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Neue Einheit: 2/3 Memorandum zum Atomausstieg

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Jul 8, 2000, 3:00:00 AM7/8/00
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Teil 2/3

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...


Die Vorbereitung des Stillstandes bereits 1997


Kehren wir zurück zur Frage der Kernenergie und ihrer weiteren
Entwicklung.

Bereits im Frühjahr 1997 kam es zu zahlreichen Gerüchten über
"Geheimverhandlungen über Kernenergie" (FAZ, 10.2.1997), zwischen
der SPD und der CDU wurden offenbar gewisse "Kompromisse"
ausgehandelt. Hier erfahren wir bereits von "Konsensgesprächen", in
denen die Option Kernkraft irgendwie offen gehalten wurde, aber auf
eine Weiterentwicklung wird verzichtet. Die Konzessionen, die die
CDU in Richtung SPD machte, in pcto. Kohlesubvention, liefen darauf
hinaus, das Kernenergiekonzept mit einem eingeschränkten
Entsorgungskonzept zu koppeln, mit einigen nur noch vagen
Versprechungen, dass ein neuer Reaktortypus geschaffen werde. Aus
dem FAZ-Artikel:

"Die Erforschung und Entwicklung der Kerntechnik ist als
frei bezeichnet"...." Bei der Entwicklung des EPR"(European
Pressurized Reactor) "soll die Bundesregierung keine
finanzielle Hilfe leisten dürfen, doch setze der Staat seine
Sicherheitsforschung fort, heißt es vielsagend in der
Vorabvereinbarung"

Bereits hier wurde ein sogenannter "Konsens" geschaffen, der auf
Stillstand hinauslief.

Eine Woche später, am 17.2.97, finden wir den folgenden sehr
treffenden Kurzkommentar in der FAZ:

"Rückwärts in die Zukunft
hal. Für Kernkraft in Deutschland sieht es schlechter aus
als für deutsche Kohle. Während die große Demonstration im
Ruhrgebiet für den Bergbau ihre politischen Wirkungen nicht
verfehlen wird, regt sich für die Kernenergie keine Hand.
Der jüngste bekanntgewordene Entwurf für einen
Energiekonsens, demzufolge richtungsweisende Entscheidungen
zur Kernkraft erst im Jahre 2005 fallen sollen, spielt auf
Zeit; de facto bedeutet er das Ende für eine Energieform,
die in Deutschland auf höchstes technisches Niveau
entwickelt worden ist und die inzwischen in der ganzen Welt
zunehmend Anerkennung findet. Die Koalition sollte die
weiteren Milliarden-Subventionen, die sie wider alle
Vernunft in die Steinkohle stecken wird, wenigstens von der
Zustimmung der Opposition abhängig machen, die Kernenergie
nicht länger zu blockieren. Doch dazu fehlt nach Jahren
politischen Gezerres offenbar die Kraft. Die Koalition mag
argumentieren, dass sie in der Streitfrage der atomaren
Endlagerung weitergekommen sei. Schließlich solle Gorleben
vorsichtig weiter erforscht, und die atomaren Zwischenlager
sollen auch in Zukunft - eingeschränkt - genutzt werden.
Doch die Stromwirtschaft signalisiert, dass ihr Interesse an
der Kernkraft angesichts der politischen Umstände allmählich
erlahmt. Damit kommt der Abschied einer weiteren Technik aus
Deutschland näher. In der Energiepolitik gehört die Zukunft
offenbar der Vergangenheit."

Der "Konsens" wurde von einer CDU betrieben, die bereits von der
Korruption der neunziger Jahre gekennzeichnet war, in der sie sich
aber überhaupt nicht von der SPD unterscheidet, und die durch die
Verschlechterungen, die überall schon eingetreten waren und die
dieser CDU/FDP-Koalition angelastet wurden, bereits auf den Sturz in
der Wahl 1998 zuging. Unter der Regierung Schröder aber kommen
Kräfte an die Macht, die die direkte Demontage der Kernenergie
betreiben.

Kurz bevor Schröder im Frühjahr 1998 als zukünftiger Bundeskanzler
hofiert wurde, z.B. von der Bildzeitung oder von anderen Medien,
erklärte er in der Öffentlichkeit, dass er auch ein offenes Ohr für
die Kernenergie habe. Diese Schönfärberei diente nur dazu, den
Leuten, die gern gegenüber der Regierung Kohl eine Erneuerung gehabt
hätten, aber keine antiindustrielle Ausstiegspolitik wie etwa die
Grünen vertreten, die Augen zu verkleistern. Allerdings konnte nur
jemand, der leichtgläubig ist, etwas Derartiges annehmen, denn die
Schröder-Regierung war ja diejenige, die von Anfang an auf die
Koalition mit den Grünen zuging, infolgedessen die Demontagepolitik
gegenüber der Kernenergie im Rucksack hatte.


Wie konnte der jetzige sogenannte "Konsens" gegenüber den
Elektrizitätsunternehmen durchgesetzt werden?


Mit dem Regierungsantritt der Regierung Schröder entsteht eine
Konfrontation zwischen dieser Regierung, die in ihrer
Koalitionsvereinbarung die Stillegung der Kernenergie
festgeschrieben hat, und den Konzernen, die mit der Kernkraft einen
erheblichen Teil der Stromproduktion bestreiten. Die Vernichtung der
Kernenergie wurde in dem Koalitionsvertrag festgeschrieben, zugleich
erklärte z.B. Otto Majewski, Vorstandsvorsitzender des zum
Energiekonzern Viag gehörenden Bayernwerks in München, lt. dem
Bericht der FAZ v. 2.10.98:

"Er sei zwar offen für Gespräche mit der neuen
Bundesregierung, doch könne in solchen Gesprächen nur ein
Energiekonsens und kein Ausstiegskonsens gefunden werden.
Alles andere sei sinnlos. Höchste Priorität habe das Thema
Entsorgung von Kernbrennstoffen. Neben der
Wiederaufarbeitung müsse auch eine langfristige
Zwischenlagerung weiterhin möglich sein."

Weiter werden folgende Äußerungen von ihm wiedergegeben:

"Als Argument brachte der Bayernwerk-Chef nicht nur die
Arbeitsplätze vor, die dadurch gefährdet würden (angeblich
40 000 in der Branche selbst und Hundertausende darüber
hinaus als Folge steigender Energiepreise), sondern auch die
deutsch-französische Freundschaft.".... ".....wenn die
gemeinsam mit Frankreich betriebene Entwicklung des neuen
Druckwasserreaktors EPR beendet werde, so könne dies dem
Verhältnis zum Nachbarn schaden, warnte Majewski."

"Würden die Kraftwerke vorzeitig abgeschaltet, stünden den
Betreibern Entschädigungszahlungen von mehr als 100
Milliarden DM zu."

Es gibt in diesem Land eine Reihe von konservativen Kräften, die die
Öko-Politik, die Politik der sogenannten rot-grünen Koalition an
verschiedenen Punkten deutlich kritisierten. Deutsche
Atominstitutionen und auch EVUs unterhalten z.B. den
"Informationskreis Kernenergie", der vorwiegend technische
Aufklärung betreibt. Sie können die Abwegigkeit der Anti-AKW-
Argumente angreifen, auch ihre Unsinnigkeit vor dem internationalen
Hintergrund. Sie greifen Umweltschutzargumente auf, wie die Frage
der Luftverschmutzung. Aber sie greifen nicht die politischen
Hintergründe der Anti-AKW-Bewegung an, die etwas mit unserem
gesellschaftlichen System und seiner internationalen Verankerung zu
tun haben. Hier liegen ihre Grenzen.

Dabei wird die Zerstörung der Kernenergie durchaus als eine
Katastrophe gesehen und beschrieben. Als die SPD-grüne Regierung die
Konzerne unter Druck setzte, endlich dieser in die Länge gezogenen
Stillegung zuzustimmen, hatten sie noch beträchtliche Trümpfe in der
Hand, da die rechtlichen Grundlagen für eine solche Schließung
keineswegs sicher sind, und da ein Anti-Kernenergie-Gesetz auch im
Bundesrat genügend Zustimmung finden müßte und somit die sog. rot-
grüne Regierung an ihrem Vorhaben hätte gehindert werden können.
Dies gilt erst recht unter Bedingungen, wo durch die steigenden
Preise und die Verschlechterung der sozialen Lage, durch die
Abnutzung der pseudo-sozialen Demagogie die Positionen der sog. rot-
grünen Regierung immer schlechter werden und die Anhängerschaft der
Anti-Atom-Bewegung stark zusammengeschmolzen ist. Bei einer
entsprechenden gewissen Standhaftigkeit hätte dies also durchgesetzt
werden können. Dass man diese aber vergeblich sucht, hat etwas damit
zu tun, dass hier die Gesamtinteressen des Kapitals als vorrangig
angesehen werden. Eine solche Stellung hätte die sog. rot-grüne
Koalition ernsthaft erschüttert, wenn nicht zu Fall gebracht, und
sie wird gegenwärtig von den ausschlaggebendsten Teilen des Kapitals
auch in Deutschland selbst als der erste Ordnungsfaktor angesehen.
Hier erweist sich das Kapital, das die Kernenergie betreibt, als
Teil des Gesamtkapitals. Man ist bereit, die Zukunft dieser
Industrie potentiell in den Schornstein zu schreiben, nur damit die
Gesamtinteressen - vermeintlich - gewahrt werden.


Zwei wesentliche Faktoren zur Durchsetzung dieses "Konsenses"


Zum einen ist hier das allgemeine Konzept der Schröder-Regierung zu
erwähnen, die deutsche Gesellschaft überhaupt in eine einzige
"Dienstleistungsgesellschaft" umzuwandeln, in der die "klassische"
Produktion auf ein kleines Restglied vermindert wird, noch viel
kleiner, als es im Laufe der letzten 25 Jahre schon geworden ist, wo
angeblich das Geld nur noch über die sogenannten "Neuen
Technologien" verdient wird. Angeblich könne die deutsche Industrie
sehr stark von E-Commerce, von den neuen Internettechniken, von
neuen Biotechniken leben, aber natürlich auch von den vor allem
dominanten Finanzgeschäften, die im Grunde aus notwendigen und nicht
notwendige Finanztransaktionen bestehen, die im internationalen
kapitalistischen Geschäft benötigt werden. Europa als ein
vorwiegendes Finanzzentrum, das ist schon seit langem der Traum
einiger Leute, und da braucht man natürlich auch im Lande keine
Kernenergie, überhaupt keinen technischen Fortschritt. Man will
diejenigen Quellen, die in der Vergangenheit soziale Unruhe erzeugt
haben, allerdings auch der Motor des Fortschritts waren, bändigen,
um die kapitalistische Ausbeutung um so brutaler, um so
unmittelbarer in anderen Teilen der Welt zu praktizieren. Dies ist
der Entwicklungstrend der ganzen neunziger Jahre.

Dass dies ein gefährliches Spiel ist, ist auch vielen bürgerlichen
Ökonomen klar. Viele sprechen von "Seifenblasenökonomie" und von
Firmen, bei denen bisher nur die Erwartungen von ökonomischem Erfolg
bestehen, aber noch kein Beweis, dass dieser Erfolg tatsächlich
eintritt. Zudem ist diese Entwicklung ein Bruch mit über
tausendjähriger Produktionskultur in diesem Land, ein Verbrechen
größten Ausmaßes gegenüber den Werktätigen in diesem Land, in einer
besonderen Weise gegenüber der Arbeiterschaft, die sich in den
letzten 200 Jahren herausgebildet hat. Tatsächlich sind in den
letzten 20-25 Jahren wahrscheinlich 40 bis 60 % der industriellen
Arbeitsplätze abgeschafft worden, wenn nicht mehr, verbunden mit
einer nicht zu nennenden Zahl von Schicksalen frühzeitiger
Arbeitslosigkeit, Abschiebung aufs Rentengleis, Aussichtslosigkeit
eines Teils der Jugend und deren Irreleitung, Zerstörung kreativer
Potenzen in jeder Menge, Behinderung von wissenschaftlicher
Entfaltung, die dann schließlich zu schweren wirtschaftlichen
Rückschlägen führt und irgendwelche sogenannten "Green-Card-
Lösungen" notwendig macht, der Heranziehung und Wieder-Abschiebung
ausländischer Arbeiter und mit der aktiven Duldung der islamisch
fundamentalistischen und separatistischen Kultur in den siebziger
Jahren, verbunden mit der Zerstörung der gesamten Sozialstruktur in
diesem Land -- letztlich aus dem Ziel heraus, die früher homogene
Arbeiterklasse, die diesem Land das Gepräge gab, in ihrer Substanz
und in ihrem Rückenmark zu brechen.

Dazu muß man allerdings sagen, dass dieser ganze Vorgang, dieser
ganze Prozeß von der sogenannten "Linken", von sogenannten
"Marxisten" unterstützt worden ist, die die ganze Frage der
Produktionsverlagerungen und der Verschiebungen in der Industrie,
die strukturellen Umbrüche praktisch aus ihrer Propaganda
herausgestrichen haben und sich als Ideologen gesellschaftlicher
Ignoranz von bisher unbekanntem Stile erwiesen haben.

Die Propaganda dieser rot-grünen Koalition läuft darauf hinaus, die
Kernenergie als etwas gar nicht mehr Notwendiges, Altertümliches zu
bezeichnen, man käme hier mit neuen Windgeneratoren und
Sonnenkollektoren aus, wozu brauche man auch solch eine umfassende
industrielle Energiegewinnung, usf. Das ist eine Auffassung, die
selbst gegenüber der Entwicklung des internationalen Kapitalismus
absticht, denn die Kernenergie hat in den neunziger Jahren kräftig
zugelegt und sie wird weiter zulegen, es gibt Dutzende von
Kernenergieprojekten auf der Welt, und der Anteil des Kernstroms
wird weiter steigen. In den USA werden angesichts ökonomischer
Notwendigkeiten Überlegungen angestellt, die Kernenergie, möglichst
ungefährlich für die atomare Vorherrschaft der USA, zur zivilen
Nutzung weiterhin zu fördern und zwar weltweit, insbesondere in den
sog. emerging markets.

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Fortsetzung in Teil 3/3

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