a.anderer
unread,Jan 19, 2024, 6:45:02 AM1/19/24You do not have permission to delete messages in this group
Either email addresses are anonymous for this group or you need the view member email addresses permission to view the original message
to
Ein Artikel von Oskar Lafontaine
Die SPD steht in einer Umfrage bei 13 Prozent. Deshalb gerät Olaf
Scholz in der eigenen Partei zunehmend unter Druck. Jetzt hat sich
Bundespräsident Steinmeier zu Wort gemeldet: „Wenn die Glaubwürdigkeit
der Regierung sinkt, hängt das auch damit zusammen, dass
Entscheidungen nicht ausreichend kommuniziert oder akzeptiert worden
sind.“ Von Oskar Lafontaine.
Wenn ein Unglaubwürdiger einem anderen Unglaubwürdigen
Unglaubwürdigkeit vorwirft, dann werden beide dadurch nicht
glaubwürdig. Steinmeier fehlt hier die Erkenntnis, die einer seiner
berühmten Vorgänger, Gustav Heinemann, hatte: „Wer mit dem Zeigefinger
allgemeiner Vorwürfe auf den oder die vermeintlichen Anstifter oder
Drahtzieher zeigt, sollte daran denken, dass in der Hand mit dem
ausgestreckten Zeigefinger zugleich drei andere Finger auf ihn
zurückweisen.“
Wie Scholz hat Steinmeier durch seine Feindseligkeit gegenüber
Russland Deutschland schweren Schaden zugefügt. Auch er tut so, als
schicke sich Russland an, Deutschland zum dritten Mal zu überfallen
und als sei es eine Unverschämtheit, dass Russland seine Grenze so nah
an die NATO-Länder geschoben hat.
Wenn die Rechte stark wird, fehlt eine glaubwürdige, moralische
Stimme, die den ersten Satz des Grundgesetzes in Erinnerung ruft: „Die
Würde des Menschen ist unantastbar.“
Angesichts des Erstarkens der Rechten ist es wieder notwendig, den
Antisemitismus zu bekämpfen. Aber ein Bundespräsident, der schweigt,
wenn in der Frankfurter Paulskirche der Friedenspreis des Deutschen
Buchhandels an den ukrainischen Schriftsteller Zhadan verliehen wird,
der die Russen als „Unrat“, „Tiere“ und „Schweine“ bezeichnete, und
der vergessen hat, dass die Deutschen 27 Millionen Sowjetbürger
umgebracht haben, der ist eine Fehlbesetzung.
Wer für Waffenlieferungen in die Ukraine wirbt, wo mit Stepan Bandera
ein Mann zum Nationalhelden aufgestiegen ist, der für Massaker an
Juden und Polen mitverantwortlich war, wird seiner Aufgabe als
Bundespräsident nicht gerecht.
Ebenso verhängnisvoll ist es, mit der faschistischen Regierung Israels
zusammenzuarbeiten, die das Massaker der Hamas mit einem
unverantwortlichen Massenmord an den Palästinensern beantwortet. Deren
Finanzminister Bezalel Smotrich nennt sich selbst einen
„faschistischen Homophoben”. Verteidigungsminister Yoav Galant sagte:
„Kein Strom, kein Essen, kein Sprit. Alles ist abgeriegelt. Wir
kämpfen gegen menschliche Tiere und handeln dem entsprechend.”
Das ist in der Tat die Sprache des Faschismus. Immer mehr Israelis und
Freunde Israels fordern jetzt, man müsse das Land vor sich selbst
schützen und dem Morden ein Ende bereiten, um dem täglich stärker
werdenden Antisemitismus entgegenzutreten.
Mittlerweile werfen renommierte Künstler, darunter die französische
Journalistin und Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux sowie der
palästinensische Poet und Aktivist Mohammed El-Kurd, Deutschland eine
„McCarthy-Politik” vor, „die das Recht auf freie Meinungsäußerung
unterdrückt, insbesondere Solidaritätsbekundungen mit Palästina”.
Es fehlt ein Bundespräsident, der gerade jetzt seine Stimme erhebt und
einen Waffenstillstand in der Ukraine und im Gazastreifen fordert. Und
der statt der zunehmenden Kriegshetze in Politik und Journalismus
einen Beitrag leistet, dass Deutschland sein Gewicht in die Waagschale
wirft, um das Leiden in der Ukraine und in Gaza zu beenden.