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Neue Einheit: 1/3 Memorandum zum Atomausstieg

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Jul 8, 2000, 3:00:00 AM7/8/00
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Teil 1/3
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Die Bedeutung des sogenannten Konsenses über

die Stillegung der Kernenergie


---- Memorandum ----


Hartmut Dicke,
Gruppe Neue Einheit
7. Juli 2000


Mit dem Stillegungsbeschluß vom 14.Juni 2000, den die sogenannte
rot/grüne Regierung mit einigen Strom erzeugenden Unternehmen
geschlossen hat, dem sogenannten "Konsens", wird die Stillegung der
Kernenergie festgeschrieben, wenn die Sache auch auf zwanzig Jahre
gestreckt wird. Viele meinen, dass sich das natürlich in den
nächsten zwanzig Jahren noch leicht ändern kann, und sie haben
sicherlich nicht unrecht damit, eine solche Erwartung auszusprechen,
man darf aber nicht vergessen, dass ein solcher Beschluß eine
gesellschaftliche Richtung initiiert und von seinem
gesellschaftlichen Gehalt her beurteilt werden muß. Es gibt starke
Kräfte auf internationaler Ebene, die die bisherige Anti-AKW-
Bewegung mit betrieben haben und damit ja schon gewisse Erfolge
erreicht haben, die auch weiterhin aktiv sein werden. Das kann beim
Kalkül der politischen Kräfte in dieser Angelegenheit nicht außer
acht gelassen werden. Dieser Stillegungsbeschluß schreibt die
Kernenergie ab, gibt der Gesellschaft eine negative Richtung vor,
und er muß deshalb auch von allen Menschen, die auch nur elementare
soziale, progressive oder humanistische Interessen verfolgen, mit
ganzer Schärfe bekämpft werden. Der Stillegungsbeschluß ist
ungeachtet der Tatsache, dass er die endgültige Stillegung auf
zwanzig Jahre verschiebt, ein Beschluß völliger Stagnation und
rückwärtsgewandter Ausrichtung der Gesellschaft, ein Auswurf der
Reaktion, der entsprechend bekämpft werden muß. Alle Illusionen über
diesen Stillegungsbeschluß müssen verschwinden.

Dieser sogenannte "Konsens" ist nicht etwa eine völlig neue
Richtung, die in der Gesellschaft auftritt. Er ist vielmehr eine
Fortschreibung dessen, was schon seit über 20 Jahren die Politik auf
diesem Sektor beherrscht hat.

Noch einmal grundsätzlich, warum kommt es eigentlich in dieser Frage
zu solchen Auseinandersetzungen in diesem Land?

Die Kernenergie stellt etwas prinzipiell Neues dar, dessen Bedeutung
sich z.B. anhand des Vergleichs mit der Sonnenenergie beschreiben
läßt.

Die Gewinnung von Sonnenenergie ist eine Form, wie Energie, die im
Weltall existiert, gesammelt, akkumuliert und dann für den Verbrauch
freigegeben wird. Die Energieform Atomenergie kommt aus der
Beherrschung der Materie und stellt damit die bisher höchste
Steigerung der menschlichen Fähigkeit im Umgang mit der Natur dar.
Diese Beherschung der Materie, die in der Kernspaltung, in den
Materie-Energie-Umwandlungsprozessen sich betätigt, ändert das
gesamte Bewußtsein der Menschen. Der Mensch wird Herr der Materie,
ist nicht nur mehr Empfänger oder Sammler von bestimmter Materie
oder allenfalls noch der, wie in der Chemie, der Moleküle, die aus
verschiedenen Teilen der Materie bestehen, auseinanderreißt und neu
zusammensetzt, sondern er ist hier innerhalb der Materie- und
Energieprozesse selbst aktiv. Das stellt eine Steigerung der
menschlichen Tätigkeit gegenüber allen vorherigen Formen der
Energie- und Materiebeherrschung dar. Das sprengt den Rahmen
kleinbürgerlicher und früherer bürgerlicher Konstellationen
vollkommen. Nur die hochorganisierten Kapitalformen und der
Sozialismus sind fähig, überhaupt mit solchen Sachen umzugehen. Von
daher ist es verständlich, dass alle altertümlichen Klassen sich
gegen diese Sache wehren. Hierin liegt der Kern des Widerstandes
gegen die Kernenergie, der zugleich aus einer größeren Zahl
konkreter politischer Widersprüche gespeist wird, wie dem
Hegemoniestreben bestimmter Mächte.
Sie unterwirft, weil sie eine ganz andere Art von Sorgfalt im Umgang
und der Vorausplanung fordert, den Menschen einer neuen Stufe von
Disziplin.

Diese Vereinbarung der Stillegung heißt, dass wir diesen ganzen
neuen Ast der menschlichen Beherrschung der Natur auf das
"Abklinggleis" stellen, es wird gesagt, das machen wir jetzt noch,
aber das wird in Zukunft nicht mehr gemacht werden, der Mensch wird
also diese Stufe der Erkenntnis, die er hat, wieder rückgängig
machen. Wenn die Anwendung verboten wird, wenn sich die Praxis
dieser Sache nicht entwickeln kann, wird auch die Erkenntnis sich
zwangsläufig zurückentwickeln - immer vorausgesetzt, dieser Beschluß
würde in die Tat umgesetzt.
Es ist so, als wenn hier noch einmal versucht wird, Galilei zu
verbrennen.


Wie die Anti-KKW-Bewegung in Deutschland zustande gebracht wurde
und sich entwickelt hat


Seit Herbst 1974 gibt es eine aktive größere Bewegung auf diesem
Gebiet. Dies war das Jahr, in dem es auch seit langem zum ersten Mal
wieder eine größere Arbeitslosigkeit gab, nachdem in den Jahren
zuvor unter der Mehrzahl der Deutschen, nicht zuletzt auf Grund der
damals millionenfach neuangestellten ausländischen Arbeiter in fast
allen Produktionszweigen, die Anhebung der Position erfolgt war. Sie
trat mit der Kampagne um Wyhl an die Öffentlichkeit, massiv von den
Medien geschürt, und forderte zu einem Teil anfangs, dass eine
Anlage nicht an einer bestimmten Stelle gebaut werden sollte,
sondern woanders, um sich schließlich gegen die gesamte Kernenergie
zu richten. Schon Mitte der siebziger Jahre wurde allen Ernstes das
Ziel verfolgt, die gesamte Kernenergie, die seitdem in Deutschland
unendliche Mengen an Megawatt produziert hat, stillzulegen und quasi
zu verbieten.

Aus den Fortsetzern sogenannter "revolutionärer Linker" im Verein
mit sogenannten "Wertkonservativen" wurde eine "Bewegung" gebastelt.
Gestützt auf bestimmte Presseorgane wie "Spiegel", "Zeit",
"Süddeutsche Zeitung", "Frankfurter Rundschau", beide staatlichen
Fernsehanstalten, sogenannte "linke SPD", sogenannte "DKP", mit
Unterstützung der damaligen DDR-Führung und der damaligen
sowjetischen Führung, die auf ihrem eigenen Territorium die
Kernenergie ausbaute, und mit der Unterstützung gewisser
finanzkapitalistischer Kreise in den USA wurde diese Bewegung
angefacht und in Deutschland zu einem tatsächlichen politischen
Machtfaktor gemacht.
Insbesondere die Sozialdemokratie nahm sich dieser Bewegung an,
obwohl sie ursprünglich selbst die Kernenergie gefördert und
entwickelt hatte - beispielsweise waren "Schneller Brüter" und
Hochtemperaturreaktor früher einmal Lieblingskinder der SPD -, und
begann damit, die Vorhaben innerhalb der Gesellschaft zum Ausbau der
Kernenergie zur Stromproduktion im größten Umfange erst zu behindern
und schließlich auf weiten Strecken lahmzulegen.

Trotzdem war der Widerstand der ökonomischen Basis gegen dieses
politische "Machtkartell" so groß, dass sie es niemals geschafft
haben, die bestehende Kernenergie zu sabotieren und abzuschalten.
Aber es gelang ihnen, gerade während der achtziger Jahre, die
Kernenergie dann doch zum Stillstand zu bringen. Seitdem wurde kein
einziges neues Kernkraftwerk mehr gebaut, und auch die CDU hat
niemals eine wirklich offene Sprache über diese Bewegung und ihren
Charakter geführt, wenngleich sie auch niemals die Kernenergie
vollkommen abgeschrieben hat.
Die Katastrophe von Tschernobyl vom 26. April 1986 wurde genutzt, um
in diesem Land in zahlreichen politischen Parteien, in
Gewerkschaften so etwas wie Stillegungsbeschlüsse oder allgemeine
Stillegungsrichtlinien durchzubringen. Diese Katastrophe auf
damaligem sowjetischem Boden war, wie alsbald bekannt wurde, durch
eine vollkommen unzulässige experimentelle Handhabung des gesamten
Reaktors, unter vorsätzlicher Abschaltung sämtlicher
Sicherheitssysteme hervorgerufen worden, wobei für die Hintergründe
der Verfahrensweise bis heute nur riesige Fragezeichen stehen. Bei
zahlreichen sogenannten "Aufklärungsfilmen", die diese Katastrophe
schildern, wurden gerade diese hoch interessanten Punkte
fortgelassen. Die Sowjetunion unter Gorbatschow sponsorte selber die
Anti-Atom-Bewegung in Deutschland, obwohl auf ihrem eigenen
Territorium dieser Unfall passiert war und sogar die Reaktoren in
Tschernobyl, mit Ausnahme des havarierten, weiterliefen.

Eine der Ursachen, warum es niemals gelang, diese Anti-Atom-
Bewegung, in der die Zahl der beteiligten Aktivisten sehr stark
fluktuierte und zeitweilig auf ein minimales Rinnsal zurückging, das
aber trotzdem in der Presse und im Fernsehen, in der ARD, eine große
Unterstützung hatte, in ihrem Kern anzugreifen, war die folgende:
sie hat etwas zu tun mit der politischen Konstellation, in der die
Bundesrepublik Deutschland selbst sich befindet. Sie hat damit etwas
zu tun, dass durch die Kernenergie, würde sie zum Beispiel in Europa
komplett angewandt, der politischen Druck über die Frage der
Ölversorgung, der einer der Haupthebel der weltweiten Macht der USA
ist, aber auch in früheren Zeiten einer der Sowjetunion und Rußlands
war, ins Wanken geraten würde. Darüberhinaus verschafft die
Atomenergie unter Umständen ein gewisses Potential, das auch zur
kriegsmäßigen Anwendung dienen könnte, und damit das Monopol der
beiden großen atomaren Mächte durchbrechen könnte. Dies sind die
wirklichen Gründe für diese Kampagne, einmal abgesehen von dem
grundsätzlichen Aspekt, den ich ganz vorne erwähnt habe.

Bereits Ende der siebziger Jahre wurde der "Schnelle Brüter" in
Nordrhein-Westfalen mit allen Mitteln bekämpft. Der
Hochtemperaturreaktor, dessen Prototyp in Hamm-Uentrop stand, wurde
von der SPD schließlich in fanatisierter Weise sogar abgeschaltet
und kurz darauf die Technologie der damaligen Sowjetunion zum Kauf
angeboten. Gerade was den Fall des Hochtemperaturreaktors betrifft,
so muß man direkt von antiindustriellem Vandalismus der SPD in
Nordrhein-Westfalen reden, die nach der Entscheidung sofort, damit
nichts mehr rückgängig gemacht werden kann, Teile dieser Anlage
zerstören ließ. Bis in die neunziger Jahre gab es immer noch
Bestrebungen die Kernenergie auch mit erneuerten Projekten
fortzuführen.

Im Jahre 1989 wurde nach längerem Hin und Her, ohne dass eine
nennenswerte Kampagne gegen die Wiederaufarbeitung existierte, für
den äußeren Beobachter wie aus heiterem Himmel, die Konzeption der
Wiederaufarbeitung aufgegeben, unter der Wortführerschaft des
damaligen Veba-Vorsitzenden Bennigsen-Foerder. Einige Zeit später
konnte man ahnen, was sich im April 1989 im Hintergrund zugetragen
hatte, als diese Entscheidung gefällt wurde. Man muß vermuten, dass
diese Entscheidung im Vorfeld der deutschen Einigung getroffen
wurde. Obwohl die konkrete Ausgestaltung der deutschen Einheit zu
diesem Zeitpunkt noch nicht klar war, war doch klar, dass das
Honecker-Regime gestürzt werden sollte und ein irgendwie
konföderiertes Deutschland, in welcher Form auch immer, entstehen
sollte. Offenbar gehörte die plötzliche Beendigung der
Wiederaufarbeitung zu dem Paket, das in den internationalen
Verhandlungen um diese Frage vereinbart worden war, und offenbar
glaubte die deutsche Industrie und Bourgeoisie, dass, wenn sie diese
Konzession macht, sie die übrige Kernenergie ja behält und dann
später wieder an die Entwicklung anknüpfen kann. Dies erweist sich
jetzt als eine typische Fehlkalkulation. Aus dem ständigen
ausschließlichen Beibehalten des Status quo entwickelt sich immer
ein Status quo minus.

Während der neunziger Jahre wurden nun ganz besonders die
notwendigen Transporte zur Endlagerung und zu den ausländischen
Wiederaufarbeitungsanlagen in Sellafield oder in der Bretagne durch
die Angriffe gegen die Castortransporte behindert, wobei diese
Transporte als eine umfassende Gefahr für das ganze Land hingestellt
wurden, als das Kernproblem, mit Aufmärschen, die direkt von der ARD
mit beobachtet wurden, bei denen ein riesiges Polizeiaufgebot
alleine schon für eine Attraktion sorgte. Man hat später gesehen,
dass die gleiche Bewegung. ohne mit der Wimper zu zucken, den Krieg
von seiten der NATO gegen Jugoslawien akzeptierte und, ohne mit der
Wimper zu zucken, die Verwendung von Uranmunition (depleted uranium)
akzeptierte.
Die Heuchelei dieser von Wahnsinn geprägten Kampagnen etwa gegen die
Castortransporte zeigt etwas über den tatsächlichen Charakter des
politischen Überbaus in diesem Land, mit welchem Fanatismus er
bestimmte Entwicklungen der Produktivkräfte bekämpft. Die
Castortransporte wurden als ein Druckpunkt benutzt, um das jetzt
verbliebene System der Kernenergiegewinnung in den neunziger Jahren
zu attackieren und zu erschweren. Über diesen Hebel sollte die
gesamte Kernenergiegewinnung für null und nichtig erklärt werden.
Natürlich haben diese wenigen Leute, die diese Anti-Castor-Bewegung
getragen haben, nicht ohne die Rückendeckung gewisser Kräfte im
Lande operiert. Gerade in Niedersachsen, aber auch in einigen
anderen SPD-regierten Ländern, hatten diese Leute eine wirkliche
Möglichkeit der Operation. Vor laufender Kamera wurden Schienenwege
oder Straßen unterwühlt, um angebliche Gefahren herbeizuführen.
Schließlich wurden einige Nachlässigkeiten und das Vorhandensein von
etwas angeblich schwach radioaktivem Wasser an der Oberfläche der
Castortransporte zum Anlaß genommen, die Möglichkeit zur
Durchführung der Castortransporte in den Medien ernsthaft in Frage
zu stellen.
Jeder Mensch, der nachdenken kann, merkt, um was für eine Kampagne
es sich handelt. Wenn wir Kriege organisieren können, weltweit,
Einsatztruppen schaffen können, weltweit, dazu die nötige Bewaffnung
stellen, weltweit, wenn wir eine Macht unterstützen können, die
weltweit ihre Atombewaffnung über den Ozean schippert, die
Atomraketen unterhält, die die halbe Welt in Schutt und Asche legen
können, dann können wir doch auch ein paar lächerliche
Castortransporte durchführen. Die Idiotie in diesen Fragen ist nicht
zu beschreiben. Der Wahnsinn ist wie ein Brandzeichen Merkmal dieser
ganzen Bewegung. Jede Rationalität ist beiseite geworfen und
letztlich wird den härtesten, zerstörerischsten Kräften des
Kapitalismus, Imperialismus und Hegemonismus die Hand gereicht von
diesen völlig fanatisierten, heruntergekommenen und bestochenen
Kleinbürgern der Bundesrepublik Deutschland.

Man kann allerdings nicht davon sprechen, dass diese Politik nur das
Ergebnis bestimmter Parteien ist, die sich außerdem in der damaligen
Zeit in der Opposition befanden. Immer hat auch die CDU selbst eine
zweifelhafte Rolle gespielt und bis zu einem gewissen Grade das
ganze Spiel mitgemacht, d.h. das gesamte System der Bundesrepublik,
CDU und FDP eingeschlossen, hat eine höchst zweifelhafte Rolle
gespielt. Sie hätten zur damaligen Zeit Einfluß genug gehabt, dieser
Anti-AKW-Bewegung die Gräten zu brechen und den politischen
Hintergrund aufzuzeigen. Aber die CDU und die FDP sind ja selbst an
die ganze Bundesrepublik und ihren Werdegang aus der USA-Hegemonie
heraus geknüpft, und ihnen sind bei ihrer Politik gegenüber diesen
Kräften, die innerhalb der Bundesrepublik dies betreiben, Grenzen
gesetzt.

Und diese Grenzen, diese ständige Notwendigkeit der
Aufrechterhaltung des Status quo in dieser Frage, die auch von der
CDU beachtet worden ist, kann eben dazu führen, dass dieses Land
fundamentale Rückschläge erleidet, ja aus einer Vielzahl von Fragen
heraus selbst existenziell in Frage gestellt wird. Man denke einmal
an die Bevölkerungsfrage, an die wahre Katastrophe der deutschen
Nation, die mit diesem ganzen Regime heutzutage verbunden ist.

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Fortsetzung in Teil 2/3

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