Am Sun, 25 Sep 2022 09:11:43 -0500 schrieb Thomas Bliesener
<
use...@xabs.de>:
>Folgerichtig schließt man schwachmotorisierte E-Bike nicht davon aus.
Im Gegenteil: man widmet sich in Artikeln ganz explizit dem Thema E-Bike
und bezeichnet das Motorrad dann querbeet mal als Fahrrad, mal als
E-Bike, mal als Motorrad.
In diesem Artikel vom letzten Jahr findet sich das sogar ganz kompakt am
Ende des Artikels im Fazit:
|| Fazit
||
|| AMBY klingt ambitioniert. Ein E-Bike, das vom Pedelec zum
|| Mini-Motorrad mutiert – je nach Einstellung – könnte im
|| urbanen Verkehr Zukunft haben.
<
https://www.motorradonline.de/elektro/bmw-motorrad-vision-amby/
>Die Grenze Motor/kein Motor ist viel schärfer als irgend eine
>willkürliche Leistungsgrenze im Spektrum festzulegen.
In der Tat. Insbesondere, weil ein Mensch anders als ein Motor keine
fixe Dauer- und Höchstleistung hat. Selbst bei einem Oldtimer wie mir
deckt das Leistungsspektrum knapp zwei Größenordnungen ab: es geht von
unter 20 W bis über 1000 W.
20 W reichten mir mit nahezu jedem Fahrrad, um damit kontinuierlich 12
km/h zu fahren, mehr als sauberen Asphalt und kaum profilierte Reifen
braucht es dafür nicht. Das obere Ende der Leistungskurve, die mir
Garmin bescheinigt, hört bei knapp über 1000 W auf. Die Frage "wo ist
deine Leistungsgrenze?" könnte ich ohne weitere spezifischen Angaben
(mindestens die Zeitdauer, die alleine reicht aber auch nicht) nicht mal
annähernd beantworten.
Der menschliche "Muskelmotor" hat generell diese Eigenschaften, es ist
weder ein Elektromotor noch ein Otto- oder Dieselmotor. Die Eckwerte
der Leistungskurve (maximale Leistung über Dauer) eines Menschen
variieren je nach Alter und Fitness ein wenig, die mittleren Bereiche
erheblich mehr.
Die Leistungskurve verändert sich durch Training, egal ob sich dieses
Training im Alltag nebenher ergibt oder für sportliche Zwecke sorgfältig
kontrolliert wird. Der Körper passt sich der Belastung an, nicht nur
langfristig, sondern auch auf jeder einzelnen Fahrt. Die
Sportwissenschaft hat das ausgiebig untersucht, die meisten Radfahrer
nutzen die Erkenntnisse jedoch intuitiv, ohne groß drüber nachzudenken.
Der Mensch kann auf einer einzelnen Fahrt mit seinen Kräften haushalten,
auf längeren oder fordernden Strecken muss er es. Muskeln und Kreislauf
brauchen einen Anstoß, um auf Touren zu kommen, sie ermüden, Ausdauer
und Höchstleistung sehen in Konfikt miteinander, usw. usf.
Nirgendwo im Körper gibt es aber einen Mechanismus, der bis 25 km/h
(oder bis 45 km/h) die Leistung "mit zunehmender Fahrzeuggeschwindigkeit
progressiv verringert" und dann abschaltet, darunter aber weit mehr
Leistung als erforderlich verteilt, wie mit der Gießkanne.
Der "Fahrradsimulator", welcher Teil jeder Pedelecmotorsteuerung ist und
dafür sorgen muss, dass die motorische "Unterstützung sich mit
zunehmender Fahrzeuggeschwindigkeit progressiv verringert" (§63a StVZO),
simuliert bzw. unterstützt das Verhalten eines radfahrenden Menschen
nicht mal annähernd.
Von einer tatsächlichen Tretunterstützung würde man u.A. erwarten, dass
sie mit zunehmendem Tempo _mehr_ unterstützt und nicht weniger.
Tatsächlich unterstützt der gesetzlich erzwungene Regelmechanismus ein
Verhalten, das regelrecht komplementär zum Verhalten eines Fahrrad
fahrenden Menschen ist.
Der Mensch tut das tatsächlich, womit Pedelec von ihrer Einführug bis
heute bloß beworben werden: er minimiert die für eine vorgegebene Fahrt,
(etwa den Arbeitsweg) erforderliche Anstrengung, oder er maximiert die
mit einer erträglichen Anstrengung zurücklegbare Distanz. Die Fähigkeit
dazu muss erlernt werden und entsteht erst im Gebrauch.
Der nach §63a StVZO gedrosselte Motor hingegen eliminiert unterhalb von
25 km/h die Anstrengung bis auf einen unwesentlichen Rest und stellt
seine Unterstützung komplett ein, sobald diese 25 km/h erreicht sind und
eine Unterstützung willkommen oder vielleicht sogar nötig wäre, um ein
Zeitlimit einzuhalten. Bis 25 km/h braucht man jedoch aber über das
hinaus, was ein Fünfjähriger auf dem Kinderrädchen lernt, nichts zu
könnnen und man lernt auch nichts. Die verkehrspolitischen
Implikationen und Motive sind offensichtlich.
Und das erklärt z.T. auch das, worüber sich die Autoren der hier
thematisierten Studie so ostentativ wundern. Nun, auf den Gedanken,
damit E-Bikes für Kinder etwas Positives abzugewinnen, wird man in
diesen Kreisen gewiss auch noch kommen. Wetten dass?
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Wir danken für die Beachtung aller Sicherheitsbestimmungen