Martin Gerdes <
martin...@gmx.de> wrote:
> Marte Schwarz <
marte....@gmx.de> schrieb:
>
>>>> Dankschreiben dafür müssen wohl letztlich an Herrn W. Putin
> [geschickt werden]
>
>>> Nein, aber unsere Berufspolitik und deren getreue Staatsmedien möchten
>>> gern, daß Du das glaubst. Das ging alles schon spätestens im Dezember
>>> los und wurde weit früher erwartet.
>
>> Es gibt Leute, für die hat der Ukrainekonflikt nicht Ende Februar 2022
>> begonnen, sondern ein laaaaanges Vorspiel gehabt. Irgendwann im letzten
>> Quartal 2021 haben es die Marktteilnehmer erahnt, dass da mehr im Busch
>> sitzt und die Spirale präventiv in Gang gedreht.
>
> Eigentlich ist das ja kein elektrotechnisches Problem.
>
> Commodities allgemein werden a) an einer entsprechenden Börse gehandelt
> b) neben der betreffenden Börse direkt zwischen Lieferanten und
> Großabnehmern gehandelt.
>
> Im Interesse der Planungssicherheit beider Seiten wird der Grundbedarf
> normalerweise nach Verfahren b) ver- und gekauft. Am sog. "Spotmarkt"
> wird mengenmäßig nur ein kleiner Teil gehandelt. Entsprechend volatil
> sind die Preise dort. Ist die Nachfrage größer als das Angebot, schießen
> die Preise über, ist das Angebot größer als die Nachfrage, fallen die
> Preise ins Bodenlose.
>
> Mengenmäßig viel mehr wird außerhalb der Börse gehandelt.
>
> Als Spekulant mag man darauf bauen, daß man am Spotmarkt weniger bezahlt
> als mit eigenen Lieferverträgen. Das hat jahrelang gut funktioniert --
> auch zum Vorteil mancher Kunden. Im letzten Herbst wurde das Angebot
> zärtlich verknappt, der Spotmarktpreis stieg stark. Dickschiffe (wie
> z.B. den hiesigen Stadtwerken) hat das wenig tangiert, Discounter, die
> primär von Arbitrage profitiert hatten, hat das das Geschäftsmodell
> zerhagelt, nicht nur in Deutschland übrigens, sondern auch in anderen
> europäischen Ländern.
>
>> Es ist doch ziemlich unübersehbar, dass die Waffe der Abhängigkeit von
>> russischen Energielieferungen gezielt ausgespielt wurde.
>
> Klar.
>
>> Die Russen haben Europa lange Zeit mit billiger Energie angefixt,
>
> Das würde ich noch nicht einmal so sagen.
>
>> ganz ungeniert Gasspeicher aufgekauft...
>
> Das wohl, und eine passive Bundesregierung hat das zugelassen.
>
>> Und uns über viele Jahre billiges Öl und Gas geliefert und so die
>> Weltmarktpreise lange niedrig gehalten.
>
> So einfach ist es nicht.
>
>> Das ist jetzt für viele ziemlich überraschend zu Ende gegangen. Putin
>> hat seine Goldlager für voll genug erachtet, um nun sein Spiel zu spielen.
>
> Ja.
>
>> Schau mer mal... An den Finanzmärkten sieht man das ganze anscheinend
>> als eher vorübergehenden Effekt an.
>
> Das kann nicht anders als vorübergehend sein. Weder die Welt, noch
> Rußland können langfristig ohne einander auskommen. Westeuropa in erster
> Linie braucht russische Rohstoffe (die unterschiedlich schwer zu
> transportieren sind). Rußland braucht westliches Know-How.
Russland braucht nicht nur westliches Know-How, die brauchen vor allem
auch westliche Technik, Komponenten usw. Die erst Sanktionsrunde von
2014 hat bei Uralvagonzavod die Panzerproduktion deutlich verlangsamt.
Die zweite Sanktionsrunde jetzt hat sie komplett gestoppt.
Gibt ein lustiges Video auf YouTube wo Ukrainer eine "100% in Russland
gefertigte" Orlan-Drone auseinandernehmen. Das einzig russische daran
ist der Treibstofftank (umfunktionierte PET-Wasserflasche). Die Kameras
sind von Canon (EOS 800) und Honda (Wärmebildkamera), der Motor kommt
aus Japan und auf der ganzen Elektronik ist nicht ein kyrillischer
Buchstabe zu finden.
Selbst die ein Russland entworfenen Elbrus-Prozessoren werden (ok, wurden,
die Lieferung sind jetzt gestoppt) von TSMC gefertigt. Wobei die wohl
eh nicht viel taugen: Die IT-Abteilung von Sberbank hat die Elbrus-
basierten Server nach Tests als "komplett untauglich für unsere
Zwecke" abgewiesen.
> Die Russen haben beispielsweise aktuell eine Menge geleaste Flugzeuge
> konfisziert. Die werden nicht lang fliegen können, weil sie ständig
> gewartet werden müssen, sprich: Verschleißteile ausgetauscht werden
> müssen. Und wenn diese Verschleißteile als Ersatzteile nicht zur
> Verfügung stehen, fliegt der ganze Flieger nicht.
Diese geklauten Flugzeuge werden vermutlich noch eine Weile in
Abstufungen betriebstauglich sein:
- Wartung und Verbrauchsmaterialersatz nach hinten schieben
- einen Teil der Flotte als Ersatzmaterialspender stilllegen
- mit improvisierten Massnahmen eine stetig schwindende
Anzahl halbwegs betriebstauglich (für russische Werte davon) halten
aber aus westlicher Sicht sind diese Flugzeuge bereits abgeschrieben
als permanent fluguntauglich. Aus offensichtlichen Gründen wird kein
westlicher Flughafen die landen lassen (ausser vielleicht als "Notlandung,
Abflug später in Teilen per LKW") und keine westliche Flugzeug-
wartungsfirma wird die Dinger anfassen - allenfalls zum Auseinanderbauen
zwecks Metall-Recycling.
> Es mag schon sein, daß sich die Russen den Chinesen an den Hals werfen.
> So einfach ist das aber auch nicht, man sollte sich nicht der Illusion
> hingeben, daß Xi Jinping den Bruder-Autokraten Wolodja mit offenen Armen
> empfängt. Die Chinesen machen normalerweise primär das, was ihnen selber
> nutzt. Unangemessene Wohltätigkeit braucht man von ihnen nicht zu
> erwarten, schon garnicht ohne passende Gegenleistung. Dazu sind die
> Chinesen viel zu sehr Handelsleute (bis hinauf in die obersten Chargen).
Und die meisten chinesischen Firmen werden sich dreimal überlegen ob
der russische Markt den Verlust des Westens als Absatzmarkt aufwiegt.
Man liest sich,
alex.