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Nächtliche Besucher (Beobachtungsbericht 18.12.2003)

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Frank

unread,
Dec 23, 2003, 4:37:28 AM12/23/03
to
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Nächtliche Besucher (Beobachtungsbericht 18.12.2003)
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Datum/Zeit: 18.12.2003, 19:30 bis 23:30 MEZ
Optiken: 10" Dobson (f/5, F/1250 mm)
Okulare 1.25": 32 / 15 / 7.5 / 5.2 / 3.5 mm
Vergrößerungen ca.: 40 / 80 / 160 / 240 / 360 -fach
Filter: UHC 1.25"

Hilfsmittel: Karkoschka, Sky Atlas 2000.0, XEphem

Hinweis:
* Alle Beobachtungen und Beschreibungen beziehen sich auf
meine Wahrnehmung und müssen nicht unbedingt der
Realität entsprechen.
* Richtungen im Gesichtsfeld anhand Ziffernblatt
* Anmerkungen in eckigen Klammern kommentieren oder
korrigieren den Beobachtungseindruck
------------------------------------------------------------


Ein kalter, klarer Tag geht zu Ende, der Himmel zeigt kein
Wölkchen - Hochdruckgebiet über den Alpen.

Vor nicht langer Zeit habe ich mal einen anderen
Beobachtungsort getestet, vielleicht 12 km hinter
Garmisch-Partenkirchen, Richtung Osten und nicht weit vom
Geroldsee entfernt. Damals war Vollmond und ich war in
Sachen Mars und Saturn unterwegs.

Heute ist es wenige Tage vor Neumond und der Himmel ist
unbeschreiblich schön. Mit Menko, einem befreundeten
Kollegen, der schon im vergangenen Sommer immer mal mit mir
"in die Röhre" geschaut hat, fahre ich zu dem neuen Platz
Nähe Geroldsee.

Schon beim Aussteigen aus dem Auto, noch von Schein-
werfern auf Schnee geblendet, erblicken wir einen
großartigen Himmel:

* In der kleinen Bärin sind sofort und direkt, mit
noch gar nicht adaptierten Augen, alle Hauptsterne
sichtbar. Sogar UMi 19 und UMi24. Das bedeutet: Wir
haben wohl einen 6er-Himmel - die Transparenz dürfte
sehr gut sein.

* Im Osten steht Orion über dem Karwendel und die
Zwillinge weiter links, über der Soierngruppe.

* Saturn strahlt prächtig und Mars, fast im Westen,
ist ebenfalls noch deutlich zu sehen

* Die Milchstraße zieht über unsere Köpfe hinweg,
darin der Schwan, ebenfalls schon deutlich westlich,
und die Eidechse, die ich im Sommer selten so klar
gesehen habe.

Ich hatte mir die Fortführung meiner DeepSky Projekte
vorgenommen. Dazu zählten u.a. Galaxiengruppen im Pegasus
und Perseus die ich noch nicht vollständig visuell
beobachten konnte.

Von der schieren Schönheit des Himmels begeistert, vergesse
ich zunächst mein anspruchsvolles Vorhaben und schließlich
möchte ich ja auch Menko mit ein paar schönen Eindrücken
versorgen:

Der Himmel ist riesig, viel, viel weiter als bei uns im
Tal und so beginne ich mit der Groborientierung anhand von
Sternbildern, sodass sich Menko besser zurechtfindet.


Sternbild Perseus (Perseus, Per)
Doppelsternhaufen Eta und Chi
--------------------------------
Bereits mit bloßem Auge als nebliger Doppelfleck zu
erkennen, steht dieser immer wieder beeindruckende
Doppelsternhaufen (h+chi) hoch über unseren Köpfen.
Im Dobson bewundern wir bei 40x die brillianten Sterne
und Sternketten.


Sternbild Fuhrmann (Auriga, Aur)
M37
--------------------------------
Gut bevölkerte Sternhaufen sind sicher immer die erste Wahl,
wenn man einem Schau-Lustigen etwas bieten möchte. Da der
Fuhrmann gerade wundervoll am Himmel steht, schwenke ich
auf M37, den wir allerdings nur kurz bewundern ...

Gestalt aus der Finsternis
--------------------------
Wir haben noch kaum durch den Dobson geschaut, da taucht
aus dem Dunkel eine Gestalt mit riesigem Spitzhut - Modell
"Oktoberfest" - auf und dringt in unsere soeben betretene
Stille. Kontakt- und gesprächsfreudig scheint er zu sein
und ich bin heilfroh, dass Menko sich um den höflichen Teil
kümmert. "Wenn er nun schon mal da ist", denke ich, "kann
er ja gleich ein paar Eindrücke vom Teleskop mitnehmen".

Gesagt, getan: Saturn natürlich, aber nur bei 40x und der
der prächtige Gasnebel M42 im Orion. Die Andromedagalaxie
M31, den Doppelsternhaufen im Perseus und schließlich
Albireo, den schönen, farbigen Doppelstern im Schwan,
der schon ganz dicht über dem Berghorizont steht. Zuletzt
noch der schönste Rauchkringel am Himmel: M57 in der Leier.
Ich bin entzückt, wie gut dieser Gasnebel noch zu sehen
ist, obwohl er jeden Moment hinter den Bergen verschwunden
ist und direkt über dem erleuchteten Loisachtal steht.

Reihum schauen wir durch's Teleskop und allmählich komme
ich innerlich zur Ruhe - einfache Standardobjekte zeigen
statt richtig tief im DeepSky rumzuwühlen ... *seufz*

Irgendwann verabschiedet sich der Fremde - er würde uns
gerne mal auf sein Grundstück einladen, etwas weiter oben,
tolle Sicht, schöner Sternenhimmel, guter Schnaps danach -
und es kehrt wieder etwas Ruhe ein.

Ich bin davon überzeugt, dass es eine gute Idee ist, Inter-
essierten möglichst die Vielseitigkeit des Nachthimmels zu
verdeutlichen. Immerhin bieten sich bereits dem kleinsten
Fernglas oder Teleskop ganz unterschiedliche Objekte an:

* Offene Sternhaufen
* Kugelsternhaufen
* Planetarische Nebel
* Gasnebel/Emissionsnebel
* Dunkelnebel
* Galaxien

Sternbild Stier (Taurus, Tau)
M1 (NGC1952)
-----------------------------
So schwenke ich zum Stier hinüber und stelle den Krebsnebel
M1 ein, der sich nur wenig entfernt des Doppelsterns Zeta
Taurii befindet. Ein schöner Nebeneffekt ist, dass ich
sogleich etwas über Charles Messier und seinen berühmten
Katalog erwähnen kann.

Im Jahre 1054 n.Chr. explodierte hier ein Stern, wie
chinesische Astronomen verzeichneten, der so hell wurde,
wie die Venus und sogar bei Tageslicht sichtbar. Er befindet
sich in 6000 Lichtjahren (LJ) Entfernung und breitet sich
immer noch mit einer Geschwindigkeit von 1600 km/sek aus.

Bei 40x ein graues Oval, wird dieses Supernova-Überbleibsel
bei zunehmender Vergrößerung (durch Abdunkelung des Hinter-
grundes) allmählich kontrastreicher. Eine deutliche Stei-
gerung ergibt sich nochmals mit Einsatz des UHC-Filters.

Das Seeing ist übrigens alles andere als gut, wie mir sofort
bei Saturn aufgefallen war, der schon bei 40x ziemlich
waberte. Dennoch erhaschen wir den ein oder anderen Blick
auf die verästelten Strukturen dieses Gasnebels.


Sternbild Orion (Orion, Ori)
M42, M43
----------------------------
Der schöne Orion ist immer einen Besuch wert. Er ist ja auch
reich an durchaus schwierigen Objekten, wenngleich er vor
allem für seine prächtigen Gasnebel bekannt ist.

M42 und M43 sind ein schönes Paar bei 40x und es lohnt sich,
bei jeder Vergrößerung auch mal den UHC-Filter auf zu
schrauben, der wirklich beeindruckende Fasern des Nebels
hervorhebt. Richtig dreidimensional liegt der große Orion-
nebel im Raum und ich wünschte mir, ich könnte zeichnen, was
ich da sehe.

Leider lässt sich das Trapez nicht auflösen - das Seeing
ist wirklich nicht gut. In guten Nächten habe ich auch schon
mehr als vier Sterne dort gesehen, aber diesmal geht nix.


Sternbild Andromeda (Andromeda, And)
M31, M32
------------------------------------
Bereits mit bloßem Auge ist unsere große Nachbargalaxie M31
heute sichtbar, bei indirekter Sicht geht es wirklich
gut und auch direkt kann ich sie erkennen. Ich erkläre
Menko, wie er sie ohne Optik finden kann.

Im Okular ist der mächtige Kern sehr hell und groß und
um den Halo zu erfassen, müssen wir bei 40x schon ganz
schön weit aus dem Gesichtsfeld (GF) schwenken. Erst im
Kontrast zum dunklen Umgebungs- himmel wird deutlich,
wie riesig diese Galaxie wirklich ist.

Auch die Begleitgalaxie M32 ist prominent zu sehen, aber
allmählich möchte ich doch etwas Anspruchsvolleres.


Sternbild Dreieck (Triangulum, Tri)
M33
-----------------------------------
Natürlich schauen wir auf jeden Fall auch bei dieser großen
Spirale vorbei. Erst habe ich ein bisschen Schwierigkeiten,
sie zu lokalisieren - weil ich das Dreieck aus ungewohnter
Richtung sehe. Aber dann ist M33 gefunden und zeigt einen
relativ großen Kernbereich. Die Spiralarme sind angedeutet
und unterbrochen sichtbar, nicht bestens, aber immerhin!

Mit dem Fernglas könnte man sie womöglich insgesamt etwas
besser wahrnehmen, aber heute steht anderes auf dem Programm.


Sternbild Pegasus (Pegasus, Peg)
Galaxiengruppe NGC7331
Stephan's Quintett
NGC7320C (?)
--------------------------------
Die Hauptsterne des Sternbildes Andromeda "münden" ja
direkt in das Sternbild Pegasus, in dem ich vergangenen
Sommer begonnen hatte, zwei Galaxiengruppen visuell
vollständig zu beobachten: Die Gruppe um NGC7331, die
ich bereits erfolgreich beobachten konnte, und Stephan's
Quintett, das mir bisher einen vollständigen Blick auf
alle fünf Mitglieder verwehrte.

NGC7331 + NGC7335 + NGC7336 + NGC7337
-------------------------------------
Die Strecke Eta Peg nach Pi Peg betrachte ich
als Grundlinie (Hypothenuse) eines rechtwinkeligen
Dreiecks. Die Spitze mit dem rechten Winkel bezeichnet die
Position von NGC7331. Dieser rechte Winkel muss so liegen,
dass seine Winkelhalbierende senkrecht hinunter auf die
Strecke Eta Peg nach Pi Peg führt:

( ) NGC7331 Norden
, : , /
, : , /
, : , Süden
, : ,
Eta o.........:...........o Pi Pegasus
:
:
Winkelhalbierende

[Anm: Ich merke immer, wie schwierig es ist, so
eine Peilung verbal zu beschreiben, daher hab ich mich
mal an einer ASCII-Lageskizze versucht.]

NGC7331 ist schon bei 40x deutlich zu erkennen, weil sie
auch relativ groß und hell ist - eine schmale Galaxie in
beinahe Kantenlage. Visuell beträgt ihre Helligkeit 10m0
(lt. Karkoschka) bei einer Größe von 9'.

Auch hier möchte ich mich nicht allzu lange aufhalten, weil
ich die gesamte Galaxiengruppe bereits im Sommer geknackt
hatte.

[Anm: Vergleiche "Geknirscht - nicht geknackt!
(Beobachtungsbericht 30.09.2003)"]

Dennoch ist der Vergleich interessant, was geht, was nicht?
Mit zunehmender Vergrößerung tauchen die Nachbargalaxien
auf: NGC7335 (14m7 phot.), NGC7336 (15m4 phot.) und
NGC7340 (14m9 phot.) blitzen eifrig, sodass ihre Sichtung
zweifelsfrei ist. Um NGC 7337 (15m4 phot.) kümmere ich mich
nicht, da eines meiner noch nicht abgeschlossenen
Beobachtungsprojekte lediglich ein halbes Grad weiter süd-
südwestlich liegt: Stephan's Quintett.

NGC7317 + NGC7318A + NGC3718B + NGC3719 + NGC3720
aka Stephan's Quintett
-------------------------------------------------
Immer wieder mal bin ich von NGC7331 ausgegangen, von Stern
zu Stern gehüpft und habe das berühmte Galaxienquartett
gefunden. Trotz intensiver Beobachtungsbemühungen war es
mir bisher jedoch nicht vergönnt, alle fünf Mitglieder der
Gruppe eindeutig visuell wahr zu nehmen.

Heute nun ist es soweit: Schon auf Anhieb erkenne ich bei
240x (Pentax SMC XL 5.2 mm) deutlich die beiden scheinbar
ineinander verwobenen Galaxien NGC7318A und NGC3718B. Das
war bisher noch nie in dieser Deutlichkeit der Fall. Ihre
Helligkeiten betragen 14m4 und 14m0 bei einer Größe von
1.2' und 1.6'. Wie zwei nervöse Kontolllämpchen blinken sie wechselweise
auf. Eine Vergrößerung auf 360x verstärkt die
Sichtbarkeit durch Abdunkelung des Hintergrundes und somit
verbesserten Kontrast.

Interessant ist, dass die größte Galaxie der Gruppe, NGC7320
(13m2 bei einer Fläche von 2.3') scheinbar langsamer blinkt,
so nach dem Motto:

"Große Uhren machen tick ... tack ... tick ... tack
kleine Uhren machen ticktack ticktack ticktack ..."

Vermutlich ist das aber eine Täuschung, die daher rührt,
dass die beiden verwobenen Galaxien abwechselnd an ganz
ähnlicher Position blinken, während NGC7320 allein und ein
Stück abseits steht.

Etwas seltener sehe ich wiederum NGC7319. Sie blitzt aber
dennoch oft genug auf, um ihre Lage und Grobform in etwa
bestätigen zu können: 14m1 ist sie hell und hat eine größte
Ausdehnung von 1.4'.

[Anm.: Objekte mit einer Größe um 1' und kleiner
müssen unbedingt hoch vergößert werden, da sie
sonst unsichtbar bleiben oder nur stellaren Charaker
haben. Das ist mir eine wichtige Erfahrung geworden,
weil ich früher kleinere Objekte, die ich in Hoffnung
auf stärkeren Kontrast bei 40x oder 80x suchte,
einfach übersehen hatte.

Wer ein Exemplar des Buches "Visual Astronomy of the
Deep Sky" ergattern kann, sollte zuschlagen - es hat
mir buchstäblich die Augen geöffnet. Autor: Roger N.
Clark, Verlag: Cambridge University Press, ISBN:
0-521-36155-9, Preis: Nicht billig!]

Besonders leicht zu lokalisieren, aber schwer zu beobachten
ist das fünfte Mitglied von Stephan's Quintett: NGC7317.
Leicht zu finden, da sie bei hoher Vergrößerung direkt
neben einem der wenigen Sterne im GF liegt, Richtung 11 Uhr
von der Doppelgalaxie NGC7318A/B aus gesehen.

Der besagte Stern hat die Bezeichnung GSC 2743-1548 und ist
12m7 hell, also wirklich auffallend bei hohen Vergrößerungen.
Wenn man diesen Stern lokalisiert, erkennt man dicht daneben
oder besser gesagt leicht oberhalb davon ein gelegentliches
Aufblitzen eines winzigen Fleckchens. Es kann durchaus wie
ein Stern erscheinen, ist aber im Lichtcharakter auf jeden
Fall anders. Der Durchmesser beträgt lediglich 42", braucht
also unbedingt hohe Vergrößerung.

Fazit zu Stephan's Quintett
---------------------------
Ich habe alle fünf Galaxien auch schon im Sommer gesehen,
allerdings nicht eindeutig während *einer* Sitzung zuordnen
können. An diesem Abend ist es gelungen: Alle fünf Galaxien
eindeutig identifiziert und vor allem durch das relativ
schnelle Blinken die Doppelgalaxie NGC7318A/B als solche
wahrgenommen. Bisher konnte ich nicht sagen, welche von
beiden ich gesehen hatte.


Der Bonus
NGC7320C
---------
Etwas abseits vom "Rummel" liegt eine weitere, noch kleinere
und noch schwächere Galaxie, deren ich mich zu bemächtige
heute vermessen genug bin: NGC7320C. Sie hat lediglich 24"
Durchmesser bei einer Helligkeit von 16m9 phot., also visuell
wohl gut jenseits der 15m0. Ich bin mir im klaren, dass
diese Galaxie das mit Abstand lichtschwächste Objekt ist,
das ich mit meinem 250 mm Spiegel angepeilt habe. Tatsächlich
muss ich auch gestehen, dass die Sichtung nicht zweifelsfrei
ist: Bei 240x sah ich, während ich an der Fünfergruppe war,
indirekt und ohne Absicht ein gelegentliches Aufblinken
rechts unterhalb und mit deutlichem Abstand zum Quintett.

Daraufhin schon ich die vermeintliche Position in GF-Mitte
und steckte das 3.5 mm Pentax XM Okular ein. Außer viel
Dunkelheit war da zunächst nichts zu erkennen, aber nach
einigen Momenten erhaschte mein Auge wieder ein schwaches
Aufblinken an einer anderen als der direkt beobachteten
Position.

Ich ging wieder auf 240x zurück, um durch die geringere
Vergrößerung mehr Zeit für die Wahrnehmung des Blinkens
zu haben. Tatsächlich konnte ich es stark indirekt wieder
wahrnehmen, am besten, wenn ich den rechten Rand des
Quintetts am linken Rand des GF's positionierte.

Der nächste Stern in der Gegend hat 14m2. Der ist aber
noch etwas weiter weg.

[Anm.: Ich war von dieser Beobachtung überrascht,
sonst hätte ich wohl besser eine Skizze vom GF
gemacht. Andererseits waren es -9°C und das
Zeichnen mit Handschuhen ist nicht so der Hit]

Aufruf
------
Ich würde mich freuen, wenn jemand Berichte von der
visuellen Beobachtung von NGC7320C vermelden kann oder
Internetlinks kennt. Einige Google-Anfragen brachten nicht
viel bzw. nur *eine* Meldung über visuelle Sichtung mit
15" .... und ich habe 10" .... :-/


Sternbild Große Bärin (Ursa Major, UMa)
M81, M82
---------------------------------------
Das war ein spannendes Intermezzo. Zeit für leichte Kost,
damit der Menko bei Laune bleibt. Das wunderschöne Galaxien-
doppel M81/M82 ist ruckzuck eingestellt und kommt mir nun
fast blenden hell vor - so hell, wie sonst Andromeda's M31.

Vor allem M82 hat es uns natürlich angetan - verträgt hohe
Vergrößerung und zeigt uns seine prächtigen Staubstrukturen.
Bei 360x sprengt sie sogar das GF des 3.5 mm Pentax XM
Okulars und hätten wir besseres Seeing, könnten wir wohl
viele Feinstrukturen erkennen.


Holdrio
-------
Wieder schleicht eine Gestalt auf uns zu. Diesmal ist es
ein Jägersmann mit Gamsbart am Hut und Flinte auf der
Schulter. Etwas wortkarg, aber nicht uninteressiert lässt
er sich einige Objekte zeigen. Als wir kurz über den Mars
sprechen, der an seiner Position der hellste Himmelskörper
ist und immer noch rötlich schimmert, nimmt der brave Mann
plötzlich seine Flinte von der Schulter und zielt ... auf
Mars!

Aber nicht, wie wir denken, um uns seine Schießkünste zu
zeigen, sondern nur, um die Leistungsfähigkeit seines
Zielfernrohres mit unserer Ausrüstung zu vergleichen.

Irgendwie sind wir froh, dass er sich nicht lange aufhält
und kurz darauf, immer noch wortkarg, seiner Wege geht ...


Sternbild Giraffe (Camelopardalis, Cam)
NGC1501, NGC1502, Kemble's Kaskade
---------------------------------------
Den Abschluß bildet das bisher vernachlässigte Sternbild
Giraffe. Die reichlich schwachen Hauptsterne dieses zwischen
Cassiopeia und Auriga liegenden Sternbildes wollen erst
einmal gefunden werden. Da sich das alles nahezu im Zenit
abspielt, habe ich auch erst einmal Orientierungsprobleme
und muss des öfteren in den Karten nachschauen.

Der Karkoschka hilft mir dabei am wenigsten, weil er in der
Zeichnung des Sternbildes lediglich zwei Sterne durch eine
Linie verbindet (Alpha 4m0 und Beta 4m3) und diese beiden
nicht gerade ins Auge springen. Schließlich gibt es dort
viele schwache Sterne und die helleren sind alle im Bereich
um 4m0 bis 4m7 angesiedelt. Also werden Winkel und Strecken
verglichen, bis es endlich "Klick" macht und die fraglichen
Linien mit dicker Farbe an den Himmel gemalt werden können.

Eine große Hilfe ist die plötzliche Einsicht, dass das
"Himmels-W", die Kassiopeia (Cas) und die Giraffe (Cam)
gerade auf dem Kopf stehen. Das Himmels-W ist also ein
"Himmels-M", weil es "oberhalb" vom Polarstern von rechts
nach links rotiert. Daher sind auch Fuhrmann (Aur) und
Cas gegenüber den Kartenabbildungen vertauscht, Aur ist
rechts (östlich) und Cas links (westlich).

Wenn man den Karkoschka ansieht, dann hat er zur Giraffe
kein einziges DeepSky Objekt anzubieten und auch die
wunderschöne Sternenkette, die nach Pater Lucian Kemble
benannt wurde ("Kemble's Cascade"), wird nicht erwähnt.
Genau dieses Objekt wollte ich aber gerne in Augenschein
nehmen.

Der beste Weg, Kemble's Kaskade und die benachbarten Objekte
NGC1501 und NGC1502 zu finden, scheint mir folgender zu
sein:


Kassiopeia ("Himmels-W")


*
*


* * * °o°

|_______________________|--------------------------|
^ |
Diese Strecke noch einmal markante 3-er Gruppe
in derselben Richtung ver- mittlerer Stern 4m8
längern

Der mittlere Stern der markanten Dreiergruppe (wir können
sie heute direkt sehen) hat die Katalognummer GSC-4067-1935
und ist 4m8 hell. Er bildet, mit seinen 5m0 und 5m9 hellen
Nachbarn die linke (im Sinne der Karten: östliche!) Grenze
von Kemble's Kaskade.

Mit dem Telrad peile ich die Position direkt an und habe die
Dreiergruppe sofort im GF.

[Anm.: Nun folgt die Beschreibung anhand des GF's,
also wieder kopfstehend ... ]

Ich verlängere die Strecke von rechtem zu mittlerem Stern
und gelange zum nördlichen Ende von Kemble's Kaskade.

Kemble's Kaskade
----------------
Viel gibt es gar nicht dazu zu sagen, nur dass wir hier eine
wunderschöne und lange Kette von Sternen wie eine Kaskade
durch das Gesichtsfeld funkeln sehen. Die Sterne sind die
hellsten in der Gegend und stehen in teils kurzen Abständen
mehr oder weniger auf einer gut zweieinhalb Grad langen
Diagonalen. Die Helligkeiten liegen im Bereich 8m0 bis 9m0
mit einigen wesentlich helleren Sternen unterwegs. Diese
lange Sternenkette wird also zu einem erstklassigen
Fernglasobjekt.

Mit 40-fach fahre ich die Kette entlang und würde lieber
das 10x50 Fernglas nehmen. Das verreift aber sofort, als ich
es an die Augen nehme und alles wird vernebelt.

Foto
----
http://www.ne.jp/asahi/stellar/scenes/object_e/kemble.htm
Die Kette ist gut zu sehen, der Reichtum an schwachen Sternen
ist visuell natürlich nicht im Fernglas zu sehen - es wirkt
wie eine sternarme Gegend und ist abseits der Kaskade dunkel.

Am südlichen Ende der Kaskade wartet ein Kleinod auf uns ...

NGC1502
-------
Dieser kleine offene Sternhaufen hat hat einen Durchmesser
von 8' bei einer Helligkeit von 6m9, ist also ebenfalls für
den Feldstecher geeignet. Besonders ein enges Sternpaar in
der Mitte sticht strahlend hervor: 7m0 und 7m4 hell geben
sie dem etwa 20 Sterne zählenden Haufen ein feines, edles
Antlitz. Im Fernglas sind möglicherweise nur etwa 10 Sterne
sichtbar - die beiden hellsten dürften aber als enges Paar
trotzdem erfreuen.

NGC1501
-------
Deutlich anspruchsvoller als das vorgenannte, ist dieses
kleine Objekt. NGC1501 ist ein planetarischer Nebel, der
ebenso klein, wie lichtschwach ist: Bei einem Durchmesser
von 52" und einer Helligkeit von 11m5 (visuell bzw. 13m3
phot.) kann er bei nur mäßiger Vergrößerung leicht übersehen
und mit einem Stern verwechselt werden.

Nicht ganz eineinhalb Grad südlich von NGC1502 (etwa 5 Uhr
im GF) ist NGC1501 zu finden. Dieser Nebel wirkt bei geringer
Vergrößerung vom Durchmesser her stellar, allerdings lenkt
seine - gemessen an der scheinbaren Größe - bescheidenere
Leuchtkraft das Interesse auf sich. In direkter Umgebung ist
kein vergleichbar heller (oder schwacher) Stern zu sehen.
Die für die Orientierung relevanten Nachbarn stehen in
einigem Abstand bei 8 Uhr (GSC-4064-0969 mit 7m6) und 1 Uhr
(GSC-4064-1176 mit 9m4), wenn man NGC1501 in der Mitte des
GF's hat.

Zu einem richtig schönen Objekt wird NGC1501 ab 240x. Er
zeigt gewisse Ähnlichkeiten mit dem Krebsnebel (M1 im
Stier), denn seine Form ist oval und er zeigt mit UHC-Filter
filigrane Strukturen, die an das "Netz" von M1 erinnern.


Schluss für heute
-----------------
Da wir beide am nächsten Morgen um 7:30 Uhr im Büro sein
sollten, beenden wir nach immerhin knapp 4 Stunden diesen
Beobachtungsabend. Für mich war - neben dem vollständigen
Quintett im Pegasus - vor allem die Neuentdeckungen in der
Giraffe der Höhepunkt des Abends.

Zügig bringen wir den vereisten Tubus und alle verreiften
Utensilien, wie Hocker und Karten in das ebenfalls völlig
vereiste Auto. Nach einigen Malen kurz im Schnee stecken
bleiben, aus dem ich ohne Menko's tatkräftigen Einsatz
nicht herausgekommen wäre, fahren wir zurück nach Farchant.

Beide sind wir uns einig, dass es ein absolut lohnender
Abend mit prächtigen visuellen Eindrücken war. Ob das die
beiden nächtlichen Besucher auch so sehen?


Viele Grüße aus den Alpen,
Frank
--
My Home: 47°31'29" N / 11°06'51" E

tori

unread,
Dec 28, 2003, 10:23:08 AM12/28/03
to

"Frank" <f...@despammed.com> schrieb im Newsbeitrag
news:bs92co$ao3nk$1...@ID-81683.news.uni-berlin.de...

> ============================================================
> Nächtliche Besucher (Beobachtungsbericht 18.12.2003)
> ------------------------------------------------------------
> Datum/Zeit: 18.12.2003, 19:30 bis 23:30 MEZ
> Optiken: 10" Dobson (f/5, F/1250 mm)
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> Hilfsmittel: Karkoschka, Sky Atlas 2000.0, XEphem
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> Hinweis:
> * Alle Beobachtungen und Beschreibungen beziehen sich auf
> meine Wahrnehmung und müssen nicht unbedingt der
> Realität entsprechen.
> * Richtungen im Gesichtsfeld anhand Ziffernblatt
> * Anmerkungen in eckigen Klammern kommentieren oder
> korrigieren den Beobachtungseindruck
> ------------------------------------------------------------
>
> Ein kalter, klarer Tag geht zu Ende, der Himmel zeigt kein
> Wölkchen - Hochdruckgebiet über den Alpen.>

...snip...snip...snip...

> Beide sind wir uns einig, dass es ein absolut lohnender
> Abend mit prächtigen visuellen Eindrücken war. Ob das die
> beiden nächtlichen Besucher auch so sehen?
>
> Viele Grüße aus den Alpen,
> Frank
> --
> My Home: 47°31'29" N / 11°06'51" E

Hallo Frank,

als Newbie weiß ich es nicht und bin mir auch nicht sicher
ob es üblich ist auf einen Beobachtungsbericht zu antworten bzw. Stellung zu
nehmen.
Nachdem ich diesen deinen Bericht gelesen habe komme ich nicht umhin etwas
dazu zu sagen.
Deine Ausführungen sind sehr poesievoll, voller Einfühlsamkeit, gekonnt.
Meine japanische Ehefrau und mein Sohn haben mehrmals diese Abhandlung
gelesen. Ich selbst konnte es nicht verhindern, daß mir bei einigen Passagen
die Augen feucht wurden. Über das geschriebene Wort lernt man erst den Wert
eines Menschen kennen.
Ich bitte um Verzeihung, wenn ich mich hier "Fehlverhalten" haben sollte. :)
Über einen längeren Zeitraum ist niemand auf deinen Beobachtungsbericht
"eingestiegen". Also war ich mir nicht sicher, ob ICH es durfte.
Mein Posting zu deinem Bericht soll lediglich eine Anerkennung zu deinen
Ausführungen sein.

tori

My Home: -7°01'17" E / +51°28'00" N


Frank Stefani

unread,
Dec 29, 2003, 9:22:25 AM12/29/03
to
Hallo Tori,

natürlich ist es erwünscht, auf Beiträge zu antworten, sonst
wäre es ja kein "Diskussionsforum" mehr :-)

Vielen Dank für deine lieben Worte, darüber habe ich mich
sehr gefreut. Ich versuche immer, etwas von *meiner* Ergriffen-
heit, von *meinem* Staunen weiter zu geben und es scheint, dass
du etwas davon nachempfinden konntest.

Viele Grüße aus den Alpen und ein gutes Neues Jahr 2004,

Frank Feger

unread,
Dec 28, 2003, 6:52:57 PM12/28/03
to
On Sun, 28 Dec 2003, tori wrote:

>als Newbie weiß ich es nicht und bin mir auch nicht sicher
>ob es üblich ist auf einen Beobachtungsbericht zu antworten bzw. Stellung zu
>nehmen.

Wenn Du Google bemühst, wirst Du feststellen, daß dies durchaus
üblich ist. Momentan kommen die Followups halt generell seltener,
da kurz nach Weihnachten die Postingfrequenz im Usenet zeitweise
merklich kleiner wird. Auch Hobbyastronomen brauchen etwas Zeit,
bis die feiertägliche Trägheit wieder weicht. *g*


Grüße,

F^2

tori

unread,
Jan 5, 2004, 1:53:56 PM1/5/04
to

"Frank Feger" <fr...@astro1.physik.uni-siegen.de> schrieb im Newsbeitrag
news:1072661088...@news.uni-siegen.de...

Hi Frank,

man sieht es auch an meiner jetzigen Antwort.
Derweil wir schon den 05.01.004 haben. :-)
Danke für deinen freundlichen Hinweis.

tori


Frank Feger

unread,
Jan 6, 2004, 5:43:14 PM1/6/04
to
On Mon, 05 Jan 2004, tori wrote:

>> Auch Hobbyastronomen brauchen etwas Zeit,
>> bis die feiertägliche Trägheit wieder weicht. *g*
>

>man sieht es auch an meiner jetzigen Antwort.
>Derweil wir schon den 05.01.004 haben. :-)

Übrigens sind sogar Computer davon betroffen - die Verbindung von
Siegen nach Köln war seit Mitte Dezember gestört und lief nur noch
in Gegenrichtung.


Grüße,

F^2

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