Stefan Ram <
r...@zedat.fu-berlin.de> schrieb:
> Durch verschiedene Erwähnungen im Usenet darauf aufmerksam gemacht
> habe ich nun also "The Moon is a Harsh Mistress" gelesen. (Spoiler!)
>
> Ich hatte keine Idee, was mich erwartet.
>
> Zunächst fiel mir die Sprache auf, so ähnlich wie vielleicht
> ein Russe Englisch spricht. Vielleicht kommt der Erzähler aus
> einer entsprechenden Gegend oder das soll "Mond-Sprache" sein.
Vermutlich letzeres. Die Sprache ein bisschen zu verfremden, ist
ein in SF tatsächlich relativ wenig eingesetztes Stilmittel.
Spontan fallen mir nur eine Story von Brin ein ("greatdepression")
und "Feersum Endjinn", aber da hat Banks es übertrieben - die
phonetischen Kapitel konnte ich einfach nicht lesen.
> Es erscheint mir als vollkommen unvorstellbar, daß es
> wirtschaftlich sein soll, Weizen auf dem Mond anzubauen
> und dann zur Erde zu transportieren.
Kohlenstoff und Wasserstoff. Beides in Kometen reichlich vorhanden,
auf dem Mond weniger.
Aber man darf auch nicht vergessen: das Buch ist von 1966.
Man sollte vielleicht ein bisschen Abstriche machen - damals
hatte der Mars in der SF typischerweise noch eine (mehr oder
weniger) atembare Atmosphäre und Marsbewohner. (Die Ergebnisse
der Mariner-Sonden hatten sich erst später rumgesprochen).
> Allgemein glaube ich, daß die Schwierigkeiten des autonomen
> Überlebens auf anderen Himmelskörpern unterschätzt werden.
Von vielen vermutlich, von mir (möglicherweise nicht :-)
Das Hauptproblem sehe ich darin, dass die technische Komplexität,
die zum Überleben nötig ist, nur durch ein großes und
weitverzweigtes Lieferkettennetz zu erhalten ist. Mein
Lieblingsbeispiel ist ein ölbeständiger Dichtungsring aus NBR,
dessen Monomere (Butadien und Acrylnitril) eine weit zurückverzweigte
Chemie erfordern, aber damit hat man noch keine Additive...
Und wenn man sich die Pläne eines Raumanzuges anschaut, ist
der erst recht höllisch kompliziert.
Pournelle hat mal probiert, eine solche Story zu schreiben,
wo sich eine Asteoriden-Kolonie faktisch unabhängig gemacht hat,
aber auch er hat das deutlich unterschätzt. Die kritische
Ressource war bei ihm, IIRC, Kupferdraht.
> Vorstellungen, daß Mond oder Mars ein Ausweichen erlauben
> sollen, wenn die Erde unbewohnbar wird, erscheinen mir
> als absurd. Wenn wir es nicht einmal hier schaffen, wo die
> Bedinungen praktisch optimal sind, warum sollten wir es dann
> woanders schaffen, wo sie praktisch tödlich sind?
Ist auf jeden Fall deutlich schwieriger.
>
> Auch schwer vorstellbar, daß ein Wartungstechniker sich
> plötzlich in einen überzeugten und professionell agierenden
> Revolutionär verwandelt.
Das wiederum finde ich eher verständlich. Der Mond ist in
Heinleins Roman von TANSTAAFL geprägt, und daraus erwächst
dann die Revolution.
> Das ganz kommt mir eher wie ein Märchen vor, auch die Art,
> wie Mike gegen Ende des Buches plötzlich verschwindet, hat
> etwas vom Dahinschwinden eines Zaubers.
Ein nicht ganz realistischer SF? Hm, wenn man das ausschließt,
dann wären meine Regale ganz schön leer :-)
> Stelle ich jedoch all diese Bedenken einmal hintenan bzw.
> sehe ich es als ein Märchen an, das nicht realistisch sein
> muß, so ist es ein sehr spannende Lektüre, was dazu führte,
> daß ich das Buch unter Sprengung meines täglichen Limits
> für die Lesezeit schnell zu Ende las.
Heinlein konnte exzellent schreiben, das hat er in vielen Büchern
bewiesen - von "Starship Troopers" bis zu "Stranger in a Strange
Land", wobei es schwer ist, zu glauben, dass die beiden Bücher
von einem Autor stammen :-)