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Kritik: 8 Blickwinkel (Blue-ray Disc)

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Bernd Rakel

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Nov 17, 2008, 1:05:30 AM11/17/08
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Die erste Assoziation bei diesem Film führte mich zur Erinnerung
an "Und täglich grüßt das Murmeltier", eine Geschichte, die immer
wieder zum Anfang führt.
"8 Blickwinkel" geht einen etwas anderen Weg, der eine
Bereicherung bedeutet. Das Geschehen wird aus der Sicht von 8
Beteiligten gezeigt, eine sehr erfrischende Idee für einen
Film.

Die Geschichte handelt von einem Attentat auf den amerikanischen
Präsidenten, der zu einem Gipfel in Spanien weilt, geplant ist
ein Abkommen zur Terrorbekämpfung.
Bei einer öffentlichen Veranstaltung wird geschossen, es
explodieren Bomben und Menschen flüchten in Panik vor den
Ereignissen. Das ist Terrorismus, wie er aus den Medien bekannt
ist, ein aktueller Bezug zu vergangenen realen Ereignissen.

Es fängt ganz harmlos an, als ein Fernsehsender diese
Veranstaltung aufnimmt, bearbeitet und in die Welt schickt. Dabei
werden ganz nebenbei auch Aspekte der Arbeitsweise heutiger
Medien angesprochen und leise kritisiert. Sigourney Weaver
überzeugt als Regisseurin mit ihrer kalten Darstellung dessen,
was den Zuschauer zu interessieren hat und was nicht.

Später in der Geschichte findet sie eine weitere Gelegenheit zu
zeigen, wie die laufenden Ermittlungen durch zufälliges
Miterleben für die Berichterstattung ausgenutzt werden.

Es folgt ein harter Schnitt, die Handlung fährt im wahrsten Sinne
des Wortes zurück an den Anfang. Der Effekt wirkt dann so, als ob
man selbst auf schnellen Rücklauf geschaltet hätte.

Erzählt wird nicht nur die Ereigniskette aus der Sicht
verschiedener Personen, die mittel- oder unmittelbar an dem
Geschehen beteiligt sind. Mit jeder neuen Sichtweise aus der
Perspektive einer anderen Person fügen sich immer neue Teile
eines Puzzles zusammen. Die Geschichte selbst ist durchdacht,
schlüssig und glaubhaft dargestellt.

Daraus entsteht mit der Zeit weit mehr Substanz, als man in einem
vorgegebenen Mordkomplott erwarten möchte. Dabei wird auch wieder
auf reale Ereignisse eingegangen, wie sie jedem Menschen in einer
solchen Situation begegnen können.

Es gibt beispielsweise einen amerikanischen Touristen, der
eigentlich nur Urlaub in Europa macht und die Möglichkeit nutzt,
den Besuch seines Präsidenten mitzuerleben. Bei der Besetzung
dieser Rolle (Forest Whitaker) kommen zumindest bei mir Zweifel
auf, denn er hat schon so oft die Rolle eines wegen eigenen
Beziehungsproblemen leidenden Mannes dargestellt.

Trotzdem möchte ich seine Leistung nicht herunter spielen, die
Umsetzung der kleinen menschlichen Dramen am Rande einer
geschichtsträchtigen Veranstaltung ist schon sehr lebensnah und
glaubwürdig.
Aber irgendwie ist dieses Gesicht schon so oft in
diesen Zusammenhang gesetzt worden, dass es ein wenig auffällt.
Das wird aber damit entschädigt, dass sein Handeln neue
Zusammenhänge zum Erkennen des ganzen Geschehens bringt.

Kern der Handlung ist natürlich zum einen der Secret Service Agent
Thomas Barnes, der von Dennis Quaid hervorragend gespielt wird.
Gezeigt wird zweimal kurz, dass er dem amerikanischen Präsidenten
in der Vergangenheit das Leben gerettet hatte. Dabei wurde er
durch eine Kugel verletzt und seine mentalen Probleme aus diesem
Ereignis belasten ihn nicht unerheblich.
Das Misstrauen seiner Kollegen hilft ihm auch nicht weiter, es
spornt ihn nur an, diese Veranstaltung so perfekt wie möglich zu
schützen.

Zum anderen geht der Film auf die mögliche Konstellation einer
Terrorgruppe ein. Deren Mitglieder sind teils durch ihre eigenen
persönlichen Erfahrungen miteinander, teils auch durch
gegenseitiges Misstrauen gegeneinander geprägt.
Entführung und Erpressung spielen eine bedeutende Rolle bei den
Protagonisten. Das führt zu Spannungen untereinander, die fast
die Mission scheitern lassen.

Das Attentat selbst beruht auf dem Wissen, dass es seitens der USA
Strategien gibt, um dem Terror immer einen Schritt voraus zu
sein. Diese Taktik wird hier durchschaut und es läuft eine
Abfolge von Aktionen mit militärisch präziser Planung ab.

Das Ganze funktioniert tatsächlich, obwohl die reichhaltigen
Sicherheitsmaßnahmen und die vielen unbeteiligten Zuschauer eine
eigene Dynamik ins Geschehen werfen. Auch hier werden Schwächen
im System gezeigt, die es Terroristen einfach machen können,
solche Taten überhaupt zu verüben. Die Schwachstelle ist dabei
wieder einmal der Mensch selbst und sein gegebenes Vertrauen in
staatliche Vertreter.

Die verwendete Technik ist auf dem Stand der heutigen Zeit.
Es wird gezeigt, was modernste Kommunikationsmittel in Verbindung
mit moderner Waffentechnik ermöglichen.
Dieses Szenario ist nur eine Geschichte, hat aber durchaus das
Potential, eine gewisse Angst vor zukünftigen Anschlägen zu
erzeugen.

Die Handlung läuft in weiten Strecken mit spektakulärer
Geschwindigkeit ab. Ein hoher Zoomfaktor bringt weitere Impulse
zur Glaubhaftigkeit der gezeigten Ereignisse ein.
Es wird eine Hektik erzeugt, die durchaus angemessen ist bei der
Darstellung in Panik geratener Menschen angesichts eines
Terroranschlags dieser Größenordnung.
Der oft verwackelte Kameraeinsatz trägt dazu bei, dem Zuschauer zu
vermitteln, er wäre mitten im Geschehen. Durch harte Schnitte
werden echte Spannungsfelder aufgebaut, die anfangs dabei offen
bleibenden Zusammenhänge werden in späteren Darstellungen nahtlos
eingefügt.

Dieser Film ist sicher kein Meilenstein, bietet aber spannende
Unterhaltung und birgt reale Bezüge zur heutigen Zeit. Wenn man
ihn in der Gemeinschaft anschaut, bietet er reichlich Stoff für
interessante Diskussionen.

--
"... die Katze ist das einzige vierbeinige Tier, das dem Menschen
eingeredet hat, er müsse es erhalten, es brauche dafür aber
nichts zu tun." Kurt Tucholsky, 17. Juni 1928
http://freenet-homepage.de/maxiundlilly

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