Bernd Schwegmann <
alb...@ewetel.net> schrieb:
>Der Aufstieg des MMR war begleitet von häßlichem Rumor über die Karriere
>unseres Kritikerpapstes beim poln. Geheimdienst, mit der Aufgabe, die
>Austreibung der noch verbliebenen Deutschen aus den neuen poln.
>Westgebieten zu organisieren.
Ich halte es für keine gute Idee, von Künstlern, Schriftstellern und
Philosophen ein insgesamt vorbildliches Leben zu erwarten, um ihnen
dann entsprechend huldigen zu können. Taucht der kleinste Kratzer (oft
erst aus heutiger Sicht) auf, etwa rassistische, nationalistische oder
frauenfeindliche Äußerungen, geniert man sich fortan, deren Kunst und
Texte gut zu finden - obwohl sich oft in den Werken nur mit viel Mühe
Anstößiges zeigt.
Differenzierte Urteile über andere fallen den Menschen offenkundig
schwer, besonders dann, wenn es um herausragende Persönlichkeiten
geht.
Ursprünglich war hier der Vorwurf an MRR, er sei arrogant und ein
"angemaßter" Literaturpapst. Ich bin bei vielen Büchern nicht seiner
Meinung, aber das heißt genau nichts. Literaturkritik ist nicht die
Predigt der Wahrheit, sondern Diskurs. Es ist auch nicht die Aufgabe
von Literaturkritik, eine literaturwissenschaftlich begründete,
"sachliche" Wertung abzugeben. Deswegen sind die von MMR demonstrierte
Leidenschaft und sein oft vehementer Standpunkt geradezu
Voraussetzungen einer gelungenen Literaturkritik. Im Übrigen spürt
jeder mit ein bisschen Menschenkenntnis, dass hinter den schärfsten
Verrissen MMRs immer die Liebe zur Literatur stand.
Die Kritik hat ihn und seine Bücher genauso behandelt. In "Lauter
Verrisse" ist er sich des Zusammenhangs von Bewerten und
Bewertet-Werden sehr bewusst:
| Wie nämlich die Autoren, die über die
| Unarten und Sünden der Kritik klagen, sich,
| sobald sie selber Bücher rezensieren, die
| gleichen Unarten und Sünden zuschulden
| kommen lassen, so sind auch die Kritiker,
| sobald ihre eigenen Bücher rezensiert
| werden, mit der Empfindlichkeit und
| Verwundbarkeit geschlagen, die mehr oder
| weniger für alle Autoren charakteristisch
| sind. Und es mag eine tiefere Gerechtigkeit
| darin sein, daß – wie die Geschichte der
| Literaturkritik lehrt – jene, die viel
| verreißen, besonders oft verrissen werden:
| Das literarische Gewerbe war immer schon
| gefährlich, wer es ernsthaft ausübt, riskiert,
| daß er Sturm ernten wird, und wer Wind
| sät, der muß erst recht mit Stürmen
| rechnen.