Am 16.11.2015 um 22:35 schrieb Christian Weisgerber:
> On 2015-11-16, Stefan Ram <
r...@zedat.fu-berlin.de> wrote:
>
>> Wie spricht man »aequus«?
>
> Klassisches Latein? Vulgärlatein? ... Deutsch?
>
>> Eine Webseite sagt: 'aI.k(w)us.
>
> Ich schlage lateinische Wörter meist im englischen Wiktionary nach,
> das für klassisches Latein /ˈaɪ.kʷus/ angibt. Die Angaben zur
> Aussprache dort passen zu den allgemeinen, schlüssigen Artikeln
> über die lateinische Aussprache in Wikipedia.
>
Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass die englischsprachige
klassische Philologie praktisch nichts zu dieser Wissenschaft
beigetragen hat, ebensowenig etwa wie die chinesische oder japanische.
Da die Amerikaner ia. weder Deutsch noch Französisch noch Latein
beherrschen oder gar phonetisch und grammatisch nachvollziehen, bleiben
ihnen die wirklichen Quellen wohl auf ewig verschlossen und sie
produzieren seit 1984 Tonnagen an unkontrolliertem freiem Gedankenmist
im Netz.
An den Quellenbemerkungen zu etymonline kann man sehen, dass deren
Autoren wohl erstmalig zB die endlose etymologische Literatur auf
Französisch und Deutsch der Anglophonie verfügbar gemacht hat.
Zwar sind vereinzelt auch klassische Philologen 1933 und 1950 in die USA
ausgewandert, aber einen den Naturwissenschenschaften, Mathematik,
Medizin und Technik vergleichbaren Angleichungsprozess im
Wissenschaftsniveau hat das nicht bewirkt.
Aus den sechziger Jahren erinnere ich ein Gespäch mit dem Göttinger
Klassischen Philologen, der bemerkte, das einzige neue Instrument von
jenseits des Atlantiks seien die computergenerierten Häufigkeitsanalysen
von Wörtern bei antiken Autoren.
Die zweite Weisheit, die bei jedem Philogenstammtisch immer wieder
diskutiert wird, ist, dass niemand auch nur die geringste Ahnung über
die Lautwerte antiker Sprachen zur deren Hochzeiten hatte.
Alle Lautgesetze, die sich in den Schriften, insbesondere in Dichtungen
und Fremdworteingliederung, aufspüren lassen, haben ihre Wurzel im 12-5.
Jahrhundert und das sagt dann leider gar nichts über die Aussprache in
den Zeiten der schriftstellerischen Klassik zu Zeiten Platos und Ciceros.
Die dritte Erkenntnis ist eben, dass die Räume des Alexander- und
Augustussreiches in der Sprach- und Nachrichtenverbreitung etwa denen
des britischen Weltreiches entsprechen.
Von einheitlicher Aussprache kann da gar keine Rede sein. Die
Diversifizierung der romanischen Sprachen über die schrift- und
schulfreien Jahrhunderte bieten ja bestes Anschauungsmaterial.
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Roland Franzius