Am Tue, 24 Mar 2020 12:47:25 +0100 schrieb "Chr. Maercker"
<
Zwei...@gmx-topmail.de>:
>Christian Barthel wrote:
>> Ist das tatsächlich so das man ab 25 km/h schwerer pedaliert?
>> OMG. Oder ist das darin begründet das ab 25 km/h kein Schub mehr
>> des Motors geleistet wird und so ein 25kg SUV auf der Straße
>> klebt wie ein Klotz?
>
>Letzteres.
Ersteres. So lange man nicht eine Steigung hinauffährt, überwiegt
oberhalb von 25-30 km/h der Luftwiderstand. Wenn ich für so ein
25kg-Trumm, der Hollandradhaltung und einem einigermaßen großen und
schweren Fahrer kalkuliere, komme ich in der Ebene mit 200 W verfügbarer
Leistung auf genau 25 km/h.
Wenn mit Turbo etc. pp. der Fahrer bis 25 km/h kaum Eigenleistung
erbringen muß, dann aber bis 28 km/h auf Null runtergeregelt wird und so
der Leistungsbedarf von, sagen wir, 80 W auf 280 W hochgeht, dürfte sich
das bei einer guten Steuerung wie das Fahren gegen eine Gummiwand oder
in einen zähen Morast anfühlen, bei einer schlechten auch heftiger.
Der entscheidende Unterschied zu einem Fahrrad ist aber, daß der Fahrer
des E-Mofas sich beim Beschleunigen bis zu diesem Limit i.W. ausruhen
konnte und das im Prinzip an der Grenze beliebig lange durchhalten kann,
während der Radfahrer die ganze Arbeit und Leistung in dieser
Beschleunigungsphase selber erbringen musste und die z.B. 200 W
aufbringen muß, um das Tempo zu halten. Das Fahrzeuggewicht spielt
hier kaum eine Rolle.
M.a.W. mit dem Motorfahrzeug kann man einen gleich starken Fahrer auf
dem Fahrrad so mit Leichtigkeit davonfahren, Fahrer auf Rennsportniveau
mal ausgeklammert.
An Steigungen verschiebt sich das noch mehr zuungunsten des Radfahrers,
einfach weil die Definition des Pedelec hier die verfügbare Leistung
weniger bis kaum noch limitiert. Wo ein normalstarker Fahrer nicht mehr
>25 km/h fahren kann, spielt der Geschwindigkeitsdeckel keine Rolle
mehr. Und wenn es so steil ist, daß auch die 6 km/h schon zehren,
entfällt auch die Leistungslimitierung.
Bergab ist ist nicht umgekehrt, das E-Mofa kann man genau so rollen
lassen wie das Fahrrad, mehr Gewicht ist sogar förderlich, weil der
Luftwiderstand anteilig weniger ausmacht und tempotaugliche Entfaltungen
gehen prinzipiell auch da. In der Praxis werden sich allerdings je nach
Ausführung Verluste von nicht auskoppelbaren Teilen der Mechanik
auswirken.
Geschwindigkeitsvorteile gegenüber diesen Motorfahrzeugen haben
Radfahrer dort, wo sie über längere Distanzen mit Geschwindigkeiten
oberhalb von 25-27 km/h fahren können, also auf Rennrädern mit
entsprechender Haltung, auf Liegerädern, vornehmlich den verkleideten,
in der Ebene und in leichtem Gefälle. Mit 200 W kann der obige Fahrer
in der Ebene dauerhaft ca 33 km/h. fahren. Oder eine 2%-Steigung immer
noch mit 23 km/h. Und die dann runter mit 150 W und 40 km/h, oder sie
ganz ohne Treten mit 30 km/h runterrollen.
Entsprechend läßt sich auch mit bequemen 150 W und kaum merklichen
Steigungen (z.B. 1%) rechnen, auch hier möchte man, wenn man's kann,
eigentlich nicht motorisiert fahren, weil man auch ohne den Motor
schneller vorankommt, ohne sich dafür überanstrengen zu müssen.
Wenn das primäre Ziel allerdings ist, sich weniger oder gar nicht
anzustrengen, oder einen Ausdauerwettbewerb im Bereich der Kapazität
eines E-Mofa-Akkus zu gewinnnen, lohnt sich die Kalkulation nicht: wer
genügend langsam fährt und so dann meist ~250 W zusätzlich, also mehr
als der Radfahrer insgesamt zur Verfügung hat, gewinnt diesen
Wettbewerb, ohne sich dafür überhaupt anstrengen zu müssen.
Und das kennzeichnet den Unterschied zwischen Pedelec, wie es bei der
Markteinführung dem Publikum als Konzept verkauft wurde, und dem, was
derzeit mit diesem Label als aktuelles Produkt verkauft wird. Ein
Pedelec ist kein Mofa, es ist als motorisiertes Fahrzeug
leistungsfähiger als ein Mofa.
>Die E-Karre ist schwerer als mein Patria Ranger mit
>Rohloff-Nabe, auch nicht gerade ein Leichtgewicht unter den Fahrrädern.
>
>> In jedem Fall könnte das erklären warum man fast alle E-Bike
>> Fahrer (die hier auf den Touristenstrecken im Alpenvorland immer
>> häufiger zu sehen sind) ohne Probleme mit einem normalen Fahrrad
>> überholen kann.
>
>Auch an Steigungen? Selbst hier im Flachland überholen mich zunehmend
>E-Räder, während ich nach wie vor etwas schneller als die Mehrheit der
>Radfahrer fahre.
Ich habe das im Flachland auch schon bemerkt. Wo ich auf meiner Runde
gelegentlich mal ein wenig innegehalten hatte und mit deutlich weniger
als 25 km/h fuhr, und die Gelegenheit da war, wurde ich prompt überholt.
Es sind halt Mofas und werden wie Mofas gefahren. Gasdrehgriff auf
Anschlag und fertig. Daß man beim Pedelec ab und zu ein wenig treten
muß, damit's läuft, macht keinen großen Unterschied. Die Tage sah ich
hier eine junge Frau auf einem m.E. neuwertigen Pedelec vorbeifahren,
die das erkennbar optimiert hatte: Kurbeln, Pause, einundzwanzig,
zweiundzwanzig, dreiundzwanzig, vierundzwanzig, kurbeln. Rinse and
repeat. Und der kraftsparende Bewegungsablauf, den man braucht, um
einen Boschmotor zu überzeugen, läßt sich genau so trainieren wie der
Bewegungsablauf, den man braucht, um selber für den Vortrieb zu sorgen.
Irgendwann ist das Routine und es fällt dem Fahrer gar nicht mehr auf.
Der aufmerksame Beobachter hingegen erkennt's an der Körperhaltung.
Die Erklärung für die Steigungen im Alpenvorland überzeugt mich nicht.
Die fahren da langsam, weil sie es gewohnt sind, langsam zu fahren. Und
vielleicht, weil sie Akkukapazität sparen wollen, um nicht an einer
Steigung ohne Antrieb dazustehen. Man muß ja bedenken, der Treibstoff,
denn die Leute auf ihren Hüften spazieren fahren, steht ihnen ja in
praktisch unbegrenztem Umfang zur Verfügung, er ist halt nur nicht so
gut abrufbar und in Leistung umzusetzen. M.a.W. wenn man langsamer
fährt, und Zeit keine Rolle spielt, kommt man weiter.
Ansonsten, siehe oben. Es kommt darauf an, über welche Geschwindigkeiten
wir hier konkret reden.
>
>> Ich habe am Wochenende etliche Fahrer solcher "Elektro-Motorräder"
>> gesehen. Ich Frage mich wie man Kindern in Zukunft erklären
>> will, dass sie ohne Motor fahren sollten, wenn Familenväter /
>> Mütter mit sowas fahren. Entweder kriegen dann Kinder bereits
>> ebenso E-Bikes und verlieren eine weitere Möglichkeit sich
>> sportlich zu betätigen, oder die Kinder haben vermutlich weniger
>> Lust bei Radtouren sich anzustrengen und lassen es gleich
>> bleiben. Beides schade und die Lösung wäre so einfach und
>> deutlich billiger.
>Die Erstanschaffung ist nicht wirklich billiger, gute Fahrräder liegen
>in der selben Preisklasse.
Richtig. Um es noch mal zu schreiben: Mängel, die entstehen, wenn man
ein billiges Fahrrad produzieren möchte, lassen sich durch einen
Motorantrieb so kompensieren, daß es dem unaufmerksamen Kunden nicht
auffällt, das betrifft fast alle Kompenenten, Gewicht, Rollwiderstand,
unzureichende, schlecht bedienbare Schaltung, ungünstige Sitzposition
mit Folgen für Luftwiderstand und Kurbelantrieb, Leistung fressende
Federung ...
Unter dem Strich ergibt sich diese Relation, für den Preis eines
billigen Pedelec läßt sich kaum ein Fahrrad bauen, das auf erträgliche
Weise ähnliche Fahrleistungen erlaubt.
Das heißt alledings nicht, daß man nicht einfache Gebrauchsfahrräder
bauen kann, die erheblich unterhalb dieses Preisniveaus liegen. Was als
Baumarkthollandrad vertickt wird, zeigt auf, wie das geht. Nur weil
sich entsprechend abgespeckte Gebrauchsräder kaum noch verkaufen und
deshalb auch nicht mehr angeboten werden, weil sie durch Pedelec
verdrängt werden, bedeutet das nicht, daß solche Produkte nicht möglich
sind oder sinnlos. Das gegenüber meinem jetzigen Baumarkthollandrad
deutlich teurere Sparta, das mir irgendwann auf dem Parkstreifen zu
Klump gefahren worden war, unterschied sich i.W. durch hochwertigere
Komponenten (5-Gang Pentasport statt Noname-3Gang-Nabe,
Sachs-Trommelbremse), die ich nicht (mehr) brauche und durch eine
erheblich bessere Geometrie, die m.E. kein Geld kostet. Dafür hat das
aktuelle Gerät einen Nabendynamo. Ein Herrenrad mit vernünftiger
Geometrie, aber den Komponenten auf dem Niveau des Baumarkthollandrades
mit dessen Preis ist m.E. inzwischen unverkäuflich. Ich brauch' das
nicht, aber ich brauch' ja auch weder ein Pedelec noch ein Bahnhofsrad.
Kein Wunder, daß alte Rennräder so begehrt sind.
>Was wenig später reinhaut, sind die Kosten
>für ständig neue Akkus. Und sonstige Reparaturen, weil man für den Preis
>eines haltbaren Fahrrads maximal E-Räder in gehobener Baumarktqualität
>bekommt.
Das Problem ist, daß die E-Räder in Baumarktqualität die
Gebrauchsfahrräder in gehobender Baumarktqualität verdrängt haben oder
dabei sind, sie zu verdrängen.