Meinung* präsentierst.


>> und gerade die Grundlagenprobleme der Analysis historisch Anlass
>> zur Entwicklung der Mengenlehre waren), und sie, im Gegensatz zur
>> schlechten Metaphysik der Konstruktivisten und Intuitionisten,
>
> Ich würde Konstruktivisten und Intuitionisten in
> dieser Hinsicht nicht in denselben Topf werfen
> wollen.

Der Vorwurf der "schlechten Metaphysik" bezieht sich primär auf
Intuitionisten, die Konstruktivisten sind da etwas uneinheitlicher.

>> /klare/ Begriffe (Was bedeutet genau die Phrase dass
>> "der Definitionsprozess für reelle Zahlen nicht
>> (konstruktiv) abschliessbar sei."?) zu bieten hat.
> (Konkretes Beispiel: siehe meine Erläuterung des
> des realen Kerns der Bedeutung des Cantorschen
> Diangonalverfahrens für ZFC.)
>
> "Reelle Zahlen" waren schon lange *vor* der
> dogmatisch-panikartigen Postulationitis (einer Entzündung des
> Postulationsnervs) der axiomatischen Mengenlehre verwendet worden.

In der Mengenlehre können die reelle Zahlen, die vorher naiv,
vortheoretisch verwendet wurden, adäquat definiert werden, sie liefert
eine Grundlage nicht für die Analysis, sondern für die ganze
Mathematik (Probleme mit der Kategorientheorie einmal
ausgenommen.)<Polemik> Da hilft auch nicht die lautstarke, beinahe
hysterische Polemik schwurbelder Fanatiker. </Polemik>

Roland

Roland Harnau

unread,
Sep 19, 2004, 12:27:28 PM9/19/04
to
"Christian Stapfer" <n...@dev.nil> writes:

> Roland Harnau wrote:
>> "Christian Stapfer" <n...@dev.nil> writes:
>> [...]
>>> Ich kann mir nicht verkneifen, an dieser Stelle einzuwerfen, dass
>>> die transfinite Mengenlehre durchaus *auch* auf "naiver"
>>> Übertragung von im Umgang mit *endlichen* Mengen gewonnenen
>>> Intuitionen auf *unendliche* Mengen beruht.
>>
>> Dabei kann ich mir nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass wenn
>> du die axiomatische Mengenlehre tatsächlich kennen würdest,
>
> Leere Polemik.

Eine treffenende Beschreibung deiner Beiträge in dsmath.


>> wüßtest, dass sie keineswegs auf einer '"naiven" Übertragung" von
>> "Intuitionen" (was sind das eigentlich genau?) bezüglich endlicher
>> Mengen beruht
>
> Zum Beispiel: die Übertragung der Vorstellung, dass, was im
>endlichen Fall unmittelbar einleuchten mag, *auch* im unendlichem
>Fall aus der Nicht-Definierbarkeit einer 1-1 Beziehung zwischen zwei
>Mengen deren Ungleichheit in einem "objektiv *quantitativen*" Sinne
>folge.

Was bedeutet "quantitativ" hier genau? Die Definition von


"gleichmächtig" über eine Bijektion ist unabhängig von der Frage, ob
man es mit endlichen oder unendlichen Mengen zu tun hat, die Idee ist
dieselbe. Das zentrale Merkmal der Mengenlehre ist die "naive"
Komprehension, also die Aussage, dass es zu einer Eigenschaft von
Objekten eine Menge gibt, die genau diejenigen Objekte als Elemente
enthält, die diese Eigenschaft instantiieren. Die Idee ist derart
intuitiv (wenn auch bei "naiver" Anwendung nicht widerspruchsfrei),
dass sie für einen Großteil der Mathematik ausreicht - ohne
axiomatische Mengenlehre -, und sie ist unabhängig von Unterscheidung
endlich/unendlich.

>


>> (das ist schon deswegen falsch, da die Mathematiker
>> durch den vortheoretischen naiven Gebrauch der
>> reellen Zahlen in der Analysis
>
> Axiomatisierung ist nur eine *Kodifizierung* von naiven Intuitionen,
> mehr nicht:

Eine Axiomatierung ist eine (formale) *Charakterisierung* von
(eventuell relationalen) Begriffen, das hat mit "naiven Intuitionen"
erst einmal nichts zu tun. Zumal /Intuitionen/ allgemein keine
hinreichende *erkenntnistheoretische* Basis für die Geltung von
Aussagen liefern.

>damit werden solche Intuitonen *keineswegs* notwendigerweise
>richtiger.

Das gilt aber ebenso für Intuitionen über /endliche/ Mengen. Es ist


(erkenntnistheoretisch) nichts gewonnen, wenn man sich darauf
beschränkte.

>> eine Intuition im Umgang mit überabzählbaren Mengen entwickelt
>> haben,
>
> Ganz klarer Müll:

Aber sicher. <tätschel>

>allenfalls kann man Erfahrungen mit formalen Konsequenzen aus
>axiomatisch kodifizierten naiven Intuitionen sammeln - mehr nicht.

Nein. Deine Sicht ist eine nachträgliche formalistische


Reinterpretation der Historie. Tatsächlich hatte man mit dem durch
Newton/Leibnis eingeführten Calculus ein nach bestimmten formalen
Regeln funktionierendes Kalkül, mit dem auf einfache Weise nicht nur
alte, mit umständlichen aber logisch einwandfreien Mitteln gewonnene
Resultate der Griechen reproduziert werden konnten, er lieferte auch
eine Vielzahl neuer interessanter Ergebnisse, die Anwendung in den
sich entwickelnden Naturwissenschaften fanden. Trotz dieses Erfolgs
waren eine ganze Reihe von Mathematikern mit der Situation
unzufrieden, sie suchten nach einer inhaltlichen logischen Fundierung
dieses sich recht beliebig ausnehmenden Regelsystems. Die Bemühungen
gipfelten schließlich in der Entwicklung der moderen Logik und
Mengenlehre (die Cantor /inhaltich/ auffasste), die einen adäquaten
Rahmen für die Analysis bietet. Die "formalen Konsequenzen" (im Sinne
der syntaktischer Regeln für die Ableitbarkeit bestimmter
Zeichenketten aus anderen) des Axiomensystems entsprechen dabei, wie
der Korrektheits- und Vollständigkeitssatz für 1-stufige Sprachen
zeigt, inhaltlich - in einem Modell des Axiomensystems - der
semantischen Folgerungsrelation.

> Was die Möglichkeit, im Umgang mit Mathematik angemessene
> Intuitionen bezüglich Unendlichem - krasser noch: bezüglich
> "überabzählbar Unendlichem" - zu gewinnen betrifft, muss man sich
> ganz klar machen, dass auch axiomatische Mengenlehre ein System ist,
> das ganz im Abzählbaren verbleibt (Skolem-Löwenheim).

Aus der Tatsache, dass es abzählbare Modelle von ZF gibt, bedeutet


nur, dass die Axiome der Mengenlehre (als Zeichenketten) so
interpretiert werden können, dass eine objektsprachliche Aussage
innerhalb von ZF wie "Es gibt eine überabzählbare Menge" übersetzt in
die Metasprache zu einer Aussage über allenfalls abzählbare Entitäten
führt. Ein solches Modell ist aber kein /intendiertes/ Modell,
allenfalls eine mehr oder minder abstruse aber formal mögliche
Interpretation der Axiome.

Wenn du schon mit Skolem-Löwenheim argumentierst - diesen Satz als
gültig ansiehst - so präsupponierst du in der Metasprache die
Mengenlehre, da die Modelltheorie die übliche Mengenlehre eben
voraussetzt. Du kannst also nicht modelltheoretische Argumente für
dich in Anspruch nehmen, ohne das vorauszusetzen, was du eigentlich
bestreiten möchtest, nämlich die Existenz unendlicher und sogar
überabzählbarer Objekte.

> Die in ZFC definierbaren reellen Zahlen sind allemal nur
> abzählbar-unendlich viele.

Die Menge der reellen Zahlen ist aber in ZF definierbar und sie ist,


nach dem in ZF definierten *internen* Begriff der Mächtigkeit,
*überabzählbar*. Dabei spielt es keine Rolle, ob jede einzelne reelle
Zahl definierbar ist.

>Was nichts daran ändert, dass das Cantorsche Diagonalargument


>natürlich auch in ZFC formulierbar ist. Ein Aufzählungsverfahren für
>die in ZFC *definierbaren* reellen Zahlen ist aber, und dies zeigt
>der Cantorsche Beweis in diesem speziellen Falle tatsächlich, in ZFC
>*selbst* nicht definierbar (Widerspruchsfreiheit von ZFC einmal
>vorausgesetzt).

Wenn ZFC widerspruchsfrei ist, hat es nach dem Vollständigkeitssatz


ein Modell, und dann zeigt das Cantorsche Argument (objektsprachlich),
dass es überabzählbare Mengen gibt. Wenn ZFC dagegen nicht
widerspruchsfrei ist, zeigt Cantors Argument *nichts*.

> Ein David Hilbert war sich darüber nur allzu schmerzhaft im
> klaren. Daher sein Rechtfertigungsversuch mittels Metamathematik.

Es gibt eine interessante Erklärung, die IIRC im Artikel über


Beweistheorie in Barwise, /Handbook of Mathematical Logik/, zu finden
ist, warum Hilbert überhaupt zum Formalismus griff, obwohl Zermelo
eine akzeptable Axiomatisierung der Mengenlehre, die die Paradoxien
vermied und die auch Hilbert kannte, zur Verfügung stand: Hilbert ging
es in diesem Fall nicht um eine Grundlagenfrage, er wollte, unter dem
Eindruck, dass Brouwers Intuitionismus zunehmend Einfluss gewann,
einen /Putsch/ (das Wort hat Hilbert selbst verwendet) verhindern.

> Aber Junior von heute kann solche Skrupel eines David
>Hilbert offenbar nicht mehr nachvollziehen: er ist eben ganz und gar
>in das herrschende *Dogma* einsozialisiert...

Es wäre grundsätzlich schön, wenn du deinen religiösen Eifer etwas


zügeln könntest, und *Argumente* statt bloßer *Meinung* präsentierst.

>> und gerade die Grundlagenprobleme der Analysis historisch Anlass
>> zur Entwicklung der Mengenlehre waren), und sie, im Gegensatz zur
>> schlechten Metaphysik der Konstruktivisten und Intuitionisten,
>
> Ich würde Konstruktivisten und Intuitionisten in
> dieser Hinsicht nicht in denselben Topf werfen
> wollen.

Der Vorwurf der "schlechten Metaphysik" bezieht sich primär auf


Intuitionisten, die Konstruktivisten sind da etwas uneinheitlicher.

>> /klare/ Begriffe (Was bedeutet genau die Phrase dass


>> "der Definitionsprozess für reelle Zahlen nicht
>> (konstruktiv) abschliessbar sei."?) zu bieten hat.
> (Konkretes Beispiel: siehe meine Erläuterung des
> des realen Kerns der Bedeutung des Cantorschen
> Diangonalverfahrens für ZFC.)
>
> "Reelle Zahlen" waren schon lange *vor* der
> dogmatisch-panikartigen Postulationitis (einer Entzündung des
> Postulationsnervs) der axiomatischen Mengenlehre verwendet worden.

In der Mengenlehre können die reelle Zahlen, die vorher naiv,

Martin Vaeth

unread,
Sep 19, 2004, 1:14:34 PM9/19/04
to
Rudolf Sponsel <rathsman...@nefkom.net> schrieb:

> Roland Harnau wrote:
>> Rudolf Sponsel <rathsman...@nefkom.net> writes: [...]
>>
>>>Möchte aber zwischendurch doch noch mal klarstellen, daß das
>>>"Spiel" nichts anderes sagte als es sagt: Der S1, R-Proponent (reelle
>>>Zahlen) oder P-Proponent (Potenzmenge) fängt an und S2 liefert zu
>>>jeder Zahl R oder P ein N. Natürlich bewegen wir uns damit im
>>>"Endlichen".
>>>Ich hatte erwartet, die Zunft murmelt: trivial (klang ja auch an mit
>>>der Deutung 'einfach durchzählen').
>>>
>>>Es ging mir nicht um *alle*. *Alle* gibt es (faktisch) nicht.

Selbst wenn Du das Unendlichkeitsaxiom ablehnst, "funktioniert"
Dein Spiel nicht - das erkläre ich aber erst am Ende, um vorher noch
ein paar Begriffe zu klären:

>> Doch. Das Unendlichkeitsaxiom von ZF(C) (einem Axiomensystem der
>> Mengenlehre) garantiert die Existenz einer induktiven Menge. Der
>> Schnitt aller induktiven Mengen ist per Definition die Menge der
>> natürlichen Zahlen, und die ist nachweisbar *nicht* endlich.
>
> Danke für den Hinweis, Das habe ich mir schon gedacht, daß das nicht
> anders als über ein Axiom und über 'geeignete' Definitionen geht, da
> scheint mir doch eine sehr ideologische Entscheidung zu sein.

Es ist in der Tat eine "ideologische" Entscheidung, wenngleich auch eine,
die sich durch ihre Erfolge rechtfertigt.

> Wenn ichs
> recht verstehe heißt das, man kann so tun als gäbe es z.B. alle N, Q
> oder R als *Ganzes*. Für mein Verständnis wäre das ein Widerspruch in
> sich. "Unendlich" denke ich als nicht abgeschlossen oder abschließbar.
> Betrifft das den Streit zwischen "aktual Unendlichem" und "potentiell
> Unendlichem"?

Ja.

> Genau wie mir doch klar scheint, daß es ein Vielfaches von Q als N geben
> müßte, wenn man sich "unendlich" als Ganzes denkt, weil ja jedes
> Intervall zwischen zwei N mit Q beliebig "Q-dicht" aufgefüllt werden
> können sollte.

Das liegt nur daran, dass die "normale" Ordnung von Q eigentlich seltsam
ist - wenn Du Dir Q "abgezählt aufgelistet" vorstellst und dementsprechend
ordnest (also beispielsweise
-1/1 < 0/1 < 1/1 < -4/2 < -3/2 < -1/2 < 1/2 < 3/2 < 4/2 < -9/3 < -8/3 < ...
oder wie auch immer Deine Abzählung aussieht) dann liegt da nichts Q-dicht.

> Also sehr intuitiv oder dem gesunden Menschenverstand
> nahe scheint mir das nicht konstruiert zu sein. Macht man das
> absichtlich so abwegig?

Die "übliche" Ordnung von Q erscheint in obigem Zusammenhang zwar abwegig,
aber in anderen Zusammenhängen eben nicht. "Man" macht es also nicht
abwegig, sondern die Problematik liegt im Wesen der Sache - beide Ordnungen
haben ihren Zweck und müssen daher berücksichtigt werden.

Jetzt zu Deinem ersten Problem: Selbst wenn Du das Unendlichkeitsaxiom
ablehnst, gibt es einen massiven Unterschied zwischen Q (beispielsweise)
oder R:
Ich hoffe, es ist mittlerweile klar, dass es um die Frage geht, ob der
Spieler 1 "alle" Zahlen (aus R bzw. Q) erwischt - da wir ohne das
Unendlichkeitsaxiom Probleme haben, "alle" zu definieren, müssen wir
die Frage natürlich anders stellen.
Wir fragen uns statt dessen: Wenn wir irgendeine Zahl (aus R bzw. Q)
vorgeben, wird dann der Spieler 1 nach einer *endlichen* Anzahl von
Zügen diese Zahl ausgewählt haben?
Die Antwort ist: Wenn Spieler 1 nach einem "schlechten" Schema Zahlen zieht,
muss das nicht der Fall sein (Spieler 1 könnte
beispielsweise 1, 1/2, 1/3, 1/4, ... ziehen und wir warten darauf,
dass er die 2 wählt). Aber: Im Falle von Q *kann* der Spieler 1 so ziehen,
dass er *jede* Zahl (egal, welche wir ausgesucht haben) in endlicher Zeit
erwischt hat - er braucht ja nur die Zahlen in der Reihenfolge der obigen
Ordnung -1/1 < 0/1 < ... zu ziehen.
Im Falle von R ist dies aber nicht möglich - sobald uns Spieler 1 sein
"Auswahlschema" verrät - egal wie klug er es auch ausgedacht haben mag -
gibt uns das Diagonalverfahren einen Weg, eine Zahl zu konstruieren,
die Spieler 1 nicht in endlicher Zeit wählen wird (Nochmals: Für Q ist das
nicht möglich, wenn Spieler 1 dem obigen Auswahlschema -1/1 0/1 ... folgt).
Also egal, ob Du R "als Ganzes" akzeptierst oder nicht, Spieler 1 wird
niemals "alle" reellen Zahlen ziehen können ("alle" rationalen hingegen
schon, wenn er klug spielt - etwa nach obigem Schema - und das Spiel
"abzählbar" unendlich lange dauern darf).

Christian Stapfer

unread,
Sep 19, 2004, 2:47:06 PM9/19/04
to
Roland Harnau wrote
> "Christian Stapfer" <n...@dev.nil> writes:
>
>> Roland Harnau wrote:
>>> "Christian Stapfer" <n...@dev.nil> writes:
>>> [...]
>>>> Ich kann mir nicht verkneifen, an dieser Stelle einzuwerfen, dass
>>>> die transfinite Mengenlehre durchaus *auch* auf "naiver"
>>>> Übertragung von im Umgang mit *endlichen* Mengen gewonnenen
>>>> Intuitionen auf *unendliche* Mengen beruht.
>>>
>>> Dabei kann ich mir nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass wenn
>>> du die axiomatische Mengenlehre tatsächlich kennen würdest,
>>
>> Leere Polemik.
>
> Eine treffenende Beschreibung deiner Beiträge in dsmath.

Mag sein, aber obige Polemik war jedenfalls ein gezielt
persönlicher Angriff: entschieden kein Versuch "den
Ball zu spielen". Ganz gleich wie es um meine Kompetenz
in solchen Fragen genau bestellt sein mag, tut jeder,
wie gescheit er auch sei, gut daran, derart pubertäre
Manöver zu unterlassen.

Wer wollte einen Primat unseres Wissens über das Verhalten
endlicher Mengen leugnen wollen? Sicher nicht ein David
Hilbert: finitäre Methoden waren es, die ihm letzten Halt
versprachen. Und wer wollte gar so vermessen sein, unser
Wissen über "überabzählbare Mengen" auf *dieselbe* Stufe
zu stellen?

> Es ist (erkenntnistheoretisch) nichts gewonnen,
> wenn man sich darauf beschränkte.

Glaubt das jemand? Ich dachte immer, dass soviel
Ehrlichkeit selbstverständlich angenommen werden
dürfe: dass transfinite Mengenlehre(r) sehr starke
(blödsinnig starke) "ontologische" Prämissen einführen
muss (müssen) um ihre Position schlecht-und-recht
durchhalten zu können.

>
>>> eine Intuition im Umgang mit überabzählbaren Mengen entwickelt
>>> haben,
>>
>> Ganz klarer Müll:
>
> Aber sicher. <tätschel>

Beispiel: die Strategie Widersprüche zu vermeiden,
die zu ZFC geführt haben, ist einerseits "kumulative
Hierarchie" (wofür ich einige Sympathie hege),
andererseits aber "limitation of size"
(->Reduzibilitätsaxiom), wofür ich wenig Verständnis
aufbringen kann - aber, merkwürdig, diese Art von
heterogener Bastelei scheint nur wenige zu stören
(immerhin: George Boolos: "Iteration Again").

>
>>allenfalls kann man Erfahrungen mit formalen Konsequenzen aus
>>axiomatisch kodifizierten naiven Intuitionen sammeln - mehr nicht.
>
> Nein. Deine Sicht ist eine nachträgliche formalistische
> Reinterpretation der Historie.

Und ich dachte immer, dass es die "Sieger" sind,
die die Geschichte umschreiben...

> Tatsächlich hatte man mit dem durch
> Newton/Leibnis eingeführten Calculus ein nach bestimmten formalen
> Regeln funktionierendes Kalkül, mit dem auf einfache Weise nicht nur
> alte, mit umständlichen aber logisch einwandfreien Mitteln gewonnene
> Resultate der Griechen reproduziert werden konnten, er lieferte auch
> eine Vielzahl neuer interessanter Ergebnisse, die Anwendung in den
> sich entwickelnden Naturwissenschaften fanden. Trotz dieses Erfolgs
> waren eine ganze Reihe von Mathematikern mit der Situation
> unzufrieden, sie suchten nach einer inhaltlichen logischen Fundierung
> dieses sich recht beliebig ausnehmenden Regelsystems. Die Bemühungen
> gipfelten schließlich in der Entwicklung der moderen Logik und
> Mengenlehre (die Cantor /inhaltich/ auffasste), die einen adäquaten
> Rahmen für die Analysis bietet. Die "formalen Konsequenzen" (im Sinne
> der syntaktischer Regeln für die Ableitbarkeit bestimmter
> Zeichenketten aus anderen) des Axiomensystems entsprechen dabei, wie
> der Korrektheits- und Vollständigkeitssatz für 1-stufige Sprachen
> zeigt, inhaltlich - in einem Modell des Axiomensystems - der
> semantischen Folgerungsrelation.

Wenn man einen entscheidbaren Beweisbegriff will
- und wer möchte dies nicht - dann bleibt man im
Abzählbaren.

>
>> Was die Möglichkeit, im Umgang mit Mathematik angemessene
>> Intuitionen bezüglich Unendlichem - krasser noch: bezüglich
>> "überabzählbar Unendlichem" - zu gewinnen betrifft, muss man sich
>> ganz klar machen, dass auch axiomatische Mengenlehre ein System ist,
>> das ganz im Abzählbaren verbleibt (Skolem-Löwenheim).
>
> Aus der Tatsache, dass es abzählbare Modelle von ZF gibt, bedeutet
> nur, dass die Axiome der Mengenlehre (als Zeichenketten) so
> interpretiert werden können, dass eine objektsprachliche Aussage
> innerhalb von ZF wie "Es gibt eine überabzählbare Menge" übersetzt in
> die Metasprache zu einer Aussage über allenfalls abzählbare Entitäten
> führt.

Die Frage ist, ob ZFC Überabzählbares in einem relevanten
Sinne *charakterisieren* kann - kann es nicht, wenn es "auch"
abzählbare Modelle gibt.

> Ein solches Modell ist aber kein /intendiertes/ Modell,

Die Rede vom "intendierten Modell" setzt (zirkulär) voraus,
was sie erst liefern sollte.

> allenfalls eine mehr oder minder abstruse aber formal mögliche
> Interpretation der Axiome.

Welche Interpretation abstrus ist kann diskutiert werden.
Eine missliebige - aber einzig sicher existent nachweisbare -
abzählbare Interpretation von vornherein als "abstrus"
zu verwerfen ist aus meiner Perspektive nur ein weiteres
rhetorisches Manöver.

>
> Wenn du schon mit Skolem-Löwenheim argumentierst - diesen Satz als
> gültig ansiehst - so präsupponierst du in der Metasprache die
> Mengenlehre, da die Modelltheorie die übliche Mengenlehre eben
> voraussetzt.

Man darf eine Position durchaus widerlegen, indem
man *vorübergehend* ihre Prämissen übernimmt
(indirekter Beweis), aber das brauche ich Dir
gewiss nicht des langen und breiten zu erklären...

> Du kannst also nicht modelltheoretische Argumente für
> dich in Anspruch nehmen, ohne das vorauszusetzen, was du eigentlich
> bestreiten möchtest, nämlich die Existenz unendlicher und sogar
> überabzählbarer Objekte.

Kam mir nicht in den Sinn, die "Existenz" unendlicher
"Objekte" bestreiten zu wollen (allerdings handelt es
sich bei solchen "Objekten" zweifellos nicht um
empirisch Vorgefundenes). Die Konstruktionstechniken
anderer als empirischer "Objekte", "Objekte" mehr
theoretischer Art, sind aber nicht ohne weiteres auf
die überabzählbare Tour vorstellbar. Von theologischen
Sprüngen ans transfinite (transzendente?) Ufer einmal
abgesehen... (Wie oft haben seine Neuronen seit seiner
Geburt schon geklappert? - Nur eine *endliche* Anzahl
mal! - und der redet da was von überabzählbar, als hätte
er solche Objekte vor Augen - ha, ha, ha..)

>> Die in ZFC definierbaren reellen Zahlen sind allemal nur
>> abzählbar-unendlich viele.
>
> Die Menge der reellen Zahlen ist aber in ZF definierbar und sie ist,
> nach dem in ZF definierten *internen* Begriff der Mächtigkeit,
> *überabzählbar*. Dabei spielt es keine Rolle, ob jede einzelne reelle
> Zahl definierbar ist.

Dieser "ZFC-interne" Begriff der reellen Zahl bzw.
der Mächtigkeit spielt *keine* Rolle in diesem
Thread: denn es wird wie selbstverständlich ein
"absoluter" Begriff *der* reellen Zahl bzw.
Mächtigkeit vorausgesetzt - nicht ein bloss
ZFC-interner. Da es aber nur abzählbar-unendlich
viele aus ZFC ableitbare Sätze gibt, gibt es
(von aussen betrachtet) in ZFC auch nur abzählbar-
unendlich viele reelle Zahlen. Nur: ZFC ist nicht
in der Lage, diese Abzählbarkeit zu erkennen, und
halluziniert daher, es handle sich um eine *absolute*
Form der Überabzählbarkeit - weit gefehlt.

>>Was nichts daran ändert, dass das Cantorsche Diagonalargument
>>natürlich auch in ZFC formulierbar ist. Ein Aufzählungsverfahren für
>>die in ZFC *definierbaren* reellen Zahlen ist aber, und dies zeigt
>>der Cantorsche Beweis in diesem speziellen Falle tatsächlich, in ZFC
>>*selbst* nicht definierbar (Widerspruchsfreiheit von ZFC einmal
>>vorausgesetzt).
>
> Wenn ZFC widerspruchsfrei ist, hat es nach dem Vollständigkeitssatz
> ein Modell, und dann zeigt das Cantorsche Argument (objektsprachlich),
> dass es überabzählbare Mengen gibt.

Quark: ZFC hat in diesem Falle ein abzählbares Modell,
kann also Überabzählbarkeit nur als "internes" Krüppelchen
des Nicht-Definieren-Könnens eines Abzählungsverfahrens
seiner eigenen Definitionsmöglichkeiten von reellen
Zahlen liefern. Was darüber *hinaus* geht ist blosse
Theologie.

> Wenn ZFC dagegen nicht widerspruchsfrei ist, zeigt
> Cantors Argument *nichts*.

In ZFC nicht, aber natürlich ist die Idee leicht
auf ähnliche Systeme übertragbar.

>> Ein David Hilbert war sich darüber nur allzu schmerzhaft im
>> klaren. Daher sein Rechtfertigungsversuch mittels Metamathematik.
>
> Es gibt eine interessante Erklärung, die IIRC im Artikel über
> Beweistheorie in Barwise, /Handbook of Mathematical Logik/, zu finden
> ist, warum Hilbert überhaupt zum Formalismus griff, obwohl Zermelo
> eine akzeptable Axiomatisierung der Mengenlehre, die die Paradoxien
> vermied

Heisst im Klartext nur: dass man nicht in der Lage
war, die bisher bekannten Antinomien herzuleiten.
Ein sehr *schwacher* Grund für einen, der es
(wie David Hilbert) mit den Grundlagen *ernst* meinte,
von *besseren* Begründungsversuchen abzulassen.
David Hilbert war eben (in dieser Phase seiner Entwicklung)
noch modern - aber Junior ist nun post-modern.

> und die auch Hilbert kannte, zur Verfügung stand: Hilbert ging
> es in diesem Fall nicht um eine Grundlagenfrage, er wollte, unter dem
> Eindruck, dass Brouwers Intuitionismus zunehmend Einfluss gewann,
> einen /Putsch/ (das Wort hat Hilbert selbst verwendet) verhindern.
>
>
>> Aber Junior von heute kann solche Skrupel eines David
>>Hilbert offenbar nicht mehr nachvollziehen: er ist eben ganz und gar
>>in das herrschende *Dogma* einsozialisiert...
>
> Es wäre grundsätzlich schön, wenn du deinen religiösen Eifer etwas
> zügeln könntest, und *Argumente* statt bloßer *Meinung* präsentierst.

Aus solchen "Argumenten" ist primär die satte Selbstsicherheit
desjenigen ablesbar, der sich als Mitglied einer kompakten
Majorität fühlt (als blosse "Meinung" wird herabgesetzt, was
dem dominant angenommenen Dogma widerspricht). Überabzählbares
darf in "üblicher Mengenlehre" zwecks Modelltheorie einfach
vorausgesetzt werden, ohne dass es irgend jemandem bei einem
solchen Manöver übel (oder auch nur leicht unwohl) wird.
Nachdem man das überabzählbare Karnickel in den Zylinder
gelegt hat, kann man es dann mit gespieltem Erstaunen aus
demselben Zylinder wieder herausziehen...

Gruss,
Christian
--
»My personal attitude concerning the question of
"actual" existence of various kinds of large
cardinals, whether smaller or larger, is that it
is all pie in the sky.«
- Solomon Feferman: 'Gödel's program for new axioms'


Horst Kraemer

unread,
Sep 19, 2004, 3:29:22 PM9/19/04
to
Rudolf Sponsel <rathsman...@nefkom.net> wrote:

> Danke für den Hinweis, Das habe ich mir schon gedacht, daß das nicht
> anders als über ein Axiom und über 'geeignete' Definitionen geht, da
> scheint mir doch eine sehr ideologische Entscheidung zu sein. Wenn ichs
> recht verstehe heißt das, man kann so tun als gäbe es z.B. alle N, Q
> oder R als *Ganzes*. Für mein Verständnis wäre das ein Widerspruch in
> sich. "Unendlich" denke ich als nicht abgeschlossen oder abschließbar.
> Betrifft das den Streit zwischen "aktual Unendlichem" und "potentiell
> Unendlichem"?

Vielleicht. Die Existenz von sog. "aktual unendlichen" Mengen als
"fertig und vorhanden" und nicht als "werdend" ist einer der
Grundpfeiler der modernen Mengentheorien. Diese Annahme der Existenz
von aktual unendlichen Mengen hat vor etwa 100 Jahren zu einer tiefen
Grundlagenkrise der Mathematik gefuehrt, da dies den seit dem
Mittelalter ueberkommenen philosophischen Lehren widersprach. Die
ueberwaeltigende Mehrheit der heutigen Mathematiker ist der Meinung,
dass man damit gut leben kann.

> Habe mir mal den Cantor angeschaut und verblüfft festgestellt, daß er
> bei den rationalen Zahlen bei der Zuordnung so vorgeht wie ich meine,
> daß nummerieren im Prinzip gehen sollte. Und war dann noch viel
> verblüffter als ich las, daß N und Q gleichmächtig sein sollen.
>
> Nummerieren können und gleichmächtig war für mich bislang etwas
> Unterschiedliches.

"Numeriern koennen" und "gleichmaechtig mit der Menge der natuerlichen
Zahlen" meinst Du hier.



> Genau wie mir doch klar scheint, daß es ein Vielfaches von Q als N geben
> müßte, wenn man sich "unendlich" als Ganzes denkt, weil ja jedes
> Intervall zwischen zwei N mit Q beliebig "Q-dicht" aufgefüllt werden
> können sollte. Also sehr intuitiv oder dem gesunden Menschenverstand
> nahe scheint mir das nicht konstruiert zu sein. Macht man das
> absichtlich so abwegig?

Dass eine Menge M und eine echte Teilmenge T von M "gleichmaechtig" im
Sinne von "elementweise paarbar, so dass alle Elemente beider Mengen
ausgeschoepft werden", ist genau das, was "endlich" von "unendlich"
unterscheidet. Man kann diese Eigenschaft sogar als Definition des
Begriffs "unendlich" verwenden.

Es ist nicht verwunderlich, dass einem diese Eigenschaft zunaechst
nicht als "intuitiv klar" erscheint, da das menschliche Gehirn nicht
im Ungang mit unendlichen Entitaeten geuebt ist.

Die Sache mit Q loest sich ganz einfach auf, wenn man Q als Teilmenge
aller Paare (p,q) von ganzen Zahlen betrachtet, die sich ja ganz
einfach "durchnumerieren" laesst. Dass sich diese Menge auch so
anordnen laeest, dass zwischen zwei benachbarten Elementen von N (und
sogar zwischen je zwei verschiedenen Elementen von Q) unendlich viele
Elemente von Q liegen hat hinsichtlich dieser grundsaetzlichen
Abzaehlbarkeit nur anekdotischen Wert.


--
Horst

Hermann Kremer

unread,
Sep 19, 2004, 6:17:50 PM9/19/04
to
Rudolf Sponsel schrieb in Nachricht ...

>Roland Harnau wrote:
>> Rudolf Sponsel <rathsman...@nefkom.net> writes: [...]
[ ... ]

>Habe mir mal den Cantor angeschaut und verblüfft festgestellt, daß er
>bei den rationalen Zahlen bei der Zuordnung so vorgeht wie ich meine,
>daß nummerieren im Prinzip gehen sollte. Und war dann noch viel
>verblüffter als ich las, daß N und Q gleichmächtig sein sollen.

Q und N sollen nicht nur, sie sind auch gleichmächtig im Sinn von
"bijektiv aufeinander abbildbar" ... und die Teilmenge der rationalen
Zahlen q <= 1 ist ebenfalls gleichmächtig zu N: Setzen wir

q = a/b, b \in N, a \in N und a <= b ; N := {1, 2, 3, ...}

und schreiben die Cantor-Abbildung

n(b,a) = b*(b-1)/2 + a

mal fuer einige Werte hin:

| 1 2 3 4 5 6 ... --> a
---+------------------------
1 | 1
2 | 2 3
3 | 4 5 6
4 | 7 8 9 10
5 | 11 12 13 14 15
6 | 16 17 18 19 20 21
.
:
v
b

d.h.

1/1 -> 1,
1/2 -> 2, 2/2 -> 3,
1/3 -> 4, 2/3 -> 5, 3/3 -> 6,
1/4 -> 7, 2/4 -> 8, 3/4 -> 9, 4/4 -> 10
1/5 -> 11, ...
1/6 -> 16, ...
1/7 -> 22, ...

dann sieht man sofort, dass man damit sämtliche rationalen Zahlen <= 1
erwischt.
Für die Abbildungsfunktion n(b,a) bleibt dann zu zeigen: Ist n(b,a) irgend
eine natuerliche Zahl, so muss

Fuer a < b: n(b,a+1) = n(b,a) + 1 ,
Fuer a = b: n(b+1,1) = n(b,b) + 1 ,

gelten, und das duerfte ja nicht allzu schwierig sein. Damit ist gezeigt, dass
die Folge n(b,a) saemtliche natuerliche Zahlen durchlaeuft. Man muss
jetzt noch zeigen, dass dabei jede natuerliche Zahl nur genau einmal
auftritt, und dazu kann man z.B. die Tatsache benutzen, dass die Folge
der n(b,a) streng monoton waechst.
Die Umkehrabbildung, die für irgend eine gegebene natürliche Zahl n
als Nummer die dazugehörige rationale Zahl q liefert, lässt sich ebenfalls
angeben; das wäre eine hübsche Übungsaufgabe für Dich ;-))

>Nummerieren können und gleichmächtig war für mich bislang etwas
>Unterschiedliches.

Numerieren heißt doch: Abbilden der Elemente einer Menge auf die
natürlichen Zahlen 1, 2, 3, 4, ...

>Genau wie mir doch klar scheint, daß es ein Vielfaches von Q als N geben
>müßte, wenn man sich "unendlich" als Ganzes denkt, weil ja jedes
>Intervall zwischen zwei N mit Q beliebig "Q-dicht" aufgefüllt werden
>können sollte. Also sehr intuitiv oder dem gesunden Menschenverstand
>nahe scheint mir das nicht konstruiert zu sein. Macht man das
>absichtlich so abwegig?

Was ist dabei abwegig? Abwegig sind doch nur andere Versuche einer
N u m e r i e r u n g der rationalen Zahlen, und mögen sie noch so "... intuitiv
und dem gesunden Menschenverstand nahe ..." erscheinen ;-)

Grüße
Hermann
--

>
>Rudolf Sponsel, Erlangen
>


Paul Ebermann

unread,
Sep 19, 2004, 6:00:52 PM9/19/04
to
"Christian Stapfer" skribis:

Ein abzählbares Modell von ZFC ist wohl eine (abzählbare)
Menge M von Objekten (Mengen), zusammen mit einer Relation
E auf dieser Menge, so dass für diese die Axiome aus ZFC
gelten.

Das heißt aber nicht, dass die Elemente von M (also die
"Mengen" in unserem Modell) selbst alles abzählbare Mengen
sind (im Beweis nimmt man ja einfach Äquivalenzklassen von
Konstantensymbolen, wenn ich mich recht erinnere), oder
dass die E-Relation darauf dem "äußeren" Element-Begriff
entspricht. Man kann auch nicht eine Isomorphie zwischen
den "inneren" und "äußeren" abzählbaren Mengen aufstellen.


Paul

Christian Stapfer

unread,
Sep 20, 2004, 12:23:19 AM9/20/04
to
Christian Stapfer wrote:

</snip>


> Beispiel: die Strategie Widersprüche zu vermeiden,
> die zu ZFC geführt haben, ist einerseits "kumulative
> Hierarchie" (wofür ich einige Sympathie hege),
> andererseits aber "limitation of size"
> (->Reduzibilitätsaxiom), wofür ich wenig Verständnis

^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^
Sollte natürlich Ersetzungsaxiom sein
(das Reduzibilitätsaxiom war eben
auch so ein "Bastel" - vielleicht
ist mir deshalb dieses falsche
Wort in die Tastatur gefallen).

> aufbringen kann - aber, merkwürdig, diese Art von
> heterogener Bastelei scheint nur wenige zu stören
> (immerhin: George Boolos: "Iteration Again").


Gruss,
Christian

Martin Vaeth

unread,
Sep 20, 2004, 5:07:11 AM9/20/04
to
Christian Stapfer <n...@dev.nil> schrieb:

Jetzt glaube ich endlich zu verstehen, worauf Du hinaus willst:
Dass man axiomatisch durch das Reduzibilitätsaxiom alleine
ev. nicht "genügend" Teilmengen einer unendlichen Menge garantieren
kann. Dies erscheint mir gerade sehr vernünftig, weil das irgendwie das
wiedergibt, wozu man Mathematik in den Anwendungen (etwa in der Physik)
einsetzt. Beachte aber, dass das Auswahlaxiom (das ich aus genau diesem
Grunde *nicht* schätze) noch sehr viel mehr Teilmengen garantiert - in
gewissem Sinne praktisch alle Teilmengen, von denen man überhaupt
*irgendwie* (und sei es noch so implizit) sprechen kann.

albrecht

unread,
Sep 20, 2004, 5:37:37 AM9/20/04
to
"Klaas Ole Kuertz" <kue...@t-online.de> wrote in message news:<cif1a4$7hp$02$1...@news.t-online.com>...


Hi,

Nein, es gibt keinen Unterschied zwischen statischen und dynamischen
Listen bzw. Mengen. Es gibt nur einen Unterschied zwischen statischer
(aktual Unendlich) oder dynamischer (potentiell Unendlich)
Betrachtungsweise. Beide Betrachtungsweisen offenbaren jeweils andere
Aspekte der betrachteten Mengen.
Wenn die Mathematik diese unterschiedlichen Betrachtungsweisen nicht
integrieren kann wird sie vieldeutig. Per Definition das aktual
Unendliche als die einzige Wahrheit zu deklariern scheint mir
mathematischer Schmuh (vielleicht äquivalent zum dogmatischen
Postulat, alle Geraden schnitten sich im Unendlichen).
Das Problem ist auch nicht, dass eine Menge, die sich zu den nat.
Zahlen verhält wie sich die reellen Zahlen zu den nat. Zahlen
verhalten als überabzählbar zu definieren. Das Problem beginnt, wenn
ich z.B. anfange daraus zu folgern, dass R eine größere Kardinalzahl
besitzt als N.

Herzliche Krömpfel,

Albrecht

Thomas Haunhorst

unread,
Sep 20, 2004, 2:26:21 PM9/20/04
to
Christian Stapfer wrote:
> Roland Harnau wrote

>> Aus der Tatsache, dass es abzählbare Modelle von ZF gibt, bedeutet
>> nur, dass die Axiome der Mengenlehre (als Zeichenketten) so
>> interpretiert werden können, dass eine objektsprachliche Aussage
>> innerhalb von ZF wie "Es gibt eine überabzählbare Menge" übersetzt in
>> die Metasprache zu einer Aussage über allenfalls abzählbare Entitäten
>> führt.
>
> Die Frage ist, ob ZFC Überabzählbares in einem relevanten
> Sinne *charakterisieren* kann - kann es nicht, wenn es "auch"
> abzählbare Modelle gibt.
>
>> Ein solches Modell ist aber kein /intendiertes/ Modell,
>
> Die Rede vom "intendierten Modell" setzt (zirkulär) voraus,
> was sie erst liefern sollte.

Das intendierte Modell von ZFC hat als Träger keine Menge, sondern
eine echte Klasse. Kritikwürdig ist hier allenfalls, dass es sich im
üblichen prädikatenlogischen Sinne (Modelle, deren Träger immer Mengen
sind) nicht um ein Modell handelt, also auch nicht zu der Modellklasse
Mod(ZFC) gehört.

>
>> allenfalls eine mehr oder minder abstruse aber formal mögliche
>> Interpretation der Axiome.
>
> Welche Interpretation abstrus ist kann diskutiert werden.

Kaum. Ich glaube nicht, dass auch nur ein Mathematiker, der die
Existenz von Modellen akzeptiert, sagen würde, dass es sich bei einem
intendierten Modell von ZFC um eine Menge handele, zumal es ja auch
objektsprachlich keine Allmenge gibt. Wir würden also auch bzgl. unserer
Hintergrundmengenlehre keine Menge als Träger eines Modells dafür inten-
dieren.

> Eine missliebige - aber einzig sicher existent nachweisbare -
> abzählbare Interpretation

Ein abzählbares Modell von ZFC ist nicht die "einzig sicher existent
nachweisbare" Interpretation. "Löwenheim/Skolem aufwärts" sagt im
Speziellen, dass es zu jeder Kardinalität von ZFC ein Modell gibt.
Dieses ist vor allem vor dem Hintergrund zu beachten, dass der Satz
von "Löwenheim/Skolem aufwärts" ja auch in ZFC oder NBG formulierbar
ist.


Gruß, Thomas.

Thomas Haunhorst

unread,
Sep 20, 2004, 2:31:58 PM9/20/04
to
Christian Stapfer wrote:
> Roland Harnau wrote
>> Aus der Tatsache, dass es abzählbare Modelle von ZF gibt, bedeutet
>> nur, dass die Axiome der Mengenlehre (als Zeichenketten) so
>> interpretiert werden können, dass eine objektsprachliche Aussage
>> innerhalb von ZF wie "Es gibt eine überabzählbare Menge" übersetzt in
>> die Metasprache zu einer Aussage über allenfalls abzählbare Entitäten
>> führt.
>
> Die Frage ist, ob ZFC Überabzählbares in einem relevanten
> Sinne *charakterisieren* kann - kann es nicht, wenn es "auch"
> abzählbare Modelle gibt.
>
>> Ein solches Modell ist aber kein /intendiertes/ Modell,
>
> Die Rede vom "intendierten Modell" setzt (zirkulär) voraus,
> was sie erst liefern sollte.

Das intendierte Modell von ZFC hat als Träger keine Menge, sondern


eine echte Klasse. Kritikwürdig ist hier allenfalls, dass es sich im
üblichen prädikatenlogischen Sinne (Modelle, deren Träger immer Mengen
sind) nicht um ein Modell handelt, also auch nicht zu der Modellklasse
Mod(ZFC) gehört.

>


>> allenfalls eine mehr oder minder abstruse aber formal mögliche
>> Interpretation der Axiome.
>
> Welche Interpretation abstrus ist kann diskutiert werden.

Kaum. Ich glaube nicht, dass auch nur ein Mathematiker, der die


Existenz von Modellen akzeptiert, sagen würde, dass es sich bei einem
intendierten Modell von ZFC um eine Menge handele, zumal es ja auch
objektsprachlich keine Allmenge gibt. Wir würden also auch bzgl. unserer
Hintergrundmengenlehre keine Menge als Träger eines Modells dafür inten-
dieren.

> Eine missliebige - aber einzig sicher existent nachweisbare -
> abzählbare Interpretation

Ein abzählbares Modell von ZFC ist nicht die "einzig sicher existent


nachweisbare" Interpretation. "Löwenheim/Skolem aufwärts" sagt im

Speziellen, dass es zu jeder Kardinalität ein Modell von ZFC gibt.

Thomas Haunhorst

unread,
Sep 20, 2004, 3:22:34 PM9/20/04
to
Paul Ebermann wrote:
> "Christian Stapfer" skribis:

>> Die Frage ist, ob ZFC Überabzählbares in einem relevanten
>> Sinne *charakterisieren* kann - kann es nicht, wenn es "auch"
>> abzählbare Modelle gibt.
>
> Ein abzählbares Modell von ZFC ist wohl eine (abzählbare)
> Menge M von Objekten (Mengen), zusammen mit einer Relation
> E auf dieser Menge, so dass für diese die Axiome aus ZFC
> gelten.
>
> Das heißt aber nicht, dass die Elemente von M (also die
> "Mengen" in unserem Modell) selbst alles abzählbare Mengen
> sind

Das ist richtig. Aber deine folgende Begründung(?) ist IMHO falsch.

> (im Beweis nimmt man ja einfach Äquivalenzklassen von
> Konstantensymbolen, wenn ich mich recht erinnere),

Der Träger des abzählbaren Modells von ZFC wird durch die Terme der
Sprache von ZFC induziert. Auch eine abzählbare /Konstantenerweiterung/
induziert nur einen Träger, der nur abzählbare Mengen enthält.

Aber in ZFC gilt auch der Satz, dass es ein transitives abzählbares Modell
gibt. Insofern kann man sich natürlich darauf berufen, dass jede Menge
des Trägers auch nur abzählbar ist.


Gruß, Thomas.

Rudolf Sponsel

unread,
Sep 20, 2004, 6:17:41 PM9/20/04
to
Gerd Thieme wrote:
> Rudolf Sponsel wrote:
>
>
>>Nummerieren können und gleichmächtig war für mich bislang etwas
>>Unterschiedliches.
>
>
> Ist es auch. »Numerieren können« ist dasselbe wie »abzählbar« oder eben
> wie »gleichmächtig mit der Menge der natürlichen Zahlen«.

ok, abgespeichert.

> »Gleichmächtig« können auch andere Mengen sein, zum Beispiel die reellen
> und die komplexen Zahlen, oder, um bei unseren Beispielen zu bleiben,
> die Menge der reellen Zahlen und die Menge der Teilmengen der
> natürlichen Zahlen.
>
>
>>Genau wie mir doch klar scheint, daß es ein Vielfaches von Q als N geben
>>müßte, wenn man sich "unendlich" als Ganzes denkt, weil ja jedes
>>Intervall zwischen zwei N mit Q beliebig "Q-dicht" aufgefüllt werden
>>können sollte.
>
>
> Du weigerst Dich, unendliche Mengen als handhabbare Objekte
> anzuerkennen, weil Du sie Dir nicht vorstellen kannst. Gleichzeitig
> nimmst Du Deine Vorstellungskraft zur Richterin darüber, ob
> unterschiedliche Mengen gleichmächtig sind oder nicht.

Hm, vorstellen kann sich das wohl keiner, wohl den Ablauf des formalen
Beweises. Zu meiner "Rettung" berufe ich mich mal auf eine mathematische
Autorität:

"So protestiere ich gegen den Gebrauch einer unendlichen Größe
als einer vollendeten, welches in der Mathematik niemal erlaubt
ist."

(Gauss 1831 in einem Brief an Schumacher, zit. n. Meschkowski
"Mathematik verständlich dargestellt", S. 112)

Es ist richtig, daß ich mein Denken befrage, und wenn es sich sträubt
auch ernst nehme. Das mag man als ignorant oder dumm bewerten, ich
bewerte es als kritisch und legitim. Ich sehe, daß mit Cantors Methoden,
absurde Resultate gewonnen werden, indem ich mich mir überlege Ü:

0, 1, 2, ..., N

Zwischen jedem beliebigen Intervall zweier natürlicher Zahlen
liegen potentiell unendlich viele Q und deshalb können N und
Q nicht gleich viele Anzahlen haben. Wenn <gleiche Anzahl>
<gleichmächtig> bedeutet, dann scheint mir diese Definition
nicht angemessen/ ergänzungsbedürftig.

Nach dieser Überlegung sollte Q N-mal mehr an Anzahlen bergen als N,
Cantor hin, Cantor her. Wenn das aber für die Mehrzahl der Mathematiker
nicht so ist, versuche ich natürlich herauszufinden, was die Gründe
dafür sein könnten (Verdacht auf 'seltsame' Axiome oder Definitionen).
Gewöhnlich suche ich den (Denk- oder Verständnis-) Fehler erst mal bei
mir. Ich sehe in obiger Überlegung Ü aber keinen Fehler. Ja, sogar das
Cantor'sche Diagnonalverfahren kann ja als Beweis herangezogen werden,
indem man einfach die N und Q \N in seinem Schema (genauer in den Zellen
der Matrix) für ein endliches Segment auszählt und dann verallgemeinert.

>>Also sehr intuitiv oder dem gesunden Menschenverstand
>>nahe scheint mir das nicht konstruiert zu sein.
>
>
> Wenn die liegende 8 im Spiel ist, sollte man dem gesunden
> Menschenverstand tunlichst mißtrauen. Übung für den Anfang: die Menge
> der natürlichen Zahlen und die Menge der geraden Zahlen sind
> gleichmächtig.

Das liegt sicher an der Definition "gleichmächtig". Für mich
besteht N aus doppelt so vielen Zahlen wie Ngerade.

>>Macht man das absichtlich so abwegig?
>
>
> Wie hättest Du es denn gern? Wo sich Mathematik und naive Vorstellung
> ins Gehege kommen, wird die Mathematik für politisch inkorrekt erklärt,
> oder was?

Na ja, welche Sachen anerkannt sind oder nicht, hat ja mit den
Bewertungen der 'Zunft' zu tun, da gibt es Parteien, Flügel,
Proponenten, Opponenten, Mitläufer ... wie im richtigen Leben ;-)

Rudolf Sponsel, Erlangen

Thomas Haunhorst

unread,
Sep 20, 2004, 6:19:36 PM9/20/04
to
Thomas Haunhorst wrote:

> "Löwenheim/Skolem aufwärts" sagt im Speziellen, dass es zu jeder
> Kardinalität ein Modell von ZFC gibt.

Berichtigung: Es muß natürlich "zu jeder /unendlichen/ Kardinalität"
heißen (falls ZFC widerspruchsfrei ist).

Rudolf Sponsel

unread,
Sep 20, 2004, 6:42:15 PM9/20/04
to

Können wir uns darauf einigen, daß zwischen 1 und 2 u.a. liegen:
19/10, 20/11, 21/12, 22/12, 23/12, 24/13, ... ?

Falls akzeptiert: Können wir uns darauf einigen, daß zwischen 1 und und
2 inklusive zwei natürliche Zahlen liegen und viel mehr Q?

>>Also sehr intuitiv oder dem gesunden Menschenverstand
>>nahe scheint mir das nicht konstruiert zu sein. Macht man das
>>absichtlich so abwegig?
>
>
> Die "übliche" Ordnung von Q erscheint in obigem Zusammenhang zwar abwegig,
> aber in anderen Zusammenhängen eben nicht. "Man" macht es also nicht
> abwegig, sondern die Problematik liegt im Wesen der Sache - beide Ordnungen
> haben ihren Zweck und müssen daher berücksichtigt werden.

Ok, ist ein ein Stück Erklärung.

Das mag sein, ich habe ja aber nur behauptet, daß S2 ein N findet für
ein R, das S1 einbringt.

Mir leuchtet bislang nicht so recht ein, wenn Q funktioniert, weshalb
dann R nicht funktionieren können soll. Den Beweis habe ich nicht
verstanden, bemühe mich aber weiterhin.

Zwischenfrage: Wie viele R gibt es zwischen zwei Q?

Rudolf Sponsel, Erlangen
P.S. Danke auch den andern für ihre Mühen, ist aber 0.40 Uhr und an der
zeit für heute Schluß zu machen.

Paul Holbach

unread,
Sep 20, 2004, 7:16:10 PM9/20/04
to
> albs...@gmx.de (albrecht) wrote in message news:<
> f375353e.04091...@posting.google.com>...


> Kurz sei das Diagonalverfahren dargestellt:


"For any collection there is a bigger collection. This is now called
'Cantor愀 Theorem'.
The proof is justly celebrated, but bears repeating. If x is a set,
the power-set of x, P(x), is the set of all subsets of x. P(x) >= x
(cardinality ordering), since we can pair off every member of x, y,
one for one with the set {y} in P(x). The tricky thing is to show that
it is not the case that x ~= P(x).
Suppose that there were a one-to-one correlation, f, from x to P(x).
Just consider the set of all those things in x that are not members of
the set f assigns them, that is {y e x; y /e f(y)}. Call this z.
Clearly, z is a subset of x, and so is in P(x). There is therefore
some member of x, w, such that z = f(w). Hence:

w e f(w) iff w e z

iff w e {y e x; y /e f(y)}

iff w /e f(w) (since w e x)

Thus by reductio, there is no such f.
This construction is called 'diagonalisation'.
[...]
The essence of Cantor愀 proof is as follows. Given a list of objects
of a certain kind (in this case, subsets of x), we have a construction
which defines a new object of this kind (in this case z), by
systematically destroying the possibility of its identity with each
object on the list. The new object may be said to 'diagonalise out' of
the list."

[Priest, Graham (2002). /Beyond the limits of thought/ (2nd ed.).
Oxford: Oxford University Press. (p. 118f)]

#PH

Rainer Rosenthal

unread,
Sep 20, 2004, 7:18:09 PM9/20/04
to

"Rudolf Sponsel" schrieb

>
> Zwischenfrage: Wie viele R gibt es zwischen zwei Q?
>

Es gibt immer mindestens zwei R zwischen zwei Q.
Und es gibt immer mindestens zwei Q zwischen zwei R.

Knifflig wird es, wenn Du zu Mengen von Q bzw. Mengen
von R übergehst (wobei ich Deine kurze Schreibweise mal
übernehme).

Mit Q1 und Q2 bezeichne ich Mengen von Q mit Q1 < Q2,
d.h. alle Q in Q1 sind kleiner als die in Q2.
Und ebenso sollen R1 und R2 Mengen von R bezeichnen mit
R1 < R2.

Jetzt gilt komischerweise:

(1) Zwischen Q1 und Q2 liegt immer ein R.
Aber
(2) zwischen R1 und R2 muss nicht immer ein Q liegen.

Als Beispiel für die letzte Behauptung (2) betrachte die
Mengen R1 und R2, die aus W2-1/n bzw. W2+1/n bestehen,
wobei W2 die positive reelle Zahl mit Quadrat 2 ist:

R1 = { W2-1, W2-1/2, W2-1/3, W2-1/4, ... }
R2 = { W2+1, W2+1/2, W2+1/3, W2+1/4, ... }

Diese für meine Verhältnisse erstaunlich kurze Mail
(die nur durch diesen überflüssigen Zusatz noch ver-
längert wird), könnte echt hilfreich sein. Ich würde
mich sehr freuen, wenn das der Fall sein sollte.

Gruss,
Rainer Rosenthal
r.ros...@web.de


Paul Ebermann

unread,
Sep 20, 2004, 9:29:10 PM9/20/04
to
"Thomas Haunhorst" skribis:

> Paul Ebermann wrote:
> > "Christian Stapfer" skribis:
> >> Die Frage ist, ob ZFC Überabzählbares in einem relevanten
> >> Sinne *charakterisieren* kann - kann es nicht, wenn es "auch"
> >> abzählbare Modelle gibt.
> >
> > Ein abzählbares Modell von ZFC ist wohl eine (abzählbare)
> > Menge M von Objekten (Mengen), zusammen mit einer Relation
> > E auf dieser Menge, so dass für diese die Axiome aus ZFC
> > gelten.
> >
> > Das heißt aber nicht, dass die Elemente von M (also die
> > "Mengen" in unserem Modell) selbst alles abzählbare Mengen
> > sind
>
> Das ist richtig. Aber deine folgende Begründung(?)

War nicht wirklich eine Begründung.

> ist IMHO falsch.
>
> > (im Beweis nimmt man ja einfach Äquivalenzklassen von
> > Konstantensymbolen, wenn ich mich recht erinnere),

Ich wollte zuerst sagen, dass das gar nicht wirklich
alles (äußere) Mengen sein müssen, sondern z.B. die
Konstantensymbole (der Erweiterung) selbst. Dann ist
mir eingefallen, dass da ja noch Äquivalenzklassen
gebildet werden.
(Und die Symbole selbst sind ja wohl auch irgendwie
Mengen, wenn man ZFC als Basis nimmt, denn da gibt
es ja nichts anderes.)

Um die Kardinalität ging es mir nicht.

> Der Träger des abzählbaren Modells von ZFC wird durch die Terme der
> Sprache von ZFC induziert. Auch eine abzählbare /Konstantenerweiterung/
> induziert nur einen Träger, der nur abzählbare Mengen enthält.

Stimmt.


Paul

Paul Ebermann

unread,
Sep 20, 2004, 9:17:04 PM9/20/04
to
"Rudolf Sponsel" skribis:

> Gerd Thieme wrote:
>
> > Wenn die liegende 8 im Spiel ist, sollte man dem gesunden
> > Menschenverstand tunlichst mißtrauen. Übung für den Anfang: die Menge
> > der natürlichen Zahlen und die Menge der geraden Zahlen sind
> > gleichmächtig.
>
> Das liegt sicher an der Definition "gleichmächtig". Für mich
> besteht N aus doppelt so vielen Zahlen wie Ngerade.

Das Problem ist, dass Begriffe wie "doppelt so viele"
bei unendlichen Mengen nicht mehr viel aussagen[1].

Du siehst bestimmt ein, dass es eine einfache
eineindeutige Abbildung zwischen N und 2N (das
ist die Menge der geraden Zahlen) gibt:

f : N ---> 2N

n |--> 2 * n

(Das heißt, jede natürliche Zahl wird ihrem doppelten
Zugeordnet - das ist natürlich gerade.)

Die ist umkehrbar, indem jeder geraden Zahl ihre Hälfte
(das ist immer noch eine natürliche Zahl) zugeordnet
wird.

Und dadurch gibt es "gleich viele" gerade Zahlen
wir natürliche Zahlen insgesamt.


Paul

[1] Man kann sagen, dass "doppelt so viel" bei unendlichen
Mengen gleichbedeutend ist mit "gleichviel". Komisch, was?

Thomas Haunhorst

unread,
Sep 21, 2004, 3:52:45 AM9/21/04
to
Thomas Haunhorst wrote:

> Aber in ZFC gilt auch der Satz, dass es ein transitives abzählbares Modell
> gibt.

Berichtigung: Hier ist der Zusatz wichtig "falls ZFC konsistent ist",
da man ja andernfalls die Konsistenz von ZFC bewiesen hätte, was die
Inkonsistenz beweist. Also
ZFC|-(con(ZFC)->con(ZFC + abz. M + trans. M + ZFC^M)), wobei ZFC^M
bedeutet, dass ZFC auf M relativiert wird.

Horst Kraemer

unread,
Sep 21, 2004, 5:30:58 AM9/21/04
to
Rudolf Sponsel <rathsman...@nefkom.net> wrote:

> Mir leuchtet bislang nicht so recht ein, wenn Q funktioniert, weshalb
> dann R nicht funktionieren können soll. Den Beweis habe ich nicht
> verstanden, bemühe mich aber weiterhin.

Der Beweis beruht auf folgender Idee.

Stell Dir eine "unendliche" Matrix vor, die mit Nullen und Einsen
gefuellt ist

+------------------
| 0 1 1 0 0 0 . . .
| 1 1 0 1 0 0 . . .
| 0 1 0 1 1 0 . . .
| 0 1 0 1 1 0 . . .
| 0 1 0 1 1 0 . . .
| 0 1 0 1 1 0 . . .
| . . . . . . . . .
| . . . . . . . . .
| . . . . . . . . .


"unendlich" soll hier praezise heissen, dass es zu jedem Paar
natuerlicher Zahlen (Zeilennummer,Spaltennummer) einen Eintrag gibt,
der 0 oder 1 ist. Jede Zeile bzw. Spalte stellt eine 0-1-Folge dar.
Jetzt koennen wir eine 0-1-Folge angeben, die weder als Spalte noch
als Zeile in dieser Matrix vorkommt, naemlich die Folge, die aus den
zu den Diagonalelementen m(1,1),m(2,2),m(3,3) komplementaere Werten
besteht. Hier beginnt sie mit 101001.... Da fuer diese Folge fuer alle
i gilt a[i]=1-m[i,i], gilt fuer jede Stelle i, dass ihr Wert dort vom
i. Element der i.Spalte/Zeile abweicht.

Um dies als Beweis fuer die Nichtabzaehlbarkeit der reellen Zahlen zu
akzeptieren, muss man allerdings unter anderem voraussetzen, dass die
Maechtigkeit der Menge der reellen Zahlen gleich der Maechtigkeit der
Menge der unendlichen 0-1-Folgen ist.

> Zwischenfrage: Wie viele R gibt es zwischen zwei Q?

So viele wie es reelle Zahlen gibt. Man erhaelt alle, wenn man in die
Formel

x = Q1 + (Q2-Q1)/(1+e^(-r))

alle reellen Zahlen einsetzt.

MfG
Horst

Gerd Thieme

unread,
Sep 21, 2004, 5:59:55 AM9/21/04
to
Rudolf Sponsel wrote:

> Zu meiner "Rettung" berufe ich mich mal auf eine mathematische
> Autorität:
>
> "So protestiere ich gegen den Gebrauch einer unendlichen Größe
> als einer vollendeten, welches in der Mathematik niemal erlaubt
> ist."

Hier ist von einer unendlichen Größe die Rede, nicht von einer
unendlichen Menge.

> zwischen jedem beliebigen Intervall zweier natürlicher Zahlen liegen


> potentiell unendlich viele Q und deshalb können N und Q nicht gleich
> viele Anzahlen haben.

Hier verstößt Du gegen das von Gauß erwähnte Verbot: Weil sowohl N als
auch Q unendliche Mengen sind (nicht potentiell, sondern tatsächlich,
denn wir reden ja *nicht* von ihren Teilmengen), ist es unzulässig mit
der Anzahl ihrer Elemente zu rechnen, als wäre diese Anzahl eine Zahl.
Sie ist eben keine Zahl, sondern unendlich. Der Behandlung unendlicher
Größen mit Methoden, die nur für endliche Größen gelten (hier »gleich
viele«), liefert paradoxe (um nicht zu sagen unsinnige) Ergebnisse.

> Für mich besteht N aus doppelt so vielen Zahlen wie Ngerade.

Du rechnest schon wieder mit Unendlich. Dann darfst Du Dich nicht
wundern, daß oo = 2·oo herauskommt. Die Worte »doppelt so viele« haben
in diesem Zusammenhang keinen Sinn, weil die Frage, aus »wievielen«
Elementen N besteht, keine Zahl liefert.

Gerd

Martin Vaeth

unread,
Sep 21, 2004, 7:35:23 AM9/21/04
to
Rudolf Sponsel <rathsman...@nefkom.net> schrieb:

> Martin Vaeth wrote:
>>
>>>Genau wie mir doch klar scheint, daß es ein Vielfaches von Q als N geben
>>>müßte, wenn man sich "unendlich" als Ganzes denkt, weil ja jedes
>>>Intervall zwischen zwei N mit Q beliebig "Q-dicht" aufgefüllt werden
>>>können sollte.
>>
>>
>> Das liegt nur daran, dass die "normale" Ordnung von Q eigentlich seltsam
>> ist - wenn Du Dir Q "abgezählt aufgelistet" vorstellst und dementsprechend
>> ordnest (also beispielsweise
>> -1/1 < 0/1 < 1/1 < -4/2 < -3/2 < -1/2 < 1/2 < 3/2 < 4/2 < -9/3 < -8/3 < ...
>> oder wie auch immer Deine Abzählung aussieht) dann liegt da nichts Q-dicht.
>
> Können wir uns darauf einigen, daß zwischen 1 und 2 u.a. liegen:
> 19/10, 20/11, 21/12, 22/12, 23/12, 24/13, ... ?

Nein, das genau nicht. Was ich meinte (aber anscheinend nicht gut genug
erklärt habe) war: Es gibt viele verschiedene Ordnungen auf Q.
Die "übliche", die Du offensichtlich meinst, hat rein gar nichts mit der
Ordnung zu tun, die ich oben meinte. Ich versuche nochmals "meine" Ordnung
oben zu erklären:
Man zähle die Zahlen von Q nach einem festen Schema explizit auf, also etwa
1. Zahl: -1/1
2. Zahl: 0/1
3. Zahl: 1/1
4. Zahl: -4/2
5. Zahl: -3/2
...
(das obige Schema geht so: Für ein festes n nehme ich der Reihe nach alle
rationalen Zahlen der Gestalt
-n^2/n, (-n^2+1)/n, (-n^2+2)/n, ..., -1/n, 0/n, 1/n, ..., (n^2-1)/n, n^2/n
zu der Liste, wenn diese nicht schon bereits vorher in der Liste standen;
dann erhöhe ich n um eins und wiederhole das Ganze usw.).
Natürlich könnte man sich auch ein anderes Schema ausdenken, um die Zahlen
von Q aufzuzählen - welches Schema man wählt, ist nicht so wichtig.
Wichtig ist nur, dass ich ab jetzt *ein* solches Schema festhalte und
nicht mehr verändere.
Dann *definiere* ich eine Ordnung auf Q wie folgt: Ich nenne eine rationale
Zahl x "kleiner" als eine andere Zahl y, wenn x in der obigen Liste vor y
steht. Mit dieser (neuen) Ordnung ist also beispielsweise -1 die kleinste
rationale Zahl, 0 die zweitkleinste, -2 die viertkleinste usw.
Mit dieser Ordnung liegen zwischen 1 und 2 tatsächlich nur 5 rationale
Zahlen (nämlich -2, -3/2, -1/2, 1/2, 3/2 und sonst keine) - und ganz
allgemein liegen zwischen je zwei beliebigien rationalen Zahlen immer
nur endlich viele weitere rationale Zahlen.

Nochmals: Die oben beschriebene Ordnung hat nichts mit Ordnung zu tun,
die man "üblicherweise" auf Q kennt - die "übliche" Ordnung hat
selbstverständlich andere Eigenschaften. Aber wenn einen das Abzählen
interessiert, ist die obige Ordnung "natürlicher" als die "übliche" Ordnung.

> Mir leuchtet bislang nicht so recht ein, wenn Q funktioniert, weshalb
> dann R nicht funktionieren können soll.

Das oben beschriebene Schema liefert eine Aufzählung für alle rationalen
Zahlen - der entscheidende Punkt ist, dass *jede* rationale Zahl in dieser
Aufzählung vorkommt (für jede rationale Zahl gibt es eine Stelle, an der
sie in obiger Liste vorkommt - man kann die Stelle sogar explizit berechnen,
wenn man unbedingt will). Für die reellen Zahlen ist das aber nicht
möglich: Wenn man ein Schema gefunden hätte, das wirklich *alle*
reellen Zahlen in einer Listeaufzählt, dann müsste man einen Fehler gemacht
haben, denn mit dem Diagonalargument kann man dann eine reelle Zahl
konstruieren, die nicht in der Liste vorkommt.

Rudolf Sponsel

unread,
Sep 21, 2004, 7:45:13 AM9/21/04
to

Verstehe ich mehrfach nicht. (1) Angenommen ist - schon problematisch -
abgeschlossenes unendliches System und die Behauptung ist, zu diesem
System läßt sich mind. eine Kombination aus 0-1 Folgen angeben, die
nicht im System enthalten ist. Das sollte widerlegbar sein, wenn ein
Verfahren angegeben werden kann, das alle Kombinationen enhält? Oder
sollte dies schon der Bwweis dafür sein, daß das gar nicht möglich ist?
(2) Wenn es abgeschlossen ist, dann ist es abgeschlossen, und dann gibt
es auch keine neue Kombination. Das erscheint mir als Widerspruch in sich.

> Um dies als Beweis fuer die Nichtabzaehlbarkeit der reellen Zahlen zu
> akzeptieren, muss man allerdings unter anderem voraussetzen, dass die
> Maechtigkeit der Menge der reellen Zahlen gleich der Maechtigkeit der
> Menge der unendlichen 0-1-Folgen ist.
>
>
>>Zwischenfrage: Wie viele R gibt es zwischen zwei Q?
>
> So viele wie es reelle Zahlen gibt. Man erhaelt alle, wenn man in die
> Formel
>
> x = Q1 + (Q2-Q1)/(1+e^(-r))
>
> alle reellen Zahlen einsetzt.

Danke, tolle Formel, habe das mal für A={19/10, 20/11, 21/12, 22/12,
23/12, 24/13} angewendet::

A B C D E F G B+G
r Q1 Q2 Q2-Q1 e^-r 1+e^-r D/F B+G
1,90000 0,91667 0,92857 0,01190 0,14957 1,14957 0,01036 0,92702
1,81818 0,91667 0,92857 0,01190 0,16232 1,16232 0,01024 0,92691
1,75000 0,91667 0,92857 0,01190 0,17377 1,17377 0,01014 0,92681
1,83333 0,91667 0,92857 0,01190 0,15988 1,15988 0,01026 0,92693
1,91667 0,91667 0,92857 0,01190 0,14710 1,14710 0,01038 0,92704
1,84615 0,91667 0,92857 0,01190 0,15784 1,15784 0,01028 0,92695

Rudolf Sponsel, Erlangen


Rudolf Sponsel

unread,
Sep 21, 2004, 8:23:26 AM9/21/04
to

Sehr schöne Darstellung.

> d.h.
>
> 1/1 -> 1,
> 1/2 -> 2, 2/2 -> 3,
> 1/3 -> 4, 2/3 -> 5, 3/3 -> 6,
> 1/4 -> 7, 2/4 -> 8, 3/4 -> 9, 4/4 -> 10
> 1/5 -> 11, ...
> 1/6 -> 16, ...
> 1/7 -> 22, ...
>
> dann sieht man sofort, dass man damit sämtliche rationalen Zahlen <= 1
> erwischt.
> Für die Abbildungsfunktion n(b,a) bleibt dann zu zeigen: Ist n(b,a) irgend
> eine natuerliche Zahl, so muss
>
> Fuer a < b: n(b,a+1) = n(b,a) + 1 ,
> Fuer a = b: n(b+1,1) = n(b,b) + 1 ,
>
> gelten, und das duerfte ja nicht allzu schwierig sein. Damit ist gezeigt, dass
> die Folge n(b,a) saemtliche natuerliche Zahlen durchlaeuft. Man muss
> jetzt noch zeigen, dass dabei jede natuerliche Zahl nur genau einmal
> auftritt, und dazu kann man z.B. die Tatsache benutzen, dass die Folge
> der n(b,a) streng monoton waechst.
> Die Umkehrabbildung, die für irgend eine gegebene natürliche Zahl n
> als Nummer die dazugehörige rationale Zahl q liefert, lässt sich ebenfalls
> angeben; das wäre eine hübsche Übungsaufgabe für Dich ;-))

Danke, wenn das so weiter geht müßte ich allein für Mathe 1000 Jahre alt
werden ;-) ... und vieles vermutlich immer noch nicht verstehen

>>Nummerieren können und gleichmächtig war für mich bislang etwas
>>Unterschiedliches.
>
>
> Numerieren heißt doch: Abbilden der Elemente einer Menge auf die

ich ziehe mal den Schluß, daß "numerieren" in diesem Sinne und zählen
für mein Denken offenbar einen Unterschied bedeutet.

> natürlichen Zahlen 1, 2, 3, 4, ...

Zwischenfrage: dachte bislang, gezählt wird mit Kardinalzahlen. Gibt es
da einen Unterschied? Oder funktionieren die 'gleich'?

>>Genau wie mir doch klar scheint, daß es ein Vielfaches von Q als N geben
>>müßte, wenn man sich "unendlich" als Ganzes denkt, weil ja jedes
>>Intervall zwischen zwei N mit Q beliebig "Q-dicht" aufgefüllt werden
>>können sollte. Also sehr intuitiv oder dem gesunden Menschenverstand
>>nahe scheint mir das nicht konstruiert zu sein. Macht man das
>>absichtlich so abwegig?
>
>
> Was ist dabei abwegig? Abwegig sind doch nur andere Versuche einer
> N u m e r i e r u n g der rationalen Zahlen, und mögen sie noch so "... intuitiv
> und dem gesunden Menschenverstand nahe ..." erscheinen ;-)

ich bleibe mal vorläufig dabei: R > Q > N und traue hier meinem sog.
gesunden Menschenverstand mehr als der Mathematik.

Rudolf Sponsel, Erlangen


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Gastfreund aus Korinth

unread,
Sep 21, 2004, 9:55:12 AM9/21/04
to
On Tue, 21 Sep 2004 15:12:11 +0200, Gerd Thieme schrieb:

> Die Unterscheidung zwischen Kardinalzahl und Ordnungszahl ist
> linguistisch, nicht mathematisch. Zur Angabe einer Anzahl dient
> sprachlich die Kardinalzahl (null, eins, zwei, ...), zur Angabe einer
> Ordnungsnummer die Ordinalzahl (erste, zweite, dritte, ...). In der
> Mathematik werden für beide Anwendungsfälle natürliche Zahlen benutzt.

Das nennt man heutzutage eine Diskussion unter Experten.
jb

Rudolf Sponsel

unread,
Sep 21, 2004, 11:04:15 AM9/21/04
to
Paul Ebermann wrote:
> "Rudolf Sponsel" skribis:
>
>>Gerd Thieme wrote:
>>
>>
>>>Wenn die liegende 8 im Spiel ist, sollte man dem gesunden
>>>Menschenverstand tunlichst mißtrauen. Übung für den Anfang: die Menge
>>>der natürlichen Zahlen und die Menge der geraden Zahlen sind
>>>gleichmächtig.
>>
>>Das liegt sicher an der Definition "gleichmächtig". Für mich
>>besteht N aus doppelt so vielen Zahlen wie Ngerade.
>
>
> Das Problem ist, dass Begriffe wie "doppelt so viele"
> bei unendlichen Mengen nicht mehr viel aussagen[1].
>
> Du siehst bestimmt ein, dass es eine einfache
> eineindeutige Abbildung zwischen N und 2N (das
> ist die Menge der geraden Zahlen) gibt:
>
> f : N ---> 2N
>
> n |--> 2 * n
>
> (Das heißt, jede natürliche Zahl wird ihrem doppelten
> Zugeordnet - das ist natürlich gerade.)

Sehe ich ein.

> Die ist umkehrbar, indem jeder geraden Zahl ihre Hälfte
> (das ist immer noch eine natürliche Zahl) zugeordnet
> wird.

sehe ich auch ein.

> Und dadurch gibt es "gleich viele" gerade Zahlen
> wir natürliche Zahlen insgesamt.

Das sehe ich nicht ein. Es gibt bijektive Zuordnungen.
Aus dem würde ich nicht folgern, daß es gleich viele natürliche wie
geradezahlige natürliche Zahlen gibt.

Rudolf Sponsel, Erlangen

Rudolf Sponsel

unread,
Sep 21, 2004, 11:08:39 AM9/21/04
to
Gerd Thieme wrote:
> Rudolf Sponsel wrote:
>
>
>>Zu meiner "Rettung" berufe ich mich mal auf eine mathematische
>>Autorität:
>>
>> "So protestiere ich gegen den Gebrauch einer unendlichen Größe
>> als einer vollendeten, welches in der Mathematik niemal erlaubt
>> ist."
>
>
> Hier ist von einer unendlichen Größe die Rede, nicht von einer
> unendlichen Menge.

Klar, die gabs ja zu seiner Zeit noch nicht (Cantor 1845-1818). Ich
denke mit Meschkowski, er, Gauss (1780-1855), meint schon das richtige.

>>zwischen jedem beliebigen Intervall zweier natürlicher Zahlen liegen
>>potentiell unendlich viele Q und deshalb können N und Q nicht gleich
>>viele Anzahlen haben.
>
>
> Hier verstößt Du gegen das von Gauß erwähnte Verbot: Weil sowohl N als
> auch Q unendliche Mengen sind (nicht potentiell, sondern tatsächlich,
> denn wir reden ja *nicht* von ihren Teilmengen), ist es unzulässig mit
> der Anzahl ihrer Elemente zu rechnen, als wäre diese Anzahl eine Zahl.
> Sie ist eben keine Zahl, sondern unendlich. Der Behandlung unendlicher
> Größen mit Methoden, die nur für endliche Größen gelten (hier »gleich
> viele«), liefert paradoxe (um nicht zu sagen unsinnige) Ergebnisse.
>
>
>>Für mich besteht N aus doppelt so vielen Zahlen wie Ngerade.
>
>
> Du rechnest schon wieder mit Unendlich. Dann darfst Du Dich nicht
> wundern, daß oo = 2·oo herauskommt. Die Worte »doppelt so viele« haben
> in diesem Zusammenhang keinen Sinn, weil die Frage, aus »wievielen«
> Elementen N besteht, keine Zahl liefert.

Zwischenfrage: warum rechnet man den mit den Alephs und stellt
Gleichungen auf?

Rudolf Sponsel, Erlangen

Lukas-Fabian Moser

unread,
Sep 21, 2004, 11:19:52 AM9/21/04
to
Hallo,

On Tue, 21 Sep 2004 17:04:15 +0200, Rudolf Sponsel
<rathsman...@nefkom.net> wrote:

>Das sehe ich nicht ein. Es gibt bijektive Zuordnungen.
>Aus dem würde ich nicht folgern, daß es gleich viele natürliche wie
>geradezahlige natürliche Zahlen gibt.

In der Mathematik ist aber "gleich viele" gerade durch die Existenz
einer bijektiven Abbildung definiert. Wenn Du etwas anderes unter dem
Begriff "gleich viele" verstehst (läßt sich deine Vorstellung ebenso
präzise beschreiben wie das, was die Mathematiker darunter
verstehen?), darfst Du das gerne tun, aber es hat dann stets etwas von
Peter Bichsels "Ein Tisch ist ein Tisch".
(http://www.yolanthe.de/stories/bichsel01.htm)

Grüße, Lukas

Hermann Kremer

unread,
Sep 21, 2004, 1:06:02 PM9/21/04
to
Rudolf Sponsel schrieb in Nachricht ...
>Gerd Thieme wrote:
>> Rudolf Sponsel wrote:
[ ... ]
>Klar, die [Mengen] gabs ja zu seiner Zeit noch nicht (Cantor 1845-1818). Ich

>denke mit Meschkowski, er, Gauss (1780-1855), meint schon das richtige.


UPPS .... aber Rudolf ...
Georg Cantor: 3. 3. 1845 / St. Petersburg - 6. 1. 1918 / Halle
Carl Friedrich Gauß: 30. 4. 1777 / Braunschweig - 23. 2. 1855 / Göttingen

Grüße
Hermann
--

Hermann Kremer

unread,
Sep 21, 2004, 2:12:35 PM9/21/04
to
>> erwischt. [ ... ]

>
>Danke, wenn das so weiter geht müßte ich allein für Mathe 1000 Jahre alt
>werden ;-) ... und vieles vermutlich immer noch nicht verstehen


Hmm, das war erst der Anfang. Ganz genau genommen liefert diese Abbildung
ja nur eine eineindeutige Numerierung der *Zeichenfolgen* 1/1, 1/2, 2/2, 2/3, ...,
und jede der Teilmengen

{1/1, 2/2, 3/3, ... }
{1/2, 2/4, 3/6, ... }
{1/3, 2/6, 3/9, ... }
{2/3, 4/6, 6/9, ... }
usw.

enthält als Elemente unterschiedliche *Darstellungen* der gleichen Zahl 1, 1/2,
1/3, 2/3 usw. Diese Teilmengen bezeichnet man als Äquivalenz-Klassen, und jede
dieser Klassen repräsentiert eine der Zahlen 1, 1/2, 1/3, 2/3 usw. Die nächste
Aufgabe ist jetzt, die Äquivalenz-Klassen bijektiv zu numerieren, und das läßt
sich ebenfalls machen ...

>>>Nummerieren können und gleichmächtig war für mich bislang etwas
>>>Unterschiedliches.

Hmm, ich schrieb von "Numerieren" ... "Nummerieren" gibt es nicht in der
Mathematik - weder mit noch ohne Konrad Duden (1829-1911)
http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/DudenKonrad/
http://www.lrz-muenchen.de/~lexika/2806duden.html
und dessen Epigonen ;-))

>> Numerieren heißt doch: Abbilden der Elemente einer Menge auf die

>> natürlichen Zahlen 1, 2, 3, 4, ...


>
>ich ziehe mal den Schluß, daß "numerieren" in diesem Sinne und zählen
>für mein Denken offenbar einen Unterschied bedeutet.


Tut es auch ... Numerieren bedeutet die elementweise Zuordnung einer
Nummern-Menge (Index-Menge) zu einer Objekt-Menge, und die Index-Menge
muß nicht notwendigerweise die Menge der natürlichen Zahlen sein; man
kann z.B. auch
A, B, ..., Z, AA, AB, ..., AZ, BA, BB, ..., BZ, ... usw.
als Index-Menge verwenden.
Zählen ist der Spezialfall des Numerierens für N als Indexmenge.

Grüße
Hermann
--

Gastfreund aus Korinth

unread,
Sep 21, 2004, 2:17:30 PM9/21/04
to
On Tue, 21 Sep 2004 20:12:35 +0200, Hermann Kremer schrieb:

>>ich ziehe mal den Schluß, daß "numerieren" in diesem Sinne und zählen
>>für mein Denken offenbar einen Unterschied bedeutet.
>
>
> Tut es auch ... Numerieren bedeutet die elementweise Zuordnung einer
> Nummern-Menge (Index-Menge) zu einer Objekt-Menge, und die Index-Menge
> muß nicht notwendigerweise die Menge der natürlichen Zahlen sein; man
> kann z.B. auch
> A, B, ..., Z, AA, AB, ..., AZ, BA, BB, ..., BZ, ... usw.
> als Index-Menge verwenden.
> Zählen ist der Spezialfall des Numerierens für N als Indexmenge.

Jetzt muß ich wirklich prostestieren gegen diese Antwort (in
respektvoller virtuellen Freundschaft): ET TU, BRUTE?!

jb

Gerd Thieme

unread,
Sep 21, 2004, 2:28:57 PM9/21/04
to
Rudolf Sponsel wrote:

> Es gibt bijektive Zuordnungen. Aus dem würde ich nicht folgern, daß es
> gleich viele natürliche wie geradezahlige natürliche Zahlen gibt.

Sind Deiner Meinung nach die Mengen der geraden und der ungeraden
natürlichen Zahlen (einschl. 0) gleich mächtig?

Sind Deiner Meinung nach die Mengen der geraden und der ungeraden
natürlichen Zahlen (ohne die 0) gleich mächtig?

Sind Deiner Meinung nach die Mengen der geraden natürlichen Zahlen
einschl. 0 und die Mengen der geraden natürlichen Zahlen ohne die 0
gleich mächtig?

Gerd

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