Google Groups no longer supports new Usenet posts or subscriptions. Historical content remains viewable.
Dismiss

Rumgezappt (Beobachtungsbericht 21.03.2004)

1 view
Skip to first unread message

Frank Stefani

unread,
Mar 23, 2004, 10:56:25 AM3/23/04
to
============================================================
Rumgezappt (Beobachtungsbericht 21.03.2004)
------------------------------------------------------------
Datum/Zeit: 21.01.2004, 02:00 bis 02:30 MEZ
Optiken: Augen (immer dabei), Fernglas 20x60

Hinweis:
* Alle Beobachtungen und Beschreibungen beziehen sich auf
meine Wahrnehmung und müssen nicht unbedingt der
Realität entsprechen.
* Richtungen im Gesichtsfeld anhand Ziffernblatt
* Anmerkungen in eckigen Klammern kommentieren oder
korrigieren den Beobachtungseindruck
------------------------------------------------------------

Stürme toben über Deutschland, viel Regen fällt. Auch hier
in den Nordalpen erwarten wir täglich die Tiefausläufer, aber
es ist noch kein Regentropfen gefallen. Im Gegenteil: Der
Freitag und der Samstag waren ausgesprochen frühlingshaft mit
Temperaturen bis 20°C - dem Föhn sei Dank!

Erst am Nachmittag dehnten sich Wolkenfelder aus und ließen
für den späten Abend Sturm und Regen erwarten. So tue ich,
was ich selten tue - dafür aber umso heftiger: Fernsehen!
Nein, nicht das *echte* Fernsehen, das mit den Augen am
Himmel, sondern das *virtuelle* Fernsehen, das mir nach
Belieben eine friedliche, kitschige oder brutale Welt
vorgaukelt, dass mir Dinge vor-erlebt, damit ich mir nicht
die Mühe machen muss, es *selbst* zu erleben.

Träge von soviel "erleben lassen" wird es nach Mitternacht
und wie so oft zappe ich nur noch lustlos rum, wissend,
dass mich kein Highlight mehr erwartet, lustlos, mich schlicht
und einfach ins Bett zu begeben.

Auf irgendeinem Kanal beginnt plötzlich "Raumschiff Enterprise"
und ich schaue ein paar Minuten hin, als plötzlich ...

... meine überanstrengten und geblendeten Augen trotz allem
aus dem Augenwinkel zwei helle Sterne über dem südlich
befindlichen Wettersteingebirge erblicken.

Soll ich oder soll ich nicht? Ich soll! Damit der Abend
wenigstens noch *eine* schöne Nuance erhält.

Nein, den Dobson baue ich jetzt wirklich nicht mehr auf,
im Grunde bin ich total müde, aber als mich die frische
und ruhige Nachtluft umfängt, komme ich wieder zu mir,
schöpfe neue Lebenskraft :-)

Mein Tento 20x60 nehme ich mit hinaus, dazu zihe ich mir
warme Sachen und die geliebte Wollmütze an - frieren mag
ich nicht.

Das erste, was mir auffällt, ist der Sternreichtum überm
Wank (Osten), den ich momentan gar nicht zuordnen kann.
Die Übersichtskarte im Karkoschka hilft mir wieder auf die
Sprünge: Der Schlangenträger (Ophiuchus, Oph) mit dem
Kopf der Schlange (Serpens (caput), Ser), die Nördliche
Krone (Corona Borealis, CrB) und der große Bärenhüter
(Bootes, Boo). Sie alle sehe ich auch ungewohntem Blick-
winkel, sodass ich mich erst allmählich zurecht finde.

In der folgenden halben Stunde schaue ich freihändig
mit dem 20x60 Fernglas und versuche mich auch an einigen
nicht ganz so einfachen Objekten. Die Höhepunkte dieser
halben Stunde sind:

Sternbild Wasserschlange (Hydra, Hya)
M68 + M83
-------------------------------------
Nachdem der Rabe (Corvus, Crv) relativ gut zu sehen ist -
er steht im Südwesten über dem Wettersteingebirge - möchte
ich den Kugelsternhaufen M68 finden. Er befindet sich
nicht weit südlich von Beta Crv und liegt auf Anhieb im
Gesichtsfeld (GF) des Fernglases: Ich erkenne nur einen
milchigen Fleck, der 8m0 integrierte Helligkeit aber nur
13m0 Flächenhelligkeit besitzt. Mit seinem Durchmesser
von 10' bereitet er mir keine Probleme, aber auflösen
kann ich natürlich nichts. Unterhalb (südlich) von M68
liegen einige 5m0 bis 7m0 helle Sterne der Hydra. Sie
sind trotz des horizontnahen Dunstes noch schön zusammen
mit M68 zu sehen:


M68
|

*
.
N
° |
. O--+--W
. |
° S
| | | |
6m0 6m8 5m4 7m6


Die Breite der Skizze deckt gut zwei Grad ab.

Ein kleines Stück näher am Horizont, aber rund 12 Grad
weiter östlich befindet sich die Spiralgalaxie M83.
Sie ist leicht zu finden, wenn man die beiden Sterne
Gamma Hya und Pi Hya mit bloßem Auge sehen kann. Sie sind
zwar beide um 3m3 hell, aber durch die Horizontnähe im
allgemeinen und durch die Garmischer Lichtverschmutzung
im besonderen nicht gerade "ins Auge springend". M83
bildet zusammen mit den genannten Sternen ein rechtwin-
keliges Dreieck:


Pi Gamma
| |

o

*
M68
o


*
M83

M83 steht übrigens als "Nebel"-Objekt in Karkoschka's
Himmelsatlas ganz allein auf der betreffenden Karte (E16).
Alle anderen Karten enthalten mehrere Objekte. Einzige Aus-
nahme ist das auf der Nordhalbkugel nicht sichtbares Objekt
NGC6752 (Karte S24), das ebenfalls alleine steht.

Die Galaxie M83 hat eine größte Ausdehnung von 8' bei einer
integrierten Helligkeit von 8m0 und einer Flächenhelligkeit
von 12m0. Ein kleines Nebelfleckchen blinkt mich an.

M83 wird auch manchmal als das südliche Gegenstück zu der
"Pinwheel" Galaxie M101 bezeichnet - man sieht sie in
Draufsicht. In M83 wurden die meisten Supernovae aller
Messier-Objekte beobachtet: Bisher sind dort mindestens fünf
Sterne explodiert!

Wer M83 selbst beobachten will, muss sich ranhalten, denn
diese Galaxie entfernt sich von uns mit einer Geschwindigkeit
von 337 km/sec ;-)

Sternbild Rabe (Corvus, Crv)
M104 ("Sombrero-Galaxie")
----------------------------
Nachdem ich die Sombrero-Galaxie vor wenigen Tagen so
ausgesprochen prächtig im Teleskop gesehen habe, versuche
ich nun, einen Blick auf sie mit dem Fernglas zu erhaschen.
Sie ist nicht schwierig zu finden, weil der Rabe (Crv) gut
zu erkennen ist und ich mit dem Fernglas lediglich langsam
von Delta Crv (2m9) in Richtung Gamma Vir (3m6) wandern
muss. Durch das große GF des Fernglases ist die Wahrschein-
lichkeit groß, diese Galaxie schon beim ersten Versuch zu
erhaschen:

Spica Gamma
| |
|
| ° [Virgo]
|
|


° * -- M104


°
°
[Corvus]

° °
* -- M68


Wie man in der Skizze erkennen kann, bildet M104 zusammen
mit dem Alphastern "Spica" und dem Gammastern der Jungfrau
(Virgo) ein beinahe gleichseitiges Dreieck. Die Sombrero-
Galaxie hat eine integrierte Helligkeit von 8m5 bei einer
Flächenhelligkeit von 12m0. Wir sehen sie in Kantenlage,
wobei es einen Positionswinkel von fast 90 Grad gibt. Die
"Kante" der Galaxie verläuft also fast exakt von Ost nach
West. Mit dem Fernglas sehe ich keine weiteren Details.

Sternbild Skorpion (Scorpius, Sco)
M80
---------------------------------
Inzwischen lugt eine bekannte Sterngruppe rechts vom Wank
hervor: Der obere Teil des Skorpions, seine "Scheren" sozu-
sagen. Sein Meridiandurchgang wäre erst in zwei Stunden,
also etwa 04:40 MEZ, aber solange will ich wirklich nicht
warten - ich werde ihn in zwei Monaten besser sehen können.
Dennoch werfe ich einen kurzen Blick hinüber, um wenigstens
den Kugelsternhaufen M80 zu erspähen.

M80 steht zu dieser Zeit keine 12 Grad über dem Horizont,
so kann man erkennen, dass wirklich nur ein kleiner Teil
des Skorpions sichtbar ist und dies auch nur, weil er genau
in einer kleinen Kerbe zwischen unseren Bergen zu sehen ist.

Der Kugelsternhaufen zeigt sich mir als kleiner, schwacher
"Filzstifttupfer", wobei der Filzstift schon ziemlich
ausgetrockner ist. Die Sichtung dieses 7m5 hellen und 5'
großen Objektes ist aber zweifelsfrei, denn seine Position
in der Mitte zwischen dem roten Riesenstern Antares und
Beta Sco ist leicht zu überprüfen.

Übrigens: Hätten wir statt unserer Sonne den Antares als
Zentralgestirn unseres Sonnensystems, so würde die Erde
und sogar noch der Mars mitten in Antares liegen. Der Durch-
messer von Antares ist nämlich größer als die Bahn unseres
Planeten Mars um die Sonne: Ein roter Riesenstern, vulgo
"Roter Riese"!

Sternbild Jagdhunde (Canes Venatici, CVn)
M3
-----------------------------------------
Die Jagdhunde sind ein eigenartiges Sternbild: Nur zwei
Sterne (2m8 und 4m2 hell) bilden das Sternbild, aber es gibt
eine große Zahl lohnender und herausfordernder Objekte zu
beobachten, die man vielleicht gar nicht so direkt mit den
Jagdhunden in Verbindung bringt, weil sie sich leicht(er)
über benachbarte und bekanntere Sternbilder finden lassen.

Ein solches Beispiel ist die "Whirlpool"-Galaxie M51, die
man ausgehend vom ersten Deichselstern des großen Wagens
findet. Ein weiteres Beispiel ist der Kugelsternhaufen M3.
Ich finde ihn, indem ich mir eine Gerade senkrecht zu der
Strecke von Alpha zu Eta Bootis denke, die bei dem Stern
Eta Bootis einen rechten Winkel bildet.

Man kann auch über "Berenikes Haar" (Coma Berenices, Com)
hierher gelangen: Einfach die Strecke von Gamma Com nach
Beta Com um knapp die Hälfte verlängern:

M3 Beta Com Gamma Com
| | |
*
° °

N
o |
° O--+--W
° |
| | | S
Alfa Eta Alfa
Boo Boo Com

Der Kugelsternhaufen M3 ist mit 6m5 relativ hell und auch
im 10x50 Fernglas problemlos zu erkennen, wenn der Himmel
einigermaßen dunkel ist. Sein Durchmesser beträgt 10'.

Sternbild Schlange (Serpens (caput), Ser)
M5
-----------------------------------------
Einer der schönsten Kugelsternhaufen ist sicherlich M5, da
er mit prächtigen 6m0 vom Himmel strahlt und zudem einen
Durchmesser von 12' hat.

Senkrecht zur Mitte der kurzen Strecke von Alpha nach
Epsilon Ser schwenke ich langsam Richtung SW und gleich
darauf ist die feine Kugel gefunden. Für meine Augen ist
es eine Erholung und ein Genuss, dieses helle Sternenbündel
im Tento 20x60 zu sehen, die Helligkeit kommt gut, nach all
den schwächeren Objekten.

Dringend ins Bett müssend, sinniere ich noch einmal über
die Sinnlosigkeit des nächtlichen TV-Zappens und die gerade
erlebte Schönheit des *richtigen* Fernsehens. Ich komme zu
dem Schluss, dass diese halbe Stunde in jeder Hinsicht
reicher war, als die fruchtlosen Stunden zuvor.

Happy zapping und
viele Grüße aus den Alpen,
Frank
--
My Home: 47°31'29" N / 11°06'51" E

Thomas Schmidt

unread,
Mar 23, 2004, 12:22:23 PM3/23/04
to
Frank Stefani schrieb:
...

> Dringend ins Bett müssend, sinniere ich noch einmal über
> die Sinnlosigkeit des nächtlichen TV-Zappens und die gerade
> erlebte Schönheit des *richtigen* Fernsehens.

Immerhin, bei Raumschiff Enterprise weißt du nach 60 Minuten,
wie's ausgegangen ist. Beim 'richtigen' Fernsehen musst du
wesentlich länger warten...

Servus,
Thomas :)

--
-------------------------------------------------------------------
Thomas Schmidt e-mail: sch...@hoki.ibp.fhg.de

Volker Gringmuth

unread,
Mar 23, 2004, 4:54:02 PM3/23/04
to
Frank Stefani wrote:

> Der Durchmesser von Antares ist nämlich größer als die Bahn


> unseres Planeten Mars um die Sonne: Ein roter Riesenstern, vulgo
> "Roter Riese"!

Nicht doch eher ein Überriese?


vG

--
~~~~~~ Volker Gringmuth ~~~~~~~~~~~ http://einklich.net/ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Es ist schwieriger, Vorurteile zu zertrümmern als Atome. (Einstein)

Frank Stefani

unread,
Mar 23, 2004, 5:07:33 PM3/23/04
to
> Nicht doch eher ein Überriese?

Hmm ... weiß nicht genau .... auf jeden Fall *ziemlich* groß ...

Gruß,
Frank

harald c. greier

unread,
Mar 23, 2004, 7:42:03 PM3/23/04
to
Hallo Frank, du meintest

> Hmm ... weiß nicht genau .... auf jeden Fall *ziemlich* groß ...

Antares ist ein Überriese. Einer der wenigen Sterne, dessen Durchmesser
gemessen werden kann. Er hat etwa 2700 Sonnenradien!

Guide sagt:
Occultation diam. = 0.041"
Abstand: 185 ± 58 Parsec (600 ± 190 Lichtjahre)
Leuchtkraft: 10700 ± 6700-fache Leuchtkraft der Sonne
Absolute Helligkeit: -5.28 ± 0.68

Lexikon der Astronomie:
Der hellste Stern im Sternbild Skorpion. Er ist ein roter Überriese der
Spektralklasse M und der Helligkeit 1,0.
Der Name stammt aus dem Griechischen und trägt in Anspielung auf seine
Farbe die Bedeutung 'Rivale des Mars'. Er ist ein halbregelmäßig
veränderlicher Stern mit Variationen zwischen 0,9 und 1,0 Größenklassen
über einen Zeitraum von fünf Jahren. Er hat einen blauen Begleiter 6.
Größenklasse im Abstand von nur 3 Bogensekunden.


Ein ganz schönes Bröckerl :)

greets
harald

Volker Gringmuth

unread,
Mar 24, 2004, 2:47:44 AM3/24/04
to
harald c. greier wrote:

> Antares ist ein Überriese. Einer der wenigen Sterne, dessen
> Durchmesser gemessen werden kann. Er hat etwa 2700 Sonnenradien!

Wie hat man das einklich gemessen? Ist er als Scheibchen sichtbar (das
ist ja AFAIK bei der vergleichbar großen Beteigeuze auch schon
gelungen) oder mißt man das über Spektralverschiebung? Oder über ...

> Occultation diam. = 0.041"

... Bedeckungen (wovon)?

> Er hat einen blauen Begleiter 6. Größenklasse im Abstand von nur 3
> Bogensekunden.

Der Ärmste - der wird ja fast verschluckt :)


vG

--
~~~~~~ Volker Gringmuth ~~~~~~~~~~~ http://einklich.net/ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Wer in Gegenwart anderer furzt, ist immer noch höflicher, als einer, der in
Gegenwart anderer raucht. Stinken tut zwar beides, aber die Gase eines Furzes
sind wenigstens nicht krebserregend. (Peter Becker, http://www.peter-becker.de)

Axel Martin

unread,
Mar 24, 2004, 4:38:04 AM3/24/04
to
Hallo Volker,

>> Occultation diam. = 0.041"
>
> ... Bedeckungen (wovon)?

Wahrscheinlich durch den Mond! Habe jetzt Guide gerade nicht zur Hand, so dass
ich nicht nachschauen kann. In der Hilfe sollte so etwas genauer erklärt werden.

Im Web habe ich auf die Schnelle nur folgendes gefunden:

http://www.blackwell-synergy.com/links/doi/10.1046/j.1365-8711.2000.03742.x/full/

"The angular diameters are from lunar occultation observations
in the infrared (1.6 or 2.2 m) [...]"

http://www.tass-survey.org/tass/status/Jun97.html#henden3

"There are not many stars brighter than V=5 that the moon occults,
which is why you don't see a lot of stars for whom a lunar
occultation diameter is given."

Was mich dann allerdings wundert, ist dass auch für z.B. Arcturus oder
Beteigeuze ein solcher Durchmesser angegeben wird. Die werden schließlich "eher
selten" durch den Mond bedeckt. Wahrscheinlich hat man hier aber einen solchen
Durchmesser nur anhand von interferometrischen Beobachtungen berechnet.

Occultation Diameter werden übrigens auch für Kleinplaneten angegeben. Halt der
Durchmesser, dem man bei einer Sternbedeckung, für die Berechnung der
Bedeckungsdauer zu Grunde legt.

Bis dann,
-Axel

03BC.gif

Frank Feger

unread,
Mar 24, 2004, 2:29:25 PM3/24/04
to
On Wed, 24 Mar 2004, Axel Martin wrote:

>Was mich dann allerdings wundert, ist dass auch für z.B. Arcturus oder
>Beteigeuze ein solcher Durchmesser angegeben wird. Die werden schließlich "eher
>selten" durch den Mond bedeckt. Wahrscheinlich hat man hier aber einen solchen
>Durchmesser nur anhand von interferometrischen Beobachtungen berechnet.

Richtig, bei solchen großen Sternen übrigens nach Michelson. Auch für
Antares gibt es einen solchen Wert: 40 Millibogensekunden. Allerdings
scheint die Grenze dieses Verfahrens bei 0,02" zu liegen, zumindest
bis 1984.

Kleinere Sterne hoher Flächenhelligkeit wurden bevorzugt mit einem
Korrelationsinterferometer nach Hanbury-Brown untersucht, dort lag
das Minimum bei 0,72 Millibogensekunden (Alnilam).


Grüße,

F^2

0 new messages