Am 24.11.2020 um 11:16 schrieb Marc Haber:
> "Michael S." <
mich...@bigfoot.de> wrote:
>> Ganz witzig fand ich den Podcast über die E-Fliegerei. Als E-Techniker
>> fand ich das sehr amüsant, wie ihr über die Funktionsweise der
>> Rekuperation mit einer E-Maschine spekuliert habt. Eigentlich wollte ich
>> da mal noch nen Kommentar hinterlassen, um noch ein paar Fakten
>> hinzuzufügen. Wenn ich mal Lust und Zeit habe ...
>
> Wer bei drei nicht kommentiert hat, wird für eine Podcastfolge
> vorgeladen.
>
> Eins, zwei, ...
>
[x] done
Text in Word geschrieben, per Copy Paste eingefügt, abgeschickt und weg
waren alle Zeilenumbrüche. Mal gespannt, was Steffen draus macht.
Hier mein Text für die Gruppenleser:
______________________________________________________________________
Ich hatte ja bereits auf de.rec.luftfahrt angekündigt, noch was zu
E-Motoren zu schreiben. Ich versuch es mal, auch wenn es in Summe
komplex ist und ich mir nicht sicher bin, das hier mit ein paar Sätzen
verständlich erklären zu können.
Steffen, Du hast im Podcast von Gleich- und Wechselstrommotoren geredet.
Tatsächlich ist jeder Motor erstmal ein Wechselstrommotor. Der Strom
wechselt dann je nach Bauart einmal bis viele Male pro Umdrehung hin und
her. Dreht der Motor langsam, hat der Wechselstrom eine niedrige
Frequenz, dreht der Motor schnell, hat der Wechselstrom eine hohe Frequenz.
Ein Gleichstrommotor generiert sich den benötigten Wechselstrom selbst
über den Kommutator. Außen wird zwar Gleichspannung angeschlossen, innen
im Rotor fließt aber Wechselstrom.
Jeder Elektromotor kann auch gleichzeitig als Generator dienen. Die
prinzipielle Bauweise von Generator und Motor unterscheidet sich nicht,
Detailoptimierungen in die eine oder andere Richtung sind jedoch möglich.
Wenn man den Gleichstrommotor als Generator betreibt, erzeugt der intern
erstmal ne Wechselspannung, der Kommutator macht dann die von außen
messbare Gleichspannung draus.
Zum Kommutator findet man massig Infos im Netz und auch in Wikipedia,
falls das nicht klar ist.
Größere Motoren und Generatoren verfügen häufig über keine Kommutatoren.
Dort erzeugt man die Wechselspannung über Leistungselektronik.
(Deutsch: Frequenzumrichter, Englisch: Inverter). Wirklich gut,
bezahlbar und in großen Stückzahlen gibt’s das in der heutigen Form erst
seit ungefähr den 90er Jahren des letzten Jahrtausends. Vorher ging das
zwar auch schon, war aber schwierig, teuer, unflexibel und hatte andere
Probleme.
Auch bei der Ansteuerung über einen Frequenzumrichter kann jeder Motor
auch als Generator dienen. Tatsächlich ist es aufwändiger, den
generatorischen Betrieb sicher zu verhindern, als ihn einfach
zuzulassen. Ich spreche da aus Erfahrung aus einem Projekt als
Jungingenieur, dass mir vor 14 Jahren viel Kopfschmerzen bereitete, aber
dann zu einem großen Erkenntnisgewinn führte.
Die weiteren Ausführungen gelten für eine DC-Maschine, dort ist es am
einfachsten verständlich. Bei der Synchronmaschine ist es aber im
Prinzip gleich. Bei anderen Motoren (z.B. Asynchronmotor) sind die
Zusammenhänge etwas anders aber im Resultat vergleichbar.
Der Synchronmotor hat zwei fundamentale Eigenschaften:
1. Der Strom im Motor ist proportional zum Drehmoment
Doppelter Strom -> doppelte Kraft
Das gilt auch für den Generatorfall
2. Die elektrische Spannung an den Motorklemmen ist proportional zur
Drehzahl
Doppelte Spannung -> Doppelte Drehzahl
Das gilt auch für den Generatorfall
Nehmen wir nun an, wir haben einen Motor, welcher bei 100V mit 1000rpm
dreht.
Wir sitzen im Flugzeug, der Propeller dreht sich im Wind frei mit
1000rpm. Die Motorklemmen sind offen (nicht angeschlossen).
Wir messen an den Motorklemmen 100V (Generator).
Nun schließen wir an den Motorklemmen eine 90V-Batterie an. Zu 90V
gehören 900rpm. Der Propeller wird gebremst, Strom fließt in die Batterie
Schließen wir eine 110V-Batterie an, dann treiben wir den Propeller mit
1100rpm an und erzeugen Schub. Strom fließt aus der Batterie. Gehen wir
hoch auf 200V, dreht auch der Motor mit 2000rpm, benötigt aber schon
sehr viel Strom, um das benötigte Propellerdrehmoment aufzubringen
Legen wir 50V an, dreht sich der Propeller mit 500rpm und erzeugt
ordentlich Strom und Bremsmoment. Bei weniger Spannung geht die Drehzahl
immer weiter runter, bis am Prop die Strömung abreißt, das Drehmoment
zusammenbricht und nichts mehr in der Batterie ankommt.
Tatsächlich können wir die Batteriespannung ja nicht beliebig ändern.
Wir können aber statt einem DC-Motor einen Synchronmotor einbauen und
den Kommutator durch einen Frequenzumrichter ersetzen. Dann können wir
beliebige Wechselspannungen erzeugen und durch die Ausgangsspannung frei
einstellen, ob wir einen Motor oder einen Generator haben wollen.
Rekuperation ist dann möglich, wenn der der Motor auf eine niedrigere
Drehzahl gezwungen wird, wie der Propeller eigentlich gerne im Luftstrom
drehen möchte. Das maximale Brems-Drehmoment bekommen wir kurz vor dem
Strömungsabriss am Propellerblatt raus.
Rückwärts drehen ist übrigens keine Option, das würde zwar vermutlich
noch mehr bremsen, würde aber wieder Energie verbrauchen. Rekuperation
geht so nicht.
Mich wundert nun ein bisschen, woran es bei der Rekuperation
zulassungstechnisch hängt. Aerodynamisch ist ein durch eine E-Maschine
gebremster Propeller ja nichts anderes wie ein Propeller an einem
Verbrenner auf Leerlauf oder bei Motorausfall. Der dreht ja häufig auch
noch mit und bremst dabei ordentlich. Fliegerisch ist das leicht zu
beherrschen. Softwaretechnisch macht es keinen Zusatzaufwand.
Vielleicht ist aber tatsächlich die Batterie das Problem, denn bereits
volle Batterien sollen nicht überladen werden und kalte Batterien mögen
nicht zu schnell geladen werden. Beides resultiert in Brandgefahr. Bei
einer auf -10°C abgekühlten Batterie ist Rekuperation dann einfach nicht
mehr zulässig und muss sicher unterbunden werden.
Zu den Generatoren am A380: Der Generator selbst kann ganz sicher auch
ein Motor sein. Ob er als Motor genutzt werden soll und kann entscheiden
die Ingenieure bei der Auslegung der Leistungselektronik. Offensichtlich
war man der Meinung, dass ein Motorbetrieb beim A380 keinen Sinn macht.