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Re: "aequus"

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Juergen Grosse

unread,
Nov 16, 2015, 2:58:57 PM11/16/15
to
Am 16.11.2015 um 15:20 schrieb Stefan Ram:

...
> Wie spricht man »aequus«?

> Eine Webseite sagt: 'aI.k(w)us. Aber das wirkt wie durch das
> Englische beeinflußt.
...

Stimmt aber. Ich war noch nie da (na ja, _da_ schon, aber nicht _dann_),
aber es gibt für mich kaum begründete Zweifel daran, dass man zur
klassischen Zeit mit [ˈaɪ̯ kwʊs] besonders aufgefallen wäre. Ansonsten
wüsste ich nichts von neuen Erkenntnissen seit dem Erscheinen von Sidney
Allens "Vox latina". Canepari hat doch zur lateinischen Aussprache auch
einiges geschrieben und frei ins Netz gestellt.


Tschüs, Jürgen

Christian Weisgerber

unread,
Nov 16, 2015, 5:30:05 PM11/16/15
to
On 2015-11-16, Stefan Ram <r...@zedat.fu-berlin.de> wrote:

> Wie spricht man »aequus«?

Klassisches Latein? Vulgärlatein? ... Deutsch?

> Eine Webseite sagt: 'aI.k(w)us.

Ich schlage lateinische Wörter meist im englischen Wiktionary nach,
das für klassisches Latein /ˈaɪ.kʷus/ angibt. Die Angaben zur
Aussprache dort passen zu den allgemeinen, schlüssigen Artikeln
über die lateinische Aussprache in Wikipedia.

> Aber das wirkt wie durch das Englische beeinflußt.

Kann ich nicht nachvollziehen. Inwiefern?

> Spricht man A-E oder Ä?

Es ist ein Diphthong, irgendwas in der Gegend [aɪ] oder [aɛ].

> Spricht man das »q« /kw/ oder /kv/?

Nichts davon: <qu> ist /kʷ/.

> Sind die U-Laute jeweils offen oder geschlossen?

Phonemisch unterscheidet klassisches Latein Quantität, also kurze
und lange Vokale. Die kurzen Vokale wurden offener ausgesprochen,
also /u/ als [ʊ].

> Ist das »s« stimmhaft oder stimmlos?

Stimmlos.

> Welche Vokale spricht man lang und welche kurz?

Langvokale werden in Wörterbüchern als solche mit einem Überstrich
markiert.

> Wo ist der Hauptton (die Wortbetonung)?

Je nach Wortlänge und Silbenstruktur auf der vorletzten oder
drittletzten Silbe. Bei <aequus> also zwangsläufig auf der ersten
Silbe.

--
Christian "naddy" Weisgerber na...@mips.inka.de

Juergen Grosse

unread,
Nov 16, 2015, 6:50:29 PM11/16/15
to
Am 16.11.2015 um 20:59 schrieb Juergen Grosse:

...
> Canepari hat doch zur lateinischen Aussprache auch einiges
> geschrieben und frei ins Netz gestellt.
...

Z. B. hier:
<http://venus.unive.it/canipa/dokuwiki/doku.php?id=en:pdf#natural_phonetics_tonetics>

Und dann "NPT 22.0-45 – Dead Languages (Part 1)" herunterladen.


Für das Lateinische kann ich das noch ganz gut nachvollziehen, aber was
Caneparis Ausführungen zu weniger gut überlieferten verklungenen
Sprachen betrifft, kann ich mangels Empirie nur über seine Intuition
staunen.

I.

Roland Franzius

unread,
Dec 15, 2015, 7:46:51 AM12/15/15
to

Am 16.11.2015 um 22:35 schrieb Christian Weisgerber:
> On 2015-11-16, Stefan Ram <r...@zedat.fu-berlin.de> wrote:
>
>> Wie spricht man »aequus«?
>
> Klassisches Latein? Vulgärlatein? ... Deutsch?
>
>> Eine Webseite sagt: 'aI.k(w)us.
>
> Ich schlage lateinische Wörter meist im englischen Wiktionary nach,
> das für klassisches Latein /ˈaɪ.kʷus/ angibt. Die Angaben zur
> Aussprache dort passen zu den allgemeinen, schlüssigen Artikeln
> über die lateinische Aussprache in Wikipedia.
>

Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass die englischsprachige
klassische Philologie praktisch nichts zu dieser Wissenschaft
beigetragen hat, ebensowenig etwa wie die chinesische oder japanische.

Da die Amerikaner ia. weder Deutsch noch Französisch noch Latein
beherrschen oder gar phonetisch und grammatisch nachvollziehen, bleiben
ihnen die wirklichen Quellen wohl auf ewig verschlossen und sie
produzieren seit 1984 Tonnagen an unkontrolliertem freiem Gedankenmist
im Netz.

An den Quellenbemerkungen zu etymonline kann man sehen, dass deren
Autoren wohl erstmalig zB die endlose etymologische Literatur auf
Französisch und Deutsch der Anglophonie verfügbar gemacht hat.

Zwar sind vereinzelt auch klassische Philologen 1933 und 1950 in die USA
ausgewandert, aber einen den Naturwissenschenschaften, Mathematik,
Medizin und Technik vergleichbaren Angleichungsprozess im
Wissenschaftsniveau hat das nicht bewirkt.

Aus den sechziger Jahren erinnere ich ein Gespäch mit dem Göttinger
Klassischen Philologen, der bemerkte, das einzige neue Instrument von
jenseits des Atlantiks seien die computergenerierten Häufigkeitsanalysen
von Wörtern bei antiken Autoren.

Die zweite Weisheit, die bei jedem Philogenstammtisch immer wieder
diskutiert wird, ist, dass niemand auch nur die geringste Ahnung über
die Lautwerte antiker Sprachen zur deren Hochzeiten hatte.

Alle Lautgesetze, die sich in den Schriften, insbesondere in Dichtungen
und Fremdworteingliederung, aufspüren lassen, haben ihre Wurzel im 12-5.
Jahrhundert und das sagt dann leider gar nichts über die Aussprache in
den Zeiten der schriftstellerischen Klassik zu Zeiten Platos und Ciceros.

Die dritte Erkenntnis ist eben, dass die Räume des Alexander- und
Augustussreiches in der Sprach- und Nachrichtenverbreitung etwa denen
des britischen Weltreiches entsprechen.

Von einheitlicher Aussprache kann da gar keine Rede sein. Die
Diversifizierung der romanischen Sprachen über die schrift- und
schulfreien Jahrhunderte bieten ja bestes Anschauungsmaterial.

--

Roland Franzius

Christian Weisgerber

unread,
Dec 15, 2015, 12:30:05 PM12/15/15
to
On 2015-12-15, Roland Franzius <roland....@uos.de> wrote:

> Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass die englischsprachige
> klassische Philologie praktisch nichts zu dieser Wissenschaft
> beigetragen hat [usw.]

Danke für diesen unerwarteten Rückblick in die Vorstellungen und
Geisteshaltung des 19. Jahrhunderts.

Roland Franzius

unread,
Dec 17, 2015, 4:36:13 PM12/17/15
to
Am 15.12.2015 um 17:40 schrieb Christian Weisgerber:
> On 2015-12-15, Roland Franzius <roland....@uos.de> wrote:
>
>> Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass die englischsprachige
>> klassische Philologie praktisch nichts zu dieser Wissenschaft
>> beigetragen hat [usw.]
>
> Danke für diesen unerwarteten Rückblick in die Vorstellungen und
> Geisteshaltung des 19. Jahrhunderts.
>


Kleine Warnung für jene, die ihre Weisheiten digital unbesehen zu
beziehen pflegen.

--

Roland Franzius
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