F. W. schrieb am Donnerstag, 26. Januar 2023 um 07:42:02 UTC+1:
> "Im Westen nichts Neues" und "Blonde" sind beide für den Oscar
> nominiert. Ich habe gestern beide Filme gesehen. Sie sind beide auf
> NETFLIX abrufbar.
Um kurz zu relativieren: 'Blonde' ist nur für die weibliche Hauptrolle für Ana de Armas nominiert.
Was angesichts der emotionalen Berg- und Talfahrten, die die Rolle erfordert, m.E. durchaus vertretbar ist. (Und nichts daran ändert, dass ich den Film im Ganzen nicht sehr prickelnd und zu sehr auf die entblössende Darstellung von Grausamkeit ausgerichtet fand.) Als besten Film fände ich 'Blonde' verfehlt.
> Der "Westen" ist ein Film über Grausamkeiten im Krieg, der aber - im
> Gegensatz zu Roman und Original - große Probleme hat, eine Botschaft zu
> vermitteln. Unter dem Strich wird nicht klar, was das Drama der
> Geschichte ist.
Diese Ansicht kann ich nicht teilen. Wobei ich nicht weiss, was du unter einer Botschaft verstehst. Mir persönlich kam es schon so vor, dass der Film die Kriegsbegeisterung gut mit der trostlosen Realität kontrastierte.
Vor allem aber, dass er keine Glorifizierung zuliess und deutlich machte, dass ein (Graben-)Krieg keinen Platz für Heroismus lässt. Vielleicht vermisst du deshalb das "Drama der Geschichte": wo auf die klassischen Heldengeschichte verzichtet wird, bietet sich auch weniger Platz für konventionelle Drama-Erzählung. Dramatisch (und letztlich tief zynisch) war die Geschichte in meinen Augen dennoch.
> Ich halte beide Filme für sehenswert, aber nicht Oscar-reif.
Auch da empfinde ich anders. Ich habe zwar "Women Talking" nicht gesehen und "The Banshees Of Inisherin" nach der Hälfte auf iTunes US ausgemacht, weil ich nicht auf Anhieb in die Figuren hinein fand (namentlich in die Motive von Gleesons Colm), aber bei allem Spass, den ich mit "Top Gun Maverick" oder "Avatar 2" hatte, halte ich *nur* "Im Westen nichts Neues" und "Tàr" für überdauernd gute Filme.
Für mich führt bei der Hauptdarstellerin kein Weg an Andrea Riseborough und ihrer Tour-de-Force in "To Leslie" vorbei, (es wird die Blanchett oder noch wahrscheinlicher die Yeoh werden), aber ich sah auch oscar-reifes in Ana de Armas Spiel.
> hoffe, dass die Phase der kulturellen Schwermut bald überwunden ist.
> [...] Ob die Pandemie den Regisseuren aufs Gemüt
> geschlagen ist?
Möglicherweise den Regisseuren UND dem Publikum. Oder man erwartet, dass Nabelschau und Innenkehrung bei einem guten Teil des Publikums gerade ankommen.
Viele Zuschauer wollen natürlich seit der Rückkehr in die Kinos wieder den grossen Rumms. "Everything E.A.A.O.", "Elvis", "Top Gun Maverick" und "Avatar" sind ja allesamt nicht doofe Filme, aber sie zielen eben auf den Wunsch, grosses Spektakel zu erleben ... und eben nicht Depression weiter zu führen. Auch "Triangle of Sadness" ist ja gerade überhaupt nicht "sad", sondern über weite Strecken geradezu albern und heiter.