Regie: Stuart Gordon
Darsteller: Jeffrey Combs, Bruce Abbott, Barbara Crampton, David Gale,
Robert Sampson
"Von Herbert West, der im College und auch im übrigen Leben mein Freund
war, kann ich nur im äußersten Widerwillen sprechen." Mit diesen, für
Howard Phillips Lovecraft so typischen Worten beginnt die Kurzgeschichte
"Herbert West - Der Wiedererwecker". Nur 44 Seiten lang und unter
anderem zu finden in der bei Suhrkamp erschienenen Lovecraft-Anthologie
"Stadt ohne Namen" nimmt die Kurzgeschichte zweifellos einen
Sonderstatus im Werk des großen amerikanischen Horror-Literaten ein:
1922 geschrieben und damals erstmalig im Humor-Magazin (!) "Home Brew"
erschienen, war die Geschichte nicht wie so viele seiner übrigen
Schöpfungen im Bereich des legendären Cthulhu-Mythos angesiedelt, bei
dem stets das Grauen in Gestalt übernatürlicher, gottähnlicher
Alptraumgeschöpfe aus dem All, der Vergangenheit oder anderen
Dimensionen in das Diesseits und über seine ahnungslosen Opfer
hereinbricht, sondern zeichnete mit faszinierender visionärer Kraft und
einer für die damalige Zeit kaum für möglich zu haltenden expliziten
Detailfreude den Weg in das 60 Jahre später die Kinoleinwände
beherrschende Zombie-Genre vorweg.
Natürlich konnte ein Howard Phillips Lovecraft nichts von dem ahnen, was
ein George A. Romero, ein Lucio Fulci und ein Ruggero Deodato drei
Generationen später an filmischen Metzelorgien komponieren würden, und
rein formal ist sein Herbert West, der der von ihm erweckten Geister wie
jeder gute literarische Mad Scientiest nicht mehr Herr wird, auch nichts
anderes als ein später Epigone von Mary Shelleys Baron Frankenstein,
doch die eingesetzten Stilmittel zeigen eine frappierende Verwandtschaft
zu dem blut- und eingeweidetriefenden filmischen Erbe, das im Gefolge
von George A. Romeros "Dawn of the dead" Anfang bis Mitte der 80er die
Leinwände eroberte.
"West hatte schnell begriffen, dass absolute Frische das erste
Erfordernis für den Gebrauch seiner Versuchsobjekte war, und hatte
deshalb zu schrecklichen und ungeheuerlichen Hilfsmitteln beim
Leichenraub seine Zuflucht genommen."
Eine Verfilmung von "Herbert West - Der Wiedererwecker" war daher zu
genau diesem Zeitpunkt auch nur die logische Konsequenz. Vom damals
38jährigen Regisseur Stuart Gordon hatte man bis dato noch nicht allzu
viel gehört, noch weniger vom 1951 geborenen Produzenten Brian Yuzna,
die 1985 als kongeniales Duo den ersten "Re-Animator" auf die Leinwand
losließen und anschließend für kurze Zeit als Meister ihrer Zunft
galten. Stuart Gordon blieb dem Autor Lovecraft nach "Re-Animator" mit
"From Beyond" (1986), "Castle Freak" (1995) und "Dagon" (2001) treu,
während Brian Yuzna 1990 die phantastische, nun endgültig und ganz offen
von "Frankenstein" inspirierte und nicht mehr auf Lovecraft beruhende
Fortsetzung "Bride of Re-Animator" realisierte und 1993 mit dem sowohl
optisch wie inhaltlich sehr stark an "Re-Animator" erinnernden "Return
of the living dead 3" eine der schönsten und zugleich tragisch
anmutendsten Untoten-Ballade für das Kino ablieferte.
Auf ihre alten (und inzwischen schon lange nicht mehr so erfolgreichen)
Tage haben sich beide Horror-Veteranen ihres erfolgreichen Erstlings
besonnen: Brian Yuzna 2003 mit "Beyond Re-Animator" und Stuart Gordon
2008 mit "House of Re-Animator" - zwei in die Jahre gekommenen
Gründerväter des Zombiefilms und des Fun-Splatters, die sich von ihrem
lieb gewonnenen Geist der 80er Jahre nicht lösen können, konsequent
ignorierend, dass ihnen junge Regisseure wie Zack Znyder oder Danny
Boyle längst den Schneid abgekauft haben.
"Ich goß gerade etwas aus einem Reagenzglas in ein anderes, als aus dem
stockdunklen Zimmer, das wir gerade verlassen hatten, eine entsetzliche
und dämonische Folge von Schreien herüberdrang, wie sie keiner von uns
je vernommen hatte."
1985 jedoch war das Genre noch jung, die lebenden Toten auf der Leinwand
allgegenwärtig und der Fun-Splatter mit Sam Raimis "Evil Dead" von 1981
gerade geboren. Und auch der 31jährige Jungdarsteller Jeffrey Combs
hatte außer ein paar Nebenrollen bislang noch nicht allzu viele
Referenzen vorzuweisen, entsprach aber geradezu perfekt jener Figur
Herbert West, wie sie Howard Phillips Lovecraft für seine Kurzgeschichte
erfunden hatte: Äußerlich ein linkischer, unbeholfener, tollpatschiger
Sonderling, doch hinter dieser harmlos erscheinenden Fassade ein
fanatischer, getriebener, rastloser und noch dazu diabolischer
Wissenschaftler, ein Besessener, der für seine Forschungszwecke im
wahrsten Sinne des Wortes über Leichen geht, und das sowohl in
Lovecrafts Geschichte als auch in Gordons filmischer Umsetzung in Form
wahrer Leichenberge.
In Lovecrafts literarischer Vorlage türmen diese sich über einen
Zeitraum von 16 Jahren, über die sich die episodenhaft gehaltene
Kurzgeschichte erstreckt, angefangen von der ersten Begegnung des
(namenlos bleibenden) Ich-Erzählers bis hin zu Wests schauerlichem Ende,
welches ihm die eigenen Forschungen bescheren. Stuart Gordons
"Re-Animator" komprimiert dieses Handlungsgerüst zu einer in die
Gegenwart der 80er Jahre verlegte nachtschwarze Horrorgeschichte mit
ultra-galligem Splattereinschlag, die nicht selten mit dem Entsetzen
brachialen Scherz treibt, ohne dabei allerdings bereits in den komplett
jede Ernsthaftigkeit vermissenden Slapstick eines "Bad Taste" oder
"Braindead" abzukippen.
Der Film kreiert als Perspektivfigur den jungen Medizinstudenten Dan
Cain (Bruce Abbott), der dem Ich-Erzähler aus Lovecrafts Kurzgeschichte
entspricht. Bei ihm landet der bereits zu Beginn nur sehr schwer seine
Verrücktheit im Zaum haltende Jung-Akademiker Herbert West, zunächst nur
als Zimmergenosse, dann als Forschungskollege und letztendlich als
Mitverschwörer. Mittelpunkt allen Interesses ist ein
geheimnisumwittertes Serum, welches West an seiner bisherigen
Wirkungsstätte in der Schweiz zur Wiederbelegung bereits toten Gewebes
entwickelte. Unglückseligerweise mußte er seine Forschung im Land der
Eidgenossen abbrechen, nachdem sein Doktorvater auf sehr unerquickliche
Weise das Zeitliche segnete.
"Sie haben ihn umgebracht!" "Nein, das habe ich nicht! Ich habe ihn ins
Leben zurückgeholt!"
Auch an seiner neuen Wirkungsstätte setzt der rastlose
Nachwuchs-Frankenstein seine makaberen Versuche fort. Als Ort der
Handlung wählt das Drehbuch wie in der literarischen Vorlage die
Miscatonic Universität in Arkham, Massachusetts, also in jener
denkwürdigen, von Howard Phillips Lovecraft allein für sein
Schauer-Universum erdachten fiktiven Stadt in Neu-England. Und auch hier
bleiben Wests Bemühungen nicht ohne Opfer: Erst muss eine Katze daran
glauben, dann ausgerechnet der Dekan Alan Halsey (Robert Sampson) , der
von einer von West wiederbelebten Kreatur angefallen wird (in der
literarischen Vorlage stirbt Halsey an Typhus). Was den rastlosen West
natürlich als allererstes motiviert, dem frisch Dahingeschiedenen sein
dämonisches Serum ins Rückenmark zu injizieren, was endgültig
unabsehbare Folgen nach sich zieht. Studienkollege Cain wird halb
abgestoßen, halb fasziniert in den Strudel der blutigen Ereignisse
mitgerissen und unfreiwillig zum Komplizen und Mittäter des höllischen
Treibens, das ganz den dramaturgischen Gesetzen des Genres folgend mit
jedem Versuch, das Unheil zu beenden, weiter außer Kontrolle gerät und
schließlich in einem aberwitzig blutigen Showdown in den Katakomben
eines Krankenhauses seinen finalen Höhepunkt findet.
Dennis Paolis Drehbuch verleiht dem Charakter Herbert Wests über die
literarische Vorlage hinaus eine zusätzliche dämonische Facette, indem
es ihn noch nicht einmal vor einem (reichlich bestialischen) Mord an dem
sinistren und eifersüchtigen Professor Carl Hill (David Gale)
zurückschrecken lässt (in Lovecrafts Kurzgeschichte stirbt Hill beim
Luftkampf an der Front des ersten Weltkriegs). Der in Torso und Kopf
aufgeteilte Hill - in beiden Hälften durch Wests frankensteinische
Künste wiederbelebt - ist fraglos die morbideste Steilvorlage aus
Lovecrafts Kurzgeschichte für die von Stuart Gordon und Brian Yuzna
wirklich herrlich makabere Umsetzung auf der Leinwand (der abgetrennte
Kopf, der seinem eigenen Torso Regieanweisungen zu geben versucht, ist
schlicht zum Kreischen).
"All diese Forschungsarbeit erforderte einen reichlichen Nachschub
frisch hingeschlachteten Menschenfleisches - das war der Grund, warum
Herbert West in den großen Krieg eingetreten war."
Auf faszinierende Weise gelingt es "Re-Animator", die gotische
Schaueratmosphäre der Lovecraft-Geschichte stimmungsvoll mit den
Stilmitteln des 80er-Jahre-Splatters zu inszenieren und dabei zugleich
das Regelwerk des modernen Zombiefilms herunterzudeklinieren, womit
Stuart Gordon und Brian Yuzna einen zeitlosen Klassiker des Horrorkinos
schufen. "Re-Animator" ist Old-School-Splatter in bester Form und ebnet
zugleich mit seinen tiefschwarz-morbiden Humor-Ideen den Weg zum
Fun-Splatter vom Schlage des frühen Peter Jackson oder der Troma-Filme.
Zur intensiven Atmosphäre des Films tragen auch die äußerst
stimmungsvolle Set-Arrangements bei, die oftmals in ihrer spartanischen
Ausstattung an eine Theaterbühne erinnert (der größte Teil des Films
spielt unterirdisch in Kellern oder Leichenhallen). Kein Wunder, brachte
doch Stuart Gordon 1985 Theatererfahrungen an den Film-Set von
"Re-Animator" mit.
Zur Entdeckung des Films schlechthin aber geriet Jeffrey Combs. Seine
Darstellung des manischen, besessenen Wissenschaftlers Herbert West, der
glaubt, den Tod überwinden zu können, wurde zur modernen Wiedergeburt
und zum Inbegriff des Mad Scientist. Der 1954 geborene Combs war
anschließend auf das Rollenprofil der mittelschwer durchgeknallten,
derangierten Horrorfigur abonniert: Stuart Gordon holte ihn für den
schwachen Lovecraft-Nachfolger "From Beyond", 1990 für "Robot Jox", 1993
für "Fortress" und 1995 zu "Castle Freak" an den Set. Für Brian Yuzna
stand er -natürlich - in der phantasischen Fortsetzung "Bride of
Re-Animator" und der sehr viel jüngeren filmischen Rückkehr "Beyond
Re-Animator" vor der Kamera. Am skurrilsten dürfte sein Einsatz in Peter
Jacksons "Frighteners" als völlig hysterischer FBI-Sonderermittler in
Erinnerung bleiben. Zu einem seiner unheimlichsten Auftritte - in bester
"Re-Animator"-Tradition" - geriet seine Rolle als geisterhafter
Irrenarzt Dr. Benjamin Vannacut im ansonsten nicht sonderlich
aufregenden "House on hounted hill" von 1999.
"Ich kann West noch heute unter dem unheimlichen elektrischen Licht
sehen, wie er seine Wiederbelebungslösung in die Armvene des kopflosen
Leichnams injizierte. Ich vermag die Szene nicht zu beschreiben - ich
würde schwach werden, falls ich es versuchte, denn solch ein Raum voll
klassifizierter Friedhofsreste, mit Blut und geringeren menschlichen
Überresten, die den rutschigen Boden beinahe knöcheltief bedecken, mit
furchtbaren Reptilienabnormitäten, die wachsen, Blasen werfen und über
einer blinkernden, blaugrünen Geisterflamme in einem abgelegenen Winkel
brodeln, ist schierer Wahnsinn."
Skurril ist die Schnittgeschichte von "Re-Animator". Wie die meisten
großen Klassiker des Splatterfilms war er jahrelang legal in Deutschland
nur in einer extrem gekürzten Fassung erhältlich. Heute existieren
nebeneinander der englischsprachige Director's Cut von 86 Minuten sowie
eine teilweise deutsch synchronisierte, integrale Schnittfassung aus der
ehemaligen, sehr stark verstümmelten deutschen Fassungen sowie den darin
fehlenden, nicht synchronisierten Passagen aus der (von Stuart Gordon
nie geplanten) R-Rated-Fassung, ihre Laufzeit beträgt etwas mehr als 100
Minuten.
Auf der 2002 bei Laser Paradise erschienen DVD sind beide Fassungen
enthalten. Als bösen Etikettenschwindel muss man die im Februar 2008 bei
Sunfilm/Marketingfilm erschienene Doppel-DVD in der Metallhartbox
einstufen: Zwar enthält die Bonus-DVD eine Menge interessantes Material,
so Videos, diverse extended scenes und deleted scenes, Interviews und
Trailer. Der auf der anderen DVD enthaltene Hauptfilm hat eine Lauflänge
von nur 81 Minuten und entspricht, obwohl die Metallbox das Siegel
"Keine Jugendfreigabe" trägt, der stark gekürzten deutschen FSK16-Fassung.
9 von 10 Punkten
Johannes Pietsch
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Last seen:
"Brügge sehen und sterben" "Ein Mann für alle Unfälle"
"Street Kings" "Der rote Baron"
http://www.filmstarts.de/mystarts/mitglieder/jojo/kritiken.html