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Frage

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Josef Mühlbacher

unread,
Aug 18, 2011, 12:49:11 PM8/18/11
to
Ist Realität Kunst?

Ich bilde Realistisches ab, sagen wir mal gemalt.
Ich forme nichts hinzu, quasi Ebenbild.
Ist es Kunst wenn ich bloss wiedergebe?


Arnulf Sopp

unread,
Aug 18, 2011, 6:33:03 PM8/18/11
to
Am Thu, 18 Aug 2011 18:49:11 +0200 schrieb Josef M�hlbacher:

> Ist Realit�t Kunst?

Nein. Da allerdings Kunst ein (kleiner) Teil der Realit�t ist, muss ich
meine Antwort in dieser Nuance relativieren.

> Ich bilde Realistisches ab, sagen wir mal gemalt.

Nur zur Sprachhygiene: Du bildest vermutlich Reales ab. Vielleicht tust Du
es auf realistische Weise (s. evtl. Wikipedia).

> Ich forme nichts hinzu, quasi Ebenbild.
> Ist es Kunst wenn ich bloss wiedergebe?

Wenn Du es gut machst, warum nicht?

Der moderne Kunstbegriff verlangt zwar immer eine Aussage, sonst wird die
Bildnerei als Dekoration verunglimpft. Aber dieselben Museen, die f�r
teuer Geld Elaborate eines Schwerverbrechers wie Jonathan Meese kaufen,
sind gleichzeitig stolz auf ihre alten Stilleben, die auch eher selten
eine Moral von der Geschicht' haben.

--
Tsch�s!

Arnulf

Arnulf Sopp

unread,
Aug 21, 2011, 8:37:58 PM8/21/11
to
Am Thu, 18 Aug 2011 18:49:11 +0200 schrieb Josef Mühlbacher:

> Ich bilde Realistisches ab, sagen wir mal gemalt.

Stell' es doch mal vor! Diese NG ist zwar für Binaries nicht vorgesehen,
aber es gibt die Möglichkeit, auf Websites hinzuweisen, die das dürfen,
und wo wir dann Deine Arbeiten finden. Solltest Du keine kennen, nimm halt
meine (Näheres dann per E-Mail).

--
Tschüs!

Arnulf

Carsten Vogel

unread,
Oct 8, 2011, 8:04:29 AM10/8/11
to
Am 18.08.2011 18:49, schrieb Josef Mhlbacher:
> Ist Realität Kunst?

Wo kämen wir denn dahin, wenn Kunst Realität wär?

> Ich bilde Realistisches ab, sagen wir mal gemalt.

Dann, so vermute ich, versuchst Du durch deine malerische Gestaltung
eine möglichst naturalistische Wirkung zu erreichen.
Doch während Du sagen wir mal um einen Sessel herumgehen kannst, als
Betrachter beispielsweise Deinen Standpunkt, Deine Empfindung (Tasten),
die Perspektive verändern kannst, fixierst Du mit Deinem Bild das
Vorgenannte.
Ist ein Sessel naturalistischer von links oder von rechts gemalt? Ist
die Illusion von Stofflichkeit wirksamer mit Tempera oder Öl?
Jedes Bild beinhaltet ein komplexes Entscheidungsgefüge, den
gestalterischen Spielraum, beispielsweise die Auswahl des Grundes, die
Wahl der Pigmente, die Wahl der Farbe, Form. Es gibt kein "wirklich" in
ultimo, sondern nur ein möglichst nah an Deiner Empfindung. Du bist das
Maß, Du entscheidest ob das, was Du dargestellt hast, Deiner Wahrnehmung
entspricht und hoffst, dass andere es ebenso wahrnehmen (bsp. die
malerische Fortführung eines Parkplatzes an einer Hauswand und ein
Autofahrer das deswegen in einen Unfall verwickelt wird, wäre ein Indiz
für die Überzeugungsarbeit).
Das alles hat mit "Realität" nichts mehr zu tun. Es gibt kein Bild ohne
gestalterische Qualität.

Im Gegenteil: ich bin der Meinung, dass ein sinnvolles Maß für die
Bewertung von Kunst gerade dieser gedankliche Prozess der Inzenierung
ist, wenn nicht das Maß schlechthin. Die motorische Kompetenz ist dabei
untergeordnet und trainier wie Fahrradfahren.

> Ich forme nichts hinzu, quasi Ebenbild.

Nach obigen Ausführungen reduziert sich das "Maß für künstlerische
Qualität" natürlich auf das gezielte wiedergeben einer gesehenen Kontur,
das gezielte Mischen von Farben nach einer Vorlage, das Vermessen des
Bildträgers und das Übertragen von Referenzpunkten. Dennoch wählst Du:
Ausschnitt, Standpunkt, Perspektive, Beleuchtung, Malgrund, Bildträger,
Pigmente, Farbauftrag und vieles mehr. Wenn Du natürlich ein Foto
abmalst, so hat der Fotograph viele dieser Entscheidungen schon getroffen.

> Ist es Kunst wenn ich bloss wiedergebe?

Das Du ist die Kunst; das wieder-geben. Das Suchen eines Motivs, das
Wählen, das Durch-Dich-und-Deine-Entscheidungen-Wiedergeben. Die
Wiedergabe, ja.

Man kann Dich dafür bewundern, wie jemand der den Pferdekopf von einer
Wendy so naturalistisch Darstellen kann, dass man ihn wiedererkennt und
bei optischem Vergleich Ähnlichkeiten/Identitäten feststellt (bsp.
gleiche Längen, Winkel, Flächen, Helligkeitsstufen, Farben, Kontraste,
....) – motorisch halt, Reproduktion.

Die künstlerische Qualität beginnt da, wo Du Dir überlegst, welche
Bedeutung und Qualität das Motiv für Dich hat und Du beginnst, Dir
Gedanken über die Veränderung in Dir und die möglichen Veränderungen in
Deinem Bild zu machen.

Ob ein Betrachter das dann als "schön", "gelungen", "überzeugend",
"nachvollziehbar", "angenehm", "unterhaltsam" empfindet ist eine völlig
andere Frage oder andere Fragen.

Gute Kunst muss nicht gefallen, doch offenbart sie dem Betrachter die
Sichtweisen, Werte und Gefühle des Malers, lädt ein die Welt mit seinen
Augen zu sehen. Das ist, so meine Meinung, dass, was Meisterwerke ausmacht.

Deren Kosten, Aufwand in Zeit und Material, Format, Wert auf dem
Kunstmarkt spielen dabei keine Rolle und sind nur Marginalitäten.

Grüße,
Carsten

Carsten Vogel

unread,
Oct 8, 2011, 8:15:24 AM10/8/11
to

Josef M�hlbacher

unread,
Oct 9, 2011, 3:23:14 PM10/9/11
to
Die Frage war ja nicht, ob Realit�t Kunst ist, viele eher, ob die
"naturgetreue" Abbildung, quasi Wiedergabe, als Kunst zu legitimieren ist.
Na selbstredend suche ich das Darzustellende aus, ebenso Licht, Schatten,
Ausschnitt, Medium.

Andy Warhol hat mir einmal einen Fahrschein signiert und ihn zum Kunstwerk
erkl�rt, was zwar ein Erlebnis war, aber das w�re dann doch ein bisserl
zuviel Realismus.

Ab welchem Schritt ist es Kunst?

Der Begriff "Kunst" beginnt irgendwo. Wo?
Handwerkliche F�higkeiten sind sicher nicht das Ausschlaggebende, die blosse
Wahl des Objekts kann es ja wohl auch nicht sein.

Die "Bilder als Anregung" sind relativ eindeutig, da hat jemand etwas
"verarbeitet".
Carl Moll, Tina Blau, excellente K�nstler, der Sonnenuntergang von XY na
doch eher nicht, Bild halt.

salut
Josef


Arnulf Sopp

unread,
Oct 9, 2011, 7:02:59 PM10/9/11
to
Am Sun, 9 Oct 2011 21:23:14 +0200 schrieb Josef M�hlbacher:

> Die Frage war ja nicht, ob Realit�t Kunst ist, viele eher, ob die
> "naturgetreue" Abbildung, quasi Wiedergabe, als Kunst zu legitimieren
> ist.

Das war sie jahrhundertelang, auch wenn es nie wirklich der Fall war. Sogar
die f�r ihren Naturalismus ber�hmte Renaissance (die aber das Licht noch
nicht so recht im Griff hatte) kam statt dessen daher mit aufgesetzter
W�rde, Symmetrie, Abwesenheit von Hektik, Lebensferne, eben mit
idealisierter Kalokagathia.

Das hei�t aber nicht, dass Kunst nicht mimetisch sein *darf*, nicht ganz
einfach abbilden *darf*. Am einleuchtendsten ist das vielleicht bei der
Pressefotografie, die nichts anderes tut - wenn sie gut ist. Auch ein
Blumenstillleben oder K�chenst�ck, wie �berfl�ssig es im Einzelfall auch
sein mag, kann Kunst sein, wenn es naturalistisch ist.

Ich stelle die Gegenfrage: Sind Jonathan Meese & Co. K�nstler, *weil* sie
nicht abbilden, sondern ihr dummes Geschw�tz ("Diktatur der Kunst", "Heil
Hitler!") in handwerklich miserable M�llhaufen umsetzen?

--
Tsch�s!

Arnulf

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