Am Mon, 29 May 2023 15:49:29 +0200 formulierte Alfred Heiligenbrunner
aufs Eloquenteste
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> Am Sun, 28 May 2023 18:00:03 +0200 formulierte Dorothee Hermann aufs
> Eloquenteste
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> > Am 28.05.23 um 13:46 schrieb Alfred Heiligenbrunner:
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> > > In den 1980-er und 1990-er Jahren habe ich mehrere Bücher von Konrad
> > > Lorenz gelesen. Irgendwo hat er auch Homosexualität bei Graugänsen
> > > beschrieben. Ich glaube, es war in "Das Jahr der Graugans".
> > > Hat irgend jemand noch genauere Angaben für Zitate dazu?
> >
> > Hat er tatsächlich beschrieben? Nach dreißig, vierzig Jahre nach dem
> > Lesen könnte die Erinnerung an die Formulierung etwas unklar sein.
>
>
> Ich hab vorerst einmal diesen Hinweis gefunden:
>
> "Wenn zwei Gänse - es können auch zwei Ganter sein - sehr lange durch
> das Band dieser Zeremonie [Triumphgeschrei] verbunden waren, versuchen
> sie schließlich meist zu kopulieren." (Das sogenannte Böse, Konrad
> Lorenz, S 262 der 370-seitigen Ausgabe von 1963.)
>
"Von der Norm des ehelichen und sozialen Verhaltens gibt es bei den
Wildgänsen, und zwar nachweislich auch bei freilebenden, sehr
weitgehende Abweichungen. Eine sehr häufig vorkommende unter ihnen ist
deshalb besonders interessant, weil sie, obwohl in manchen menschlichen
Kulturen streng verpönt, bei den Gänsen überraschenderweise
arterhaltend, nicht schädlich ist: ich meine die Bindung zwischen zwei
Männern."
(Konrad Lorend, Das sogenannte Böse, S 265 der 370-seitigen Ausgabe von
1963.)
"Wenn ein solcher junger Ganter sein Triumphgeschrei einem anderen
Männchen anträgt und dieses darauf eingeht, so findet jeder der beiden,
was diesen einen Funktionskreis anlangt, einen weit besseren Partner und
Kumpan, als er in einem Weibchen fände. Da die intraspezifische
Aggression im Ganter weit stärker ist, als in der Gans, ist es auch die
Neigung zum Triumphgeschrei, und die beiden
Freunde regen einander zu kühnen Taten an. Da kein
ungleichgeschiechtliches Paar ihnen die Stirne bieten kann, erringen
solche Ganterpaare stets ganz hohe, wenn nicht die höchsten Stellen in
der Rangordnung der betreffenden Gänsesiedlung. Sie halten mindestens
ebenso getreu lebenslänglich zusammen, wie ein
verschiedengeschlechtliches Paar es tut." (S 266)
Weiter:
"Als wir unser ältestes Ganterpaar, Max und Kopfschlitz, trennten und
ersteren in unsere Tochter-Grauganskolonie auf dem Apmper-Stausee bei
Fürstenfeldbruck verbannten, verpaarten sich beide nach einem Jahr der
Trauer mit weiblichen Gänsen und beide Paare brüteten erfolgreich. Als
wir Max - ohne Gattin und Kinder, die wir nicht einzufangen vermochten -
auf den Ess-See zurückholten, verließ Kopfschlitz augenblicklich Frau
und Kinder und kehrte zu Max zurück. Kopfschlitz' Gattin und Söhne
schienen die Situation merkwürdigerweise genau zu erfassen und
versuchten, Max in wütenden Angriffen zu vertreiben, was ihnen aber
nicht gelang. Heute halten die beiden Ganter wie eh und je zusammen und
Kofpschlitz' verlassene Gattin zottelt traurig in gemessenem Abstand
hinter den beiden her." (S 267)
Weiter über allgemeine Ganter-Paare:
"Wenn sie nach diesem Ritus zur Kopulation schreiten wollen, versucht
naturgemäß jeder auf den anderen aufzusteigen und keiner denkt daran,
sich nach Art des Weibchens flach aufs Wasser zu legen. Wenn der Ablauf
der Dinge in dieser Weise zum Stocken kommt, werden sie zwar ein wenig
ärgerlich aufeinander, lassen aber dann den Versuch ohne besondere
Aufregung oder Enttäuschung einfach sein." (S 268)
"[...] jedenfalls findet sich früher oder später eine Gans, die zwei
solchen Helden in bescheidener Entfernung nachfolgt und die [...] in
einen der beiden verliebt ist. Ein solches Mädchen steht bzw. schwimmt
dann zunächst als armes Mauerblümchen daneben, wenn beide Ganter ihre
erfolglosen Begattungsversuche anstellen, früher oder später macht es
die schlaue Erfindung, sich in jenem Augenblick rasch in
Bereitschaftsstellung zwischen die beiden Männer zu schieben, wo der von
ihr erwählte den Versuch macht aufzusteigen." (S 268 ff)
"Das Merkwürdigste an solchen Dreier-Ehen, von denen wir eine ganze
Anzahl zu beobachten Gelegenheit hatten, ist ihr biologischer Erfolg:
sie stehen stets obenan in der Rangordnung ihrer Siedlung, werden nie
vom Nestrevier vertrieben und ziehen Jahr für Jahr eine erkleckliche
Anzahl von Kindern groß." (S 270)
Also 1963 scheint Konrad Lorenz recht aufgeschlossen bezüglich
Homosexualität gewesen zu sein. Zumindest was Gänse betrifft.
--
Alfred