On 06.11.22 12:49, Axel Berger wrote:
> Meine Hausgemeinschaft plant gerade die Anschaffung einer Solaranlage
> auf dem Dach. Da es auch um mein Geld geht, möchte ich die Angebote
> kritisch lesen können.
>
Das ist durchaus sinnvoll.
> Soweit ich weiß wird die Lebensdauer von Pufferakkus (Li) in Zyklen
> angegeben und zwar nominelle Vollzyklen. Diese Lebensdauer ist demnach
> eine durchgesetzte Gesamtladung und die Zyklentiefe und die tatsächliche
> Anzahl haben nur einen geringen Einfluß darauf und werden in der Praxis
> vernachlässigt.
>
> Ist das soweit halbwegs richtig?
>
> Bei Bleiakkus war es anders und die Zyklentiefe hatte eine massive
> Auswirkung auf die insgesamt durchsetzbare Ladung.
>
Halbwegs richtig, ja. Lebensdauer wird tatsächlich in Zyklen angegeben.
Was genau da aber als Basiszyklus herangezogen wird, ist mitunter nicht
oder nur sehr schwammig formuliert. Das scheint mir zum einen stark mit
der Zellchemie zu variieren (wobei für stationäre Speicher eigentlich
nur LiFePO4 eine Rolle spielt, der Rest erreicht keine ausreichende
Lebensdauer für den Anwendungszweck). Zum anderen ist kritisches Lesen
der Datenblätter gefragt: Je nach Gusto des Herstellers und/oder
Distributors wird die Anzahl der erwartbaren Zyklen angegeben unter
Maßgabe einer Entladetiefe von 100%, 90%, 80%, 75% oder mal nur 70%.
Was allerdings genau unter einer Entladetiefe von beispielsweise 70% zu
verstehen ist (Entnahme von 70% der gespeicherten Ladung? Entnahme von
70% der nutzbaren Ladung? Ausnutzung von 70% des spezifizierten
Spannungsbereiches? Noch was anderes?) steht in den allerwenigsten
Fällen drin. Mitunter ist auch zu lesen, daß die Zyklenzahl auch nur
unter bestimmten kryptischen Rahmenbedingungen gilt. Gesehen habe ich
beispielsweise die Angabe, daß ein Druck von 300kg maßgeblich sein soll.
Die Vermutung von mangelhaften Übersetzungen (Drücke werden
üblicherweise nicht in kg angegeben, allenfalls mal in kg/m²) liegt
zumindest nahe, was die Angabe nur wenig verwertbar macht. Ebenfalls
aufpassen muß man, was denn - wenn überhaupt - als Kriterium für die
Zyklenzahl angegeben wird, denn auch da wird Schindluder getrieben: Mal
ist es eine Reduktion der nutzbaren Kapazität auf 80%, 70% hab' ich auch
schon gesehen, und bei garnicht so wenigen Zellmodellen ist mal wieder
garnicht angegeben, was gemeint ist.
Wie auch bei Bleiakkus ist auch die Lebensdauer von Lithium-basierten
Zellchemien von der Entladetiefe abhängig: Eine Reduktion von voller
Entladung (=100%) auf 80% oder 70% bringt nicht selten eine
Verdreifachung der erwartbaren Zyklenzahl oder unter'm Strich noch eine
Verdoppelung der insgesamt speicherbaren Energie. Ein großer Vorteil bei
stationären Speichern: Sofern nicht der belegte Platz akut benötigt
wird, stört es nicht weiter, einen Speicher auch dann noch
weiterzubetreiben, wenn die nutzbare Kapazität bereits auf 80% oder 70%
oder welchen sonstigen Anteil des Nennwertes auch immer gefallen ist.
Man kann die Dinger also hemmungslos auslutschen bis er garkeine Energie
mehr speichern kann.
Dennoch darf man durchaus mit spitzem Bleistift rechnen: Im seriösen
Handel sind hierzulande anchlussfertige Speicher kaum unter 1000€/kWh
Nennkapazität zu haben, alleine die nackte Zelle kommt ja bei
Direktbezug aus China schon auf mindestens 400€/kWh, Tendenz aktuell
deutlich steigend. Selbst unter der Prämisse, daß der Strom aus der
eigenen PV-Anlage buchstäblich garnix kostet (weil die Anlage zu dem
Zeitpunkt wenn gespeichert werden soll ja schon da ist...), dann muß der
Speicher nominell 3000 Zyklen durchhalten, damit man bei den aktuellen
Strompreisen gegenüber Bezug aus dem Netz nix draufzahlt. Und wenn man
berücksichtigt, daß man als Alternative die Einspeisung hat, kann man
als maßgeblichen Strompreis eigentlich nur die Differenz zwischen
Einspeisevergütung und aktuellen Strombezugskosten ansetzen, so daß die
Amortiationsschwelle eigentlich eher bei 4000 Zyklen liegt. Wenn der
Strom aus der eigenen Anlage nicht kostenlos ist - und die PV-Anlage
will ja auch angeschafft und installiert werden - können es durchaus
auch 6000 oder mehr reelle Zyklen werden, die nötig sind, um eine
Amortisation der Gesamtanlage zu erreichen. Ich bin ja gerne Optimist,
aber mir fällt es schwer, mal eben 17 oder mehr Jahre problemlose
Dauerbetriebszeit einer im Grunde elektronischen Anlage als valide
Annahme einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung vorauszusetzen, wenn die
Gewährleistungszeiträume eher drei, maximal fünf Jahre betragen.
Bei direkt selbst verbrauchtem Solarstrom und massiv Eigenleistung - was
zugegebenermaßen im Rahmen einer Eigentümergemeinschaft schon aus
Haftungsgründen eher unwahrscheinlich ist - lassen sich heute unter
günstigen Bedingungen Amortisationszeiträume von fünf Jahren erreichen,
auch bei Installation durch einen Unternehmer kann man noch unter zehn
Jahren bleiben, bei steigenden Strompreisen auch weniger.
Wenn einem die Einspeisevergütung nicht für kostendeckenden Betrieb
einer PV-Anlage reicht - und das dürfte eigentlich hierzulande der
Regelfall sein - würde ich, bevor ich an einen batterieelektrischen
Speicher denke, erstmal den sofortigen Verbrauch maximieren. Die
Installation einer elektrischen Heizpatrone im Warmwasserspeicher und
damit die Erwärmung von Brauchwasser mit selbst erzeugtem Solarstrom,
Speisung von Geschirrspülern und teilweise Waschmaschinen mit dem so
erzeugten Warmwasser, würden mir da als erwägenswerte Bausteine
einfallen. Erst wenn das passiert ist, sollte man rein aus
wirtschaftlicher Sicht über einen batterieelektrischen Speicher nachdenken.
Wenn nicht nur rein wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle spielen,
sieht die Ausgangslage natürlich anders aus.
Gruß,
Florian