Google Groups no longer supports new Usenet posts or subscriptions. Historical content remains viewable.
Dismiss

Fidelio im Fernsehen

2 views
Skip to first unread message

Marianne Bialojahn

unread,
Jun 16, 2007, 3:17:17 AM6/16/07
to
Hallo, liebe Klassik-Freunde,

ich weiß, es ist etwas knapp, aber ich habe es soeben erst in der
Zeitung entdeckt.

Heute Abend überträgt der Sender 3SAT um 20:15 Uhr die einzige Oper
Beethovens. Es handelt sich um eine Aufzeichnung aus dem Opernhaus
Zürich. Musikalische Leitung: Nikolaus Harnoncourt, Leonore: Camilla
Nylund, Florestan: Jonas Kaufmann.

Man hat nicht immer die Gelegenheit, in die Oper zu gehen, und so ist
eine Aufzeichnung meines Erachtens immer noch besser als gar nix :-).

Im Theater habe ich die Oper vor vielen Jahren mit großer Begeisterung
und Ergriffenheit gesehen. Es wird interessant sein, zu sehen, wie das
Werk heute interpretiert wird.

Viel Vergnügen und Genuss!
Marianne.

Peter Brixius

unread,
Jun 16, 2007, 4:50:38 AM6/16/07
to
On Sat, 16 Jun 2007 09:17:17 +0200, Marianne Bialojahn
<mb.sp...@justmail.de> wrote:

>Hallo, liebe Klassik-Freunde,
>
>ich weiß, es ist etwas knapp, aber ich habe es soeben erst in der
>Zeitung entdeckt.
>
>Heute Abend überträgt der Sender 3SAT um 20:15 Uhr die einzige Oper
>Beethovens. Es handelt sich um eine Aufzeichnung aus dem Opernhaus
>Zürich. Musikalische Leitung: Nikolaus Harnoncourt, Leonore: Camilla
>Nylund, Florestan: Jonas Kaufmann.
>

Vielen Dank für den Hinweis, das ist doch mal wieder was zum
aufzeichnen *und*
Regier: Jürgen Flimm
zum Diskutieren.

Hier ein Link mit einem längeren Zitat aus Fono Forum:

http://tinyurl.com/2fhgck

>Man hat nicht immer die Gelegenheit, in die Oper zu gehen, und so ist
>eine Aufzeichnung meines Erachtens immer noch besser als gar nix :-).
>

eben ...

>Im Theater habe ich die Oper vor vielen Jahren mit großer Begeisterung
>und Ergriffenheit gesehen. Es wird interessant sein, zu sehen, wie das
>Werk heute interpretiert wird.
>

Ich denke noch an die denkwürdige Aufführung in der Kölner Oper,
wo ein gutgenährter Ben Heppner als Florestan den Eindruck hinterließ,
ein paar Tage im Kerker würden ihm gesundheitlich eigentlich ganz gut
tun :-)

Es grüßt Peter

--
"Ach, ihr Götter", rief Ardinghello, "warum so einen kleinen Punkt uns zum
Genuß geben und nach den unendlichen Welten uns schmachten lassen! Wir sind
wie lebendig begraben!"
(Heinse, Ardinghello)

Marianne Bialojahn

unread,
Jun 16, 2007, 5:27:47 AM6/16/07
to
Peter Brixius schrieb:


Danke für den Link, lieber Peter. Obwohl ich mich innerlich schon auf
eine modernere Inszenierung eingestellt hatte, bin ich sehr froh, etwas
vorbereitet zu sein, was seinerzeit bei Mozarts Zauberflöte so gar nicht
der Fall war. Ich werde heute "mit anderen Augen" zusehen, und die
Ohren aufstellen, um die im Forum zitierte "Stahlkraft" der Stimme
Camilla Nylunds als "Strahlkraft" zu interpretieren ;-) und zu genießen.

Auch "mein Florestan" war seinerzeit ein beleibter Sänger, aber mir ist
der naheliegende Gedanke damals nicht gekommen, weil er während der Auf-
führung einen immer länger werdenden zotteligen Bart und viele Schmutz-
flecken auf Kleidung und Gesicht bekam.

Nochmals Danke und einen schönen Abend, und eventuell ergibt sich ja
wieder eine rege Diskussion, wie damals bei der Zauberflöte.

Viele Grüße
Marianne.

Verena Regli

unread,
Jun 16, 2007, 6:16:44 AM6/16/07
to

>
> Danke für den Link, lieber Peter. Obwohl ich mich innerlich schon auf
> eine modernere Inszenierung eingestellt hatte, bin ich sehr froh, etwas
> vorbereitet zu sein, was seinerzeit bei Mozarts Zauberflöte so gar nicht
> der Fall war. Ich werde heute "mit anderen Augen" zusehen, und die
> Ohren aufstellen, um die im Forum zitierte "Stahlkraft" der Stimme
> Camilla Nylunds als "Strahlkraft" zu interpretieren ;-) und zu genießen.
>
> Auch "mein Florestan" war seinerzeit ein beleibter Sänger, aber mir ist
> der naheliegende Gedanke damals nicht gekommen, weil er während der Auf-
> führung einen immer länger werdenden zotteligen Bart und viele Schmutz-
> flecken auf Kleidung und Gesicht bekam.
>
> Nochmals Danke und einen schönen Abend, und eventuell ergibt sich ja
> wieder eine rege Diskussion, wie damals bei der Zauberflöte.
>
> Viele Grüße
> Marianne.

Ich habe die Oper in Zürich gesehen. Wir waren nicht restlos begeistert. Der
Beginn war verwackelt, ein Trompeter kam zu spät, so richtig
Sonntag-Nachmittag Aufführung und das bei hohen Ticketpreisen !! Dazu
etliche Plätze hinter dem Pfeiler. Aber dies hat mit der Aufführung nichts
zu tun, mindert allerdings die Stimmung.
Das Bühnenbild: schlicht phaszinierend
Garderobe: Fidelios Anzug schien auf allen Seiten zu knapp bemessen. Echt
weiblich-breite Hüften sprengten fast die Nähte.
Farblich fast nur Grau in Grau und Schwarz, dem Inhalt angemessen; aber dann
erscheint der "Retter" in barock weiss-goldenem Gewand. Das sprengte den
Rahmen.

Die Szene im Kerker , wo Florestan seine Leonore endlich wieder hat und
beide singen: Oh namenlose Freude !! Da dauert es 10 Minuten bis sich die
beiden endlich anschauen und nicht jeder in eine andere Richtung singt. Also
wenn ich ..., dann würde ich ihm zuerst mal in die Arme fallen. So was
ähnliches wäre auch samt Gesang möglich, die sollen sich doch freuen und
nicht sich ansingen !!
So das wäre meine Fidelio-Kritik. Trotzdem war es wunderschön und ein
einzigartiges Erlebnis.

Verena


Marianne Bialojahn

unread,
Jun 16, 2007, 6:35:48 AM6/16/07
to
Verena Regli schrieb:
He, Verena, das finde ich aber nett, dass du uns vorab schon einen
Eindruck gepostet hast. Nun bin ich noch gespannter auf den heutigen Abend.

Deine Kritik in Bezug auf die Darsteller kann ich von Herzen
nachempfinden. Ich habe da auch so ein Erlebnis, das mir immer noch
nachgeht: Da steht ein Klasse-Sänger auf der Bühne, der singt
voller Inbrunst: "Mädchen, in deinen Augen liegt ein Zauber..." und
dabei sieht er ausschließlich den Dirigenten an und ignoriert die neben
ihm stehende Sängerin total. Das mag daher kommen, dass manche Sänger
so gar keine Schauspieler sind, und dann ist das Ganze nur ein halbes
Vergnügen.

Aber nun sind wir ja alle "gewarnt" und können uns auf die Musik kon-
zentrieren ;-).

Danke und ein schönes Wochenende
Marianne.

Sophia Kirch

unread,
Jun 16, 2007, 7:07:55 AM6/16/07
to

Peter Brixius schrieb:

> On Sat, 16 Jun 2007 09:17:17 +0200, Marianne Bialojahn
> <mb.sp...@justmail.de> wrote:

>>Heute Abend überträgt der Sender 3SAT um 20:15 Uhr die einzige Oper
>>Beethovens. Es handelt sich um eine Aufzeichnung aus dem Opernhaus
>>Zürich. Musikalische Leitung: Nikolaus Harnoncourt, Leonore: Camilla
>>Nylund, Florestan: Jonas Kaufmann.
>
> Vielen Dank für den Hinweis, das ist doch mal wieder was zum
> aufzeichnen *und*
> Regier: Jürgen Flimm
> zum Diskutieren.

Allerdings ;). Die Inhaltsangabe auf Seiten des Senders muß man wohl als
grob falsch bezeichnen. Leonore hört nicht, daß Pizarro und Rocco den
politischen Gefangenen Florestan töten wollen. Sie hört, daß jemand
sterben soll und weiß nicht sicher, wer im Kerker einsitzt.

Sophia

Marianne Bialojahn

unread,
Jun 16, 2007, 4:57:30 PM6/16/07
to
Verena Regli schrieb:
Liebe 3Sat-Gucker!

Ich bin noch voller Emotionen, nachdem der gerechtfertigte, lange
Applaus verklungen ist.

Durch das minimalistische Bühnenbild konnte man sich wirklich voll auf
die Musik konzentrieren, und Beethoven schafft es immer wieder, mich zum
Weinen zu bringen, so intensiv ist seine Musik.

Die hochgelobte Stimme der "Leonore" tat mir zeitweise in den Ohren weh,
ich empfand sie als schrill. Dagegen war der warme Sopran der
"Marzelline" eine Wohltat. Auch hat mich ihre schauspielerische Leistung
mehr überzeugt. Man sah ihre Freude über die Verlobung, und dann die
tiefe Enttäuschung über den Verlust des angehimmelten "Bräutigams", der
plötzlich keiner mehr war. Dagegen war der Ausdruck der "Leonore" eher
hölzern, und ich kann Verena nur beipflichten, dass man nach einer so
langen Trennung ein paar Emotionen mehr hätte zeigen können.

Roccos Stimme nehme ich mit in meine Träume. Sie ist einfach hinreißend
schön. Er wäre auch ein guter Sarastro.

"Florestans" Gesang war für diese tolle Stimme leider zu gering
bemessen, aber wer zwei Jahre im Kerker saß, dem ist das Singen
vergangen ;-).

Zeitweise hätte ich mir das Orchester etwas dezenter gewünscht. Das
Quartett hatte seine liebe Not, dagegen anzusingen.

Aber es war ein schöner Abend, es hat sich gelohnt, mal wieder
"einzutauchen" in Beethovens wunderbare Musik. Schade, dass er nur die
eine Oper geschrieben hat.

Eine gute Nacht und morgen einen schönen Sonntag wünscht Euch

Marianne.

Peter Brixius

unread,
Jun 16, 2007, 5:10:15 PM6/16/07
to
On Sat, 16 Jun 2007 22:57:30 +0200, Marianne Bialojahn
<mb.sp...@justmail.de> wrote:

>Aber es war ein schöner Abend, es hat sich gelohnt, mal wieder
>"einzutauchen" in Beethovens wunderbare Musik. Schade, dass er nur die
>eine Oper geschrieben hat.
>

Die hat er aber dreimal geschrieben! Die anderen Fassungen lohnt es
sich kennenzulernen.

Marianne Bialojahn

unread,
Jun 16, 2007, 5:15:09 PM6/16/07
to
Peter Brixius schrieb:

Dem heutigen "Florestan" nahm man figurmäßig die zwei Jahre bei Wasser
und Brot schon eher ab, aber wer war so nett, seinen 5-Tage-Bart so toll
zu pflegen, während er im Dunkeln saß? ;-) Die zotteligen Haare
überzeugten da schon eher.

Viele Grüße
Marianne.

>
> Es grüßt Peter
>

Andreas Lehmann

unread,
Jun 16, 2007, 5:29:16 PM6/16/07
to
Hallo Marianne,

vielen Dank für Deine Meinung, das macht neugierig. Ich konnte es nicht
ansehen, habe es aber aufgezeichnet. Eine Sache interessiert mich aber
brennend: Wir bei dieser Inszenierung vor dem letzten Bild (wie bei der
aktuellen Inszenierung hier in München) die wunderschöne
Leonoren-Overtüre "dazwischengeschoben"?

Liebe Grüße,
Andreas


--
User Interface Design // www.lemisoft.de

Marianne Bialojahn

unread,
Jun 16, 2007, 5:32:29 PM6/16/07
to
Peter Brixius schrieb:

> On Sat, 16 Jun 2007 22:57:30 +0200, Marianne Bialojahn
> <mb.sp...@justmail.de> wrote:
>
>> Aber es war ein schöner Abend, es hat sich gelohnt, mal wieder
>> "einzutauchen" in Beethovens wunderbare Musik. Schade, dass er nur die
>> eine Oper geschrieben hat.
>>
> Die hat er aber dreimal geschrieben! Die anderen Fassungen lohnt es
> sich kennenzulernen.
>
> Es grüßt Peter


>
Wurden die denn irgendwann und irgendwo aufgeführt? Meines Erachtens hat
er zwar drei Fassungen geschrieben, von denen zumindest "zu meinen
Lebzeiten" immer nur die letzte Fassung in der Oper zu sehen war. Die
allererste Fassung, die im November 1805 aufgeführt wurde, kam doch so
gut wie nicht an. Das gleiche Schicksal teilte die 2. Fassung vom März
1806. Erst 1814 wurde die Oper begeistert aufgenommen, und so nehme ich
an, dass nur diese Version jetzt immer und überall zu sehen ist.

Ich lasse mich gern von dir belehren und informieren.

Marianne.

Johannes Roehl

unread,
Jun 17, 2007, 3:51:23 AM6/17/07
to
Marianne Bialojahn schrieb:
> Verena Regli schrieb:

>> Die Szene im Kerker , wo Florestan seine Leonore endlich wieder hat und
>> beide singen: Oh namenlose Freude !! Da dauert es 10 Minuten bis sich die
>> beiden endlich anschauen und nicht jeder in eine andere Richtung singt. Also
>> wenn ich ..., dann würde ich ihm zuerst mal in die Arme fallen. So was
>> ähnliches wäre auch samt Gesang möglich, die sollen sich doch freuen und
>> nicht sich ansingen !!

Teilweise mag das auch an der Kameraführung gelegen haben, aber das sehr
distanziert "O namenlose Freude" fand ich eine der wenigen
Schwachstellen. Das war mir auch musikalisch zu langsam und zu verhalten
(selbst wenn man die "unnennbaren Leiden" herausheben will, ist es
erstmal ein ekstatisches Duett) Der Sinn dieser Distanz ist wohl die
Szene im Finale intensiver erscheinen zu lassen, wenn Leonore die Fessel
durchschneidet.
Und diese Szene, der langsame "Dankgesang" im Finale, eine der
bewegendsten Stellen der Oper, war außerordentlich gelungen, auch
musikalisch (auf seine alten Tage ist Harnoncourt wohl wirklich bei
lyrischen/langsamen Stellen besser, der letzte Teil des Finales hätte
wieder ein wenig mehr Energie vertragen können, aber nur ein wenig)

> Die hochgelobte Stimme der "Leonore" tat mir zeitweise in den Ohren weh,
> ich empfand sie als schrill. Dagegen war der warme Sopran der
> "Marzelline" eine Wohltat. Auch hat mich ihre schauspielerische Leistung
> mehr überzeugt. Man sah ihre Freude über die Verlobung, und dann die
> tiefe Enttäuschung über den Verlust des angehimmelten "Bräutigams", der
> plötzlich keiner mehr war. Dagegen war der Ausdruck der "Leonore" eher
> hölzern, und ich kann Verena nur beipflichten, dass man nach einer so
> langen Trennung ein paar Emotionen mehr hätte zeigen können.
>
> Roccos Stimme nehme ich mit in meine Träume. Sie ist einfach hinreißend
> schön. Er wäre auch ein guter Sarastro.
>
> "Florestans" Gesang war für diese tolle Stimme leider zu gering
> bemessen, aber wer zwei Jahre im Kerker saß, dem ist das Singen
> vergangen ;-).
>
> Zeitweise hätte ich mir das Orchester etwas dezenter gewünscht. Das
> Quartett hatte seine liebe Not, dagegen anzusingen.

Ich habe es nur ab Gefangenenchor gesehen (solltest Du das "Mir ist so
wunderbar"-Quartett meinen). Insgesamt fand ich es schon ziemlich gut.
Weitestgehend sehr gute Textverständlichkeit. Der Rocco tatsächlich mal
eine ambivalente Figur, nicht der nette Kerkermeister von nebenan.
Relativ junge und glaubwürdige Darsteller von Leonore und Florestan. Der
Minister ist ein bißchen zu jung (andererseits ist er ja ein Kumpel
Florestans von der Grande Ecole oder so...)
Ein bißchen seltsam fand ich, dass selbst an wichtigen Stellen der
Dialog gekürzt schien. Ich habe ihn zB im Melodram in Akt II anders in
Erinnerung.

viele Grüße

JR


Marianne Bialojahn

unread,
Jun 17, 2007, 10:31:32 AM6/17/07
to
Andreas Lehmann schrieb:

> Hallo Marianne,
>
> vielen Dank für Deine Meinung, das macht neugierig. Ich konnte es nicht
> ansehen, habe es aber aufgezeichnet. Eine Sache interessiert mich aber
> brennend: Wir bei dieser Inszenierung vor dem letzten Bild (wie bei der
> aktuellen Inszenierung hier in München) die wunderschöne
> Leonoren-Overtüre "dazwischengeschoben"?

Ich sag jetzt mal NEIN, alles andere könnte ich nur mit geistiger
Umnachtung erklären ;-), aber du hast ja die Aufzeichnung, gelle?

Ganz liebe Grüße
Marianne, die bis 4:00 Uhr nicht einschlafen konnte wegen der
entstandenen Emotionen. :). Der Abend war einfach toll!

Peter Brixius

unread,
Jun 17, 2007, 10:38:40 AM6/17/07
to

Man sieht die "Leonore" selten auf der Bühne. Von Gardiner gibt es
eine konzertante Mischfassung, was ich ein wenig bedauerlich finde,
ansonsten meine Favoriten:
Fassung 1805: Blomstadt, 1976
Fassung 1806: Soustrot, 1997

Andreas Lehmann

unread,
Jun 17, 2007, 10:45:34 AM6/17/07
to
Hallo Marianne,

Marianne Bialojahn <mb.sp...@justmail.de> wrote:

> Andreas Lehmann schrieb:
> > Hallo Marianne,
> >
> > vielen Dank für Deine Meinung, das macht neugierig. Ich konnte es nicht
> > ansehen, habe es aber aufgezeichnet. Eine Sache interessiert mich aber
> > brennend: Wir bei dieser Inszenierung vor dem letzten Bild (wie bei der
> > aktuellen Inszenierung hier in München) die wunderschöne
> > Leonoren-Overtüre "dazwischengeschoben"?
>
> Ich sag jetzt mal NEIN, alles andere könnte ich nur mit geistiger
> Umnachtung erklären ;-), aber du hast ja die Aufzeichnung, gelle?

danke für die Info. Stimmt, ich habe die Aufzeichnung und werde sie mir
demnächst in Ruhe ansehen. Die Leonoren-Overtüre gegen vor dem Finale
ist ein wunderbarer Übergang -- und so wir sie wenigstens regelmäßig
gespielt ;-)

Liebe Grüße,
Andreas

Marianne Bialojahn

unread,
Jun 17, 2007, 10:55:15 AM6/17/07
to
Johannes Roehl schrieb:

> Marianne Bialojahn schrieb:
>> Verena Regli schrieb:
>>> Die Szene im Kerker , wo Florestan seine Leonore endlich wieder hat
>>> und beide singen: Oh namenlose Freude !! Da dauert es 10 Minuten bis
>>> sich die beiden endlich anschauen und nicht jeder in eine andere
>>> Richtung singt. Also wenn ich ..., dann würde ich ihm zuerst mal in
>>> die Arme fallen. So was ähnliches wäre auch samt Gesang möglich, die
>>> sollen sich doch freuen und nicht sich ansingen !!
>
> Teilweise mag das auch an der Kameraführung gelegen haben,.....

bei der man den Eindruck hatte, dass das Gewehr, mit dem Pizarro in
Schach gehalten werden sollte, auf das Publikum gerichtet war ;-).

aber das sehr
> distanziert "O namenlose Freude" fand ich eine der wenigen
> Schwachstellen. Das war mir auch musikalisch zu langsam und zu verhalten
> (selbst wenn man die "unnennbaren Leiden" herausheben will, ist es
> erstmal ein ekstatisches Duett) Der Sinn dieser Distanz ist wohl die
> Szene im Finale intensiver erscheinen zu lassen, wenn Leonore die Fessel
> durchschneidet.

Wozu sie mehr oder weniger -vor lauter Gesang mit versteinerter Miene-
von Florestan 'genötigt' werden musste, der ihr die Fesseln bis ans
Messer hinstreckte, damit sie endlich etwas tut.

> Und diese Szene, der langsame "Dankgesang" im Finale, eine der
> bewegendsten Stellen der Oper, war außerordentlich gelungen, auch
> musikalisch (auf seine alten Tage ist Harnoncourt wohl wirklich bei
> lyrischen/langsamen Stellen besser, der letzte Teil des Finales hätte
> wieder ein wenig mehr Energie vertragen können, aber nur ein wenig)
>
>> Die hochgelobte Stimme der "Leonore" tat mir zeitweise in den Ohren weh,
>> ich empfand sie als schrill. Dagegen war der warme Sopran der
>> "Marzelline" eine Wohltat. Auch hat mich ihre schauspielerische Leistung
>> mehr überzeugt. Man sah ihre Freude über die Verlobung, und dann die
>> tiefe Enttäuschung über den Verlust des angehimmelten "Bräutigams", der
>> plötzlich keiner mehr war. Dagegen war der Ausdruck der "Leonore" eher
>> hölzern, und ich kann Verena nur beipflichten, dass man nach einer so
>> langen Trennung ein paar Emotionen mehr hätte zeigen können.
>>
>> Roccos Stimme nehme ich mit in meine Träume. Sie ist einfach hinreißend
>> schön. Er wäre auch ein guter Sarastro.
>>
>> "Florestans" Gesang war für diese tolle Stimme leider zu gering
>> bemessen, aber wer zwei Jahre im Kerker saß, dem ist das Singen
>> vergangen ;-).
>>
>> Zeitweise hätte ich mir das Orchester etwas dezenter gewünscht. Das
>> Quartett hatte seine liebe Not, dagegen anzusingen.
>
> Ich habe es nur ab Gefangenenchor gesehen (solltest Du das "Mir ist so
> wunderbar"-Quartett meinen). Insgesamt fand ich es schon ziemlich gut.
> Weitestgehend sehr gute Textverständlichkeit. Der Rocco tatsächlich mal
> eine ambivalente Figur, nicht der nette Kerkermeister von nebenan.

Aber immerhin ein ganzer Kerl, der sich gegen den Auftragsmord wehrt.


> Relativ junge und glaubwürdige Darsteller von Leonore und Florestan.

Komisch, der "Leonore" habe ich ihre Rolle überhaupt nicht abgenommen.
Eine Frau, die sich unter Vorspiegelung falscher Identität im Gefängnis
einschleicht, um endlich, endlich ihren seit zwei Jahren vermissten Mann
zu finden, ihn dann erkennt und das versteinerte Gesicht beibehält,
überzeugt mich nicht. Leonores Gesichtsausdruck war immer gleich, egal,
was sie erlebte und sang.


Der
> Minister ist ein bißchen zu jung (andererseits ist er ja ein Kumpel
> Florestans von der Grande Ecole oder so...)
> Ein bißchen seltsam fand ich, dass selbst an wichtigen Stellen der
> Dialog gekürzt schien.

Ja, das dachte ich auch hin und wieder, dass da mehr Text vorhanden sein
müsste, aber dadurch konnte man auch alles sehr gut verstehen.

Ich habe ihn zB im Melodram in Akt II anders in
> Erinnerung.
>
> viele Grüße
>
> JR


Aber alles in allem war es ein gelungener Abend. ARTE sei Dank, dass
man bei allem Sch.....und, der sonst im Fernsehen läuft, ein solches
Erlebnis haben konnte, ohne ein teures Ticket kaufen zu müssen.

Viele Grüße
Marianne.

Marianne Bialojahn

unread,
Jun 17, 2007, 11:56:58 AM6/17/07
to
Peter Brixius schrieb:

> On Sat, 16 Jun 2007 23:32:29 +0200, Marianne Bialojahn
> <mb.sp...@justmail.de> wrote:
>
>>> Die hat er aber dreimal geschrieben! Die anderen Fassungen lohnt es
>>> sich kennenzulernen.
>>>
>>> Es grüßt Peter
>>
>> Wurden die denn irgendwann und irgendwo aufgeführt? Meines Erachtens hat
>> er zwar drei Fassungen geschrieben, von denen zumindest "zu meinen
>> Lebzeiten" immer nur die letzte Fassung in der Oper zu sehen war. Die
>> allererste Fassung, die im November 1805 aufgeführt wurde, kam doch so
>> gut wie nicht an. Das gleiche Schicksal teilte die 2. Fassung vom März
>> 1806. Erst 1814 wurde die Oper begeistert aufgenommen, und so nehme ich
>> an, dass nur diese Version jetzt immer und überall zu sehen ist.
>>
>> Ich lasse mich gern von dir belehren und informieren.
>>
> Man sieht die "Leonore" selten auf der Bühne. Von Gardiner gibt es
> eine konzertante Mischfassung, was ich ein wenig bedauerlich finde,
> ansonsten meine Favoriten:
> Fassung 1805: Blomstadt, 1976
> Fassung 1806: Soustrot, 1997
>
> Es grüßt Peter

Danke für den Hinweis.

Da du dich so ganz und gar nicht äußerst, nehme ich an, du hattest
leider keine Zeit, dir den Fidelio in 3SAT anzusehen. Das wäre sehr
schade. 1. ist dir ein Kunstgenuss entgangen, und 2. hätte ich großen
Wert auf deine dezidierte Meinung gelegt.

Viele Grüße
Marianne

Peter Brixius

unread,
Jun 17, 2007, 1:45:38 PM6/17/07
to

Liebe Marianne,

ich habe die Aufführung gehört, nicht gesehen, denn ich saß am
Computer und habe gearbeitet. Den Fernseher habe ich aus guten Gründen
nicht in der Blickrichtung. Ich habe die Aufführung aber
mitgezeichnet, so dass ich sie bald mir auch ansehen kann.

Musikalisch fand ich bei (unkonzentriertem) Mithören die Auffassung
Harnoncourts recht gut, ein paar Eigenarten, die mich aufhören ließen,
aber doch insgesamt eine musikalisch befriedigende Leistung vom
Dirigat her. Die Szene Florestan, Pizarro, Leonore, Rocco sah ich mir
dann doch an. Ich fand die Regie ziemlich unbeholfen, da hätte ich mir
mehr Mut gewünscht. Wenn Pizarro minutenlang mit dem Messer in der
Hand dasteht und singt, habe ich den Eindruck von der guten alten
Standbein-/Spielbein-Zeit. Aber ich muss mir erst einmal das Ganze
ansehen, um diesen partikularen Eindruck einzuordnen. Ich hatte mit
der Nylund keine Probleme. Rocco, da gebe ich Dir Recht, machte einen
außerordentlich starken Eindruck.

Wenn ich heute nicht auch wieder bis in die Nacht am Computer sitze,
das verspreche ich Dir, schau ich mir zumindest den Akt 1 an!

Sophia Kirch

unread,
Jun 17, 2007, 2:21:29 PM6/17/07
to

Marianne Bialojahn schrieb:
> Verena Regli schrieb:
>

>>Die Szene im Kerker , wo Florestan seine Leonore endlich wieder hat und
>>beide singen: Oh namenlose Freude !! Da dauert es 10 Minuten bis sich die
>>beiden endlich anschauen und nicht jeder in eine andere Richtung singt. Also
>>wenn ich ..., dann würde ich ihm zuerst mal in die Arme fallen. So was
>>ähnliches wäre auch samt Gesang möglich, die sollen sich doch freuen und
>>nicht sich ansingen !!

> Dagegen war der Ausdruck der "Leonore" eher


> hölzern, und ich kann Verena nur beipflichten, dass man nach einer so
> langen Trennung ein paar Emotionen mehr hätte zeigen können.

Eine Frage am Rande: Leonore sieht auf den Bildern von 3sat (die
Übertragung habe ich nicht gesehen) wie eine alte Frau aus. Wirkt sie in
der Aufführung `verhärmt` und wie wirkt Florestan im Gegensatz dazu?

Sophia

Helene Brandstätter

unread,
Jun 17, 2007, 2:42:30 PM6/17/07
to
Hallo zusammen,

ich bin leider erst in der Kerkerszene zufällig hineingeraten, und
wußte bis zum Schluß nicht, wer singt und auch nicht, wer dirigiert.

"Johannes Roehl" schrieb

> ... aber das sehr distanziert "O namenlose Freude" fand ich eine der

> wenigen Schwachstellen. Das war mir auch musikalisch zu langsam und
> zu verhalten (selbst wenn man die "unnennbaren Leiden" herausheben
> will, ist es erstmal ein ekstatisches Duett)

davon war ich sogar sehr enttäuscht. An die immer seltsamer werdenden
Inszenierungen muß man sich ja langsam gewöhnen, aber die Musik hätte
hier doch Jubel und Freude ausdrücken müssen, doch davon hab ich
absolut nichts gespürt. Als ich dann später merkte, wer dirigiert
hatte, ist mir der diesjährige Figaro eingefallen. Die Liveübertragung
der Premiere hatte ich damals nach dem 1. Akt ausgeschaltet, und das
nicht nur wegen der Inszenierung, sondern vor allem auch wegen der
musikalischen Interpretation.

Gruß Helene

Marianne Bialojahn

unread,
Jun 17, 2007, 2:51:52 PM6/17/07
to
Sophia Kirch schrieb:


Nein, eine alte Frau ist sie nicht. Ich habe eher den Eindruck, dass sie
sich in der ganzen Figur nicht wohlgefühlt hat. Ihr Kostüm saß wie
angetackert, da war keine Luft zum Einatmen, die Perücke, die sie als
"Junge" ausweist, war dermaßen stramm am Kopf, dass von daher schon die
Mimik fast unmöglich war. Und richtig elegant kam ihre Stimme durch das
Eingeschnürtsein auch nicht rüber.

Ganz zu Anfang des Threads hat Peter Brixius uns einen Link geschickt,
wenn du den benutzt, kannst du Camilla Nylund im Original sehen. Sie ist
eine schöne Frau, aber in dieser Rolle hat das gewisse Etwas gefehlt.
Ich hätte mir z.B. gewünscht, dass die Regie ihr vorgibt, dass sie die
Perücke vom Kopf reißt, als sie sich als die Ehefrau Florestans ausgibt,
und dann eine Wallemähne zum Vorschein kommt ;-).

Keiner hat vorher gemerkt, dass sie eine Frau ist, und plötzlich, nur
weil sie es sagt, glauben ihr alle, ohne dass sie den Beweis antreten
muss. Da hätte ich mir von der Regie mehr Fantasie gewünscht.

Florestan dürfte etwa genau so alt/jung sein. Er ist ein ausgesprochen
schöner Mann, wenn man davon absieht, dass durch die zwei Jahre Kerker
seine Haare verzottelt waren. Dafür hatte er -der Situation nicht
angepasst- einen wunderbar gepflegten 5-Tage-Bart. Sie passten als Paar
schon zusammen, vor allem stimmlich. Aber das Schauspieltalent der
"Leonore" blieb meines Erachtens an diesem Abend im Kühlschrank. Sie
wirkte hölzern und in jeder Situation unbewegt. Und die ganze Oper ist
doch eigentlich 100 % Emotion! Mich selbst hat sie so ergriffen, dass
ich die halbe Nacht nicht schlafen konnte.

Schade, dass du es nicht sehen konntest. Vielleicht bekommst du bei
Freunden die Gelegenheit dazu, dann solltest du sie nutzen.

Viele Grüße und einen guten Start in eine neue Woche.

Marianne.

Werner Hintze

unread,
Jun 17, 2007, 3:01:26 PM6/17/07
to
On Sun, 17 Jun 2007 20:42:30 +0200, Helene Brandstätter
<helene.bra...@t-online.de> wrote:

>aber die Musik hätte
>hier doch Jubel und Freude ausdrücken müssen,

Ach, wirklich? Hätte sie das müssen? Wenn das so ist, müssen wir uns,
glaube ich, bei Beethoven beschweren gehen. Denn was er komponiert
hat, hat wohl noch nie Jubel und schon gleich gar nicht Freude
ausgedrückt. Ich zumindest würde einer solchen Freude abgrundtiefe
Verzweiflung vorziehen.

Werner Hintze
--
Zum Senden einer Mail bitte vor dem "at"
eine 4 hinzufügen!

Marianne Bialojahn

unread,
Jun 17, 2007, 3:18:39 PM6/17/07
to
Werner Hintze schrieb:

> On Sun, 17 Jun 2007 20:42:30 +0200, Helene Brandstätter
> <helene.bra...@t-online.de> wrote:
>
>> aber die Musik hätte
>> hier doch Jubel und Freude ausdrücken müssen,
>
> Ach, wirklich? Hätte sie das müssen? Wenn das so ist, müssen wir uns,
> glaube ich, bei Beethoven beschweren gehen. Denn was er komponiert
> hat, hat wohl noch nie Jubel und schon gleich gar nicht Freude
> ausgedrückt. Ich zumindest würde einer solchen Freude abgrundtiefe
> Verzweiflung vorziehen.
>
> Werner Hintze

Und was ist mit "Freude, schöner Götterfunken"?

Marianne :)

Werner Hintze

unread,
Jun 17, 2007, 3:33:59 PM6/17/07
to
On Sun, 17 Jun 2007 21:18:39 +0200, Marianne Bialojahn
<mb.sp...@justmail.de> wrote:

>Und was ist mit "Freude, schöner Götterfunken"?

Was soll damit sein? Kommt das im "Fidelio" vor? Das ist mir neu.

Sophia Kirch

unread,
Jun 17, 2007, 3:30:37 PM6/17/07
to

Marianne Bialojahn schrieb:
> Sophia Kirch schrieb:

>>Eine Frage am Rande: Leonore sieht auf den Bildern von 3sat (die
>>Übertragung habe ich nicht gesehen) wie eine alte Frau aus. Wirkt sie in
>>der Aufführung `verhärmt` und wie wirkt Florestan im Gegensatz dazu?

> Ganz zu Anfang des Threads hat Peter Brixius uns einen Link geschickt,


> wenn du den benutzt, kannst du Camilla Nylund im Original sehen.

Camilly Nylund hat am Kölner Opernhaus gesungen, daher ist mir die
Sängerin bekannt.

> Aber das Schauspieltalent der
> "Leonore" blieb meines Erachtens an diesem Abend im Kühlschrank. Sie
> wirkte hölzern und in jeder Situation unbewegt. Und die ganze Oper ist
> doch eigentlich 100 % Emotion!

Was bedeuten denn 100 % Emotion? Die Tatsache daß es einen gruselt, daß
die Oper im Gefängnis spielt und dort mind. ein politisch Gefangener
einsitzt der verhungern und weil das nicht schnell genugt geht ermordet
werden soll? Oder geht es um die Emotion in der Befreiungsszene - die
stelle ich mir extrem belastend vor so wie sie dargestellt ist.

Etwas fühle ich mich bei der Diskussion hier erinnert an ein kurzes
Publikumsgespräch mit Günter Krämer, dem ehemaligen Intendaten der
Kölner Oper. Sinngemäß sagte er `Viele erwarten beim "Fidelio" Emotionen
und schöne Musik, das Kettengerassel der Gefangenen stört dabei`.

Die Edition des Klavierfestival Ruhr hat eine Transkription des
"Fidelio" für 4 Hände bzw. 20 Finger von Alexander Zemlinsky
veröffentlicht. Die Pianisten sind Dennis Russel Davis und Maki Namekawa.
http://www.jpc.de/jpcng/classic/detail/-/hnum/7046126/rk/classic/rsk/novelties
Auf Anhieb - beim ersten hören, die CD`s besitze ich seit gestern abend
- fiel mir der Gefangenenchor beim Auftritt "oh welche Lust" auf, welche
tiefe Traurigkeit in der Musik liegt obwohl man meint, daß sie sich
freuen ans Licht zu kommen.

Besten Dank für Deine Erklärungen.
Sophia

Marianne Bialojahn

unread,
Jun 17, 2007, 3:48:22 PM6/17/07
to
Werner Hintze schrieb:

> On Sun, 17 Jun 2007 21:18:39 +0200, Marianne Bialojahn
> <mb.sp...@justmail.de> wrote:
>
>> Und was ist mit "Freude, schöner Götterfunken"?
>
> Was soll damit sein? Kommt das im "Fidelio" vor? Das ist mir neu.
>
> Werner Hintze


Du hast geschrieben, dass Beethoven nichts komponiert hätte, was Jubel
oder Freude ausgedrückt hat. Daher meine Frage :-)

Marianne.

Werner Hintze

unread,
Jun 17, 2007, 3:49:56 PM6/17/07
to
On Sun, 17 Jun 2007 21:48:22 +0200, Marianne Bialojahn
<mb.sp...@justmail.de> wrote:

>Du hast geschrieben, dass Beethoven nichts komponiert hätte, was Jubel
>oder Freude ausgedrückt hat. Daher meine Frage :-)

Nein, das habe ich nicht geschrieben. Wer lesen kann, ist klar im
Vorteil.

Peter Brixius

unread,
Jun 17, 2007, 4:03:07 PM6/17/07
to
On Sun, 17 Jun 2007 21:01:26 +0200, Werner Hintze
<use...@floridante.de> wrote:

>On Sun, 17 Jun 2007 20:42:30 +0200, Helene Brandstätter
><helene.bra...@t-online.de> wrote:
>
>>aber die Musik hätte
>>hier doch Jubel und Freude ausdrücken müssen,
>
>Ach, wirklich? Hätte sie das müssen? Wenn das so ist, müssen wir uns,
>glaube ich, bei Beethoven beschweren gehen. Denn was er komponiert
>hat, hat wohl noch nie Jubel und schon gleich gar nicht Freude
>ausgedrückt. Ich zumindest würde einer solchen Freude abgrundtiefe
>Verzweiflung vorziehen.
>

Lieber Werner,

eine interessante Idee, auch wenn mir da meine Erfahrung mit dieser
Stelle nicht folgen kann: Ich höre hier eine atemlose, immer wieder
stockende, aber auch immer wieder sich ins Helle lösende Freude,
natürlich keinen billigen C- oder D-dur-Jubel, aber Freude, die sich
immer erneut aus einer tiefen Erschöpfung löst. Ich werde mal
versuchen, mit Deinen Ohren zu hören ...

Peter Brixius

unread,
Jun 17, 2007, 4:06:03 PM6/17/07
to
On Sun, 17 Jun 2007 21:48:22 +0200, Marianne Bialojahn
<mb.sp...@justmail.de> wrote:

>Werner Hintze schrieb:
>> On Sun, 17 Jun 2007 21:18:39 +0200, Marianne Bialojahn
>> <mb.sp...@justmail.de> wrote:
>>
>>> Und was ist mit "Freude, schöner Götterfunken"?
>>
>> Was soll damit sein? Kommt das im "Fidelio" vor? Das ist mir neu.
>>
>> Werner Hintze
>
>
>Du hast geschrieben, dass Beethoven nichts komponiert hätte, was Jubel
>oder Freude ausgedrückt hat. Daher meine Frage :-)
>

Das "nie" bezog sich auf das Verständnis des Duetts, wenn ich recht
verstehe, wäre dies ein Hinweis auf die Rezeptionsgeschichte. Vertraut
ist es mir allerdings nicht, immerhin aber ein interessanter Hinweis.

Werner Hintze

unread,
Jun 17, 2007, 4:23:41 PM6/17/07
to
On Sun, 17 Jun 2007 22:03:07 +0200, Peter Brixius
<peter....@onlinehome.de> wrote:

>eine interessante Idee, auch wenn mir da meine Erfahrung mit dieser
>Stelle nicht folgen kann:

Man kann das sicherlich diskutieren, obwohl ich finde, dass die Sache
ziemlich klar wird, wenn man die Passage mit den exaltierten
Freudenausbrüchen im Finale der IX. Sinfonie oder auch im Finale
dieser Oper oder in der Schlussfuge des Credo der Missa Solemnis oder
auch im Finale des letzten Rasumowsky-Quartetts vergleicht. (Die
Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen.) Die Atemlosigkeit und das
ständige Zusammenbrechen des Freudentaumels finden sich da nicht in
dieser Weise. Abgesehen davon noch ein anderer Punkt: Das Finale der
IX. ist schwer zu singen, aber wie der Monteverdi-Chor eindrucksvoll
beweist, muss es nicht gebrüllt werden, auch wenn es wohl nur äußerst
selten anders geschieht. Dieses Duett kann man aber nicht schön
singen. Man kann es langsam nehmen, man kann es schnell nehmen, man
kann sich kopfstellen oder unter Wasser singen, es geht nicht. Es
klingt immer einigermaßen scheußlich. Das liegt nicht an den Sängern.
Und dass Beethoven nicht wusste, was man Sängern zumuten kann, halte
ich für ein Gerücht. (Man sieht am Finale der IX., dass er sehr wohl
wusste, was möglich ist, wenn es auch extrem schwer ist.) Er muss es
wohl so beabsichtigt haben. (Wenn er es nicht beabsichtigt hat, hat
ihn sein Drang nach künstlerischer Wahrheit vielleicht unbewusst dahin
getrieben, was aufs selbe hinausläuft.)

Wie gesagt: Man kann das diskutieren. Ich halte es nicht für
unmöglich, dass man die Passage auch anders verstehen kann - obwohl
ich es mir kaum vorstellen kann. Wogegen ich polemisiere, ist diese
absolute Sicherheit, dass die Musik hier irgend etwas ausdrücken MUSS,
wenn es doch zumindest zweifelhaft ist, ob sie das überhaupt
ausdrücken KANN.

Marianne Bialojahn

unread,
Jun 17, 2007, 4:35:28 PM6/17/07
to
Werner Hintze schrieb:

> On Sun, 17 Jun 2007 21:48:22 +0200, Marianne Bialojahn
> <mb.sp...@justmail.de> wrote:
>
>> Du hast geschrieben, dass Beethoven nichts komponiert hätte, was Jubel
>> oder Freude ausgedrückt hat. Daher meine Frage :-)
>
> Nein, das habe ich nicht geschrieben. Wer lesen kann, ist klar im
> Vorteil.
>
> Werner Hintze


Solche Teenager-Sprüche machen das Leben doch erst schön. Danke!

Marianne.

Peter Brixius

unread,
Jun 17, 2007, 6:07:45 PM6/17/07
to
On Sun, 17 Jun 2007 22:23:41 +0200, Werner Hintze
<use...@floridante.de> wrote:

>On Sun, 17 Jun 2007 22:03:07 +0200, Peter Brixius
><peter....@onlinehome.de> wrote:
>
>>eine interessante Idee, auch wenn mir da meine Erfahrung mit dieser
>>Stelle nicht folgen kann:
>
>Man kann das sicherlich diskutieren, obwohl ich finde, dass die Sache
>ziemlich klar wird, wenn man die Passage mit den exaltierten
>Freudenausbrüchen im Finale der IX. Sinfonie oder auch im Finale
>dieser Oper oder in der Schlussfuge des Credo der Missa Solemnis oder
>auch im Finale des letzten Rasumowsky-Quartetts vergleicht. (Die
>Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen.)

Wobei es sich in der IX. und im Finale um kollektive Freudenausbrüche
handelt. Das Duett hat da schon einen privateren Charakter, abgesehen
von der musikdramatischen Überzeugungskraft.

>Die Atemlosigkeit und das
>ständige Zusammenbrechen des Freudentaumels finden sich da nicht in
>dieser Weise. Abgesehen davon noch ein anderer Punkt: Das Finale der
>IX. ist schwer zu singen, aber wie der Monteverdi-Chor eindrucksvoll
>beweist, muss es nicht gebrüllt werden, auch wenn es wohl nur äußerst
>selten anders geschieht. Dieses Duett kann man aber nicht schön
>singen. Man kann es langsam nehmen, man kann es schnell nehmen, man
>kann sich kopfstellen oder unter Wasser singen, es geht nicht. Es
>klingt immer einigermaßen scheußlich. Das liegt nicht an den Sängern.

"Scheußlich" ist ein wenig überspitzt, aber zumindest gehetzt, so dass
man die Stimme nicht ins Klingen bringt, überraschend realistisch.

>Und dass Beethoven nicht wusste, was man Sängern zumuten kann, halte
>ich für ein Gerücht. (Man sieht am Finale der IX., dass er sehr wohl
>wusste, was möglich ist, wenn es auch extrem schwer ist.) Er muss es
>wohl so beabsichtigt haben. (Wenn er es nicht beabsichtigt hat, hat
>ihn sein Drang nach künstlerischer Wahrheit vielleicht unbewusst dahin
>getrieben, was aufs selbe hinausläuft.)

Da bin ich mit Dir einer Meinung, er wird es beabsichtigt haben.
Deshalb u.a. ist die Einfügung der Leonoren-Ouvertüre an dieser Stelle
mE eine musikdramatische Unmöglichkeit. Erst auf dem Hintergrund
dieser Szene, aber dann auch notwendig sofort folgend, kann sich das
Finale entwickeln. Die Leonoren-Ouvertüre setzt alles wieder auf Null
und nimmt die unerträgliche Spannung weg.


>
>Wie gesagt: Man kann das diskutieren. Ich halte es nicht für
>unmöglich, dass man die Passage auch anders verstehen kann - obwohl
>ich es mir kaum vorstellen kann. Wogegen ich polemisiere, ist diese
>absolute Sicherheit, dass die Musik hier irgend etwas ausdrücken MUSS,
>wenn es doch zumindest zweifelhaft ist, ob sie das überhaupt
>ausdrücken KANN.
>

Und da sind wir einer Meinung :-)

0 new messages