Am Dienstag, 24. April 2018 23:08:34 UTC+2 schrieb Jakob Achterndiek:
> Am 24.04.2018 um 15:48 schrieb Ralf Joerres:
> >
> > Wie würde man denn in einem Altsprachler-Professorenhaushalt mit
> > viel Zeit und wenig Notwendigkeit zu würziger Knappheit fragen?
> > "Mein Liebes, magst du mir zur Hand gehen, wenn ich mich anschicke,
> > unsere Gardinagerien wieder an ihren angestammten Platz zu
> > applizieren?"
>
> Der Professor, mit seinen Gedanken schon ganz woanders, denkt
> nur kurz: "Applizieren würde ich die Gardinen an ihreM angestammten
> Platz, nachdem sie jemand an ihN wird gebracht haben."
Da wird der Professor wohl wieder mal recht haben.
...
> Allenfalls
> sollten Sie vorher den letzten Satz streichen: Das könnte der eine
> Spritzer Tabasco sein, den mein Mann zum Schluß manchmal zuviel über
> seine Kreationen gibt. Aber alles davor war, wie ich den Professor
> kenne, tatsächlich ein kurz gefaßter Versuch, den Kern seiner Sprach-
> philosophie zu skizzieren. Und ohne Philosophie geht's nun mal nicht,
> das weiß doch heute jeder Ladenschwengel."
>
> (An der Stelle knurrt der Professor: "Das war aber jetzt auch ein
> Schuß Balsamico zuviel.")
Für mich: Immer her mit Tabasco, und Balsamico auch, und dann ordentlich
gib ihm!
Wir sind uns darin einig, dass die Vorstellung, mit 4 m dicht geraffter
schwerer Häkelware auf kippeligem Stuhl zu stehen (die Haushaltsleiter
nach ihrer letzten Küchenrenovierung zurückzugeben hat die Tochter leider
vergessen) und mit langsam erlahmenden hochgehaltenen Armen 80 wacklige
Röllchenpaare passgenau auf die Schiene zu setzen, ohne auch nur sehen
zu können, was man da tut, wenig Erheiterndes hat. Die vorweggenommene
Unlust bei dieser Beschäftigung schlägt auf die sprachliche Gestaltung
durch, die eine kühle Geringschätzung nicht verhehlen kann, auch nicht
verhehlen soll, soll sie doch möglichst beiläufig fallen gelassen
werden. Am besten, der Professor schaut gar nicht von seiner Lektüre
auf und quittiert nur seine Kenntnisnahme durch ein kurzes Brummen, und
schon hängt er mit drin - siehe die Ausgangsfrage.
> > [..] Präskriptivisten: Sie werfen allzu oft die Flinten nicht
> > genehmer Sätze ins Korn ihrer vorgefassten Meinungen,
> >
> Aber ich seh's ja ein: Da stören sie, die Flinten, bei der Ernte und
> ruinieren die automatischen Mäh-Dresch-Mahl-Knet-und-Backmaschinen,
> mit denen ihr sonst eure Ernte verzehrfertig auf den Tisch zu bringen
> versucht. ;)
Bleiben wir im Bild: Die Linguistiker treiben die störenden Sätze auf,
die Traditionalistiker schmeißen sie ins Kornfeld, wo sie scheinbar
kein Unheil mehr anrichten, als hätte man sie auf dem Grund eines tiefen
Sees versenkt; durch dieses Bild hervorgerufene Assoziationen sind
beabsichtigt. Majestätisch und friedlich wogt das Kornfeld darüber,
ebenmäßig und aufgeräumt. Wenn es nun ans Ernten geht, wem zerdengeln
dann nicht konforme Redeteile die Schneidwerkzeuge der so schön
voreingestellten grammatischen Kategorien, wessen Mühlen müssen grobes
Fremdmaterial zuvor als unerwünschten und nicht verarbeitbaren Beifang
aussortieren, in wessen Grammatiken beißt man trotzdem alle naselang auf
Splitter unbotmäßiger Ausdrucksweisen, die nachträglich in den Abfall-
container irregeleiteter Idiomatismen ausgesondert werden?
So recht will aber auch das nicht passen, weder der einen noch der
anderen Fraktion wird es gelingen, aus Mehl und Altmetall einen
gesundes Brot zu backen. Vielleicht sind die Flinten der Grammatik
keine Flinten, sondern Unkraut und damit natürlicher, gleichwohl
unerwünschter Bewuchs, mit dem man irgendwie zurechtkommen muss,
wenn man nicht jeden Ertrag verlieren will? Früher kümmerte man sich
ja wenig um diese 'Beikräuter', heute ist man dankbar, dass es sie
noch gibt, sind sie doch Beleg für noch lebendige Kräfte natürlicher
Sprache, die sich nicht vollständig in Kultur nehmen lässt.
Was die Frage selbst angeht, dazu demnächst an anderer Stelle mehr.
Sie ist durchaus eine nähere Betrachtung wert.
Grüße von: Ralf Joerres