Hallo Marte,
Am 05.10.22 um 08:51 schrieb Marte Schwarz:
> Es mag sein, dass die hier anwesenden Unwissenden wieder die falsche
> Begrifflichkeit verwenden. Hier ging es die ganze Zeit über um die
> berühmten rotierenden Massen, welche angeblich nicht unwesentlich zur
> Stabilisierung des Netztes beitragen sollen [...]
Lese ich da zu Recht einen (IMHO unnötigen) ironischen Unterton heraus?
Die rotierenden Massen definieren als Momentanreserve die sog.
Netzanlaufzeit und damit die anfängliche zeitliche Ableitung der
Netzfrequenz nach einer sprungförmigen Laststörung. Das ist einfach eine
Eigenschaft des Netzes, keine bewusst geplante Maßnahme zur
Stabilisierung des Netzes, deswegen bin ich mit Deinen Worten "welche
angeblich nicht unwesentlich zur Stabilisierung des Netztes beitragen
sollen" nicht ganz einverstanden: das klingt in meinen Ohren nach
geplanter Maßnahme.
Unwichtig ist diese Eigenschaft "Netzanlaufzeit" allerdings nicht, denn
je kleiner die Netzanlaufzeit wäre, um so agiler müsste die
Primärregelung sein, um die Frequenzabweichungen innerhalb des
Toleranzbandes von ±200 mHz zu halten. Das ist als Grundprinzip aus der
Regelungstechnik bekannt: je schneller die Strecke, desto schneller der
Regler für z.B. gleiche Überschwingweite. Eine Streckeneigenschaft als
"zur Stabilisierung des Kreises beitragend" zu charakterisieren, klingt
für mich nach falscher Kausalität. Wir haben in der Regelungstechnik
einfach das riesengroße Glück, dass alle realen Strecken nicht
sprungförmig sind und deswegen auch alle unsere Regler eine endliche
Bandbreite haben dürfen :-)
Zum Netz gut nachzulesen z.B. bei
Weißbach, T.: Netzdynamikverhalten und die Rolle des
Netzselbstregeleffekts. Workshop zur dezentralen Netzstützung, Goslar 2009
> und die damit verbundene
> Frage, ob diese rotierende Masse von modernen Windkraftanlagen nun
> gestützt wird oder nicht, zumal die wenigsten WKA drehzahlsynchron mit
> dem Netz gekoppelt sind.
Theoretisch geht es - siehe virtual inertia. In praxi bin ich eher
skeptisch - aus verschiedensten Gründen. Marcel hat dann von konkreten
WKA gesprochen, die es tatsächlich tun sollen, schweigt aber zu weiteren
Details.
Wenn die Netzanlaufzeit in Zukunft weiter sinkt, wird man möglicherweise
auf geplante Maßnahmen zu ihrer Erhöhung rückgreifen müssen. Ob dann
aber WKAn die richtige Implementierung sind, wage ich zu bezweifeln.
Vermutlich ist es günstiger, diese Maßnahme dann in den
Batteriespeichern für die Primärregelung zu implementieren.
> Um die 15 Minuten-Regelreserve geht es dabei
> auch bei konventionellen Kraftwerken offensichtlich nicht.
Du selbst hast in der Wurzel dieses Threads den Begriff
"Regelenergieteilnehmer" verwendet. In Deinem Text kmmen dann die Zitate
"Frequenzstabilisierung" und "in das System regelnd eingreifen" vor.
>> Der Vergleich ist IMHO nicht zielführend. Die rotierende Masse des
>> Netzes bezieht sich ja auf die Momentanreserve, nicht auf die
>> (Primär)Regelung. Das sind zwei verschiedene Baustellen.
>
> Das war hier bisher auch nie das Thema.
Du selbst hast diese zweite Baustelle im Topic und im Text von Beginn an
aufgemacht. Aber ich denke, diese zweite Baustelle können wir in Bezug
auf das Trägheitsmoment von Rotoren von WKAn schließen.
Gruß, V.