Am Mon, 29 Jan 2024 13:27:37 -0000 (UTC) schrieb Andre Eiger
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gree...@fantasymail.de>:
Mit Fehlurteilen dieser Art muß man leider rechnen und wünschte sich,
dass es von Vereinen, die sich (auch) als Radfahrervertretung gebärden,
etwas mehr oder überhaupt sichtbare Aktivitäten gegen dergleichen gäbe.
Dazu gehörte m.E. auch, auf der sachlichen Ebenen die Fehlannahmen zu
analysieren und Fehlschlüsse richtigzustellen, die hier offenbar zur
Grundlage genommen werden.
Nur mal für den Anfang: Weder erhöhen Klickpedale die Sturzgefahr, noch
sind sie ein Indiz für "sportliche Fahrweise" (gemeint ist wohl: eine
kraftvolle Fahrweise), noch ist diese ggfs. ein Indiz für ein erhöhtes
Risiko, noch wurde jemals der Nachweis erbracht, dass Helme Radfahrer
und _nur_ Radfahrer vor den angenommenen Risiken schützen.
- Sturzgefahr
SPD-Pedale, wie ich sie verwende, wurden ursprünglich von Shimano
entwickelt und auf den Markt gebracht, um auch in unwegsamen Gelände
eine sicheren Halt der Füße auf den Pedalen zu gewährleisten, sind aber
so konstruiert, dass sich die Füße - anders als bei den vorherigen
Riemenpedalen - nicht an den Pedalen zu fixieren, sondern bei einem
Sturz ohne viel Zutun das Fahrers oder der Fahrerin lösen.
Gegenüber Gummiklotzpedalen, die oft in glattgetretener Form benutzt
werden, ohne dass Radfahrern deshalb der Vorwurf einer mutwilligen
Selbstgefährdung gemacht worden wäre - davon habe ich jedenfalls noch
hie gehört oder gelesen - stellen die sog. Clipless-Pedale einen
erheblichen Sicherheitgewinn dar.
Das Argument gilt auch für andere Verianten solcher Pedale von anderen
Herstellern, wie etwa die Look-kompatiblen Pedale. Wenn diese als
"sportlich" gelten, dann nicht wegen der fehlerhaften Annahmen bezüglich
des Risikos eines Sturzes oder bei einem Sturz, sondern weil sich mit
den dafür nötigen Schuhen kaum vernünftig gehen oder laufen lässt. Ihr
Vorteil gegenüber SPD-Pedalen besteht primär darin, dass sie über
Distanzen, wie sie bei Radrennen oder bei sehr langen Touren üblich
sind, einen spielfreieren, d.h. gelenkschonenderen und somit gesünderen
Halt bieten.
Fazit: Klickpedale sind sicherer als Gummiklotzpedale
- "sportliche" Fahrweise
... ist in dem Urteil, auf das Bezug genommen wurde, offenbar ein
Synonym für eine riskante, verkehrswidrige Fahrweise und insofern ein
übles Stück Demagogie. Man kann nur hoffen, dass dies eine Ausnahme ist
und bleibt.
"Ein Radfahrer ohne Helm war mit seinem Rennrad auf einem als Geh- und
Radweg gekennzeichneten Weg ungebremst und mit hoher Geschwindigkeit
nach links auf eine geteerte und annähernd gleich breite
Ortsverbindungsstraße eingebogen."
Dem ist entgegenzuhalten, dass weder der Gebrauch eines Rennrades, noch
der Gebrauch von Klickpedalen noch zügiges Fahren ein Indiz für eine
riskante Fahrweise wie die dargestellte ist. Ein solches Verhalten
kann man in dieser und ähnlicher Weise auch bei bei Fahrern von MTB,
"Sporträdern" bis hin zu Pedelec in allen möglichen Bauformen finden. Um
schnell zu fahren und einen solchen Fehler zu machen, reicht schon ein
leichtes Gefälle - und eine defekte Bremse, wie man sie an Rennrädern
seltener finden dürfte als z.B. an Billigrädern aus dem Baumarkt.
Die Unfallstatistik weist einen hohen Anteil von Radfahrern (und
Fußgängern) auf, die unter Mißachtung von Verkehrsregeln beim Einbiegen
in oder dem Queren von Fahrbahnen ganz unabhängig vom Tempo infolge
einer Kollision verunfallten, darunter auch Nutzer von
Gummiklotzpedalen, Helmen und Lenkerkörben.
Es wäre der Nachweis zu erbringen, dass Fahrer mit den inkriminierten
Eigenschaften generell eine Unfallquote haben, die mehr als die
statistisch durch Zufälle zu erwartende Varianz vom Durchschnitt
abweicht. Ein solcher Nachweis ist meines Wissens nie versucht worden
und dürfte aufgrund der vergleichsweise geringen Unfallzahlen mit
schwerwiegenden Folgen auch kaum zu erbringen sein.
N.B. aktuell stellt sich hier übrigens die Frage, ob inzwischen bei
Unfällen mit Pedelec eine pauschale Annahme einer Teilschuld
stattfindet. Denn da dürfte der Nachweis inzwischen wohl erbracht sein.
Schon dieses Beispiel zeigt, wie unsinng (und unerträglich) dieser
Ansatz ist, wenn man bei Rennrädern Urteile aufgrund eines bloßen
Vorurteils so begründet.
Eine persönliche Anmerkung noch: ich fahre ein Rennrad mit einer für
meine altersbedingt nachlassenden Kräfte ausgelegten Schaltung, um
_sicherer_ fahren zu können, als es mir etwa mit dem Hollandrad, welches
ich auch besitze, möglich wäre. Es ist leichter, ich kann es aufgrund
einer günstigeren Geometrie und angepassten Übersetzung erheblich
schneller in Bewegung setzen und so beispielsweise gefährliche Querungen
und Ausfahren, wie sie durch Radwege vermehrt zu verzeichnen sind,
zügiger bewältigen. Was Helme angeht, es gibt viele Gründe, beim
Radfahren keinen zu verwenden, nicht zuletzt den Umstand, dass weder der
Nachweis einer Notwendigkeit noch einer Wirksamkeit beim Radfahren und
_nur_ beim Radfahren (aber z.B.nicht beim Treppensteigen, Gehen, Laufen,
Wandern, Bergwandern) vorliegt. Hier sehe ich einen weiteren Grund für
den Verzicht auf dieses stigmatisierende Symbol: man möchte sich nicht
dem Vorwurf einer "sportlichen Fahrweise", als Synonym für "unnötig
riskant" ausgesetzt sehen.
Fazit: man weiß gar nicht, wo man bei der Analyse dieser Mischung aus
fehlerhaften Annahmen und Fehlschlüssen mit dem Aufdröseln beginnen
soll. Eines ist aber sicher: einen Unfall durch vorausschauende, zügige
Fahrweise vermeiden ist allemal besser als der manchmal risikoerhöhende
und oft erfolglose Versuch, sich dem hier ausgeübten Druck entsprechend
zu verhalten und so von den Folgen der hier sichbar werdenden
Voreingehommenheit verschont zu bleiben.