Michael Ottenbruch wrote:
> Am Thu, 31 Mar 2022 02:11:14 +0200, schrieb Thomas 'PointedEars' Lahn:
>> Michael Ottenbruch wrote:
>> > Des weiteren sollte auch unstrittig sein, daß umgekehrt (actio gleich
>> > reactio) die Gezeitenkräfte innerhalb des Systems Erde/Mond nicht nur
>> > die Rotation des Mondes (bis auf Null), sondern auch die der Erde (wenn
>> > auch
>> ^^^^^^^^^^^^
>> > noch nicht so weit) verlangsamt haben
>>
>> Das ist *so* formuliert durchaus strittig;
>
> Ich stelle den Satz mal so um, daß Du ihn vielleicht besser parsen
> kannst:
Glashaus, Steine.
> | > Des weiteren sollte auch unstrittig sein, daß umgekehrt (actio gleich
> | > reactio) die Gezeitenkräfte nicht nur die Rotation des Mondes
> | > innerhalb des Systems Erde/Mond (bis auf Null), sondern auch die der
> | > Erde (wenn auch noch nicht so weit) verlangsamt haben
>
> Ich meinte also nicht "die Gezeitenkräfte innerhalb des Systems
> Erde/Mond" sondern ihr Ergebnis innerhalb dieses Systemes.
OK. Auch dann ist Deine Formulierung aber missverständlich, denn von dem
System zu sprechen impliziert nicht, dass es selbst (in einem
Inertialsystem) rotiert. Kinematische Systeme sind von Bezugssystemen klar
zu unterscheiden.
> Daß dieses System weiter rotiert […], das sagte ich schon.
Siehe unten.
>> Die Bewegung eines Körpers um einen Punkt ausserhalb des Körpers herum
>> wird (fachsprachlich) NICHT „Rotation“ genannt, sondern „Umlauf“ bzw.
>> „Orbit“.
>
> Das ändert nichts daran, daß das System Erde-Mond um _seinen_ (eigenen)
> Schwerpunkt _rotiert_.
Wenn das so wäre, dann wäre der Abstand Terra–Luna konstant.
> Dieses System _umläuft_ die Sonne - bzw. den Schwerpunkt usw.
Alle Körper des Sol-Systems (einschliesslich Sol selbst) sind in einem
Orbit um das Baryzentrum des Sol-Systems. Dessen Lage ist abgesehen von
Sol wesentlich von den deutlich massereicheren Gas- und Eis-Riesen (Jupiter
und Saturn, sowie Uranus und Neptun) bestimmt und ebenfalls relativ zum
Mittelpunkt von Sol nicht fix (da das Sol-System eben NICHT
rotationssymmetrisch ist).
> Auch hier wieder ein Parserfehler:
GIGO.
> Ich rede nicht vom "Schwerpunkt in Relation zur Sonne", sondern davon,
> innerhalb welchen Bezugssystemes weiterhin (auch bei einem hypothetischen
> wechselseitigen permanenten Zuwenden der gleichen Seiten von Erde und
> Mond) eine Rotation bestehen bleiben wird.
Das ist aber ein Folgefehler von Dir, denn „Rotation“ beschreibt die
Bewegung der Komponenten relativ dazu nicht richtig.
> Der Satz hätte deutlicher lauten können:
_sollen_
> | > Da stellt sich dem aufmerksamen Leser natürlich die Frage, wie lange
> | > es dauern wird, bis die Rotation der Erde (innerhalb dieses Systemes -
> | > daß dieses System trotzdem weiter um seinen Schwerpunkt herum in
> | > Relation zur Sonne rotieren wird, ist mir auch klar)
>
>> Und falls das nicht klar ist: Das Baryzentrum des Terra–Luna-Systems hat
>> mit Sol (und dem Baryzentrum des Sol-Systems) direkt nichts zu tun.
>
> Wie meinst Du das? Ist meine Annahme falsch, daß der Punkt, der
> tatsächlich die Ellipsenbahn durchläuft (ich weiß, daß es keine
> geometrisch exakte Ellipse ist), der Schwerpunkt des Erde-Mond-Systemes
> ist?
Bei diesen Massstäben (a_Terra ≈ 150'000'000 km, a_Luna ≈ 384'000 km,
R_Terra ≈ 6371 km) stimmt es noch näherungsweise. Das Baryzentrum des
Terra–Luna-Systems liegt immerhin ca. 1700 km unterhalb der terrestrischen
Oberfläche (nur ca. 4600 km entfernt vom terrestrischen Gravizentrum);
/de facto/ bewegt sich Terra also relativ zu ihm kaum, und die Näherung,
dass sich Luna um Terra bewegt, und Terra in einem elliptischen Orbit um
Sol, ist für einfache Berechnungen statthaft.
> Mein Physikunterricht ist zu lange her und war zu schlecht, als daß ich
> beurteilen könnte,
Faszinierend. Ich studiere zum BSc in Astrophysik im 6. Semester.
> ob ein System Erde-Mond, bei dem beide einander permanent die selben
> Seiten zuwenden,
Wenn das so wäre, dann wäre die Position von Luna am (Nacht)himmel fix.
> zwingend und unabhängig von Rotationsgeschwindigkeit und Abstand der
> beiden Körper einen von jetzigen abweichenden Gesamtdrehimpuls haben
> müßte.
Weshalb denn „abweichend“? Falls meine Antwort auf Quora (gelesen?) nicht
klar war, nochmal auf Deutsch und ausführlicher:
Der Gesamtdrehimpuls eines isolierten Systems (d. h. ohne
Einwirkung/Ausübung externer Kräfte oder andere Energiezufuhr/-abfuhr) ist
*immer* erhalten.¹ Er ist die Summe der Drehimpulse der Komponenten. Die
Drehimpulse setzen sich wiederum zusammen aus den Eigendrehimpulsen und den
Bahndrehimpulsen jeder Komponente. Nimmt also in einem
isolierten Zweikörpersystem der Betrag des Eigendrehimpulses einer
Komponente (hier: Terra) ab, so muss der Betrag des Drehimpulses der anderen
Komponente (hier: Luna) zunehmen.
Siehe auch: <
https://de.wikipedia.org/wiki/Drehimpuls>
Wenn die beiden Körper nur gravitativ wechselwirken können bedeutet dass,
weil der Eigendrehimpuls der anderen Komponente konstant bleiben muss (es
wirkt ja keine gegengesetzte Kraft auf ihn ein), dass der Bahndrehimpuls der
anderen Komponente zunehmen muss. Man kann zeigen (wie ich es in meiner
Antwort auf Quora getan habe), dass aufgrund der Kepler-Bewegung sich der
Abstand zwischen den omponenten vergrössern muss (die Umlaufgeschwindigkeit
ist umgekehrt proportional zur Wurzel der Entfernung, nimmt also langsamer
ab als die Entfernung zunimmt, wodurch bei zunehmender Entfernung der
Bahndrehimpuls insgesamt zunimmt.
Es ist aber auch ganz egal, ob Du mir das glaubst: Die Laserdistanzmessung
Lunar Laser Ranging (LLR) bestätigt es. (Worauf ich bereits hinwies.)
> Intuitiv erschließt es sich mir aber nicht.
Das ist (Himmels-)Mechanik-Basiswissen. Bedenke die Energieerhaltung: Ein
Körper, der lediglich um die eigene Achse rotiert, hat eine von Null
verschiedene kinetische Energie (da sich in einem Inertialsystem seine
Teilchen bewegen), genannt Rotationsenergie. Soll er sich zusätzlich noch
im Raum bewegen, muss seine gesamte kinetische Energie grösser sein als
diese Rotationsenergie (seine Teilchen müssen sich im Mittel schneller im
Inertialsystem bewegen). Befindet er sich also (abgesehen von seiner
Rotation) in Ruhe, muss ihm für die Translationsbewegung durch eine externe
Kraft zusätzlich Energie zugeführt werden. Jegliche Änderung des neuen
Zustandes, also eine Änderung seiner (gesamten) kinetischen Energie, bedarf
wieder einer externen Kraft. Zur Rotationsenergie und Translationsenergie
gehört wiederum jeweils ein Drehimpuls.
Deshalb rollt eine leere Konservendose schneller eine schiefe Ebene
herunter als eine massegleiche volle: bei gleicher kinetischer
(Gesamt-)Energie) wird mehr Energie für die Bewegung des Inhalts benötigt,
die dann in der Energiebilanz für die Translationsbewegung quasi
fehlt. Formal wird dies durch das unterschiedliche Trägheitsmoment
beschrieben, welches wiederum die zeitliche Änderung des
(Gesamt-)Drehimpulses ist: M⃗ = dL⃗/dt.
Falls Du die Diskussion fortsetzen möchtest, sollten wir sie in eine dafür
geeignete Gruppe verlegen: F‘up2 de.sci.physik ist gesetzt.
\\//,
(\@PointedEars2/)
--
>Ri kla'uh au klau ke tu. Nufa'uh au sochya – yi dungi-ma tu sochya.<
(“Do no harm to those that harm you.
Offer them peace, then you will have peace.”)
─Surak