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Erwartungsvoll (Beobachtungsbericht 29.11.2003)

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Frank Stefani

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Dec 1, 2003, 11:57:47 AM12/1/03
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Erwartungsvoll (Beobachtungsbericht 29.11.2003)
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Datum/Zeit: 29.11.2003, 22:30 bis 00:30 MEZ
Optiken: 10" Dobson (f/5, F/1250 mm)
Okulare 1.25": 32 / 15 / 7.5 / 5.2 / 3.5 mm
Vergrößerungen ca.: 40 / 80 / 160 / 240 / 360 -fach
Filter: UHC 1.25"

Werkzeuge: Karkoschka, Sky Atlas 2000.0, XEphem

Hinweis: Alle Beobachtungen und Beschreibungen
beziehen sich auf von mir im Gesichtsfeld (GF) des
Teleskops wahrgenommene Details. Die Richtungsan-
gaben im GF mache ich normalerweise anhand eines
gedachten Uhrenzifferblattes mit 12 Uhr oben.
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Emsiges Treiben, in wenigen Tagen beginnt die Adventszeit!
Die Nachbarn straßauf, straßab beeilen sich, die Glühbirn-
ketten auf ihre Gartenfichten und -kiefern zu stecken.
"Stade Zeit", wie die Oberbayern sagen, still, ruhig und
schön soll es sein ...

Szenenwechsel - die Nacht vor dem 1. Advent 2003.

Erwartungsvoll habe ich das Aufklaren registriert. Und
ebenso erwartungsvoll stelle ich den Dobson raus, noch
bevor es richtig dunkel ist. Nach einer ordentlichen
Auskühlzeit für den Tubus, verkürzt durch zahlreiche
Aktivitäten in Haus und Familie, trete ich gewappnet
mit Thermoskanne, Brotzeit und Rotlichtlampe ins Freie:

Da bin ich, mein Himmel!

Doch was ist das? Auf den wenigen Schritten zum Dobson
rüber schleicht ein Schatten vor mir her. Mein Schatten!
Ein Schlagschatten!! Sofort ist der Urheber entlarvt:
Nachbars Freiluft-Weihnachtskiefernbaum. Mit richtig
fetten Glühbirnen dran.

Ich überlege: Wenn ich jetzt rüber marschiere und um
Betätigung des Außenlichtschalters bitte, lynchen die
mich - wie kann man nur! Stille Nacht, heilige Nacht
und außerdem "Stade Zeit". Nein, dazu fehlt mir der
Mut.

Mein immer noch nicht abgeschlossenes Pegasus-Projekt
kann ich vergessen. Nicht dass der Lichterbaum den
Himmel erhellen würde. Nein. Aber beim Peilen mit
Telrad und wann immer ich das Gesicht zwischen Süd,
West und Nord bewege, werde ich angestrahlt. Da ist
absolut nix mit Dunkeladaption ...

Die hatten mal ne Hecke, über zwei Meter hoch, das
waren noch Zeiten!

Okay. Also kleinere Semmeln backen. Schau ich mir
halt ein paar einfache Schönheiten und vielleicht
etwas Neues an: Die Sternbilder, die ich noch ohne
Blendung beobachten kann, heißen Zwillinge und Fuhrmann.


Sternbild Zwillinge (Gemini, Gem)
M35 + NGC2158 + IC2157 + NGC2392 + NGC2420
-------------------------------------------

M35
---
Ein alter Bekannter, ja! Wir haben jetzt die Jahreszeit,
in der es unter den einfacheren Objekten viele schöne
offene Sternhaufen zu sehen gibt. Problemlos und schnell
ist M35 im Gesichtsfeld eingestellt: Dort wo Castor's
rechter Fuß durch drei leicht bogenförmig angeordnete
Sterne angedeutet wird, befindet sich dieser beinahe
Vollmond große offene Sternhaufen (28' = Bogenminuten
Durchmesser) etwas oberhalb.

Manchmal sehe ich sein blasses Schimmern schon mit
bloßem Auge, denn immerhin beträgt seine integrierte
Helligkeit 5m1. Durch seine große Fläche macht es Spaß
bei geringer Vergrößerung in der Sternenflut zu baden.

NGC2158
-------
In direkter Nachbarschaft von M35 und somit im gleichen
Gesichtsfeld des 32 mm Okulars, befindet sich dieser
relativ kompakte offene Sternhaufen. Beinahe könnte er
als Kugelsternhaufen durchgehen, weil er sehr reich an
Sternen ist und diese beinahe gleichmäßig um ein Zentrum
angeordnet sind. 5' Durchmesser bei 8m6 visueller Hellig-
keit lassen höhere Vergrößerungen sinnvoll werden.

Der hellste Einzelstern hat lediglich 12m4 und durch die
große Sternenzahl wirkt dieses Ojekt immer Nebel ähnlich.
In Geräten mit weniger als 5" Öffnung bleibt er ein
Nebel und wurde früher auch schon für einen Kometen
gehalten.

IC2157
------
VOn NGC2158 aus liegt in der doppelten Entfernung der
Strecke M35-NGC2158 der offene Sternhaufen IC2157. Die
Nummer hat mich auch erst verwundert, weil ich dachte,
es müsse NGC heißen. Aber NGC2157 liegt Richtung Südpol
und IC ist definitiv richtig.

Mit 7' Durchmesser und 8m4 Helligkeit ist dieser offene
Sternhaufen etwas größer als NGC2158, allerdings bei
weitem nicht so dicht gepackt. Ich kann bei 240x und
360x mit Mühe 20 Sterne zählen, die mehr oder weniger
wahllos im GF verstreut sind. Der hellste Einzelstern
hat 11m1.

NGC2392
-------
Darf nicht fehlen, jetzt wo's Winter wird: Der Eskimo-
nebel!

Ganz grob gesagt, befindet er sich am Treffpunkt zweier
Geraden, die sich - von Kappa Gem und Delta Gem kommend -
rechtwinklig schneiden.

Bei 40x und ohne Filter sieht er fast stellar aus. Das
geübte Auge entdeckt eine gewisse Milchigkeit, die
sofort zwecks Beweisaufnahme nach mehr Vergrößerung
verlangt.

Bei 80x ist man über jeden Zweifel erhaben - das Objekt
ist tatsächlich ein kreisförmiger Nebel, die Überreste
eines explodierten Sterns. Bei 160x bis 240x wird der
Nebel natürlich größer, aber keineswegs detailreicher.
Leider kommen gute Transparenz und gutes Seeing selten
zusammen, in unseren Breiten.

Der eingedrehte UHC-Filter lässt lediglich einige abge-
dunkelte Flecken erkennen, vielleicht Teile des "Gesichts",
das diesem planetarischen Nebel seinen Namen gab. Bei
360x ist es nur wenig besser, sodass ich mich nicht
allzulange aufhalte.

Bemerkenswert sind zwei helle Begleitsterne, die je
etwa 7m5 hell sind. Den Zentralstern, der 10m5 haben
soll, konnte ich leider bei keiner Vergrößerung sehen.

NGC2420
-------
Ziemlich genau zweieinviertel Grad west-nordwestlich
vom Eskimonebel, liegt der schöne offene Sternhaufen
NGC2420. Er ist mit 10' Durchmesser und 8m3 visueller
(also integrierter) Helligkeit nicht gerade schreiend
hell, aber doch auch bei geringer Vergrößerung sehr
einfach zu finden.

Der hellste Einzelstern ist 11m1 hell und es gibt
eine ganze Menge Sterne zu sehen. Bei 40x und 80x
bleibt eine gewisse Hintergrund-Nebligkeit erhalten,
bei 160x bis 360x lösen sich aber immer mehr kleine
Sternchen aus diesem Nebel. Insgesamt sollen es um
die 100 Mitglieder sein. Da dieser Sternhaufen zudem
ziemlich konzentriert ist, ist es eine Freude, darin
mit höherer Vergrößerung spazieren zu sehen.

Erwähnen möchte ich nochmal die 40x Vergrößerung:
Dort liegt NGC2420 vergleichsweise kompakt aber dafür
gemeinsam mit mehreren anderen hellen Sternen im GF.
Diese Sterne sind zwischen 8m0 und 9m0 hell und das
ganze macht sich sehr schön vor meinen Augen :-)


Sternbild Fuhrmann (Auriga, Aur)
M36 + M37 + M38 + NGC1931 + NGC1907
-----------------------------------

M36 + M37 + M38
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Auf diese drei schönen, ja sogar prächtigen offenen
Sternhaufen gehe ich nicht weiter ein. Ich besuche
sie gerne, wenn ich in der Gegend bin. Ich verweise
auf meine Bobachtungsberichte vom 01.02.2003 und
24.02.2003. Erwähnen möchte ich allerdings, dass sie
heute sogar im 10x50 völlig einfach und schön waren.

NGC1931
-------
Laut Bericht vom 01.02.2003 blieb mir NGC1931 damals
verborgen. Diesmal war er eine eher einfache Übung:
Ganz in der Nähe von M36, nämlich nur 1 Grad weiter
östlich, befindet sich dieser schöne Gasnebel. Man
kann ihn durchaus übersehen denn er leuchtet bei
eher bescheidenen 2.5' Durchmesser gerade mal mit
10m0 integrierter Helligkeit.

In diesem Fall machen also hohe Vergrößerungen Sinn,
denn man kann bei guten Bedingungen sogar einige
Sterne im Nebel erkennen. Dort befindet sich nämlich
ein Sterndreieck, das man allerdings erst nach
intensiver Beobachtung und bei nicht zu großer
Vergrößerung erkennen kann.

NGC1907
-------
Nur ein halbes Grad südlich des wunderbaren offenen
Sternhaufens M38 mit all seiner Pracht, liegt der
kleine Kollege NGC1907. In leichte Nebel gebettet,
macht sich dieser offene Sternhaufen sehr gut im
gemeinsamen Gesichtsfeld seines riesigen Nachbarn.

Man kann ihn eigentlich nicht verfehlen: Hat man
M38, hat man auch NGC1907. Man darf sich nur nicht
zu sehr von M38 blenden lassen, dann ist NGC1907
ebenfalls ein wirklich schönes Objekt.

Immerhin 7' im Durchmesser hat dieses 8m2 helle
Schatzkästlein. M38 bringt es dagegen auf 20'
Durchmesser und ist mit 6m4 vielfach heller.

Bei 80x liegt der unregelmäßig geformte Sternhaufen
unter einer Linie dreier etwa gleichheller Sterne,
die mich der Lage nach an den Gürtel des Orion
erinnern. Auch Rigel (Beta Ori) ist in diesem
Asterismus vertreten und so haben wir hier eine
Miniaturausgabe des "Gartenrechens", den mir meine
Großmutter in meiner Kindheit am Himmel zeigte ...
nicht ahnend, dass sie sich im Sternbild Orion
befand ;-)

Bei höherer Vergrößerung von 160x und 240x werden
einige Einzelsterne im Bereich um 10m0 besser
sichtbar.

Gegen halb Eins baue ich ab und muss ins Bett,
weil ich morgens wieder früh raus muss. Mir wird
bewusst, dass Nachbars Lichterbaum (sic!) gar
nicht mehr leuchtet und ich jetzt eigentlich
richtig loslegen könnte. Was soll's! Bin zufrieden
und freue mich, dass ich mit diesen "unscheinbaren"
Objekten wirklich belohnt wurde.

Ein schönes Saturnfoto ist nebenbei auch noch
entstanden. So detailreich konnte ich den Herrn
der Ringe noch nie mit meiner simplen Digital-
kamera ablichten:

http://www.fotocommunity.de/pc/pc/display/906211

Viele Grüße aus den Alpen,
Frank
--
My Home: 47°31'29" N / 11°06'51" E

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