On 06.11.15 15.52, Marc Haber wrote:
>> Systeme mit so hoher Trennfrequenz sollten ziemlich dicht bei einander
>> stehen. Also eher so Soundbar-mäßig. Das ergibt bei 4.1 natürlich eher
>> wenig Sinn.
>
> Laut Spezifikation geht der Sub bis 150 Hz, die Sats fangen bei 150
> an. Das ist bei den in diesem Thread empfohlenen Teufels auch nicht
> anders; auch alle bezahlbaren Canton Movies (das sind die, die unter
> tausend Euro kosten), trennen bei 120-140 Hz.
Ich erziele selbst mit 90 Hz Trennfrequenz und eher etwas steilerem
Butterworth-2 Filter (zumindest verglichen mit LR4) keine wirklich guten
Ergebnisse. Abstand zum Sub jeweils gut 1 Meter. Es kommt immer wieder
an einigen (relevanten) Orten im Raum zu Auslöschungen bei bestimmten
Frequenzen.
>> Falls Infinity es seinerzeit tatsächlich hinbekommen hat, Sub und
>> Satellit mit einer 6dB Weiche halbwegs Phase-Matching zu erreichen
>> (absolut nicht trivial, aber nicht unmöglich) wäre das Ergebnis dann
>> besser. Wenn nicht, ist sowieso kein Blumentopf mehr zu retten.
>
> Erklär mir mal Phase Matching bitte.
Wenn Du an einer Schaukel an den Seilen ziehst und drückst um Schwung zu
geben, bewegt sich diese zeitlich verzögert zu der Anregung. Also, wenn
man nach vorne drückt, beschleunigt die Schaukel erst langsam.
Jedenfalls bei der Resonanz, also der Eigenfrequenz der Schaukel. Man
kann die Schaukel auch mit anderen Frequenzen bewegen. Das ist zwar
nicht so Effektiv, aber funktioniert auch. Bei sehr langsamen Bewegungen
folgt die Schaukel nahezu synchron. Bei sehr schnellen Bewegungen
hingegen läuft sie sogar gegenläufig. Also während man nach vorne
drückt, geht die Schaukel nach hinten und vice versa.
Mit Lautsprechermembranen ist das genauso. Bei den schnellen, hörbaren
Schwingungen sind die trotz geringem Gewichts genauso träge wie die
Schaukel. Eher noch schlimmer, weil nicht nur die Membran bewegt wird,
sondern auch die Luft vor dem Treiber und im Gehäuse. Das führt dazu,
dass trotz paralleler Anregung zwei unterschiedliche Lautsprecher nicht
mehr synchron schwingen. Und da das ganze bei jedem von beiden auch noch
stark frequenzabhängig ist, mag es bei der einen Frequenz klappen, bei
der anderen jedoch schwingen sie dann in Gegenphase. Die Frequenzweiche
kippt da ihrerseits nochmal eine Schippe drauf, da sie selbst auch
nichts anderes ist, als "elektrische" Gewichte und Federn.
Die absolute Phasenlage - so nennt man diesen Zeitversatz - ist
unhörbar. Wenn allerdings zwei Lautsprecher in unterschiedlicher Phase
arbeiten, werden nicht einfach Luftdruckänderunen erzeugt, sondern die
Luft von links nach rechts geschafft und zurück. Das hört sich bei
höheren Frequenzen, deren Wellen noch einigermaßen in den Raum passen,
einfach nur scheiße an. Das räumliche Auflösungsvermögen unseres Ohrs
wird bei dieser unnatürlichen Schallquelle ausgehebelt und es scheint
als würde der Ton undefiniert aus allen Richtungen kommen. (Wer es
ausprobieren will, kann einfach mal einen Lautsprecher bei der
Stereoanlage umpolen.)
Bei tiefen Frequenzen, deren Wellen nicht zwischen die Lautsprecher
passen, passiert etwas anderes. Der eine Lautsprecher absorbiert bzw.
kompensiert einfach den Schall, den der andere erzeugt hat, und man hört
kaum noch etwas. Da es ja stark frequenzabhängig ist, fehlen dann
einzelne Frequenzen im Spektrum bzw. sind stark gedämpft. Andere
hingegen werden leicht verstärkt, weil die Lautsprecher korrekt zusammen
arbeiten (in Phase). Wer es ausprobieren will, kann ja mal einen
fallenden Sinuston mit Audacity (kostenlos) erzeugen und abspielen
(Tongenerator 2, Start 5000Hz, Ende 30Hz, Amplitude 0,8-0,8,
logarithmisch und Feuer frei). Idealerweise sollte die Lautstärke
ungefähr gleich bleiben. - Nur die wenigsten 2.1 Setups durften diesen
trivialen Test mit gut überstehen. Bessere 2.0 Systeme (ganz normales
Stereo) hingegen haben durchaus eine Chance, wenn man mal davon absieht,
dass ihnen beim Bass bauartbedingt irgendwann die Puste aus geht.
Dieses Phasen-Chaos muss man dazu bringen, im Übergangsbereich der
Lautsprecher nicht aufzutreten. Also die Membranen von Sub und
Satelliten müssen bei den Frequenzen, die von beiden wiedergegeben
werden, gemeinsam nach vorne und hinten schwingen. Der Übergangsbereich
ist bei gängigen Frequenzweichen, wie Butterworth 2. Ordnung (12
dB/Oktave) oder Linkwitz-Riley 4. Ordnung (24 dB/Oktave) knapp eine
Oktave rund um die Trennfrequenz. Bei einfachen/billigen 6 dB/Oktave
Weichen eher das Doppelte.
Hinzu kommt, bei der Abstimmung zum Sub, dass auch noch der Abstand zum
Zuhörer nicht genau gleich ist. Der Schall macht im Raum rund 340 m/s.
Heißt ein Meter Gangunterschied - so nennt man das - macht rund 3
Millisekunden Zeitversatz. Das entspricht bei 170 Hz dem Abstand
zwischen einem Wellenberg und einem Tal. Kurzum, der eben noch in Phase
schwingende Sub schafft jetzt gegenphasig und löscht den Schall der
Satelliten aus - blöde Sache, wenn man 150 Hz Übergangsfrequenz hat.
Nun mag man argumentieren, dass ein Meter Unterschied viel ist. Wenn man
aber berücksichtigt, dass man einen Sub nicht in Ecken oder an die Wand
stellen soll, wegen der Raumresonanzen, und dass Satelliten tendenziell
eher in Wandnähe verweilen und zudem noch die Satelliten eher eine
(längere) Diagonale zur Hörposition bilden, während der Sub vielleicht
in der Mitte steht, dann ist das gar nicht mehr viel.
Jetzt ist auch klar, warum es sich im Raum stark unterschiedlich anhört.
Der Gangunterschied ist einfach stark unterschiedlich. Je niedriger die
Frequenzen sind und je näher die Lautsprecher beisammen stehen, desto
geringer der Effekt.
Natürlich kann man durch kleine "Hilfsgewichte und -federn" in der
Weiche geschickt versuchen, die eine oder andere Kapriole der
Lautsprecher oder gar der Aufstellung zu kompensieren. Aber das ist
komplex, teuer und von begrenzter Wirkung.
Zu allem Überfluss gibt es nämlich noch einen weiteren, deutlich
hörbaren Effekt: die Gruppenlaufzeit. Kann man zwar die Phasenlage
/einer/ Frequenz nicht hören, so ist unser Ohr aber durchaus empfindlich
auf die Phasenlage /benachbarter/ Frequenzen. Das nennt man Gruppenlaufzeit.
Je mehr Resonantoren im Spiel sind, desto größer ist i.A. die
Gruppenlaufzeit. Also Membrangewicht, Luft im Gehäuse, Bassreflexrohr,
Frequenzweiche, Kompensationselemente in der Weiche, ja auch
Raumresonanzen, all das macht stark frequenzabhängige Gruppenlaufzeiten.
Den Effekt kennt man von manchen Bassreflex-Boxen. Wenn man in der Musik
sehr breitbandige Signale hat, z.B. den gleichzeitigen Anschlag von
Becken und Basstrommel, hört es sich an, als könnte der Trommler nicht
spielen und wäre etwas zu spät dran. Oder aber dem Bass-Anschlag folgt
noch ein Nachdröhnen, das bekannte WoOOom. Das sind Artefakte durch
inhomogene Gruppenlaufzeit.
> Ja, aber der Normalfall ist ja "Aktiver Sub, passive Front und
> Rear-Boxen", was wieder einen Verstärker mit Endstufe bedingt. Warum
> ist nicht das ganze Verstärkergeraffel (also auch der Verstärker für
> Front, Center und Rear) schon vor zehn Jahren in den Subwoofer
> gewandert?
Keine Ahnung. Ein aufeinander abgestimmtes System von Verstärker und
Boxen hat auch diverse andere Vorteile. Nicht dass man Verstärker
abstimmen müsste; die sind dicke gut genug, aber man kann sie ohne viel
Aufwand gezielt so verfälschen, dass sie die eine oder andere
Verfälschung der Lautsprecher gerade kompensieren. Diese Option hat man
nicht, wenn die Komponenten nicht eine Einheit bieten.
Der Fairness halber sein angemerkt, dass neuere AV-Verstärker ihre
DSP-Rechenleistung auch dafür anbieten, um sich mit einem mitgelieferten
Messmikrophon auf die angeschlossenen Boxen im angeschlossenen Raum
einzustellen. Wenn das gut umgesetzt ist, kann man damit durchaus
beeindruckende Ergebnisse erzielen, die denen von fertige abgestimmten
Systemen aus einer Hand in nichts nachstehen. Im Gegenteil; hat doch
letztere Lösung den Nachteil, dass sie den Raum und die Aufstellung der
Lautsprecher nicht berücksichtigen kann.
Allerdings ist das leider bei weitem nicht immer so gut umgesetzt. Und
auch ein Soundprozessor macht natürlich nicht aus Schrottlautsprechern
Gold. Im besonderen die Intermodulationen der oft viel zu kleinen
Lautsprecher kann er nicht kompensieren, die schon bei moderaten
Lautstärken ihre Schwingspulen teilweise aus dem Wirkungsbereich des
Magneten heben. Mit Membranfläche ist es halt wie mit Hubraum...
Zudem muss man zum Kompensieren von Gruppenlaufzeiten, z.B. durch
dröhnende Räume, das Nutzsignal der nahen Zukunft kennen. Auf gut
deutsch es kommt zu einer hörbaren Verzögerung des Tons (Latenz), um
diese, zukünftigen Werte vorzuhalten. Ganz blöde Sache, wenn man gerade
versucht live ein Instrument zu spielen; und zumindest mal nervig bei
der Wiedergabe von Musik-Konserven, wenn die Bedienelemente immer
irgendwie verzögert oder träge reagieren.
Letzteres kann man allerdings auch wieder kompensieren, indem man das
Kompensationsfilter und den Player zu einer Einheit macht. Die meisten
modernen Wiedergabegeräte können das Nutzsignal mit wesentlich mehr als
Echtzeit lesen oder dekodieren. Das kann man gezielt nutzen, um sich
etwas Kenntnis von der musikalischen Zukunft in einem Bruchteil der Zeit
zu verschaffen. Dadurch kann man die Latenzen der Kompensationsfilter
von wenigen Sekunden auf einige Millisekunden drücken, was i.a. bei der
Bedienung nicht weiter auffällt. Geht natürlich nur bei Musik, die nicht
gerade erst live im selben Raum entsteht.
>> Allerdings wiegt der Kupferpreis so einiges wieder auf. 4 halbwegs lange
>> Kabel für die Satelliten können durchaus ähnlich viel kosten wie der
>> Mehrpreis der dezentralen Verstärker. Und aktiv braucht man da
>> wesentlich dünnere Kabel.
>
> Das würde sich aber nur ausspielen, wenn auch die Satelliten aktiv
> wären, und dann braucht man auch hinten wieder Strom.
Nichts ist umsonst. :-)
Aber das Netzteil kann durchaus im Sub sitzen. Warum sollte die
Verbindung zu den Sats nicht auch den Strom transportieren? Nun mag man
argumentieren, dass man bei den niedrigeren Spannungen ja wieder dickere
Kabel für den Strom braucht. In der Praxis ist es aus
Sicherheitsaspekten eher anders herum. Stromkabel müssen halt den Strom
vom Sicherungsautomaten aushalten und nicht nur den Verbraucher.
Deswegen ist das Netzkabel vom Notebooknetzteil auch dicker als das, was
raus kommt, obwohl es theoretisch anders herum sein sollte.
> Ja, und die goldenen Ohren hab ich eh nicht.
Das verschiebt die Auswahl hin zu anderen Prioritäten wie Aussehen.
Mit preiswerten Lösungen ist man trotzdem gut bedient. ;-)
Und preiswert ist 2.1 nur manchmal. In den meisten Disziplinen ist es
2.0 in derselben Preisklasse unterlegen. Nur beim Bass-Dröhnen sind
billige 2.1 Systeme den 2.0-ern durchweg überlegen.
Marcel