Am Thu, 18 Jul 2019 14:25:54 +0200 schrieb Siegfried Blos
<
use...@siegfried-blos.de>:
>Wolfgang Strobl <
ne...@mystrobl.de> schrieb:
>
>>"Da Elektro-kleinstfahrzeuge über einen elektrischen Antriebsmotor
>>verfügen, sind sie Kraftfahrzeuge nach § 1 Absatz 2 StVG."
>>
>>Daß Tretroller als Kfz einer Zulassung und eines Kennzeichens bedürfen,
>>_weil_ man sich dem Anschein nach darauf verlässt, daß die Dinger so
>>ungeschlacht und gefährlich sind, daß per Risikokompensation kaum jemand
>>damit schnell oder weit fahren würde, E-Mofas in der Geschmacksrichtung
>>Pedelec, die die älteren Benzinmofas bezüglich des Antriebs in den
>>Schatten stellen und nicht so offensichtlich ungeschlacht sind, per
>>Sonderregel aber ausgenommen wurden, ist im Grunde ein Treppenwitz.
>>
>Du solltest mal mehr darauf achten, was die Unterschiede ausmacht.
Gerne. Aber schaun wir doch mal.
>Hast du schon mal einen Stinkermofa-Fahrer mittreten sehen (ausser am
>Berg, wo der Motor den Fettsack nicht hochbekam)?
Oh ja. Ich habe das sogar selber schon gemacht, als ranker, schlanker
und leichter Jugendlicher. Das Anfahren ließ sich damit deutlich
beschleunigen. Bei den heutigen Pedelec ist das natürlich nicht
erforderlich, da genügt in der Regel, den passenden Gang auszuwählen und
ein paar symbolische Fußbewegungen zu machen, um auch Steigungen zügig
zu erklimmen, die mit vielen der damaligen Mofas kaum zu bewältigen
waren.
Aber was hat das mit dem Absatz da oben zu tun, außer insofern, daß es
ihn bestätigt? Du solltest vielleicht mal ein wenig darauf achten, was
Du schreibst, Siegfried.
Drehen wir den Spieß doch mal um. Evtl. ist es ja lustig, etablierte
Begriffe der Sprache wie Fahrrad oder Tisch alle paar Jahre mal
auszutauschen. Fahrräder gibt es in zahllosen Formen, Hochräder,
Zweiräder, Dreiräder, kurze und lange Liegeräder mit variierender Zahl
von Rädern, Tieflieger, Räder mit Handkurbelantrieb,
Stepperkonstruktionen, Fahrräder ohne Lenker, verkleidete Räder,
Rischkafahräder, ...
Gemeinsame Charakteristik ist eigentlich nur der Umstand, daß sie
ausschließlich mit Muskelkraft angetrieben werden, woraus sich dann
ziemlich unmittelbar eine ganze Reihe von Beschränkungen ergibt, die
dann auf bestimmte konstruktive, bauliche Varianten hinauslaufen,
Speichenräder, schmale Reifen, mögliche Kraftübertragungen, halt alles,
was es möglich macht, mit den wenigen Watt auszukommen, die ein wenig
trainierter Mensch aufbringen kann.
Wenn man die Einschränkung "nichtmotorisiert" streicht und Motoren
zulässt, die deutlich mehr Leistung aufbringen als ein kräftiger Mensch,
dann wirft das die Frage auf, was dann überhaupt noch als brauchbare
Definition übrigbleibt.
Meine Antwort wäre: ein leicht motorisiertes Kraftfahrzeug unbestimmter
Bauart.
Bleibt die Frage, was machen wir, wenn wir von einem Fahrrad nicht in
dieser Neusprechbedeutung sprechen wollen, sondern in der üblichen?
Ergibt sich sich die immer aus dem Kontext?
"Kinder lernen meist schon mit vier oder fünf Jahren radfahren".
"Meine Tochter hat es erst mit zehn gelernt, ist dann aber gleich den
Mont Ventoux mit hochgefahren".
"Wow."
"Ja, war aber gar nicht so einfach, einen Zweitakku zu bekommen".
"???"
Muß "Na klar, Lotta kann Fahrrad fahren" umgeschrieben werden?
"Na klar, Lotta kann nichtmotorisiertes Fahrrad fahren" klingt etwas
absonderlich.
>Fahrzeuge mit
>Kennzeichen haben einen Hebel/Griff fürs Tempo. Wo ist der am Pedlec?
Mein Auto hat keinen Hebel/Griff, sondern ein Gaspedal.
Das ist doch mehr als albern. Selbstfahrende Kfz existieren, die haben
überhaupt keine Hebel oder Griffe und sind trotzdem Kfz, kein Mensch
käme auf die Idee, das seien mit so einer lächerlichen Begründung
Seifenkisten. Es gibt Autos für Behinderte, die haben nicht die
üblichen Pedale. Wie man die Antriebsleistung eines Kfz steuert, ob das
per Joystick, Kurbel, Drehgriff, Hebel oder Pedal geschieht, ist ein für
den Begriff irrelevantes Detail.
Baum, Blume, Gurke, Fahrrad, Kraftfahrtfahrzeug, Auto, Motorrad, usw.
sind Begriffe der Umgangsprache. Ihre Bedeutung ändern sich nicht
einfach dadurch, daß ein Gesetzgeber auf die Idee kommt, sie mit einer
vom üblichen Verständnis abweichenden Bedeutung zu belegen.
Deswegen sagt man z.B. "Fahrräder im Sinne der deutschen Verordnungen
und Gesetze seit ... sind auch Motorfahrzeuge, welche ..." und im
Gesetzestext sind nur deswegen Formulierungen nötig, dass bestimmte
Fahrzeuge entgegen der üblichen Bedeutung Kraftfahrzeuge oder Fahrräder
seien (als ... gelten), weil man ohne diese Ergänzung gar nicht auf die
Idee käme.
Kraftfahrzeuge sind Fahrzeuge, die von einem Motor angetrieben werden.
Der Umstand, daß man auch Muskelkraft beisteuern kann, ändert daran
nichts. Ein Elektroauto, bei dem der Beifahrer per Tretkurbelgenerator
sowohl trainieren als auch den Akku aufladen kann, bleibt ein
Elektroauto und bleibt ein Kfz, weil der wesentliche Teil der Leistung
des Antriebs aus nicht aus der Tretkurbel kommt. Daran ändert sich auch
nichts, wenn man einen Fall konstruieren kann, bei dem das Fahrzeug
langsam rollt, der Beifahrer kräftig strampelt und das für den Moment
reicht, um das Auto in Bewegung zu halten.
Das ist der allgemeine Sprachgebrauch, der auch in den div. Verordnungen
zur Anwendung kommt, sonst müsste man dort nicht durch Sonderregelungen
und Ergänzungen ein Fahrrad, das man mit einem Hilfsmotor ausgerüstet
hat, explizit ausschliessen.
>Ohne selbst zu treten kommst du damit nicht vorwärts.
Ohne beim Auto den Zündschlüssel zu drehen und aufs Gaspedal zu treten,
komme ich damit auch nicht vorwärts und bei manchen Autos braucht man
richtig Kraft, um das Lenkrad zu drehen. Bei anderen weniger. Das ist
bei Pedelec auch nicht anders. Bei älteren ist wie bei älteren Autos
ordentlich Kraft in den Beinen bzw. den Armen erforderlich, bei neueren
nicht so sehr.
>Demzufolge ist
>es einem Fahrrad näher, als einem rein motorbetriebenen Fahrzeug.
Es ist ein Kraftfahrzeug, bei dem man etwas mehr Aufwand getrieben hat,
den äußeren Anschein eines Fahrrades aufrechtzuhalten als bei einem
klassischen Benzinmofa.
Wie diese Theaterkulisse technisch umgesetzt wird, variiert. Ich kenne
Versionen, bei denen ein simpler Trittfrequenzsensor verwendet wird, da
reicht es, wenn die Pedale bewegt werden, Leistung oder Drehmoment
seitens des Fahrrers sind überhaupt nicht erforderlich. Andere
verlangen eine gewisse Kraft bzw. ein Mindestdrehmoment auf der Kurbel,
das allerdings lächerlich gering ist. Zusammengefasst ist die
überwiegende Zahl der in Gebrauch befindlichen Pedelec so beschaffen,
daß man sie über einen großen Bereich der damit zulässigen
Geschwindigkeiten so fahren kann, daß ein Vielfaches der selbst
erbrachten Leistung vom Motor kommt. Schon in der Ebene, aber
insbesondere an Steigungen übersteigt die abrufbare Motorleistung die
eines trainierten Radfahrers erheblich.
Mit anderen Worten, es sieht zwar aus wie ein Fahrrad und könnte, genau
so wie ein Mofa, theoretisch wie ein Fahrrad gefahren werden, wird aber
in der Praxis meist wie ein Kraftfahrzeug gefahren, bei dem die Leistung
aus dem Motor und nicht aus den Beinen kommt. Es _ist_ ein
Kraftfahrzeug, genau so wie ein Motorrad ein Motorrad bleibt, auch wenn
man es anschiebt oder damit rollert. Es kommt auf die Möglichkeit an,
mit einem Motorantrieb zu fahren, bei dem die eigene Leistung nur Zugabe
ist, nicht darauf, in welchem Umfang man das nutzt.
Warum ist der Unterschied wichtig? Radfahren wird anders erlernt als das
Führen eines Kfz, benötigte Fähigkeiten und Fahrweise unterscheiden sich
erheblich.