Beate Goebel <
boe...@spamfence.net> schrieb:
>H.-P. Schulz schrieb am 19 Mai 2021
>
>> Polyphonie fasziniert. Fugen und andere kontrapunktisch geordnete
>> Mehrstimmigkeit bilden ein "Kontrastprogramm" zur homophonen, also
>
>[...]
>
>> Wie geht es anderen mit der Polyphonie i.w.S.?
>
>Harmonien kennen und selbst spielen hilft.
Ich habe mir das alles in jungen Jahren theoretisch erarbeitet -
*ohne* Klavier. Aber natürlich einige andere Instrumente, auch etwas
Gitarre dann später - da ging es dann schon "harmonisch" zu. Auch auf
dem Akkordeon habe ich dilettiert. Mein "eigentliches", also etwas
ernsthafter betriebenes Instrument war .... Flöte. :))
>Selbst wenn ein Klavier nie ein Cembalo oder gar ein Virginal ersetzen
>kann, bekommt man doch ein Gefühl für die Linien.
>
>Ansonsten: Hören mit Partitur auf den Knien, so vorhanden.
Das sowieso! Ich habe es immer geliebt. In meiner "sinfonischen Phase"
habe ich das so richtig voll ausgelebt. Aber auch jetzt die letzten
Jahre (eigentlich schon ganz schön viele Jahre ...), wo ich praktisch
nur noch Kammermusik höre, nehme ich gern die Noten vor - oder schaue
mir wenigstens mal was in YT an.
>Sich einen Interpreten suchen und dem folgen. Empfehle da z.B. Tim
>Mead:
>
https://www.youtube.com/watch?v=CzcA1LvEems
Ja, der ist ja ziemlich gut! Aber ich erwähnte ja weiter unten den
Orlinski. Der ist - finde ich - besonders, weil seine Stimme auf
keinen Fall und nicht für eine Sekunde mit der eines weiblichen Alt zu
verwechseln ist.
>
>Bei sehr früher Musik, 12. Jh etc., kann man nur einfach zuhören.
Ich habe da nur wenig. Machaut, DuFay (das ist schon das Früheste, was
ich habe ...) - das war 's dann aber auch. Aber, stimmt, das ist schon
sehr fremd. Die Schlussformel ist da ja oft ganz leittonfrei, sehr
"spezial" - - - aber ergreifend! zB.:
https://www.youtube.com/watch?v=6mcxEtyEUw4
etwa 5:07 bis 5:19
>
>Ich glaube nicht, dass damals der Hörer jeder Linie folgen konnte.
>1. waren das keine Konzerte in unserem Sinne. Der Kirchenbesucher
>sollte eher überwältigt werden.
Mir kommt auch immer der Gedanke an Engelchor und Himmlisches
Jerusalem (das waren ja auch die Kathedralen!). Und mit der
"Überwältigung" ... na ja, jedenfalls wurde die Andacht und die
Versenkung befördert. Dem kann (und will) auch ich mich gar nicht
entziehen. Aber der gebildete Hörer in mir will auch immer "Futter",
und so ist der "Genuss" immer ein schwankender, changierender.
>Und 2. muss man sich den Aufführungsraum anschauen. Hallige Kirchen
>fördern nicht die Durchhörbarkeit.
Die Sachen sind ja in aller Regel auch auf Nachhall disponiert. Und
nichts ist verkehrter als die - ein Glück eher seltenen - viel zu
"trockenen", kleinräumigen Aufnahmen/Aufführungen heutzutage.
Natürlich kann man es mit dem Hall auch übertreiben, - aber es muss
schon ordentlich was da sein.
Die Unterschiede (ich sage: Qualitätsunterschiede!) der Aufnahmen sind
gewaltig, und die Mikrofonplatzierung ist ein Buch für sich ... Ich zB
mag etwas Abstand, so 6 - 8 Meter; leider rückt das Mikro den Sängern
in viele Aufnahmen furchtbar auf die Pelle! (Ich höre das alles immer
über Kopfhörer, und das bringt Tontechnikfehler natürlich viel
ungnädiger zutage als eine Wiedergabe über LS.)
>
>Man darf nicht vergessen, dass das in einer Welt, in der die
>menschliche Stimme das Lauteste war, sehr _umwerfend_ wirkte und wirken
>sollte.
>
>Das können wir heute nicht mehr nachvollziehen. Unser Verständnis davon
>ist eher theoretisch, IMHO.
Ja klar. Aber ich bin froh und dankbar, dass ich heute - und in den
letzten ca. zwanzig Jahren geradezu boomend! - all diese Sachen so
leicht zugänglich (und in hoher Auffuhrungsqualität) habe. Wenn ich da
an die 60er, 70er und so denke, "Archiv Produktion" der DG. Aber da
hatte ich glaubich nur was Gregorianik - und dann noch Schütz, wenn
ich mich recht erinnere. Überhaupt Schütz! Echt spezial!