Juergen schrieb:
> Erstaunt habe ich neulich gelesen dass die Würzburger Straßenbahn als
> Stromsystem eine Oberleitung mit 750 V Gleichstrom nutzt. Das ist doch
> ein deutlicher Unterschied zum Fahrstrom der "großen Eisenbahn" mit 15
> kW Wechselstrom von 16 2/3 Hz.
>
Zuerst würde ich folgendes ansehen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bahnstrom#Wechselspannung
Alle Systeme haben Vor- und Nachteile. Die "grosse" Eisenbahn verwendet
Wechselspannung mit 15/25/50 kV wegen der grossen Distanzen, da will
man nicht alle Kilometer einspeisen. Die Frequenz ist meist ein fauler
Kompromiss. Die grossen Reihenschlussmotoren sind eigentlich nicht
AC-tauglich. Daher muss(te) man bei 50 Hz Gleichrichter mitnehmen.
Die 16.7 Hz sind da so ein Kompromiss zwischen beinahe Gleichstrom
und doch klassisch transformierbar. Viel Gewicht in der Lok braucht
man bei der Bahn eh.
Echte Wechselstrommotoren bei der Bahn waren AFAIK selten. Geeignet
wegen der stufenlosen Steuerbarkeit ist der Repulsionsmotor. Durch
die Bürstenstellung kann stufenlos das gewünschte Antriebsmoment
quasi leistungsfrei eingestellt werden, vorwärts/rückwärts inklusive.
Die Bürstenströme sind aber enorm; mir ist nur ein Loktyp bekannt,
welche einen Repulsionsmotor (mit riesigem Durchmesser) verwendete.
Beim Tram hat es halt historische Gründe. Einfache Technik, kein
Trafo nötig, viel Anfahrdrehmoment, kleine Motoren. Andererseits waren
die Quecksilberdampfgleichrichter zur Speisung bei den Versorgern unbeliebt,
da sie Oberschwingungen im 50 Hz-Netz verursachten.
Heute sowohl beim Versorger wie bei der Bahn Umrichtertechnik.
Siehe andere Antworten.
> Rund um die Oberleitungen von anfahrenden Straßenbahnen müssen sich
> aufgrund der hohen Stromstärken doch auch entsprechende
> elektromagnetische Felder bilden. Machen die keine Probleme in den
> angrenzenden Häusern?
Klar doch. Die Magnetfelder machen Kompassbetrieb unmöglich. Zu nah
mit einem CRT-Farbfernseher möchte ich auch nicht sein. Die ETHZ
(City) ist vom Tram umzingelt. Praktikum mit Tangentenbussole ist
da sehr unterhaltend.
https://www.schuchardt-lehrmittel.de/media/manuals/BADE/BADE_2004370.pdf
Dazu kommt, dass zwecks Korrosionsverhinderung die Schienen auf Minus
sind. Damit hat man bei unvermeidlichen Potentialen durch endlichen
Erdwiderstand dann alle nahegelegenen Wasserleitungen, klassische
Öltanks usw. auf Plus; die korrodieren dann munter vor sich hin.
>
> Wie ich gelesen habe, haben moderne Straßenbahnen längst keinen
> Gleichstromantrieb mehr. Insbesondere forderte die Ausschreibung für die
> neuen Würzburger Straßenbahnzüge die Ausstattung mit
> Drehstrom-Asynchron-Motoren.
Der Versorger kann Drehstrom phasensymmetrisch gleichrichten und
einspeisen. Bei Wechselstrom muss streckenweise abwechselnd eine
Phase verwendet werden, oder was mit Scott-Trafo oder Umformer.
Bahnstrom hat eigene Kraftwerke.
Anekdote: Bei ABB ex BBC in Baden ist/war immer noch ein firmeninternes
DC-Netz in Betrieb (800 V?). Für den Kompressor des Brennkammerprüfstands
(ca. 2 MW) _musste_ Strom aus diesem Netz bezogen werden. Das war so um
1995 rum. Für die kWh wurden 80 Rappen in Rechnung gestellt plus einen
Leitstandheini, der das steuerte, ebenfalls abenteuerlicher Stundensatz.
Und jeder Betrieb musste angemeldet werden, je nach Jahreszeit kein Betrieb
ab 11:30 bis 12:00 oder was das E-Werk gerade wollte.
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mfg Rolf Bombach