Basar Alabay <
ala...@gmx.net> wrote:
> Darf ich mich mal fragend einklinken? Nachdem Ihr ja auf Einsteins
> Pfaden unterwegs seid und noch das Schwarze Loch zwischen MM und MC
> und der Nadel findet ... etwas ganz Banales:
Ich höre ja schon lange kein Vinyl mehr, aber vielleicht kann ich
noch den einen oder anderen sinnvollen Hinweis geben. Sonst einfach
ignorieren.
> Ich habe ein Ortofon MC-1 turbo System mit einer getippten Ersatznadel.
> Das System ist vielleicht vier Jahre alt, die Nadel kaum zwei.
> Ureigentlich sind das Pfandsysteme - man tauscht das gesamte System
> gegen ein neues aus und erhält einen Nachlaß auf den Neupreis.
Ja, ich hatte allerdings immer gleich ein neues System gekauft. Der
Preisunterschied war mir zu gering dafür, dass ich ein aufgearbeitetes
System mit unklarer Geschichte erhalte. 90% des Preises steckt in der
Nadel. Das ist bei MM auch so.
> Nur scheint mir das MC-1 turbo irgendwie nach zig Jahren aus den
> Programmen genommen zu sein.
Ja, aber schon lange, AFAIK.
> Ortofon selbst empfiehlt die Quartet Serie als Ersatz. Aber schon die Q
> Rot fängt mit einem ordentlichen Preis an. Ich hatte ein MC-1 turbo
> System, das fast 20 Jahre hielt (da lief teilweise aber auch lange Zeit
> nix aufm Teller), die danach hielt gerade mal 2. Die Tippnadel ... scheint
> mir ab und zu auch etwas klirrig geworden zu sein. Es könnte aber auch
> an schlecht gepreßten Platten liegen ... denn es ist tatsächlich nicht
> durchgehend zu hören.
Hm, das klingt für mich eher nach einer schrottigen Nadel. Ist das ein
original Ortofon-Austauschsystem oder hast Du das bei einem externen
Dienstleister gekauft oder aufarbeiten lassen?
Ich kann vor (billigen) Nachbaunadeln nur warnen (auch bei MM), außer
es sind welche von Koryphäen wie van den Hul, die sind dann aber auch
eher teurer als die Originale.
Ich weiß nicht, ob ich es mal berichtet hatte: Ich hatte als Student
in diversen Elektrogeschäften gearbeitet und dort auch Tonabnehmer
verkauft. Wir hatten Originalnadeln und Nachbaunadeln. Die Nachbauten
(ich nenne jetzt mal keine Namen, weil es die Firmen noch gibt und ich
mir keine Klagen an den Hals holen will) waren ausnahmslos Schrott.
Aber wirklich Schrott. Sah man sogar mit bloßem Auge. Da saß die Nadel
schief im Nadelträger, der vertikale Spurfehlwinkel stimmte nicht, und
ähnliches. Ist heute vielleicht nicht mehr so schlimm. Diese Nadeln
waren auch wirklich billig, im Schnitt ca. 30-50 DM. Das Problem war
nur: Die Leute kauften sie trotzdem, weil ihnen die Originale zu teuer
waren. Auch meine Hinweise, dass sie sich mit diesen Nachbauten ruck
zuck ihre Platten kaputt fräsen können, fielen nicht auf fruchtbaren
Boden. Wir hatten sogar ein Auflichtmikroskop da, wo ich Ihnen das
Ganze zeigen konnte. Wenn ich mir überlege, wieviel Zeit ich in diese
Beratungen steckte, stand das in keinem Verhältnis zu dem verkauften
Artikel, zumal sie in der Regel ja doch die Nachbaunadeln kauften.
Aber ich war halt Idealist und Plattenliebhaber. Ich wundere mich im
Nachhinein, dass mein Chef das damals alles mittrug, er drehte ja
regelmäßig seine Runden durch den Laden. Ok, das Ganze ist lange her,
kann heute alles ganz anders sein. Aber so eine Nadel kann man ja
nicht von Hand im Hinterhof feilen, dafür braucht man teure Maschinen.
Und ein Fremdhersteller muss nicht nur die Nadel schleifen, sondern
sie möglichst exakt so schleifen wie der Originalhersteller, muss also
zusätzlichen Aufwand betreiben, das Original zu vermessen, den der
Originalhersteller nicht betreiben muss, der auch noch höhere
Stückzahlen hat. Wenn dann der Fremdhersteller günstigere Preise hat,
kann mir das nur mit geringerer Qualität erklären.
Und wo ich schon am Abschweifen bin... Manche kauften sich auch ein
neues System und ich erklärte ihnen, wie sie es einbauen und ihren
Tonarm einstellen müssen. Und so gut wie alle waren damit überfordert.
Ich hatte sie dann gefragt, wie sie die Auflagekraft einstellen: "Ja,
so nach Gefühl, bis die Nadel nicht mehr springt". "Antiskating? Was
ist das?". "Spurfehlwinkel? Nie gehört", usw. Das war die Zeit, als
gerade die CD aufkam. Und obwohl ich selbst großer Vinyl-Fan war, und
die CD damals noch nicht mochte, dachte ich, für die große Masse der
Musikhörer ist die CD ein großer Fortschritt, einfach, weil sie mit
Plattenspielern völlig überfordert waren. Und es hatte mich dann auch
nicht gewundert, dass die Meisten vom Klang der CD begeistert waren.
Wer seinen Plattenspieler so krass falsch eingestellt hatte und mit so
miesen Tonabnehmern gehört hatte, hatte das Potential der Platte ja
nie wirklich ausgeschöpft oder auch nur erahnt.
Auf CD bin ich dann aber doch aus mehreren Gründen umgestiegen:
1. Es gab immer mehr Neuerscheinungen nur noch auf CD.
2. Ich hatte einen CD-Spieler gefunden, der mir vom Klang her gefiel
und auch eine gewisse Ähnlichkeit zu Vinyl hatte, das war ein NAD.
Den benutze ich inzwischen aber nicht mehr. Aktuell höre ich mit
einem externen DAC, einem Philips DAC960 mit TDA1541A, der auch
einen schönen analogen Fluss hat[1]. Moderne Sigma-Delta-DACs habe
ich natürlich auch hier, damit höre ich auch ab und zu.
3. Als alle Aufnahmen digital gemacht wurden, sah ich keinen Sinn mehr
darin, dass diese Aufnahmen erst mit einem DAC abgespielt, dann auf
eine mechanische Scheibe geschnitten und von dort wieder abgetastet
werden, anstatt vom DAC gleich in den Verstärker zu gehen. Ich weiß,
der Vergleich hinkt, weil für LPs und CDs leider nicht die gleiche
Abmischung verwendet wird. Das ursprüngliche Hi-End-Medium CD ist
inzwischen das Consumer-Medium (Stichwort Loudness-War, obwohl wir
ihn inzwischen hoffentlich hinter uns haben). Aber grundsätzlich
halte ich diesen Umweg immer noch für sehr schräg. Da investiere
ich das gesparte Geld lieber in bessere DACs.
Ich weiß, dann gibt es noch das Argument mit der Anfassqualität. Da
ist natürlich was dran. Ich hatte damals am Liebsten amerikanische
und japanische Pressungen gekauft, mit Hüllen aus dickem, geprägtem
Karton und schwerem Vinyl (speziell die japanischen). Englische
Pressungen waren auch toll. Ja, klar, das war und ist ein eigenes
sinnliches Erlebnis, dagegen können CDs nicht anstinken, und Streams
schon gar nicht. Aber hilft ja nichts, die Zeit ist vorbei. Ich
hatte in den letzten Jahren noch ein paar aktuelle LPs gekauft und
fand die alle sehr schrottig. Mieses, knisterndes Vinyl, verzerrter
Klang, nee, danke, das brauche ich nicht. Ich habe noch mein ganzes
Equipment hier und meine alten LPs - wenn ich lustig bin, baue ich
alles auf und höre eine Scheibe, ansonsten bin ich mit CD inzwischen
glücklich. Hat mich allerdings auch viel Zeit und Umwege gekostet,
eine Kombination zu finden, mit der ich mich wohlfühle.
> Jetzt die Frage: Weiterhin Ortofon und Quartet ... oder irgendwann
> doch der Wechel zu Audio Technica?
Warum nur Ortofon und AT? Gibt es inzwischen keine anderen Hersteller
mehr oder hast Du Dich auf die beiden schon festgelegt?
> Deren Nadeln und Systeme sind so günstig, daß man sich fast schon
> etwas wundert.
Die großen Hersteller hatten immer günstige Tonabnehmer im Sortiment,
z.B. Ortofon das OM(B)-5 für ca. 50 DM oder Shure das M44(?) und
später das M91(?) zu ähnlichen Preisen. Diese Systeme waren aber
nicht schlecht, gegenüber den teuren Systemen fehlte ihnen oft nur
Feinzeichnung und Auflösung an den Enden des Frequenzbereichs.
> Dann nicht MC, sondern MM,
MM würde ich Dir ohnehin empfehlen, wenn Du nicht auf MC bestehst.
Du sparst Dir den Vorvorverstärker oder Übertrager. Diese Stufe ist
klanglich kritisch und kann sehr teuer werden.
Ich hatte zuletzt zwar selbst mit MC gehört, aber es hat mich auch
viel Zeit, Nerven und Geld gekostet, eine passende Vorvorstufe zu
finden. Gelandet bin ich schließlich bei einem kleinen Übertrager
von Ortofon. Eine aktive Vorvorstufe passte klanglich nicht. Ein
noch teurerer Übertrager wäre vermutlich noch besser gewesen, aber
irgendwann ist halt auch das Geld alle oder man fragt sich, ob es
einem das Ganze wert ist. Ausprobiert hatte ich mehrere aktive
Vorverstärker und Übertrager, auch Übertrager aus Studiosystemen,
der Ortofon passte aber am Besten. Das kann bei einem anderen TA
aber schon wieder anders sein.
Ansonsten gab es von Denon High-Output MC-Systeme. Für sie braucht
man keine extra Vorstufe. Die Bezeichnung ist mir entfallen. Gibt es
aber AFAIK nicht mehr. Und damit hast Du weiterhin das Problem mit
dem Austauschsystem. MM hat eben den unschlagbaren Vorteil, dass man
nur die Nadel wechseln muss und sich die zeitraubende Tonarmjustage
sparen kann.
> aber ursprünglich war an dem Arm eh ein (dumpfes) Kenwood MM System
> dran.
Wenn Du damit ausdrücken willst, dass MM dumpfer klingt als MC, dann
muss ich Dir sagen, dass das zwar ein gängiges Vorurteil ist, aber
nicht stimmt. Der Klang hat nichts damit zu tun. Auch nicht mit dem
Hersteller.
Beispiel: Dein Ortofon MC-1 und das Ortofon SPU, über das wir hier
kürzlich gesprochen hatten. Klanglich zwei völlig gegensätzliche
Systeme. Das MC-1 klingt hell, für mein Empfinden fast schon schrill,
das SPU klingt sanft, warm und weich, für Dein Empfinden vielleicht
auch dumpf (obwohl es einen ziemlich linearen Frequenzgang hat). Und
beide sind vom gleichen Hersteller, klingen aber völlig verschieden.
Ich würde an Deiner Stelle so vorgehen:
1. Überlegen: Muss es ein MC sein? Wenn nicht, MM oder MI wählen.
Bitte nicht missverstehen, ich habe nichts gegen MC. Ich sage es
mal so: Wer weiß, dass er ein MC braucht, stellt sich die Frage
nicht, und wer sich die Frage stellt, braucht keines ;-)
2. Anhand der technischen Daten des Tonarms und des Preisrahmens eine
Liste von Tonabnehmern erstellen, die in Frage kommen.
3. Einen Händler suchen, der Dir das System vorführen kann. In Berlin
geht das z.B. bei Phonophono.
Grüße und HTH
Martin
[1] <
https://www.dutchaudioclassics.nl/philips_dac_960_d_a_converter/>