Ich habe meine eingerosteten Statistik- und R-Kenntnisse etwas geölt,
äh, reaktiviert, und mir den Zusammenhang zwischen Schmutzanhaftung
und dem Verschleiß bei Sand, Nässe und Sand+Nässe angeschaut.
Warum Schmutzanhaftung? Weil das m.E. einer der wenigen Parameter
ist, an dem Laien wie ich die Eigenschaft von Kettenölen sinnvoll
unterscheiden können. Ein anderer wäre die Viskosität, mache ich
vielleicht in einem nächsten Schritt.
Unser Prof sagte immer: Bevor wir Korrelationen rechnen, sollten wir
uns erstmal ein Streudiagramm anschauen, das zeige meist schon, ob
sich weitergehende Berechnungen überhaupt lohnen. Außerdem sind sie
übersichtlich und intuitiv.
Gesagt, getan. Hier der Datensatz. Die Zahlen entsprechen den Sternchen
im Testbericht. Die Schmutzanhaftung habe ich numerisch kodiert, siehe
unten, damit ich so etwas wie "deutlich bis stark" ebenfalls auswerten
kann (das geht ja nur bei numerischen Daten):
-- schnipp --
# Kettenöle, Petrus-Test. Alphabetisch sortiert.
# Kodierung Schmutzanhaftung: 1: kaum, 2: wenig, 3: deutlich, 4: stark.
Name;Sand;Nässe;Sand+Nässe;Schmutzanhaftung
Finish Line Cross Country;3;1;1;4
Finish Line Krytech;5;3;4;1
Finish Line Teflon Plus;5;4;4;1
ILI Lube Guard;1;4;1;2.5
Lubcon Turmofluid;4;3;5;3.5
Motorex Dry;1;3;4;2
Motorex Wet;3;5;2;4
Neoval;3;3;1;4
Shimano Universal;3;4;3;3
Testmix 19;3;3;3;2.5
Testmix 26;3;3;1;3
Testmix 30;3;4;3;3
-- schnapp --
Hier das R-Script. Den Verschleiß kodiere ich um, so dass 1 = 5 Sterne
und 5 = 1 Stern. Das ist m.E. intuitiver (niedrige Werte = weniger
Verschleiß). Im Datensatz stehen aber die originalen Werte aus dem
Test (1 = hoher Verschleiß, 5 = niedriger Verschleiß). Nicht verwirren
lassen. Wobei ich natürlich nicht weiß, ob das im Test tatsächlich so
kodiert wurde, da steht nicht dabei, was ein Sternchen bedeutet, aber
in der Regel ist es ja so, dass mehr Sterne ein besseres Ergebnis
bedeuten. Ok, hier also das R-Script:
-- schnipp --
library('txtplot', lib.loc='R/library')
# Header: Name;Sand;Nässe;Sand.Nässe;Schmutzanhaftung
datensatz <- read.table("~/fahrrad/antrieb/kettenoel_petrus-test", sep=";", header=TRUE, dec=".")
# Ausgabe (Verschleiß aufsteigend umkodieren):
datensatz
txtplot(datensatz$Schmutzanhaftung, 6-datensatz$Sand, xlab="Schmutzanhaftung", ylab="Sand")
txtplot(datensatz$Schmutzanhaftung, 6-datensatz$Nässe, xlab="Schmutzanhaftung", ylab="Nässe")
txtplot(datensatz$Schmutzanhaftung, 6-datensatz$Sand.Nässe, xlab="Schmutzanhaftung", ylab="Sand+Nässe")
-- schnapp --
Aufgerufen wird es mit dem Befehl Rscript.
Und hier die Ergebnisse:
Erstmal die Ausgabe des Datensatzes zur Kontrolle. Wie man sieht, wurde
das Plus-Zeichen in "Nässe+Sand" nicht dargestellt, weiß nicht warum.
Ist auch nicht so wichtig, muss man nur im R-Script berücksichtigen:
Name Sand Nässe Sand.Nässe Schmutzanhaftung
1 Finish Line Cross Country 3 1 1 4.0
2 Finish Line Krytech 5 3 4 1.0
3 Finish Line Teflon Plus 5 4 4 1.0
4 ILI Lube Guard 1 4 1 2.5
5 Lubcon Turmofluid 4 3 5 3.5
6 Motorex Dry 1 3 4 2.0
7 Motorex Wet 3 5 2 4.0
8 Neoval 3 3 1 4.0
9 Shimano Universal 3 4 3 3.0
10 Testmix 19 3 3 3 2.5
11 Testmix 26 3 3 1 3.0
12 Testmix 30 3 4 3 3.0
Hier das Streudiagramm für den Zusammenhang von Schmutzanhaftung
und Verschleiß bei trockenem Sand. Warum die y-Achse nichtlinear
dargestellt wird, weiß ich nicht, ist bei allen Diagrammen so:
+--+--------+--------+-------+--------+--------+--------+--+
5 + * * +
| |
| |
4 + +
S | |
a | |
n 3 + * * * +
d | |
2 + * +
| |
| |
1 + * +
+--+--------+--------+-------+--------+--------+--------+--+
1 1.5 2 2.5 3 3.5 4
Schmutzanhaftung
Man sieht einen schwachen Zusammenhang. Sehr wenig Schmutzanhaftung
korreliert mit wenig Verschleiß. Bei mittlerer und hoher
Schmutzanhaftung ist der Zusammenhang nicht mehr so klar. Aber
man sieht, dass geringster Verschleiß bei mittlerer und hoher
Schmutzanhaftung nicht möglich ist.
Hier das Streudiagramm für Schmutzanhaftung und Nässe:
+--+--------+--------+-------+--------+--------+--------+--+
5 + * +
| |
| |
4 + +
N | |
ä | |
s 3 + * * * * * * +
s | |
e 2 + * * * +
| |
| |
1 + * +
+--+--------+--------+-------+--------+--------+--------+--+
1 1.5 2 2.5 3 3.5 4
Schmutzanhaftung
Ein interessantes Diagramm. Es gibt im wesentlichen zwei angedeutete
Richtungen in den Punktwolken, eine horizontale bei mittlerem
Verschleiß und eine vertikale bei hoher Schmutzanhaftung.
Zuerst zur horizontalen Linie: das heißt, egal wie die Schmutzanhaftung
ausfällt, der Verschleiß bei Nässe liegt fast immer im mittleren
Bereich. Und zur vertikalen Linie bei hoher Schmutzanhaftung (4): Das
heißt, bei hoher Schmutzanhaftung kann der Verschleiß bei Nässe von
sehr gering bis sehr hoch reichen.
Letztendlich heißt das: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen
Schmutzanhaftung und Verschleiß bei Nässe. Ein für Alltagsradler
in der Stadt wie mich bedauerliches Ergebnis, da ich mit Regen
mehr zu tun habe als mit Sand.
Und noch das dritte Diagramm: Schmutzanhaftung vs. Nässe plus Sand:
+--+--------+--------+-------+--------+--------+--------+--+
5 + * * * +
S | |
a | |
n 4 + * +
d | |
+ | |
N 3 + * * +
ä | |
s 2 + * * +
s | |
e | |
1 + * +
+--+--------+--------+-------+--------+--------+--------+--+
1 1.5 2 2.5 3 3.5 4
Schmutzanhaftung
Hier ist der Zusammenhang etwas deutlicher, aber es gibt auch
Ausreißer. Tendenziell zeigt sich aber doch: je geringer die
Schmutzanhaftung, umso geringer der Verschleiß bei Nässe und Sand.
Insbesondere der fehlende Zusammenhang bei Nässe wurmt mich. Da fehlt
vermutlich eine wichtige Variable. Korrosion oder so. Wenn ich ein
bisschen Zeit habe, werde ich mal Tests gezielt danach auswerten.
Was mich an dem Petrus-Test auch noch stört, bzw. was IMHO fehlt,
ist das Schmierintervall. Das gute Abschneiden von wenig klebrigen
Ölen hängt vermutlich davon ab, dass sie regelmäßig aufgetragen
werden. Das heißt, die klebrigen Öle könnten Vorteile haben, wenn
man geringere Schmierintervalle einbezieht. Interessant wäre also
ein Petrus-Test, der Schmierintervalle von sagen wir: 50km, 100km,
200km und 500km einbezieht. Wird dann natürlich noch mehr Aufwand.
Aber vielleicht hat die Klebrigkeit bei Nässe auch gar keine
Bedeutung, sondern es sind andere Eigenschaften wichtig, z.B. der
Korrosionsschutz. Da könnte so etwas wie Unterkriechen von Wasser
also bedeutsam werden. Aber das ist erstmal nur ein Vermutung.
Grüße
Martin