Am Tue, 5 Jul 2022 10:13:21 +0200 schrieb "Chr. Maercker"
<
Zwei...@gmx-topmail.de>:
>Wolfgang Strobl wrote:
... ich kommentiere jetzt doch noch mal, weil einige Formulierungen
offenbar immer noch missverständlich sind bzw. missverstanden werden
können, wenn man es darauf anlegt.
>> Es gibt jedenfalls reihenweise Indizien, dass Helmgebrauch mit erhöhtem
>> Unfallrisiko (incl. mehr Kopfverletzungen im vorgeblich geschützen Teil
>> des Kopfes) einhergeht und div. Mechanismen, die dafür als Erklärung
>> dienen könnten. Die naive These, dass Helme grundsätzlich vor Tod oder
>> Invalidität durch SHT schützen, dass es nur noch darum ginge zu messen,
>> wie viel sie schützen, konnte schon zu Zeiten der offensichtlich
>> fehlerhaften Studie von T&R verworfen werden, ist aber immer noch die
>> Grundlage der meisten Pro-Radhelm-Propaganda: so lange man nicht genauer
>> hinschaut, ob diese als Voraussetzung dienende Annahme überhaupt stimmt,
>> gibt es keinen Zweifel. Also läßt man einen Autotechnik-Prüfverein die
>> Validität der Annahme durch eine Meinungsumfrage prüfen. Wie dumm ist
>> das denn?
>
>Dabei ist der Anteil der Kopfverletzungen bei schwer(st)verletzten
>Autofahrern ähnlich hoch wie bei Radfahrern. Eine Forderung nach
>Autohelmen wäre also ähnlich "gut" begründet wie die pro Radhelme.
Der Anteil der Kopfverletzungen bei den tödlichen Unfällen liegt bei
etwa 60%. Von den Verkehrsunfalltoten, isoliert betrachtet, sterben
sogar 70% an Schädelhirntrauma.
Wörtliches Zitat, konnte man schon 1990 in einem Textbuch der Neurologie
nachlesen, zitiert habe ich das hier erstmals 1995, oder früher. Auf
der Basis kann man abschätzen, dass knapp 90% der als Folge eines bei
einem Unfall erlittenen Schädelhirntraumas Gestorbenen _nicht_ Fahrrad
gefahren sind, als sie verunfallten, sondern Fenster geputzt haben, auf
einer Treppe gestürzt sind, oder halt in einem Auto sassen. Eine
Forderung nach Sturzhelmen, für jedermann und jederzeit, wäre also
ähnlich gut begründet (also: genau so unbegründet) wie die nach
Fahrradsturzhelmen.
>
>> Das ist so, als würde man den BDSI damit betrauen, die Frage zu klären,
>> ob der Konsum von Rohrzucker einen Einfluss auf die Zunahme von
>> Fettleibigkeit hat.
>
>>> *Das* zumindest hatte vor Jahren ein Psychologe systematisch ausgetestet.
>>
>> Bernd Sluka hat es meiner Erinnerung zufolge angezweifelt. Nicht den
>> Sachverhalt, sondern die Validität des Tests und der Schlussfolgerung.
>
>Tom Schlüter hat das im Parallelposting korrigiert: Zumindest auf die
>Überholabstände hat es keinen Einfluss. Wäre auch schwer nachvollziehbar.
So einfach ist das nicht. Knackpunkt des Einwands von Tom ist der Satz
"Man wird eh nicht vom Mittelwert gestreift, sondern von der Handvoll
Ausreißer". Dem schließe ich mich an und halte die Studie von Walker, so
wie beschreiben, schon im Ansatz für wertlos. Bzgl. ""je weiter zur
Mitte, desto mehr Respekt durch Überholer" (aus Toms Posting),
folgendes.
Ein Jahr vor dem obigen erwähnten Posting, also 1994 schrieb ich hier in
drf in einer Diskussion über Seitenabstände, in der es um "Mitten auf
der Spur" vs. "Am Straßenrand kleben" ging, folgendes
| Meine Erfahrung ist, daß Autofahrer einen Radfahrer mit etwa dem-
| selben Abstand überholen, den dieser vom Straßenrand einhält. Warum
| dies so ist, ob da ein gewisser Hang zur Symmetrie mitspielt, oder
| ob dies von der Wahrnehmungspsychologie erklärt werden kann, weiß
| ich nicht. Vielleicht ist es ja so, daß Autofahrer den Abstand zum
| Straßenrad wesentlich besser wahrnehmen und kalkulieren können
| (einfach wegen der dauernden Übung, und weil er nicht so wackelt)
| als den Seitenabstand zu einem fahrenden Fahrzeug. Und je näher der
| Radfahrer dem Straßenrand ist, um so mehr wird er (nicht bewußt, sondern
| mit dem Kleinhirn) als Teil des Straßenrandes gesehen, zusammen mit
| parkenden Fahrzeugen, stehenden Fußgängern ... . Und an sowas haarscharf
| verbeizufahren, das beherrscht jeder einigermaßen geübte Autofahrer
| buchstäblich im Schlaf. Daß viel geübt wird, sieht man an den
| vielen abgefahrenen Rückspiegeln links.
|
| Wenn der Radfahrer hingegen einen ausreichenden Abstand zum
| Straßenrand einhält - Faustregel: ein klein wenig weiter links fahren
| als die rechten Reifen des vor einem fahrenden Autos - dann wird
| er als fahrendes Fahrzeug wahrgenommen, das auf die übliche Weise
| und mit einem halbwegs angemessenen Seitenabstand überholt wird.
|
| Daß dies vom Autofahrer als viel gefährlicher wahrgenommen wird,
| ist klar. Aber genau deswegen ist es ja sicherer.
Das ist nicht das Prinzip "viel hilft viel", oder "je mehr, um so
besser", sondern der Versuch, in aller Kürze ein realistisches und
praktisch angewendbares Rezept zu formulieren und es auch zu begründen,
eine "Faustregel" halt, zu der ich auch heute noch stehe.
Vielleicht erinnert sich jemand auch noch an meinen Disput mit Martin
Gerdes, der mir anhand von ein paar Fotos, in denen es um einen
Snakebite ging, vorgeworfen hatte, ich sei selber schuld, da ich ja viel
zu weit rechts gefahren sei, weil ich nicht den ganzen Fahrstreifen
beansprucht hätte.
Meine Versuche, vor der Festschreibung der unkonditionalen 1,50 resp
2,00 m Mindestseitenabstand, die m.E. kontraproduktiv ist (sie ist
faktisch nicht durchsetzbar, aber ideal geeignet, Fahrbahnen für
Radfahre zu sperren bzw. eine wasserfeste Begründung dafür zu liefern)
hier wenigstens in homöopathischen Dosen eine Diskussion darüber zu
starten, verliefen ohne jedes Ergebnis.
Woran es liegt, dass den meisten Leuten, auch der vergleichsweise gut
informierten Population hier, kaum begreiflich zu machen ist, dass weder
ein Mittelwert von Überholseitenabständen für sich genommen irgend etwas
Sinnvolles aussagt, noch dass ein üppig wirkender gesetzlicher
Mindestabstand mehr bewirkt als variierend erratisches Verhalten und
Fahrverbote für Radfahrer, konnte ich mir weder damals erklären, noch
kann ich es heute.
Wunschdenken wäre die naheliegendste Erklärung, das greift bei Helmen,
bei Radwegen, Blinklicht, Flutlicht, Lametta generell, warum also nicht
eine Zahl, an der man sich festhalten kann. Da hat man was Eigenes,
Konkretes, das ist leicht zu merken, weiterzuerzählen und als Grund
benennbar, der einem schon bei der kleinsten Unpässlichkeit das Leben
gerettet hätte.
Nun, dieser Zug ist vorläufig abgefahren, eine weitere Diskussion
unersprießlich.
>
>> Die Beobachtung, dass Rennradfahrer, die
>> - leider - überwiegend mit Helm fahren, weil das die übliche Uniform
>
>ACK, seit Jahrzehnten. Auch wenn es einst nur Sturzkappen waren.
Tatsächlich wurden bei der der Tour de France die Narrenkappen auf
Betreiben der Sponsoren den Fahrern erst 2005 aufgezwungen und dann gab
es eine ganze Weile Ausnahmen für die Anstiege. Die meiste Zeit wurde
die TdF ohne Helme gefahren und die sehr wenigen Todesfälle waren zu
einem großen Teil nicht so, wie die Helmpropaganda gerne suggeriert.
Einer ist sogar ertrunken.
2004 hatte ich recherchiert und geschrieben
| In den letzten hundert Jahren waren es insgesamt vier, davon einer
| durch Ertrinken, einer durch Erschöpfung, mutmaßlich als Folge von
| Doping. Schon allein bei der Anreise der Zuschauer per Auto dürften
| insgesamt erheblich mehr Menschen ums Leben gekommen sein.
|
| Und dann gibt es natürlich noch die Todesfälle, bei den anderen
| Teilnehmern, den Zuschauern. Der letzte mir bekannte solche Todesfall
| war übrigens ein Kind, das von einem Begleitfahrzeug eines hier in Bonn
| ansässigen Sponsors angefahren worden war.
Der Lakritzhersteller ist mit Firmensitz, Logistik und einem Teil der
Produktion längst ins umliegende Landwirtschaft-Ödland umgezogen und
zahlt da Steuern. Ich fahre gelegentlich unter der Autobahn hindurch,
die man in Teilen spendiert hat, um ihn da hinzulocken. Sponsor ist er
auch nicht mehr, glaube ich, jedenfalls sieht und hört man nichts mehr
davon.
>
>> ist, auch weniger Probleme mit engem Überholen haben, so lange das der
>> Situation angemessene Abstände nicht unterschreitet, als es in diesem
>> Zusammenhang als Terminus technicus gebraucht "Torkelradler", legt eine
>> Korrelation nahe, aber nicht, dass eine solche Korrelation problematisch
>> ist.
>
>> Ich unterstelle, dass niemand derjenigen, die in der Umfrage mit "kein
>> Problem damit" antworteten, irgend ein Problem damit haben, dass als
>> Folge des zunehmenden Helmgebrauchs auch Rennradfahrer mit dem Problem
>> zu kämpfen haben, dass Autofahrer oft kaum noch dazu bewegt werden
>> können, zu überholen, obwohl das problemlos möglich wäre.
>
>Hast Du das auch beobachtet?
Ja, das beobachte ich regelmäßig, von einem sonderbaren Fall beim
Anstieg hinter Remagen hatte ich im konmmentierten Posting doch gerade
erst berichtet!
Es ist insofern interessant, als die Verteilung keineswegs so ist, dass
man eine Normalverteilung um einen Mittelwert herum vermuten würde,
sondern eher unterschiedliche Gruppen (oder Kombination aus Gruppe und
Situation), die unterschiedlich schiefe Verteilungen produzieren, aber
nicht so variierend, dass wieder eine Glockenkurve herauskommt. M.a.W.
es gibt wenige unterschiedlich gepolte Fahrer und wenige Variationen,
die je nach Situation getriggert werden. Beispiel: jemand der in einer
etwas zu engen Strasse eisern die 1,50 m einhalten will (oder was er
oder sie dafür hält), und dann je je nach Dauer irgendwann durchdreht,
oder halt nicht und hinterherfährt. Das beobachte ich immer mal wieder.
>Nicht als Massenerscheinung, aber einzelne
>Autofahrer haben mich damit schon verunsichert.
Viele ignorieren es völlig, bei einem Teil davon, die einfach
situationsabhängig vernünftig überholen, ist mir das sehr recht.
Problematisch ist, dass der Anteil, der korrektes Überholen gar nicht
erst lernen wird, langsam, aber kontinuierlich wächst. Das ist zu
erwarten und ich meine es auch zu bemerken.
>
>> Was ich längst nicht mehr mache: in solchen Situationen mein Tempo zu
>> erhöhen.
>
>Mach ich je nach Situation. Wenn es z.B. zum "Mitschwimmen" gut ist,
>beschleunige ich schon mal.
Nun, die Bemerkung bezog sich spezifisch auf die geschilderte Sitation
| Gerade erst beim Aufstieg von Remagen unten am Rhein hoch zur Hochebene
| erlebt: ich mühe mich da nach langer Fahrt mit um die 7 km/h die
| Serpentien hoch, mit einem SUV in Schritttempo hinter mir, der jede
| Gelegenheit zum Überholen auf einer Fahrbahn auslässt, ...
Ich bezweifle sehr, dass du in der geschildeten Situation zum
"Mitschwimmen" beschleunigst. Muß ich wirklich erklären, warum ich es
nicht tue? Ok, also: Weil ich die wenigen Reserven, die ich da noch
habe, nicht für eine lächerliche und sinnlose Geste verbrennen will.
Einen Spaßvogel auf einem Pedelec, der da mit 22 km/h an mir
vorbeizieht, mag ich vielleicht noch beeindrucken können, wenn ich mit
knapp 25 km/h wieder an ihm vorbeiziehe, das halte ich 10-20 Sekunden
lang durch, aber erstens ging es da noch ca fünf Kilometer weiter hoch
und zweitens macht es bei einem Fahrzeug, das möglicherweise 200 kW
Antriebsleistung hat, absolut keinen Sinn. Darüberhinaus rechne ich bei
so einem Verhalten mit allem und verzichte auch deswegen darauf, irgend
eine Reaktion zu zeigen, die über ein, zweimaliges Andeuten, den Weg zum
Überholen zu erleichtern, hinausgehen.
Mitschimmen ist was anderes, da geht es eher darum, den Anschluss zu
einem vorausfahrenden Fahrzeug zu halten, um in dessen Windschatten
fahren zu können (mehr figurativ: es räumt einem den Querverkehr aus dem
Weg) und nicht abgedrängt zu werden.
>
>>>> Meine Sportkameraden können aber auch nicht nachvollziehen, dass ich
>>>> ohne Helm RR-Runden und MTB-Touren fahre.
>
>>> Beides sind Nutzungsarten, wo vielleicht tatsächlich über Helme
>>> diskutiert werden könnte.
>
>> Diskutieren kann man über jeden Unsinn. In einer Welt, in der einer
>> Mehrheit klar wäre, dass Helme eher dazu motivieren, Risiken einzugehen
>> als sie zu vermeiden und dass jeder die Freiheit hat, ein paar
>> Schürfwunden oder Platzwunden weniger gegen ein geringfügig höheres
>> Risiko eines schweren SHT abzuwägen, wüsste ich keinen Grund, über
>> Fahrradhelme zu diskutieren.
>
>Rennrad und MTB sind Sportgeräte. Mit denen werden gewisse Risiken
>eingegangen, die im Alltag i.a. lieber vermieden werden. Deswegen wäre
>eine Diskussion berechtigt, eine Verpflichtung nicht.
Nein. Aber darauf bin ich an anderer Stelle schon eingegangen.
MTB sind Baumarktschrott und Rennräder was für junge Mädchen, die in
normalem Outfit und wehendem Haar auf der Strasse eine gute Figur machen
wollen. SCNR.