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Loveparade - Denkmal

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Ralf Zschemisch (r23)

unread,
Dec 22, 2010, 6:16:28 PM12/22/10
to
Hallo,

ich habe nur einen sehr kurzen Bericht gesehen... finde aber
die Einstellung des Künstlers für gewagt.

Hier der Bericht.

http://www.wdr.de/themen/panorama/loveparade_2010/aktuell/101222.jhtml?rubrikenstyle=loveparade_2010

Der Künstler hat eine "Party - Grafik"

vergleichbar mit dieser
http://www.fotolia.com/id/7852528

als sein Entwurf für ein "Loveparade-Denkmal" eingereicht...
und den "Wettbewerb" gewonnen.


Auffassung des Künstlers "Er habe die Rechte an der Vorlage erworben,
dürfe diese damit weiter verwenden und verändern. In der modernen Kunst
des 20. Jahrhunderts sei es vollkommen normal, dass sich Künstler
gegenseitig zitierten und von allen möglichen Quellen inspirieren ließen."

Soweit das Zitat aus der Sendung und von der WDR - Seite entnommen.

cu

ralf
--
Pop Art Shop http://www.r23.de
Skizzen Blog http://blog.r23.de

Arnulf Sopp

unread,
Dec 22, 2010, 7:48:42 PM12/22/10
to
Am Thu, 23 Dec 2010 00:16:28 +0100 schrieb Ralf Zschemisch (r23):

> "... In der modernen Kunst des 20. Jahrhunderts sei es vollkommen normal,
> dass sich Künstler gegenseitig zitierten ..."

Wenn Polke Goya oder Dalí Leonardo zitiert, ist das eine Sache. Eine ganz
andere Sache ist, wenn ein Künstler ein Zitat aus den unergründlichen
Tiefen eines Vorrats kramt, den kein Aas kennt. Wer Goya oder Leonardo
(oder von mir aus Polke oder Dalí) zitiert, wird mit Sicherheit erwischt,
legt es also geradezu darauf an und führt mit diesem offensichtlichen
Zitat mindestens eine Nuance der Bildaussage im Schilde. Wer aber einen
Nobody zitiert, hofft, nicht erwischt zu werden. Das *ist* ein Plagiat,
denn Zitate sind mit Quellen versehen (und sei es auch nur die Evidenz wie
mit Leonardo oder Goya bei Dalí oder Polke).

Zitat ist, wenn jemand nicht nur Ideen, sondern auch Bildung hat (man muss
ja die Quelle und deren Autor kennen). Plagiat ist, wenn einem nichts
einfällt.

Den Auftraggebern des Denkmals kann man aber keinen Vorwurf machen. Sie
hätten die Vorlage nicht kennen müssen, auch nicht als gebildete Leute.
Ich selbst fiel vor Jahren mal auf eine Schülerarbeit herein, die ich so
kreativ fand, dass ich mich noch immer an sie erinnere. Nun fand ich vor
ungefähr zwei Wochen zufällig die Vorlage, die dieser Schüler noch nicht
mal variiert hat. Es ist ein Erzeugnis der Jugendkultur, also eins von
Millionen. Da bin ich überfordert. Der Kerl ist längst mit Abitur über alle
Berge, so dass es keine Konsequenzen mehr hat.

--
Tschüs!

Arnulf

Ralf Zschemisch (r23)

unread,
Dec 23, 2010, 10:51:04 AM12/23/10
to
Am 23.12.2010 01:48, schrieb Arnulf Sopp:
> Am Thu, 23 Dec 2010 00:16:28 +0100 schrieb Ralf Zschemisch (r23):
>
>> "... In der modernen Kunst des 20. Jahrhunderts sei es vollkommen normal,
>> dass sich Künstler gegenseitig zitierten ..."
>
> Wenn Polke Goya oder Dalí Leonardo zitiert, ist das eine Sache.

"Höhere Wesen befahlen: rechte obere Ecke schwarz malen!".. wie wir
Polke vermissen ...

Da bist du sofort in einer anderen Liga. Ich für mich habe z.B. in
diesem Jahr Roy Lichtenstein durch die Ausstellung "Kunst als Motiv"
neu entdeckt.

http://www.museenkoeln.de/museum-ludwig/default.asp?s=2991

Dies ist - meiner Meinung nach - seine geistige Auseinandersetzung
mit dem Werk oder mit der Kunstrichting "Perfect Painting" und der
Frage, wann wird eine Linie zur Kunst?

> Wer aber einen
> Nobody zitiert, hofft, nicht erwischt zu werden. Das *ist* ein Plagiat,
> denn Zitate sind mit Quellen versehen (und sei es auch nur die Evidenz wie
> mit Leonardo oder Goya bei Dalí oder Polke).

Hier kaufte der Künstler die Rechte zur Veränderung und Nutzung. Ich
kaufe bei dieser Quelle z.b. meine Fotos für "Beispielräume" auch ein.
Auf Rückfrage, ob man diese verändern darf - bekam ich ein klares
"Selbstverständlich".

Aber zurück. Der Künstler kauft eine Grafik, die bereits von anderen
für Wandtattoos, Firemlogos usw. verwendet wird..
http://www.tineye.com/search/142cf7a4f3979b730076e02b4a91c6a2f4c69647/
(Link funktioniert nur 72 Stunden)

und möchte auf Basis dieser Datei ein Denkmal erstellen. Er zitiert
nicht! Sondern so wie er dies darstellt - *nutzt* er die Grafik - für
einen geringen Obolus.

Soweit ich diesen (dreisten?) Gedankengang verstehe - betrachtet er dies
wie ein sampling bei Techno und Hip Hop

Sampling: Eine postmoderne Kulturtechnik
http://www.jochenbonz.de/wp-content/sampling.pdf

Zumindest klingt dies bei ihm - über die Sendung - als eine
Selbstverständlichkeit.

> Zitat ist, wenn jemand nicht nur Ideen, sondern auch Bildung hat (man muss
> ja die Quelle und deren Autor kennen). Plagiat ist, wenn einem nichts
> einfällt.

An einem Ort von einem unfassbaren Drama soll ein Denkmal aufgestellt
werden. (für mich war dies ein Kreuz aus Eis an der Unglücksstelle)
http://www.fr-online.de/rhein-main/das-eiskreuz-der-loveparade/-/1472796/4519614/-/index.html

Für diesen unfassbaren Ort geht der Künstler nun her und nimmt eine
Party Grafik - die andere für ihren T-Shirt Shop oder als
Wanddeko verwenden und möchte daraus eine Stahl-Stele machen.

Sind wir da nicht bei "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen
Reproduzierbarkeit" von Walter Benjamin


Benjamin vertritt die These, dass die Kunst und ihre Rezeption
insbesondere durch die Entwicklung von Photographie und Film selbst
einem Wandel unterworfen sind. Dies geschehe zum einen durch die
Möglichkeit der massenhaften Reproduktion, zum anderen durch eine
veränderte Abbildung der Wirklichkeit und damit einer veränderten
kollektiven Wahrnehmung. Zudem verliere in diesen Prozessen das
Kunstwerk seine Aura...

http://de.wikipedia.org/wiki/Das_Kunstwerk_im_Zeitalter_seiner_technischen_Reproduzierbarkeit


> Den Auftraggebern des Denkmals kann man aber keinen Vorwurf machen. Sie
> hätten die Vorlage nicht kennen müssen, auch nicht als gebildete Leute.

Passt das, was ich bis jetzt von dem Entwurf gesehen habe an diesen Ort?
Ein klares N E I N.

"Die ausgewählte Darstellung der tanzenden Menge"
http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/Entwurf-der-Loveparade-Stele-wird-nicht-realisiert-id4088254.html

geht voll am Thema vorbei. Oder nicht?

Und gibt es wirklich keinen namhaften Künstler der sich an dieses Thema
traut? Warum kein Markus Lüpertz?


> Ich selbst fiel vor Jahren mal auf eine Schülerarbeit herein, die ich so

> kreativ fand, dass ich mich noch immer an sie erinnere. ... Es ist ein


> Erzeugnis der Jugendkultur, also eins von
> Millionen. Da bin ich überfordert.

http://www.tineye.com/

Gerrit Brodmann

unread,
Dec 23, 2010, 10:51:46 AM12/23/10
to
"Ralf Zschemisch (r23)" <in...@r23.de> wrote:

>
>ich habe nur einen sehr kurzen Bericht gesehen... finde aber
>die Einstellung des Künstlers für gewagt.

Also ich finde eher die Nummer des Ausschlusses lächerlich. Aber das
ist vielleicht die ganze Aktion. Kunstförderung ist zwar schön, aber
ich glaube bei den Familien der Opfer wären die Spenden in dem Fall
besser aufgehoben.

Entweder hat sie der Jury gefallen oder nicht.

Er hat sich von dem Bild inspirieren lassen (es ja nicht mal 1:1
kopiert) und will es in ein anderes Medium übertragen.

So what?

Andere Künstler nehmen Filmausschnitte und machen da riesige
Einzelbilder draus, eine Sache, bei der die Umsetzung weitaus weniger
schwierig ist, wie hier aine Plastik aus dem Foto zu machen.


Arnulf Sopp

unread,
Dec 23, 2010, 7:46:43 PM12/23/10
to
Am Thu, 23 Dec 2010 16:51:04 +0100 schrieb Ralf Zschemisch (r23):

> Ich für mich habe z.B. in diesem Jahr Roy Lichtenstein durch die
> Ausstellung "Kunst als Motiv" neu entdeckt.

Das Eintrittsgeld und den Preis für den Katalog fand ich etwas happig, aber
beides habe ich mir ebenfalls gegönnt - und nicht bereut, denn allein der
Sprit dorthin ließ solche Überlegungen läppisch erscheinen.

Lichtenstein plagiiert nicht, er zitiert, denn seine Bildvorwürfe sind
allgemein bekannt (wenn auch z.T. nur in der Insider-Szene). Er holt die
teilweise "hehre" Kunst herunter auf das formale Niveau des Comics, so
dass jedermann sie genießen, wenn auch nicht immer verstehen kann. Damit
erfüllt er das ursprüngliche Anliegen der Pop Art.

> Dies ist - meiner Meinung nach - seine geistige Auseinandersetzung mit
> dem Werk oder mit der Kunstrichting "Perfect Painting" und der Frage,
> wann wird eine Linie zur Kunst?

Das sehe ich sehr viel trivialer. Er folgt einfach seiner Masche. Das
klingt jetzt abwertend, tatsächlich aber finde ich seine Masche wunderbar.

> Hier kaufte der Künstler die Rechte zur Veränderung und Nutzung.

Vielleicht bin ich hoffnungslos altmodisch, aber wo bleibt da die
Kreativität? Na gut, bei der Veränderung. Er hat es geschafft, das
Party-Bild eher wie "Guernica" aussehen zu lassen. Aber muss man sich dazu
unbekannten vorhandenen Materials bedienen? Er hätte ein eigenes Motiv
komponieren können. (Gleich mehr dazu)

> wie er dies darstellt - *nutzt* er die Grafik - für einen geringen
> Obolus.

Er nutzt sie bloß als Ideenlieferant. Wenn Estes, Richter oder Close ein
vorhandenes Foto nachahmt, ist das Foto jedoch das Thema, nicht bloß die
Inspiration.

> Soweit ich diesen (dreisten?) Gedankengang verstehe - betrachtet er dies
> wie ein sampling bei Techno und Hip Hop
>
> Sampling: Eine postmoderne Kulturtechnik
> http://www.jochenbonz.de/wp-content/sampling.pdf

(Inhaltsleeres Geschwafel mit exquisitem Vokabular, also viele tolle Wörter
anstelle von Worten - es lebe Wikipedia!)

Ja, ich bin wirklich altmodisch. Sampling ist in nahezu allen Fällen ein
plumpes Plagiat, das Resultat fast immer dösiges Gedudel (und sei es auch
bildnerisch). Vor Suzanne Vega hatte ich größte Hochachtung wegen der
musikalischen und literarischen Qualität ihrer Songs - bis sie die
Einwilligung zum Verprollen von "Tom's Diner" per Sampling gab. Ist sie so
sehr in Geldnot? "Tom's Diner" ist ein Kleinod der Minimalpoesie mit
passend sparsamer Melodie. Nach dem Sampling kann ich es mir gut für eine
Saufparty vorstellen - mit passend sparsamer Melodie.

[Duisburg]


> Für diesen unfassbaren Ort geht der Künstler nun her und nimmt eine Party
> Grafik - die andere für ihren T-Shirt Shop oder als Wanddeko verwenden
> und möchte daraus eine Stahl-Stele machen.

Wäre es ein Zitat im seriösen Sinne, dann sollte die Vorlage jedermann
bekannt sein. Ist sie aber nicht, zumindest bis vor ein paar Tagen nicht
mir. Der Besucher des Schauplatzes sieht eine Plastik, die ihn vielleicht
an Guernica erinnert (was beim Durchschnittsbesucher dieses Ortes nicht
vorausgesetzt werden kann). Erst recht kennt er dieses Partyfoto nicht. Er
vermutet also ein Original, was es nicht ist. Das nennt man dann Plagiat.

> Sind wir da nicht bei "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen
> Reproduzierbarkeit" von Walter Benjamin

Nein. Benjamin meint keine Plagiate.

> http://de.wikipedia.org/wiki/Das_Kunstwerk_im_Zeitalter_seiner_technischen_Reproduzierbarkeit

Ja, das Internet ist wirklich ein Segen. Ich habe mir in den 70ern das Buch
noch so richtig aus Papier kaufen müssen.

> Und gibt es wirklich keinen namhaften Künstler der sich an dieses Thema
> traut? Warum kein Markus Lüpertz?

Zwar greift er auch Themen der Zeitgeschichte auf, aber ziemlich plakativ
und intellektuell nicht besonders durchdrungen, von seinem Anstreicher-Stil
ganz abgesehen. Mir wäre lieber, wenn sich jemand anders fände.

--
Tschüs!

Arnulf

Arnulf Sopp

unread,
Dec 24, 2010, 6:40:38 PM12/24/10
to
Am Thu, 23 Dec 2010 16:51:04 +0100 schrieb Ralf Zschemisch (r23):

> *nutzt* er die Grafik

Um etwas zu sagen, wie ich hoffe. Wenn er Vorhandenes nutzt, dann wurde es
schon mal gesagt. Wenn er aber etwas Neues daraus macht, was hier
zweifellos der Fall war, dann muss er die Quelle erkennbar machen, sonst
ist es ein Plagiat. Der unbedarfte Beschauer seines Denkmals kennt die
Vorlage nämlich nicht.

Wie schon gesagt, ist das beim Zitieren eines allgemein bekannten Werks
natürlich nicht notwendig. Hier wird ja gerade mit der Bekanntheit des
Werks gearbeitet.

Was einer künstlerisch sagt, muss nicht immer ein ethisches Postulat sein,
deshalb finde ich dieses Zitat von Oscar Wilde hier passend, das ich
gerade fand:

"So etwas wie moralische oder unmoralische Bücher gibt es nicht. Bücher
sind gut oder schlecht geschrieben. Weiter nichts."

Wie engagiert auch immer ein Künstler bei anderen klaut, er will etwas
aussagen und hat keine eigene Idee. Das macht er gut oder schlecht. Wenn
er abschreibt, macht er es schlecht. Aber dennoch lebt er meist gut davon,
weil es niemand merkt.

Plagiate sind wie "Analogkäse" (also gar kein Käse): Wertlos, aber u.U.
nahrhaft und unschädlich, wenn wir mal ethischen Fundamentalisten-Quatsch
außen vor lassen.

Nur so konnte Beuys Professor werden. Was in Düsseldorf allerdings keine
Kunst ist.

--
Tschüs!

Arnulf

Gerrit Brodmann

unread,
Dec 24, 2010, 11:48:54 PM12/24/10
to
Arnulf Sopp <bar...@maaaddin.de> wrote:

>Am Thu, 23 Dec 2010 16:51:04 +0100 schrieb Ralf Zschemisch (r23):
>
>> *nutzt* er die Grafik
>
>Um etwas zu sagen, wie ich hoffe. Wenn er Vorhandenes nutzt, dann wurde es
>schon mal gesagt. Wenn er aber etwas Neues daraus macht, was hier
>zweifellos der Fall war, dann muss er die Quelle erkennbar machen, sonst
>ist es ein Plagiat. Der unbedarfte Beschauer seines Denkmals kennt die
>Vorlage nämlich nicht.

Häh?
Ein Plagiat ist es, wenn er nix Neues draus macht, sondern eben nur
kopiert

Und wenn ich mir den Entwurf und die Inspiration so anschaue, so habe
ich da sogar Zweifel, daß er das Ding hätte lizensieren müssen, denn
das was auf dem Foto als Denkmalentwurf drauf ist, sieht vollkommen
anders aus.

Zum Glück gibt es im Urheberrecht nicht sowas wie im Patentrecht, nur
weil sich da jemand Siluetten schützen läßt, darf kein Anderer solche
darstellen.

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