Die Handlung ist schnell erzählt: Rodolfo trifft Mimi, sie verlieben
sich in Rekordzeit, die Liebe zerbröselt, sie raffen sich wieder auf,
Mimi stirbt. Aber niemand sagt, dass ein Libretto mehr sein muss als ein
Vehikel, um Leute zwei Stunden lang zum Singen zu bringen.
Und wie sie singen! Und wie die Musik klingt! Trotz allem Stargedöns um
Anna Netrebko und Rolando Villanzón: Der größte Mitwirkende bei diesem
Film ist Giacomo Puccini. Herrlich. Oper war nie zugänglicher als in
diesem Film.
Einige Dinge muten trotzdem seltsam an: Da wäre einmal das übertriebene
Spiel der Opernsänger. Vor allem zu Beginn des im 1. Bildes wird das
sehr deutlich. Später ist es mir nicht mehr so arg aufgefallen, ich
glaube ich habe mich im Lauf der Zeit einfach daran gewöhnt.
Dann wär da noch die Bildsprache. La Bohčme erinnert mich in vielen
Einstellungen an Musikschmonzetten der 30er-Jahre. Sobald die Darsteller
ein Duett singen, wird auf Teufel-komm-raus überblendet. Dann wird
wieder der Hintergrund verwaschen. Auch die Bauten tragen zu diesem
Eindruck bei, alles wirkt künstlich, alles ist Kulisse. Das ist jedoch
gewollt, lieber Bühne statt Realismus. Regisseur Dornhelm sagt: "Oper
verträgt keinen Naturalismus, da würde man zu Recht fragen: Warum singen
sich diese Figuren eigentlich an?" Schon der Trailer auf
http://www.labohemefilm.com/trailer.htm gibt einen guten Eindruck dieser
Stilelemente.
Einige Szenen sind schwarzweiß (mit Farbtupfern), immer dann, wenn man
etwas sieht, das man in der Oper nicht sehen würde - Außenaufnahmen,
Rückblenden usw. Wäre darauf verzichtet worden, wäre der Film mehr Film
und weniger reine Oper, meine ich.
Störend auch der Ton, der nicht zum Film passt: Natürlich gibt es
allerlei Trampel- und Quietschgeräusche, aber alle Äußerungen der
Darsteller kommen von der Playback-CD. Hüsteln, Husten, Grinsen, sieht
man zwar, hört man aber nicht. Auch kein Atmen, kein Schmatzen beim
Küssen. Großaufnahme der Küssenden, und der Ton bleibt (bis auf die
Musik natürlich) stumm? Seltsam.
Kurz: La Bohčme ist viel Oper und wenig Film. Das macht mir nichts. Am
Ende der Vorstellung hat eine Zuseherin ins Auditorium gerufen: "War das
nicht schön?". Und dann hat das Publikum applaudiert.
Es war nicht das erste Mal, dass ich La Bohčme gesehen habe. Vor
etlichen Jahren in der Wiener Staatsoper, damals war ich vierzehn,
damals hat mir das gar nicht gefallen. Jetzt hab ich der Oper eine neue
Chance gegeben und wurde nicht enttäuscht. Oper im Kino anschauen hat
auch weniger den Flair eines Staatsaktes und erinnert mehr an die
Unhaltungsbranche, wo die Oper ja herkommt. Letztendlich macht "La
Bohčme" Lust auf Oper. Ich find' das gut.
Und wer mit der Musik gar nix anfangen kann, hat gute eine Stunde lang
die Gelegenheit, Anna Netrebko in den Ausschnitt zu schauen. Was ja auch
nichts Schlechtes sein soll.
Johannes