Martin Gerdes wrote:
[Unfälle durch Geisterradeln passieren vorwiegend an Knoten]
>
>>> Echt? Hast Du Zahlen?
>
>> Nur indirekt: auf den Strecken können im Grunde nur Kollisionen mit
>> anderen Radfahrern oder Fußgängern passieren.
>
> ... oder Selbstunfälle.
Warum sollten die Geisterradlern öfter passieren als anderen?
>> Je nach Zählweise kommen außerdem ausfahrende Kfz hinzu.
> ... also Unfälle an Stellen, die man wahlweise als Knoten bezeichnen
> kann oder nicht.
Die bisher aber nicht als Knoten gezählt wurden. Würde man so zählen,
hätten wir noch deutlich mehr Knotenunfälle, für beide Fahrtrichtungen.
>> In mir bekannten Unfallstatistiken liegen Unfälle infolge
>> "falsche Straßenbenutzung"
> ... was Geisterfahren sein kann, aber möglicherweise auch andere Arten
> "falscher Straßenbenutzung"
Gehwegradler müssen abgezogen werden, das ist richtig. Radfahrer, die
auf Fahrbahnen links fahren, sind nach wie vor Exoten. Es gibt übrigens
auch etliche Unfallstatistiken, die statt des Unbegriffs "falsche
Straßenbenutzung" "Radweg links" o.ä. gelistet haben. Einzelne hatten
sogar zusätzlich "Gehweg". Die Zahlen werden dadurch nicht viel besser.
>> so deutlich über den Kollisionen zwischen Radfahrern * RF-Fußgänger,
>> dass allein schon deswegen ein großer Teil Kollisionen mit Einbiegern
>> oder Abbiegern gewesen sein müssen.
>> Das meiste passiert offenbar durch Einbieger, klar,
>> die schauen logischerweise zuerst nach links,
>
> klar.
>
>> dann nach vorn-rechts
>
> Wozu?
Linkseinbieger sollten diese Richtung im Auge behalten. ;-)
>> und ganz zum Schluss - vielleicht - auch ganz nach rechts.
> ... auf den Radweg (vor allem dann, wenn dieser zurückgesetzt ist wie
> beispielsweise hier:
>
https://www.google.de/maps/place/Berckhusenstra%C3%9Fe,+30625+Hannover/@52.3743036,9.7910592,62m/data=!3m1!1e3!4m5!3m4!1s0x47b00b7b62dd0931:0x960ae2164868687e!8m2!3d52.3764!4d9.7989798
Übel. Aber selsbt Streifen muss man als Einbieger einen *zusätzlichen*
Blick genehmigen, so jedenfalls eigene Erfahrung.
> Wer als Autofahrer bei einer solchen Lage mit Schwung bis zur Sichtlinie
> vorzieht, mangelt "richtig" und "falsch" fahrende Radfahrer
> gleichermaßen über, das ist auch unabhängig davon, ob er aus einer
> Nebenstraße einbiegt oder aus einer Grundstücksausfahrt heraus.
Bei solchen "Radwegen" *und* solcher Fahrweise ja. Vorsichtige,
aufmerksame Fahrzeugführer schauen zuerst nach links. Von dort kommen
die rechts fahrenden Radler. Der Blick nach der anderen Seite erfolgt
erst danach und wird oft genug vergessen.
BTW: Radwegzwang wird gern mit Fehlverhalten von Kfz-Führern
(Engüberholen, Geschwindigkeit) "bgründet". Bei solchen "Radwegen" setzt
man voraus, dass die gleichen Fahrzeugführer vorsichtig *und* aufmerksam
sind! Dito beim Abbiegen ...
> Handelt es sich um eine Nebenstraße wie oben, sehen die langsamen
> Fußgänger ihn und er die Fußgänger. Radfahrer aber sieht er nicht, weil
> die erheblich schneller sein können, nicht die ordnungstreuen, die sich
> von links nähern, nicht die ordnungswidrigen, die sich von rechts
> nähern.
Letztere dennoch später als erstere, wegen der o.g. Reihenfolge.
>> Die übersehen leicht mal einen Radfahrer, der von der falschen Seite kommt.
>
> Ich fände es förderlich, wenn wenigstens wir hier in dieser Gruppe nicht
> vom "Übersehen" schrieben, sondern vom "Nicht-richtig-Hinschauen".
In diesem Fall ist "übersehen" nicht völlig falsch. Radfahrer, die
schneller als ca. 12 km/h und obendrein falsch fahren, *kann* ein
Einbieger nicht immer rechtzeitig sehen. Bis 12 km/h muss er aber
rechnen, so schnell können auch Fußgänger sein. Joggen auf Gehwegen ist
nicht verboten.
> Es reicht eigentlich, wenn die Autofahreröffentlichkeit einschließlich
> der Polizei das entsprechende Versäumnis der Autofahrer kleinredet.
Was ich denen viel mehr ankreide, ist das Verschweigen des Straßenteils
"Radweg", der jenes "übersehen" offenbar stark fördert. Noch mehr werfe
ich ihnen vor, dass sie Radfahrer nach wie vor zwingen, dort zu fahren.
In letzter Zeit mehr denn je.
>>>> um nur zwei Unfallarten zu nennen, die dank "Radwegen" gehäuft an
>>>> Knoten auftreten.
>
>>> Der typische Rechtsabbiegerunfall entsteht durch "Übersehen", also
>>> dadurch, daß der Autofahrer den hier nötigen Schulterblick unterläßt.
>>> Kommt der Radfahrer aber in "falscher Richtung", so fährt er dem
>>> Autofahrer voll ins Sichtfeld, der kann ihn in diesem Fall also
>>> eigentlich nicht "übersehen".
>
>> Rechtsabbiegern dürfte das wirklich nur selten passieren, dafür umso
>> öfter Linksabbiegern.
> Ein Rechtsabbieger muß Aufwand treiben (nämlich über seine Schulter
> blicken), wenn er einen korrekt fahrenden Radfahrer erkenneb will.
> Einen Geisterradler hingegen erkennt er sehr viel leichter, er sieht ihn
> geradezu unwillkürlich.
>
> Ein Linksabbieger achtet in erster Linie auf den Gegenverkehr, denn eine
> Kollision mit einem anderen Auto ist in jedem Fall deutlich
> schwerwiegender als eine Kollision mit einem Radfahrer oder Fußgänger.
> Ob er einen "richtig fahrenden" Radfahrer erkennen kann oder nicht,
> liegt wesentlich and der Gestaltung des Radwegs. Bei zurückgesetzten
> Radwegen wie oben gezeigt ist das ziemlich schwierig. Zugegebenermaßen
> noch schwieriger ist gerade bei einer solchen, äußerst unzweckmäßigen,
> aber dennoch hierzustadt ziemlich gängigen Radwegführung die
> Sichtbarkeit eines Geisterradlers.
ACK und wie oben bereits geschrieben: selbst Streifen fordern
Linksabbiegern einen *zusätzlichen* Blick ab. Dabei ist deren
Aufmerksamkeit schon genug gesplittet:
- Nachfolgeverkehr
- Gegenverkehr, womöglich auf mehreren Fahrstreifen und
- Fußgänger aus zwei Richtungen
Dazu kommen dann obendrein
- Radfahrer aus zwei Richtungen
Letztere fahren obendrein oft genug behördlich angeordnet so.
> Ich glaube dennoch nicht, daß das in der Fahrpraxis eines Radfahrers
> einen großen Unterschied macht. Aus meiner Sicht muß ein Radfahrer, dem
> sein Leben lieb ist, bei jedem Knoten besondere Vorsicht walten lassen,
> da zu viele Autofahrer offensichtlich glauben, Fahrradfahrer hätten ihm
> in jedem Fall die Vorfahrt zu gewähren.
Die meisten glauben eher, Radfahrer seien so langsam, dass sie grad eben
noch durchkommen.
>>> An dieser Stelle hier
>
>>>
https://www.google.de/maps/place/Nienburger+Str.,+30167+Hannover/@52.3783908,9.7227886,3a,75y,313.08h,79.43t/data=!3m7!1e1!3m5!1s11OuYptxN_CgI5EKAxvh2A!2e0!6s%2F%
2Fgeo2.ggpht.com%2Fcbk%3Fpanoid%3D11OuYptxN_CgI5EKAxvh2A%26output%3Dthumbnail%26cb_client%3Dmaps_sv.tactile.gps%26thumb%3D2%26w%3D203%26h%3D100%26yaw%3D136.21736%26pitch%3D0%26thumbfov%3D100!7i13312!8i6656!4m5!3m4!1s0x47b0749c902f8e87:0xd77a7d0b7f6e2560!8m2!3d52.3842448!4d9.7134634
>
>>> ist Geisterradeln amtlich vorgeschrieben (das sieht man in diesem Bild
>>> auch). Der Radweg zur Rechten ist ein Zwei-Richtungsradweg, den ich
>>> übrigens auch dann in der Gegenrichtung benutzen würde, wenn es nicht
>>> erlaubt wäre, weil das per saldo immer noch die ungefährlichere Variante
>>> ist.
>
>> Klassischer Fall von autogerechter Innenstadt. An der Stelle würde ich
>> nicht aus der Gegenrichtung links abbiegen wollen, egal mit welchem
>> Fahrzeug.
>
> An welcher Stelle und in welcher Gegenrichtung?
Aus der Straße oben links kommend in die Straße, die nach rechts führt.
> Ich möchte Dich bitten, auf mein einfaches Gemüt Rücksicht zu nehmen und
> beispielsweise zu schreiben: "Aus der Nienburger Straße in die
> Schloßwender Straße nach links abbiegen zu wollen ..." Dann ist klar,
> welche Gegenrichtung und welche Stelle Du meinst.
> In der Sache täuschst Du Dich. Sowohl aus der Nienburger Straße als auch
> aus dem Bremer Damm ist das Linksabbiegen durch geeignete Ampelschaltung
> unproblematisch. Wenn man davon absieht, daß eine Ampel, die von Grün
> unmittelbar auf Rot umspringt, für ein Fahrzeug, das 30 km schnell sein
> kann und einen entsprechenden Bremsweg hat, ist die
> Fußgänger/Fahrradfurt über die Schloßwender Straße per Rot gesperrt,
> wenn Fahrzeuge aus der Nienburger Straße oder dem Bremer Damm
> herauskommen. Gleichzeitiges Grün haben nur die Rechtsabbieger aus der
> Brühlstraße Richtung Schloßwender Straße und die Fußgänger/Fahrradfurt.
> Und der Fahrradweg ist an dieser Stelle halt offiziell ein
> Zwei-Richtungsweg. Der Rechtsabbieger, der selbst Grün hat und gern
> weiterfahren möchte, muß an dieser Stelle eben streng genommen Radfahrer
> aus beiden Richtungen vorfahren lassen. Nicht jeder Autofahrer hat aber
> diese Geduld. Es kann übrigens sehr wohl sein, daß der Radverkehr dort
> so stark ist, daß die ganze Auto-Grünphase verstreicht, ohne daß der
> Autofahrer passieren kann. Entsprechend frustig wird der Autofahrer
> reagieren (z.B. selbst bei Rot fahren oder in der nächsten Phase bei
> Grün durchfahren und dem Radverkehr die Vorfahrt nehmen oder durch den
> Radverkehr "durchdrücken". Alles schon gesehen.)
In solchen Fällen ist getrennte Signale für Rechtsabbieger und
Geradeausfahrer sowieso besser - und sicherer. Eigentlich müsste das für
Straßen mit "Radwegen" sowieso Vorschrift werden. Damit wäre zugleich
das Scheinargument vom Tisch, man könne mittels Zwangsradwegen die
Räumzeiten verkürzen und damit das Ampeltiming optimieren (amtliche
Behautptung Magdeburg).
>>>> Die meisten Abbiegeunfälle werden durch "Radwege" begünstigt, wenn nicht
>>>> gar erst möglich. Unfälle durch Geisterradeln passieren ebenfalls
>>>> vorwiegend an Knoten, um nur zwei Unfallarten zu nennen, die dank
>>>> "Radwegen" gehäuft an Knoten auftreten.
>
>>>> Die Unfälle verlagern sich natürlich nicht wirklich, lediglich
>>>> ihre quantitative Verteilung.
>
>>> Woher weißt Du?
>
>> Diese Aussage findet sich schon Anno 1994 in BASt V009. Auf eine der
>> dort enthaltenen Grafiken wurde erst kürzlich verwiesen:
>>
http://bernd.sluka.de/folien/gif/Unfallfolgen.gif
> Diese Graphik kann ich nicht verstehen (OV? LV? SV?, und die Seite, auf
> der sie verlinkt ist, finde ich nicht.
Musste ich auch erst erraten:
O/S/V =Ohne/Leicht/Schwer V = Verletzt
>> Sie weist mehr doppelt so viele Unfälle auf der Strecke als an Knoten
>> bei Fahrbahnführung gegenüber Strecke:Knoten < 1,5 bei Radwegen aus. Und
>> sogar das ist insofern verwunderlich, weil in Unfallberichten immer
>> wieder behauptet wird, die meisten Verkehrsunfälle würden an Knoten
>> passieren.
> Für die Beantwortung einer solchen komplexen, aber auch zentralen Frage
> muß ich mehr zu Rate ziehen als eine einzelne Graphik.
Sie ist die Zusammenfassung der umfassenden Untersuchung einer zugegeben
nicht allzu großen Anzahl Straßen.
> Ganz allgemein bin ich sehr zurückhaltend mit amtlichen Statistiken.
> Woher sollen deren Daten denn kommen? Etwa von der Polizei, die bei
> Unfällen mit Fahrradbeteiligung nicht selten schlampig und oberflächlich
> aus Windschutzscheibenperspektive recherchiert?
Das ist gerade für BASt V009, aus der die Grafik stammt, recht gut
dokumentiert. Wenn die Daten aus Windschutzscheibenperspektive erfasst
und verarbeitet wurden, wäre das insofern nicht schlimm als das Ergebnis
dennoch *nicht* für Radwege spricht. Rechne ich der BASt übrigens hoch
an, vermutlich waren die Auftraggeber der Studie am gegenteiligen
Ergebnis interessiert z.B. deswegen, weil der ADFC damals noch massiv
die Abschaffung der Benutzungspflicht gefordert hat. Deswegen wurde die
Untersuchung evtl. sogar in Auftrag gegeben.
>>> Ich glaube das nicht, ich halte die Vorstellung auch nicht für
>>> plausibel. In meinen Augen entstehen an Knoten zusätzliche Unfälle, die
>>> es ohne Autoverkehr nicht gäbe.
>> Den Einfluss des Autoverkehrs bezweifelt niemand. Im Gegenteil, die
>> Konzentration von Unfällen an Knoten ist ein Hauptargument gegen die
>> Trennung von Kfz- und Radverkehr, weil sie nicht 100% umsetzbar ist.
>>> Einfahrten sind strenggenommen auch Knoten.
>
>> Die Frage ist, wie sie (statistisch) gezählt werden.
> Klar. Habe ich hier nicht schon einmal beklagt, daß den Ursachen mit
> Fahrradbeteiligung nicht intensiv und sorgfältig genug nachgegangen
> wird?
Wie hoch der Anteil fahrradspezifischer Untersuchungen im Vergleich zum
Kraftverkehr ist, weiß ich nicht. Allein von der BASt kenne ich seit
1990 sieben Untersuchungen, die sich speziell mit Radverkehr befassen.
Hinzu kommt eine von der UdV (Versicherer) und auch GIDAS
(Verletzungsfolgen) muss dazu gerechnet werden. Miserabel ist vor allem
die polizeiliche Erfassungsweise von Fahrradunfällen. Umso erstaunlicher
sind die Daten, die bei Destatis bundesweit rauskommen. Bei
sorgfältigerer Erfassung würden "Radwege" wahrscheinlich noch schlechter
abschneiden. Momentan kann man ja nur auf Grund des typischen Vorkommens
bestimmter Unfallursachen (Geisterradeln, Abbiegen) auf den Straßenteil
schließen.