Das Bergfreie

[Stefan Schmitz]

Mal wieder stoße ich (im Ampelsondierungspapier) auf die Forderung bzw.
das Versprechen, dass niemand ins Bergfreie fällt.

Auf der Suche nach einer Erklärung für diese Floskel stoße ich nur
darauf, dass ein Bergwerk ins Bergfreie fallen konnte:
https://de.wikipedia.org/wiki/Rezessgeld

Geht es tatsächlich darum, dass versprochen wird, die Bergwerke so lange
zu betreiben, bis niemand mehr dort arbeiten will?
Ich hatte ja gedacht, dass es lediglich darum geht, den Kumpeln bei
Zechenschließungen eine andere Perspektive zu bieten. Das hat aber dann
nichts mit Bergfreiheit zu tun. Oder findet jemand von euch eine
Definition von "jemand fällt ins Bergfreie"?

[Michael Kallweitt]

Stefan Schmitz <ss...@gmx.de> schrieb:

> Mal wieder stoße ich (im Ampelsondierungspapier) auf die Forderung bzw.
> das Versprechen, dass niemand ins Bergfreie fällt.

Das ist – bzw. war – im Ruhrgebiet tatsächlich eine gebräuchliche
Redewendung.

> Geht es tatsächlich darum, dass versprochen wird, die Bergwerke so lange
> zu betreiben, bis niemand mehr dort arbeiten will?
> Ich hatte ja gedacht, dass es lediglich darum geht, den Kumpeln bei
> Zechenschließungen eine andere Perspektive zu bieten.

,--[ https://www.revierkohle.de/rag-niemand-faellt-ins-bergfreie/ ]----
| Damit war gemeint, dass kein Bergmann nach Schließung einer Zeche
| arbeitslos werden sollte.
`----------------------------------------------------------------------

Allgemeiner:

,--[ https://www.openthesaurus.de/synonyme/%28jemanden%29+ins+Bergfreie+fallen+lassen+%28Verst%C3%A4rkung%29 ]
|
| (die) Hilfe verweigern · nicht helfen · seinem Schicksal überlassen
| · ... (völlig) allein · allein auf weiter Flur · allein gelassen ·
| ...
| (die) Beziehung beenden · (jemandem) den Laufpass geben (geh.) ·
| (jemanden) abschießen (ugs.) · ...
|
| (jemandem) die weitere Unterstützung versagen · (jemanden)
| fallenlassen · (jemanden) fallenlassen wie eine heiße Kartoffel ·
| ... (jemandem) die (weitere) Unterstützung versagen · (die)
| gemeinsame Linie verlassen · (sich) illoyal verhalten · ...
`----------------------------------------------------------------------

Zum Verständnis des Begriffes »bergfrei« im Zusammenhang mit
Bodenschätzen (wozu gemeinhin auch die Steinkohle zählt) liefert das
DWDS noch

,--[ https://www.dwds.de/?q=bergfrei&from=wb ]-------------------------
| Kiesvorkommen wurden als bergfreie Bodenschätze festgeschrieben, die
| der Verfügungsgewalt des Eigentümers entzogen sind.
| Die Zeit, 20.03.1995, Nr. 12
`----------------------------------------------------------------------


--
michael.kallweitt.art
»Meine Stücke wachsen nicht von vorne nach hinten, sondern von innen nach
außen.« Pina Bausch https://de.wikipedia.org/wiki/Pina_Bausch#Inszenierung

[Stefan Schmitz]

Am 20.10.2021 um 11:20 schrieb Michael Kallweitt:
> Stefan Schmitz <ss...@gmx.de> schrieb:
>
>> Mal wieder stoße ich (im Ampelsondierungspapier) auf die Forderung bzw.
>> das Versprechen, dass niemand ins Bergfreie fällt.
>
> Das ist – bzw. war – im Ruhrgebiet tatsächlich eine gebräuchliche
> Redewendung.
>
>> Geht es tatsächlich darum, dass versprochen wird, die Bergwerke so lange
>> zu betreiben, bis niemand mehr dort arbeiten will?
>> Ich hatte ja gedacht, dass es lediglich darum geht, den Kumpeln bei
>> Zechenschließungen eine andere Perspektive zu bieten.
>
> ,--[ https://www.revierkohle.de/rag-niemand-faellt-ins-bergfreie/ ]----
> | Damit war gemeint, dass kein Bergmann nach Schließung einer Zeche
> | arbeitslos werden sollte.
> `----------------------------------------------------------------------

Damit weiß ich, was gemeint ist.
Aber ich verstehe nicht, wie es von der unten angeführten Bedeutung in
Bezug auf das Bergwerk ausgerechnet zu dieser Übertragung auf die
Bergleute kam.
Oder kam es einst häufig vor, dass Bergleute deswegen arbeitslos wurden,
weil die Grube ins Bergfreie fiel?

[Michael Kallweitt]

Stefan Schmitz <ss...@gmx.de> schrieb:

> Aber ich verstehe nicht, wie es von der unten angeführten Bedeutung in
> Bezug auf das Bergwerk ausgerechnet zu dieser Übertragung auf die
> Bergleute kam.
> Oder kam es einst häufig vor, dass Bergleute deswegen arbeitslos wurden,
> weil die Grube ins Bergfreie fiel?

Das vermute ich sehr, da ansonsten die Bergleute mit der Zeche »ins
Bergfreie« gefallen wären.

[Stefan Schmitz]

Am 20.10.2021 um 11:54 schrieb Michael Kallweitt:
> Stefan Schmitz <ss...@gmx.de> schrieb:
>
>> Aber ich verstehe nicht, wie es von der unten angeführten Bedeutung in
>> Bezug auf das Bergwerk ausgerechnet zu dieser Übertragung auf die
>> Bergleute kam.
>> Oder kam es einst häufig vor, dass Bergleute deswegen arbeitslos wurden,
>> weil die Grube ins Bergfreie fiel?
>
> Das vermute ich sehr, da ansonsten die Bergleute mit der Zeche »ins
> Bergfreie« gefallen wären.

Du schreibst zwar "da", lieferst aber kein Argument.

Allerdings bringt mich deine Formulierung auf eine Idee: Galten die
Bergleute etwa als "Inventar" der Zeche und wurden darum mit ihr bergfrei?

[Frank Hucklenbroich]

Am Wed, 20 Oct 2021 11:20:47 +0200 schrieb Michael Kallweitt:

> Stefan Schmitz <ss...@gmx.de> schrieb:
>
>> Mal wieder stoße ich (im Ampelsondierungspapier) auf die Forderung bzw.
>> das Versprechen, dass niemand ins Bergfreie fällt.
>
> Das ist – bzw. war – im Ruhrgebiet tatsächlich eine gebräuchliche
> Redewendung.

Spannend. Ich als Kölner (was ja nicht so weit vom Ruhrgebiet weg ist) höre
diesen Ausdruck hier zum ersten Mal.

Aber ich hatte auch keine Bergleute in meinem familiären Umfeld.

Grüße,

Frank

[Uwe Schickedanz]

On Wed, 20 Oct 2021 12:08:08 +0200, Stefan Schmitz <ss...@gmx.de>
wrote:

Nein. Das ist eine umgangssprachliche Übernahme. Bezogen auf einen
Bergmann bedeutet es, daß der arbeitslos wird. Die eigentliche
Bedeutung kann sich nur auf Bergwerke beziehen.

Hier ist der Begriff der Bergfreiheit wichtig, der historisch
gewachsen ist und sich ursprünglich auf im Mittelalter verliehene
Rechte bezog. Der Regalherr erklärte ein bestimmtes Gebiet für
bergfrei, d.h. jeder konnte dort nach Bodenschätzen suchen, die
Grundeigentümer mussten das dulden. Um Bergleute anzulocken, die
damals frei und keinem Herrn gehörig waren, wurde mit der Bergfreiheit
auch verschiedene Reche wie Niederlassungsfreiheit, Schank- und
Marktrechte, freies Holz usw. verliehen.

Das ganze war aber auch an Bedingungen geknüpft, und eine davon war,
daß ein Bergwerk betrieben werden mußte. Arbeitete da eine bestimmte
Zeitspanne niemand, fiel es wieder ins Bergfreie, und andere Bergleute
konnten es in Besitz nehmen. Das diente dazu, das niemand sich
Bergwerke sicherte, um andere auszuschließen. Der Regalherr wollte
schließlich schön regelmäßig seinen Zehnten sehen.


Gruß Uwe

--
Niemand hat die Absicht, eine Impfpflicht einzuführen.

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