Erika Ciesla schrieb:
> Denn ich wüßte nicht was die Politik besser macht, nur weil der/die
> Amtsinhaber/in seine/ihre Gonaden draußen baumeln läßt, anstatt sie gut
> geschützt im Körper zu tragen – denn die Politik machen wir mit dem
> Hirn, und unsere Hirne sind, mit Verlaub, sehr sehr sehr ähnlich, nahezu
> identisch.
Gehirn bzw Bewusstseinslage ist das Stichwort.
Wenn man sich anschaut, was Hormone mit Gehirnen anstellen können bzw.
wie sie sich auf Bewusstseinslagen auswirken können...
Die Frage ist, welchen Betriebsmodus das Gehirn bevorzugt.
Ich denke an Daniel Kahneman: Schnelles Denken, langsames Denken.
<
https://de.wikipedia.org/wiki/Schnelles_Denken,_langsames_Denken>
In diesem Buch fasst der israelisch US-amerikanische Psychologe
Daniel Kahneman seine oft gemeinsam mit Amos Tversky durchgeführten
Forschungen aus mehreren Jahrzehnten zusammen, denenzufolge das
menschliche Gehirn zwischen zwei Betriebsmodi hin und her schalten
kann:
Modus 1: Schnell, automatisch, immer aktiv, emotional, stereotypisierend,
unbewusst
Modus 2: Langsam, anstrengend, selten aktiv, logisch, berechnend, bewusst
Das Buch schildert
- kognitive Verzerrungen im Denken im Modus 1. (Im Modus 1 sind Menschen zB
nicht unbedingt auf Gerechtigkeit und Ethik fokussiert, sondern ihr
Verhalten läuft nach Schemata ab, bei denen das Überleben in Gruppendynamiken/
im "Rudel" eine Rolle spielt.)
- das Phänomen der "Bahnung" (engl. Priming) von Ansichten durch Reizworte.
- , wie "kognitive Leichtigkeit" unrealistische Denkweisen fördert.
- , wie das Gehirn zu voreiligen Schlussfolgerungen aufgrund unvollständiger
oder falscher Informationen kommt.
- , wie schwer es für das Gehirn ist, statistisch aufgrund von Mengen zu denken.
- , wie Menschen schwierig zu beantwortende Fragen durch leichtere ersetzen.
Meiner Ansicht nach liefert dieses Buch wissenschaftliche Erklärungen für
ein Phänomen, das Dietrich Bonhoeffer in seinem Aufsatz "Von der Dummheit",
<
https://de.wikisource.org/wiki/Von_der_Dummheit>, beschreibt, und das
darin besteht, dass Menschen auch über längere Zeit hinweg in Seinszustände
verfallen können, in denen sie Argumenten nicht zugänglich sind und sich
Tatsachen verweigern und gefährlich werden wenn man versucht, sie durch
Argumente von ihrem Pfad der Dummheit wegzuführen.
Über diese Form der Dummheit schreibt er:
"Soviel ist sicher, daß sie nicht wesentlich ein intellektueller, sondern
ein menschlicher Defekt ist. Es gibt intellektuell außerordentlich bewegliche
Menschen, die dumm sind, und intellektuell sehr Schwerfällige, die alles
andere als dumm sind."
Zu der Frage, wie der Wechsel in welchen Betriebsmodus motiviert/getriggert
wird, gibt es interessante Thesen. Zum Beispiel die These, dass es auch etwas
damit zu tun hat, was für ein Selbstbewusstsein und welchen Status man in
der Gesellschaft hat. Ob man sich Einzelgängertum leisten kann oder auf das
Wohlwollen der Mehrheit angewiesen zu sein meint. Es gibt die These, dass
Menschen, die sich nicht gegen andere behaupten können, in ihrem Denken der
Frage, ob die anderen dem, was sie denken und tun, zustimmen und damit
einverstanden sein werden, mehr Priorität einräumen als der Frage, ob das,
was sie vertreten, die Wahrheit und das, was sie tun, moralisch richtig ist.
Getreu dem Spruch "624000 Wiederholungen ergeben eine Wahrheit" aus
Aldous Huxleys "Beave New World" übernehmen solche Menschen Positionen und
Meinungen wenn sie nur oft genug damit konfrontiert werden, und zwar, weil
ihr Gehirn diesen Umstand dahingehend interpretiert, dass die Mehrheit das
oft Wiederholte glaube und es dem eigenen Überleben dienlich sei, sich dem
anzuschließen und sich nicht gegen die Mehrheit zu stellen.
In welchem Betriebsmodus ein menschliches Gehirn zu schalten tendiert, ist
meiner Meinung nach nicht direkt durch die Gonosomen oder Gonaden
determiniert, aber sehr stark durch den gesellschaftlichen Status. Und
der wiederum ist auch an Geschlechterrollen geknüpft.
Mit freundlichem Gruß
Ulrich