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Hast du Töne! (was: Audacity: H bei den Amis ein B?)

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Helmut Waitzmann

unread,
May 1, 2022, 8:39:26 AM5/1/22
to
Louis Noser <wegwerf...@gmx.ch>:
>Also sprach Michael Landenberger am 30.04.2022 um 16:37:
>
>> ...# ist Ais, Bb ist das, was bei uns ein "B" ist. Beides ist
>> derselbe Ton.
>
>Wenn man jetzt pingelig sein will, könnte man darauf hinweisen,
>dass ais und b auf Saiteninstrumenten nicht haargenau identisch
>tönt (angeblich).

Nicht nur auf Saiteninstrumenten und auch nicht nur angeblich und
auch nicht nur bei Tönen wie Ais und B sondern sogar auch bei Tönen
wie C und C, die denselben Namen haben und sich doch in der Tonhöhe
unterscheiden:

Wenn man bei tonaler Musik die Töne eines Akkords so zu einander
abstimmt, dass sie gemeinsame harmonische Oberschwingungen haben,
nennt man sie rein gestimmt und die Stimmung reine Stimmung (siehe
<https://de.wikipedia.org/wiki/Reine_Stimmung>).  Dabei ergeben sich
zwangsläufig Unterschiede zur gleichstufig temperierten Stimmung
(bei der es genau 12 verschiedene Töne pro Oktave gibt, von denen je
zwei benachbarte im Frequenzverhältnis 2^(1/12) stehen).

In reiner Stimmung kann es bei der Darbietung eines Musikstücks
vorkommen, dass gewisse Töne während der Darbietung umgestimmt
werden müssen, damit die Stimmung rein bleibt.  Das geht naturgemäß
bei nicht‐elektronischen Tasteninstrumenten eher nicht, während die
menschliche Stimme und Instrumente, bei denen man die Tonhöhe
kontinuierlich statt nur in festen Stufen anpassen kann,
beispielsweise Saiteninstrumente mit Griffbrett ohne Bünde, Posaunen
und andere Blechblasinstrumente mit Spielzug, vollkommen, andere
Blasinstrumente (in engeren Grenzen) und je nachdem auch
elektronische Instrumente der reinen Stimmung folgen können.

Genaugenommen sollte man nicht vom Umstimmen sprechen sondern anders
formulieren:

In reiner Stimmung gibt es Tonhöhen, die sich zwar von einander
unterscheiden, in unserer Notenschrift aber nicht als
unterschiedlich notiert werden.  Die Notenschrift ist tatsächlich,
was die Tonhöhe angeht, ungenau (und man muss die exakte Tonhöhe aus
dem harmonischen Umfeld erschließen).

Für die korrekte Notenschrift bräuchte man dazu (neben den üblichen
Versetzungszeichen Kreuz, Be und Auflösungszeichen) einen weiteren
Satz von Versetzungszeichen (wieder in den drei Formen Erhöhungs‐,
Erniedrigungs‐ und Auflösungszeichen).  Siehe dazu
<https://de.wikipedia.org/wiki/Reine_Stimmung#Modulationen_erfordern_eine_Anpassung_der_Tonh%C3%B6he>
und <https://de.wikipedia.org/wiki/Modulation_bei_reiner_Stimmung>
mit Beispielen zum Anhören.

Um eine Vorstellung von der Größenordnung der drei bisherigen und
der drei weiteren Versetzungszeichen zu bekommen: 

Die bisherigen drei Versetzungszeichen werden in ihrer Wirkung etwas
abgeschwächt und bewirken dann nur noch etwa 92 % (statt 100 %)
eines gleichstufig temperierten Halbtons.

Die weiteren drei Versetzungszeichen bewirken einen
Tonhöhenunterschied von gut 20 % eines gleichstufig temperierten
Halbtons.


Das oben angeführte Beispiel Ais → B ergibt meistens eine Erhöhung
des Tons um etwa 41 % eines gleichstufig temperierten Halbtons.

Aber ich gehe mal davon aus, dass Audacity zur Tonhöhenangabe die
gleichstufig temperierte Stimmung benutzt.  (Wer die Tonhöhe genauer
angeben will, muss halt selber die Frequenz ausrechnen und
eintippen.)

>Wir wollen aber heute mal nicht pingelig
>

[…]

Mit Pingeligkeit hat das durchaus nichts zu tun:  Tonale Musik, in
reiner Stimmung dargeboten, klingt einfach besser:  Nicht nur hat
man schwebungsfreie Akkorde, die nicht mehr kreischen, schäppern
oder klirren, sondern einen runden und warmen Glanz entfalten und
dabei im Kopf das Erfassen des harmonischen Zusammenhangs
erleichtern – man kann auch den Reichtum der verschiedenen sich
minimal unterscheidenden Tonhöhen (die in der gleichstufig
temperierten Stimmung zu einer einzigen Tonhöhe plattgewalzt werden)
erleben.

Wer das lieben gelernt hat, kann umgekehrt bei tonaler Musik,
gleichstufig temperiert dargeboten, an Begriffe wie unsaubere
Intonation, Stumpfheit, Blässe oder gar Katzenmusik denken.

Aber das gehört nicht mehr nach «de.comp.audio».  Ich schlage einen
Umzug nach «de.rec.musik.misc» vor.  Bitte bei Bedarf anpassen.

Crosspost & Followup-To: de.rec.musik.misc

Helmut Waitzmann

unread,
May 1, 2022, 11:19:13 AM5/1/22
to
Helmut Waitzmann <nn.th...@xoxy.net>:

>Für die korrekte Notenschrift bräuchte man dazu (neben den üblichen
>Versetzungszeichen Kreuz, Be und Auflösungszeichen) einen weiteren
>Satz von Versetzungszeichen (wieder in den drei Formen Erhöhungs‐,
>Erniedrigungs‐ und Auflösungszeichen).  Siehe dazu
><https://de.wikipedia.org/wiki/Reine_Stimmung#Modulationen_erfordern_eine_Anpassung_der_Tonh%C3%B6he>
>und <https://de.wikipedia.org/wiki/Modulation_bei_reiner_Stimmung>
>mit Beispielen zum Anhören.
>
>Um eine Vorstellung von der Größenordnung der drei bisherigen und
>der drei weiteren Versetzungszeichen zu bekommen: 
>
>Die bisherigen drei Versetzungszeichen werden in ihrer Wirkung
>etwas abgeschwächt und bewirken dann nur noch etwa 92 % (statt
>100 %) eines gleichstufig temperierten Halbtons.

Und da habe ich mich verrechnet.  In Wirklichkeit sind es knapp
114 % statt 100 %.
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