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Unterschied Realisierung/Realisation

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Mark Joachim

unread,
Feb 12, 2001, 11:57:41 AM2/12/01
to
Hallo zusammen,

f"ur mich stellt sich folgende Frage:

Sind die W"orter Realisierung und Realisation gegeneinander austauschbar
also
quasi identisch?
Meiner Meinung nach beschreibt Realisierung die T"atigkeit an sich und
Realisation
das daraus folgende Ergebnis.

Mark

Ute Müller

unread,
Feb 12, 2001, 4:49:59 PM2/12/01
to
Mark Joachim wrote:

Hallo Marc,

bin neu hier, aber möchte gleich mal was darauf antworten:
Realisierung = Verwirklichung
Realisation = Erkennung
Zumindest komme ich nach der Übersetzung aus dem Englischen auf diese Idee.

Gruß
Ute

armin saam

unread,
Feb 12, 2001, 7:30:44 PM2/12/01
to
> > Sind die W"orter Realisierung und Realisation gegeneinander austauschbar
> > also
> > quasi identisch?
> > Meiner Meinung nach beschreibt Realisierung die T"atigkeit an sich und
> > Realisation
> > das daraus folgende Ergebnis.

Ist im großen ganzen richtig.

> Realisierung = Verwirklichung
> Realisation = Erkennung
> Zumindest komme ich nach der Übersetzung aus dem Englischen auf diese Idee.

Nein: "to realize" mit "realisieren" zu übersetzen (statt mit "erkennen"), ist
ein klassischer Fehler. Schon mal was von falschen Freunden (zwischen der
englischen und deutschen Sprache) gehört? Es gibt Leute, die glauben allen
Ernstes, es gebe ca 100 davon und die machen dann diesen Fehler. Nein, es sind
wahrscheinlich tausend!
Gruß von
Armin Saam

Silvan Heintze

unread,
Feb 12, 2001, 6:59:57 PM2/12/01
to
Ute Müller schrieb:

> bin neu hier, aber möchte gleich mal was darauf antworten:
> Realisierung = Verwirklichung
> Realisation = Erkennung
> Zumindest komme ich nach der Übersetzung aus dem Englischen auf diese Idee.

Das ist ein interessanter Punkt. Ganz sicher ist zu beiden Substantiven
"realisieren" das passende Verb. Warum scheinen Übertragungen aus dem Englischen
so ohne weiteres möglich, da heutzutage doch bereits in der Mehrzahl aller Fälle
"realisieren" als "erkennen" verwendet wird?
Ich stehe dem zwar durchaus aufgeschlossen gegenüber (Sprache als dynmaischer
Prozess vs. statisches Gebilde), glaube aber, dass die Bedeutung "erkennen" im
Deutschen ursprünglich nicht existierte.

MfG, Silvan


Silvan Heintze

unread,
Feb 13, 2001, 9:47:00 AM2/13/01
to
armin saam schrieb:

> Nein: "to realize" mit "realisieren" zu übersetzen (statt mit "erkennen"), ist
> ein klassischer Fehler. Schon mal was von falschen Freunden (zwischen der
> englischen und deutschen Sprache) gehört? Es gibt Leute, die glauben allen
> Ernstes, es gebe ca 100 davon und die machen dann diesen Fehler. Nein, es sind
> wahrscheinlich tausend!

Aber wann wird ein "falscher Freund" denn zu einem richtigen? Sich heutzutage
noch erfolgreich gegen die Verwendung von "realisieren" als "erkennen" sperren
zu wollen ist doch erstens komplett aussichtslos und zweitens auch ziemlich
rückwärtsgewandt, oder?
Man versteht es ja schließlich...

MfG, Silvan
+++

rp5...@rp-plus.de

unread,
Feb 13, 2001, 2:48:35 PM2/13/01
to
Silvan Heintze schrieb:


> Ute Müller schrieb:
>
> > bin neu hier, aber möchte gleich mal was darauf antworten:
> > Realisierung = Verwirklichung
> > Realisation = Erkennung

Das ist falsch. Das Substantiv "Erkennung" gibt es im Deutschen nicht.

> > Zumindest komme ich nach der Übersetzung aus dem Englischen auf
> > diese Idee.

Du meinst, daß Dein englisches Sprachvermögen Dir sagt, daß diese
Bedeutung im Englischen möglich ist. Im Deutschen ist sie es nicht.

> Das ist ein interessanter Punkt. Ganz sicher ist zu beiden
> Substantiven "realisieren" das passende Verb. Warum scheinen
> Übertragungen aus dem Englischen so ohne weiteres möglich,

Diese Übertragung ist nicht "so ohne weiteres möglich". Sie wird aber
aus Denkfaulheit gemacht, weil uns von RTL&Co. jeden Abend amerikanische
Spielfilme und Serien vorgesetzt werden, die lausig übersetzt wurden.

> da heutzutage doch bereits in der Mehrzahl aller Fälle "realisieren"
> als "erkennen" verwendet wird?

Beweis durch Behauptung: "Ist es so?" "Nicht wirklich".
Ist es nicht? No, it isn't. Nein, wirklich nicht.
Keinesfalls "in der Mehrzahl aller Fälle". Nur in allen falschen Fällen,
nämlich in dummdeutschen und (d)englischen Fällen.
Realisieren heißt im Deutschen nach wie vor nur "real machen",
verwirklichen, materialisieren, nämlich vor allem Pläne und
Aktiengewinne bzw. -verluste.
Weiter geht "in Deutsch" und "in 2001" auch _nicht_: "Ich konfrontiere
ihn." "Ich erinnere den Termin." "Ich blamiere ihn." "Das macht keinen
Sinn." Ein Deutscher "blamiert" korrekterweise immer nur sich selber,
aber nie einen anderen.

> Ich stehe dem zwar durchaus aufgeschlossen gegenüber (Sprache als
> dynmaischer Prozess vs. statisches Gebilde),

Ich nicht. Eine starke Sprache kann gewiß durch Einflüsse von außen
reicher werden, das heutige Deutsch ist - aus vielen Gründen - nicht
mehr in der Lage, sinnvoll zu entscheiden, ob Eindringlinge von außen,
hier: semantische Verschiebungen u.a. eingebürgert oder abgewiesen
werden. Zudem handelt es sich um einen höchst einseitigen Prozeß der
Inbesitznahme der deutschen Sprache durch genau einen sprachlichen
Okkupanten. Und nicht nur der deutschen: die Franzosen wehren sich
immerhin.

> glaube aber, dass die Bedeutung "erkennen" im Deutschen ursprünglich
> nicht existierte.

Dein Glaube ist goldig. Auch heute gibt es diese Bedeutung nicht usuell,
sondern allenfalls individuell, und zwar bei ungebildeten und
Fernsehdeutschen.

rp5...@rp-plus.de

unread,
Feb 13, 2001, 2:54:07 PM2/13/01
to
Silvan Heintze schrieb:


> armin saam schrieb:
>
> > Nein: "to realize" mit "realisieren" zu übersetzen (statt mit
> > "erkennen"), ist ein klassischer Fehler. Schon mal was von falschen
> > Freunden (zwischen der englischen und deutschen Sprache) gehört? Es
> > gibt Leute, die glauben allen Ernstes, es gebe ca 100 davon und die
> > machen dann diesen Fehler. Nein, es sind wahrscheinlich tausend!
>
> Aber wann wird ein "falscher Freund" denn zu einem richtigen? Sich
> heutzutage noch erfolgreich gegen die Verwendung von "realisieren" als
> "erkennen" sperren zu wollen ist doch erstens komplett aussichtslos

Quatsch.

> und zweitens auch ziemlich rückwärtsgewandt, oder?

Ich Sprachrichtigkeit reaktionäer?
Oder dient sie allgemeinem Verständnis?

> Man versteht es ja schließlich...

Du bist ja auch ein intelligenter Mensch mit Englischkenntnissen.
Ich als Dummkopf und die deutsche Sprache als System verstehen das aber
nicht.

Message has been deleted

Walter Koch

unread,
Feb 13, 2001, 6:46:25 PM2/13/01
to
Moin,

Silvan Heintze schrobte/wrote:

>Man versteht es ja schließlich...

Aber nur, weil wir bei Unverständniss immer erst ins Enlische
rückübersetzen, und es dann vielleicht verstehen.

Vermutlich ist das eine Riesenkampagne von altavista, damit wir endlich
Babelfisch-kompatibel werden.


Gruss,
Walter
--
Walter Koch
Hochdahl am Neandertal
http://www.u32.de/

Message has been deleted
Message has been deleted

Silvan Heintze

unread,
Feb 13, 2001, 6:43:59 PM2/13/01
to

rp5...@rp-plus.de schrieb:

> > Sich
> > heutzutage noch erfolgreich gegen die Verwendung von "realisieren" als
> > "erkennen" sperren zu wollen ist doch erstens komplett aussichtslos
>
> Quatsch.

Es lebe die konstruktive Diskussion.
Was ich sagen wollte: wenn Du Dich in allen Fällen von "realisieren" als
"erkennen" dumm stellst, geht Dir ganz schön was verloren...



> > Man versteht es ja schließlich...
>
> Du bist ja auch ein intelligenter Mensch mit Englischkenntnissen.
> Ich als Dummkopf und die deutsche Sprache als System verstehen das aber
> nicht.

Oho - eben noch Ankläger der Dummen, jetzt schon deren Anwalt. Du widersprichst
Dir. Kinder im Alter bis zu sechs Jahren lernen durchschnittlich alle 2 Stunden
ein neues Wort, bzw. neue Bedeutung hinzu. Erwachsene am liebsten überhaupt
nicht mehr, wie es aussieht, oder?

MfG, Silvan


Silvan Heintze

unread,
Feb 13, 2001, 6:47:02 PM2/13/01
to
Jochen Weller schrieb:

> >Man versteht es ja schließlich...
>

> Vi ick meene einn keffaehrliches Arkumend, tenn man verststedd fiilles. Dazs
> muzz aper nix immer gutt sein!

Halt - Du _willst_ mich missverstehen. Selbstverständlich rede ich von Fällen,
bei denen häufiger Gebrauch in der Sprache auf häufiges Verständnis trifft. Ja,
tatsächlich bezeichne ich das Berliner "ick" auch als Wort und sogar als ein
richtiges. Nur - inwiefern ist das alles "gefährlich"???


rp5...@rp-plus.de

unread,
Feb 14, 2001, 3:39:17 AM2/14/01
to
Silvan Heintze schrieb:


> rp5...@rp-plus.de schrieb:
>
> > > Sich
> > > heutzutage noch erfolgreich gegen die Verwendung von "realisieren"
> > > als "erkennen" sperren zu wollen ist doch erstens komplett
> > > aussichtslos
> >
> > Quatsch.
>
> Es lebe die konstruktive Diskussion.
> Was ich sagen wollte: wenn Du Dich in allen Fällen von "realisieren"
> als "erkennen" dumm stellst, geht Dir ganz schön was verloren...

Nein.

rp5...@rp-plus.de

unread,
Feb 14, 2001, 3:40:58 AM2/14/01
to
Silvan Heintze schrieb:


> Jochen Weller schrieb:
>
> > >Man versteht es ja schließlich...
> >
> > Vi ick meene einn keffaehrliches Arkumend, tenn man verststedd
> > fiilles. Dazs muzz aper nix immer gutt sein!
>
> Halt - Du _willst_ mich missverstehen. Selbstverständlich rede ich von
> Fällen, bei denen häufiger Gebrauch in der Sprache auf häufiges
> Verständnis trifft.

Verständnis ist es, wenn man falschen Sprachgebrauch erkennt _und_
ablehnt.

Message has been deleted

Holger Kunadt

unread,
Feb 14, 2001, 4:43:17 AM2/14/01
to
rp5...@rp-plus.de schrieb:

> Silvan Heintze schrieb:
> > rp5...@rp-plus.de schrieb:
> > > Quatsch.
> > Es lebe die konstruktive Diskussion.
> Nein.

Achso.

Qno

rp5...@rp-plus.de

unread,
Feb 14, 2001, 9:30:36 AM2/14/01
to
Silvan Heintze schrieb:

> Das ist kein Statement zur RSR, nur zur Ignoranz.

Was ist ein Statement?
Deine unbegründete Meinungsäußerung?

armin saam

unread,
Feb 14, 2001, 10:19:35 AM2/14/01
to
rp5...@rp-plus.de wrote:

> Verständnis ist es, wenn man falschen Sprachgebrauch erkennt _und_
> ablehnt.

"Die Gedankenlosen realisieren den falschen Sprachgebrauch und die anderen
erkennen ihn." Dieser Satz ist mit der verqueren Bedeutung von "realisieren"
gar nicht verständlich.

Eine Ergänzung
von Armin Saam

Tassilo Halbritter

unread,
Feb 14, 2001, 11:46:12 AM2/14/01
to
In article <3A8AA207...@fh-koblenz.de>, armin saam

>
Doch, doch! Wenn Du statt "realisieren" deutsch "verwirklichen" einsetzt,
wirds tiefsinnig!

--
Alles Gute zum Valensmittwoch wünscht halbritter_at_acornusers.org

rp5...@rp-plus.de

unread,
Feb 14, 2001, 2:26:40 PM2/14/01
to
Tassilo Halbritter schrieb:


> In article <3A8AA207...@fh-koblenz.de>, armin saam
> <URL:mailto:sa...@fh-koblenz.de> wrote:
> > rp5...@rp-plus.de wrote:
> >
> > > Verständnis ist es, wenn man falschen Sprachgebrauch erkennt _und_
> > > ablehnt.
> >
> > "Die Gedankenlosen realisieren den falschen Sprachgebrauch und die anderen
> > erkennen ihn." Dieser Satz ist mit der verqueren Bedeutung von "realisieren"
> > gar nicht verständlich.
>
> >
> Doch, doch! Wenn Du statt "realisieren" deutsch "verwirklichen"
> einsetzt, wirds tiefsinnig!

Nein. Erst sinnvoll.
BTW: Kann das sein, daß Du Deinen Vorredner nicht verstanden hast?

Carsten Kruse

unread,
Feb 14, 2001, 2:08:38 PM2/14/01
to

Silvan Heintze schrieb:

SH> widersprichst Dir. Kinder im Alter bis zu sechs Jahren lernen
SH> durchschnittlich alle 2 Stunden ein neues Wort, bzw. neue Bedeutung
SH> hinzu. Erwachsene am liebsten überhaupt nicht mehr, wie es
SH> aussieht, oder?

Kindern kann man aber auch noch erzählen, dass der Klapperstorch die Kinder
bringt oder eben auch, dass "realisieren" bedeutet, etwas zu verstehen bzw. zu
erkennen.

Erwachsene dagegen sind sich oft genug bewusst, dass unsere Muttersprache ein
wertvolles Kulturgut ist, welches wir vor leichtfertig hereingeschwemmten
Angeberwörtern schützen sollten.

Aber vielleicht realisiere ich in 2040 kurz vor Ende meines Lebens, wenn ich
diese Diskussion erinnere, dass Buzzwords nicht wirklich schlecht sind und die
Benutzung der geeigneten deutschen Wörter "ziemlich boring" (^1) ist.


(^1) Diese Bemerkung hat doch ernsthaft die Doktorin der Selbstverliebtheit
und Besserwisserei in der zweiten BB-Staffel mal abgelassen.

Bye/7, Carsten [G'Car] E-Mail: c...@beg.gera.thur.de
--
... Nu, Iwan, was wuenscht Du Dir denn? Eine Kolja-Box, Mamutschka!

Silvan Heintze

unread,
Feb 14, 2001, 7:37:17 PM2/14/01
to
armin saam schrieb:

> "Die Gedankenlosen realisieren den falschen Sprachgebrauch und die anderen
> erkennen ihn." Dieser Satz ist mit der verqueren Bedeutung von "realisieren"
> gar nicht verständlich.

die Bank - die Bank ???
der Hahn - der Hahn ???
aufheben - aufheben - aufheben ???

Sind uns Homonyme jetzt völlig fremd geworden??? Wie gesagt - ich behaupte
nicht, dass "realisieren" schon eins ist, stelle nur fest, dass es sich derzeit
schnurstracks auf den Weg dorthin macht. Erzählt mir, was ihr wollt - aber
_das_ist_so_!!!

Meinetwegen schwärmt Euren Enkeln später davon vor, wie schön es war, als
"realisieren" noch in streng _deutschem_ Sinne verwendet wurde, aber warum macht
man sich eigentlich soviel Stress damit? Ihr steckt einen Haufen Energie in den
Versuch, Euch gegen ENTWICKLUNGEN zu sperren und überseht, wie sinn- und
aussichtslos das ist.

Gib' mir die Kraft, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
Gib' mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, und
Gib' mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

MfG, Silvan


Message has been deleted

Benjamin Walter

unread,
Feb 14, 2001, 8:43:09 PM2/14/01
to

"Silvan Heintze" <silvan....@gmx.net> schrieb im Newsbeitrag
news:3A8B24BD...@gmx.net...

> Gib' mir die Kraft, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
> Gib' mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern
kann, und
> Gib' mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Schoen...ein Bonhoeffer-Zitat!
(oder irre ich hier?)

Gruesse,


BW

Tassilo Halbritter

unread,
Feb 15, 2001, 12:24:11 AM2/15/01
to
In article <0fa_2001...@beg.gera.thur.de>, Carsten Kruse

<URL:mailto:carste...@beg.gera.thur.de> wrote:
>
> Silvan Heintze schrieb:
>
> SH> widersprichst Dir. Kinder im Alter bis zu sechs Jahren lernen
> SH> durchschnittlich alle 2 Stunden ein neues Wort, bzw. neue Bedeutung
> SH> hinzu. Erwachsene am liebsten überhaupt nicht mehr, wie es
> SH> aussieht, oder?
>
> Kindern kann man aber auch noch erzählen, dass der Klapperstorch die Kinder
> bringt oder eben auch, dass "realisieren" bedeutet, etwas zu verstehen bzw. zu
> erkennen.
>
> Erwachsene dagegen sind sich oft genug bewusst, dass unsere Muttersprache ein
> wertvolles Kulturgut ist, welches wir vor leichtfertig hereingeschwemmten
> Angeberwörtern schützen sollten.
>
> Aber vielleicht realisiere ich in 2040 kurz vor Ende meines Lebens, wenn ich
> diese Diskussion erinnere, dass Buzzwords nicht wirklich schlecht sind und die
> Benutzung der geeigneten deutschen Wörter "ziemlich boring" (^1) ist.
>
>
> (^1) Diese Bemerkung hat doch ernsthaft die Doktorin der Selbstverliebtheit
> und Besserwisserei in der zweiten BB-Staffel mal abgelassen.


Ich kann dazu ein Beispiel aus meinem eigenen Leben anführen. In den
fünfziger Jahren kam der Begriff "rund um die Uhr" mit dem Schlager (=hit)
"Rock around the clock" ins Deutsche. Die meisten kennen den ursprünglich
vorhandenen deutschen Ausdruck dafür gar nicht mehr.
Er lautete: 24 Stunden am Tage!

--
begin love me! letter from anna kournikova txt.vbs

Felix Neumann

unread,
Feb 15, 2001, 9:16:10 AM2/15/01
to
Benjamin Walter scripsit:

> Schoen...ein Bonhoeffer-Zitat!
> (oder irre ich hier?)

Ja. Das Zitat ist von Dr. Reinhold Niehbur, einem US-amerikanischen
Arzt, wird allerdings gerne anderen zugeschrieben. Bonhoeffer als
Quelle höre ich zum ersten Mal; üblicherweise schreibt man es einem
Pietisten namens Oetinger irgendwann im 18. oder 19. Jahrhundert zu,
da Niehbur es in diesem Zusammenhang erstmals einer breiteren
Öffentlichkeit präsentierte. In den USA war das Zitat schon länger im
Umlauf (Niehbur hatte etwas mit dem Militär zu tun) und verlor auch
dort recht bald die Quelle.

Meine Informationen sind allesamt aus dem Kopf zusammengetragen; es
gibt von Niehbur (auch online) einen Text zur Herkunft und ihrer
Verschleiterung, allerdings habe ich die passende Adresse zur Seite
leider nicht gespeichert. Bei Gelegenheit schaue ich aber nach.

-fn-

Sebastian Koppehel

unread,
Feb 15, 2001, 10:31:06 AM2/15/01
to
Hallo,

Felix Neumann wrote:

> Benjamin Walter scripsit:
>
> > Schoen...ein Bonhoeffer-Zitat!
> > (oder irre ich hier?)
>
> Ja. Das Zitat ist von Dr. Reinhold Niehbur, einem US-amerikanischen
> Arzt, wird allerdings gerne anderen zugeschrieben. Bonhoeffer als
> Quelle höre ich zum ersten Mal; üblicherweise schreibt man es einem
> Pietisten namens Oetinger irgendwann im 18. oder 19. Jahrhundert zu,
> da Niehbur es in diesem Zusammenhang erstmals einer breiteren
> Öffentlichkeit präsentierte. In den USA war das Zitat schon länger im
> Umlauf (Niehbur hatte etwas mit dem Militär zu tun) und verlor auch
> dort recht bald die Quelle.

Eine kurze Web-Suche ergibt, dass Niehbur kein Arzt, sondern Theologe
war, und dass das Zitat moeglicherweise von den Anonymen Alkoholikern
verbreitet wurde.
Vom Militaer konnte ich nichts finden.

- Sebastian

Ralf Kusmierz

unread,
Feb 15, 2001, 10:50:08 AM2/15/01
to
Benjamin Walter schrieb:

>> Gib' mir die Kraft, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
>> Gib' mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern
>kann, und

^^^^^^^^^
Da liegt das Problem!

>> Gib' mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
>
> Schoen...ein Bonhoeffer-Zitat!
> (oder irre ich hier?)

Jein. Es ist ein mittelalterliches Gebet.

Silvio möchte ich bitten, den Herrn insbesondere im dritten Punkt um
Beistand zu bitten, und Dich, Deinem
Newsreader^WForumsnachrichtenleseprogramm die Kammquotings^W falsch
umgebrochenen Zitatzeilen abzugewöhnen.


Gruß aus Bremen
Ralf

Ralf Kusmierz

unread,
Feb 15, 2001, 10:44:45 AM2/15/01
to
Tassilo Halbritter schrieb:

>> (^1) Diese Bemerkung hat doch ernsthaft die Doktorin der Selbstverliebtheit
>> und Besserwisserei in der zweiten BB-Staffel mal abgelassen.

^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^

Da muß ich mich aber echt alt Backwoodsman outen!

> Ich kann dazu ein Beispiel aus meinem eigenen Leben anführen. In den
> fünfziger Jahren kam der Begriff "rund um die Uhr" mit dem Schlager (=hit)
> "Rock around the clock" ins Deutsche. Die meisten kennen den ursprünglich
> vorhandenen deutschen Ausdruck dafür gar nicht mehr.
> Er lautete: 24 Stunden am Tage!

Huch! Stimmt diese Etymologie von "rund um die Uhr"? Ich benutze es
häufig.

> --
> begin love me! letter from anna kournikova txt.vbs

Damit bist Du immerhin voll up to date! ;-)


Gruß aus Bremen
Ralf


Felix Neumann

unread,
Feb 15, 2001, 3:10:05 PM2/15/01
to
Sebastian Koppehel scripsit:

> Eine kurze Web-Suche ergibt, dass Niehbur kein Arzt, sondern
> Theologe war, und dass das Zitat moeglicherweise von den Anonymen
> Alkoholikern verbreitet wurde.
> Vom Militaer konnte ich nichts finden.

Ich habe meine ursprüngliche Quelle wiedergefunden:
<URL:http://www.wlb-stuttgart.de/referate/theologie/oetgeb00.html>

Kurzzusammenfassung: Reinhold Niebuhr (warum ich das "h" hinter das
"ie" gepackt habe, ist mir selbst nicht ganz klar) schrieb laut
seiner Frau das Gebet um 1940 während des Krieges; die USO
(Militärwohlfahrtsorganisation in den USA) verbreitete das Gebet und
da fing es mit der Verwirrung an; einige andere Organisationen baten
außerdem um die Benutzung, und das Chaos war perfekt.
Schließlich vermutete man wegen der einfachen Form Franz von Assisi
als Urheber. Interessant wird es wieder später: der Kieler
Religionspädagoge Dr. Dr. Theodor Wilhelm nahm eine Übersetzung des
Gebetes in sein Buch Buch "Wendepunkt der poltitischen Erziehung"
auf, das unter dem Pseudonym Friedrich Oetinger erschien nach dem
Pietisten Friedrich Christoph Oetinger, dem es dann auch immer wieder
zugesprochen wurde. Schließlich vermutete man unter Wilhelms Kollegen
einen benediktinischen Ursprung oder gar Seneca.

-fn-

--
God grant me the serenity
to accept things I cannot change,
the courage to change the things I can,
and the wisdom to know the difference. (Dr. Reinhold Niebuhr)

Message has been deleted

Sebastian Koppehel

unread,
Feb 15, 2001, 6:57:13 PM2/15/01
to
Hallo,

Felix Neumann schrieb:

> Sebastian Koppehel scripsit:
>
>> Eine kurze Web-Suche ergibt, dass Niehbur kein Arzt, sondern
>> Theologe war, und dass das Zitat moeglicherweise von den Anonymen
>> Alkoholikern verbreitet wurde.
>> Vom Militaer konnte ich nichts finden.
>
> Ich habe meine ursprüngliche Quelle wiedergefunden:
> <URL:http://www.wlb-stuttgart.de/referate/theologie/oetgeb00.html>
>
> Kurzzusammenfassung: Reinhold Niebuhr (warum ich das "h" hinter das
> "ie" gepackt habe, ist mir selbst nicht ganz klar)

Hat mich nicht gehindert, ein paar entscheidende Lebensdaten zu dem
Herrn »Niehbur« im WWW zu finden. Da kann man mal sehen :-)

- Sebastian

--
Think of that initial post as a single cell dividing again and again,
mutating and expanding geometrically with no predefined direction. The
result is likely something you'd find in a low budget horror movie.
(http://groups.google.com erklärt, wie ein Usenet-Thread entsteht)

armin saam

unread,
Feb 15, 2001, 7:54:14 PM2/15/01
to

Silvan Heintze wrote:

> Aber wann wird ein "falscher Freund" denn zu einem richtigen? Sich heutzutage noch


> erfolgreich gegen die Verwendung von "realisieren" als "erkennen" sperren zu

> wollen ist doch erstens komplett aussichtslos und zweitens auch ziemlich
> rückwärtsgewandt, oder?

> Man versteht es ja schließlich...

zu deuten, wenn "erkennen" nun durch "realisieren" ersetzt wird, nämlich als
gestelzte Sprache von Leuten, die sich groß vorkommen, wenn sie wie die Amerikaner
reden, und dabei nur zeigen, daß sie weder Englisch noch Deutsch können.

Und was heißt hier "sich sperren" oder "rückwärtsgewandt"? Soll doch jeder so dumm
daherlabern wie er's (miß-)versteht. Ich sperre mich gegen keine sprachliche
Dummheit, auch nicht gegen solche, die man versteht. Aber "vorwärtsgewandt" ist doch
wohl nicht identisch mit dem Übernehmen jeder Torheit?
Oder?

Gruß von Armin Saam

Message has been deleted

Ralf Kusmierz

unread,
Feb 15, 2001, 8:18:25 PM2/15/01
to
Silvan Heintze schrieb:

> Silvan bitte - nichts für ungut.

Verzeihung!

>> möchte ich bitten, den Herrn insbesondere im dritten Punkt um
>> Beistand zu bitten

> Hoho - interpretiere ich richtig? Jetzt kommt also der Größenwahn durch!!!

Wäre ich Christ, dann würde ich eher von Demut reden.

> Zwei Fragen hierzu:
> 1. Für wie weise hältst Du Dich, wenn Du Sprachentwicklungen, die
> offensichtlich schon im Gange sind als Dinge betrachtest, die Du ändern kannst?

Es hapert wirklich an der Unterscheidungsfähigkeit.

> 2. *verzweifelt* WARUM UM HIMMELS WILLEN??? Wieso gibt es immer wieder Leute,
> die die Welt anhalten möchten??? Sprache ist Sprache ist Sprache.

Nämlich an der Unterscheidungsfähigkeit zwischen sinnvollen und
notwendigen Weiterentwicklungen der Sprache und lediglich
dümmlichen, dekadenten Modererscheinungen, die genauso schnell
verschwinden, wie sie aufgetaucht sind.

Das, was Du mit verzweifelter Geste verteidigen möchtest, ist
einfach nur Dummsprech auf BWLer- bzw. Vostandsniveau. Kompetente
Sprachbenutzer lächeln darüber mitleidig.

(Die Bemerkung über Rückschlüsse aus dem Gebrauch mehrfacher
Ausrufezeichen erspare ich mit jetzt.)


Gruß aus Bremen
Ralf

Rüdiger Silberer

unread,
Feb 16, 2001, 9:17:37 AM2/16/01
to

"Silvan Heintze" <silvan....@gmx.net> schrieb im Newsbeitrag
news:3A89C6BF...@gmx.net...

>
> Oho - eben noch Ankläger der Dummen, jetzt schon deren Anwalt. Du
> widersprichst
> Dir. Kinder im Alter bis zu sechs Jahren lernen durchschnittlich alle 2
> Stunden
> ein neues Wort, bzw. neue Bedeutung hinzu. Erwachsene am liebsten
überhaupt
> nicht mehr, wie es aussieht, oder?


Hm, wo hast Du das denn her?

Wollen wir doch mal rechnen.
6 Jahre mal 365 Tage sind 2190 Tage.
Nehmen wir an das Kind ist durchschnittlich 12 Stunden am
Tage wach, dann sind das 2190 Tage mal 12 Stunden.
Das ergibt 26.280 Stunden, alle 2 Stunden ein neues
Wort, wären dann 13.140 Wörter.

Das glaube ich nicht!

Ade
Rüdiger

Ralf Kusmierz

unread,
Feb 16, 2001, 12:46:02 PM2/16/01
to
Rüdiger Silberer schrieb:

> Wollen wir doch mal rechnen.
> 6 Jahre mal 365 Tage sind 2190 Tage.
> Nehmen wir an das Kind ist durchschnittlich 12 Stunden am
> Tage wach, dann sind das 2190 Tage mal 12 Stunden.
> Das ergibt 26.280 Stunden, alle 2 Stunden ein neues
> Wort, wären dann 13.140 Wörter.
>
> Das glaube ich nicht!

Erscheint mir auch deutlich zu wenig. Man muß allerdings zwischen
aktivem und passivem Wortschatz unterscheiden.

Wer nennt dazu belegbare Angaben?

Immerhin stelle ich mir das ziemlich schwierig vor, den Wortschatz
zu prüfen.
Denkbare experimentelle Anordnungen:

Man zwingt die armen Kinder verschiedenen Alters dazu, so viel zu
reden, daß dabei große Teile des aktiven Wortschatzes zur Anwendung
kommen, und zählt dann aus. Das dürfte nicht realisierbar sein.

Stichproben:
Man nimmt von einer Kohorte jeweils kleinere Stichproben, bildet
daraus den Gesamtwortschatz als Vereinigungsmenge und mißt die
relativen Worthäufigkeiten, und welche Anteile die einzelnen
Sprecher generieren.

Fragebogenmethode:
Man stellt den Kindern Fragen, die in den Antworten bestimmte
Begriffe implizieren, und läßt kleine themenzentrierte Geschichten
erzählen, oder Bildbeschreibungen.

Wortlistenmethode:
Man erstellt Auswahlen aus Begriffskorpora und fragt das Verständnis
ab. Dabei wird lediglich der passive Wortschatz geprüft. Ich
vermute, daß dabei in sehr vielen Fällen die Bedeutung richtig
erraten würde und also ein sehr großer passiver Wortschatz
hochgerechnet werden könnte.

Irgend sowas wurde doch gewiß schon gemacht. Was kommt dabei heraus?


Gruß aus Bremen
Ralf

Max Siddi

unread,
Feb 16, 2001, 5:11:58 PM2/16/01
to
"Rüdiger Silberer" <Argentum...@t-online.de> schrieb:
> "Silvan Heintze" <silvan....@gmx.net> schrieb:

> >
> > Oho - eben noch Ankläger der Dummen, jetzt schon deren Anwalt. Du
> > widersprichst Dir.

Schade, wenn das hier der neue desd-Stil ist.

> > Kinder im Alter bis zu sechs Jahren lernen durchschnittlich alle 2
> > Stunden
> > ein neues Wort, bzw. neue Bedeutung hinzu. Erwachsene am liebsten
> > überhaupt nicht mehr, wie es aussieht, oder?

Ich habe den Eindruck, dass es hier weniger um sprachliche Korrektheit
als vielmehr Sprachstil geht. Die o.a. Verwendung von "realisieren"
ist MUSEN zwar insoweit akzeptabel, als das ich verstehe, was damit
gemeint ist, jedoch stilistisch ziemlich daneben.
Ob und inwieweit diese Verwendung sprachlich korrekt ist, hat vielmehr
mit dem verwendeten Register/Soziolekt/Regiolekt und dem daraus
resultierendem Korrektheitsbegriff zu tun.

[Spracherwerb]


> Wollen wir doch mal rechnen.
> 6 Jahre mal 365 Tage sind 2190 Tage.
> Nehmen wir an das Kind ist durchschnittlich 12 Stunden am
> Tage wach, dann sind das 2190 Tage mal 12 Stunden.
> Das ergibt 26.280 Stunden, alle 2 Stunden ein neues
> Wort, wären dann 13.140 Wörter.

Die Rechnung kommt aber dennoch fast hin. Nach Dieter E. Zimmer
hat ein sechsjähriges Kind einen durchschnittlichen Wortschatz
von 23.700 Wörtern, aktiv verwendet werden allerdings nur 5.000.
Es besteht ein erheblicher Unterschied zwischen passivem und
aktivem Wortschatz, denn die Wörter des ersteren werden zwar
verstanden, aber nicht aktiv verwendet.
Laut Jackendoff hat ein fünfjähiges Kind im Durchschnitt einen
Wortschatz von 10.000 Wörtern. Das erklärt sich mit den
jeweiligen Phasen des Spracherwerbs:

1.
Im Alter zwischen fünf und sieben Monaten fangen Babys an, mit
Lauten zu spielen, was der Linguist als "Lallphase" bezeichnet.
Scheinbar spielen Babys in diesem Alter das gesamte Lautinventar
durch, zusätzlich zu den relevanten Lauten ihrer Muttersprache.
Knapp ein Monat später werden einfache Silben vokalisiert, in der
Regel sind es Silbenmuster, die in allen Sprachen am
gebräuchlichsten sind: pa, ba, ne, di, ma etc.
Ferner werden im weiteren Verlauf nur noch diejenigen Laute und
Silben gelallt, die auch in der Muttersprache vorkommen.

2.
Zwischen 10 und 20 Monaten beginnen Kinder mit der Äußerung von
einzelnen Wörtern, meistens Namen oder Objektbezeichnungen, Wörter
wie "auf", "unten" und natürlich "nein", jedoch keine
Funktionswörter und keine Flexion.
Innerhalb von sechs Monaten wird ein Wortschatz zwischen 50-100
Wörtern erworben.

3.
Ab einem Alter um die zwei Jahre beginnt das Kind mit Zweiwortsätzen,
und zu beobachten ist eine relativ konstante Wortstellung (das Verb
steht immer rechts vom Subjekt). In der Regel kommen Sätze mit mehr
als zwei Wörtern auch nicht vor, und zudem beherrscht das Kind in
dieser Phase immer noch keine Flexion.

4.
Genau in dieser Phase setzt aber eine bemerkenswerte Lernphase ein,
in der das Lexikon des Kindes rasant anwächst und bis zum fünften
Lebensjahr eben einen Wortschatz von 10.000 Wörtern erreicht. Das
bedeutet also, dass das Kind in dieser Phase jeden Tag um die zehn
neue Wörter lernt. Dazu kommt jedoch noch, dass die richtige Anwendung
dieser Wörter auch noch erlernt wird (Semantikerwerb), was wiederum
einen eigenständigen Prozess in Anspruch nimmt, in dem gerade
Gelerntes aktiv geübt wird. Zudem erwirbt es nach und nach syntaktische
und morphologische Kenntnisse.

Scheinbar besteht ein Zusammenhang zwischen den rasanten Lernprozessen
eines Kleinkindes und der Tatsache, dass sich bestimmte Regionen im
Gehirn auf die Verarbeitung bestimmter kognitiver Prozesse
spezialisieren, also die Art und Weise, wie ein Erwachsener Mensch
lernt, unterscheidet sich somit von der eines Babys bzw. Kleinkindes.


Mit freundlichen Grüßen

Max

Carsten Kruse

unread,
Feb 16, 2001, 12:20:25 PM2/16/01
to

Tassilo Halbritter schrieb:

TH> In article <0fa_2001...@beg.gera.thur.de>, Carsten Kruse


TH> <URL:mailto:carste...@beg.gera.thur.de> wrote:

> Aber vielleicht realisiere ich in 2040 kurz vor Ende meines Lebens,
> wenn ich diese Diskussion erinnere, dass Buzzwords nicht wirklich
> schlecht sind und die Benutzung der geeigneten deutschen Wörter
> "ziemlich boring" (^1) ist.

TH> Ich kann dazu ein Beispiel aus meinem eigenen Leben anführen. In
TH> den fünfziger Jahren kam der Begriff "rund um die Uhr" mit dem
TH> Schlager (=hit) "Rock around the clock" ins Deutsche. Die meisten
TH> kennen den ursprünglich vorhandenen deutschen Ausdruck dafür gar
TH> nicht mehr.
TH> Er lautete: 24 Stunden am Tage!

Dagegen ist auch nichts einzuwenden. Vielleicht hat es damit zu tun, dass ich
ja auch mal Anglistik studiert habe :-) und so vielleicht weniger von
englischstämmigen Modewörtern faszinierbar bin oder weißderfux.
Mir gehts um völlig unnötige Wörter, für die es passende Begriffe bereits im
Deutschen gibt. Dazu zähle ich sowas wie "Ich habe jetzt erst realisiert, dass
unsere Sprache mehr und mehr zu einem Pidgin zu degenerieren droht."

Bye/7, Carsten [G'Car] E-Mail: c...@beg.gera.thur.de
--

... Eiiiiiine Insel mit zwei Bergen...

Silvan Heintze

unread,
Feb 17, 2001, 8:03:23 AM2/17/01
to
Ralf Kusmierz schrieb:

>
> Rüdiger Silberer schrieb:
>
> > Wollen wir doch mal rechnen.
> > 6 Jahre mal 365 Tage sind 2190 Tage.
> > Nehmen wir an das Kind ist durchschnittlich 12 Stunden am
> > Tage wach, dann sind das 2190 Tage mal 12 Stunden.
> > Das ergibt 26.280 Stunden, alle 2 Stunden ein neues
> > Wort, wären dann 13.140 Wörter.
> >
> > Das glaube ich nicht!
>
> Erscheint mir auch deutlich zu wenig. Man muß allerdings zwischen
> aktivem und passivem Wortschatz unterscheiden.

Bin jetzt ein bisschen verwirrt, ob Ihr wirklich beide glaubt, dass das zu wenig
ist. Statistiker haben sich mal die Mühe gemacht, alle verschiedenen Wörter im
Gesamtwerk Shakespeares zu zählen und kamen auf 15.000. Naja, und in meiner
Vorstellung hat Shakespeare eben _sehr_viele_ Wörter benutzt. Wie gesagt - wir
reden von 6-jährigen Kindern, die annähernd einen solchen passiven Wortschatz
haben noch bevor sie anfangen zu lesen.

> Wer nennt dazu belegbare Angaben?

Steven Pinker: 'The Language Instinct', Penguin 1994, S.149ff

Hier wird tatsächlich Deine vermutete "Wortlistenmethode" beschrieben, um den
_passiven_ Wortschatz (recall: wir redeten davon, ob man "realisieren" mit neuer
Bedeutung _versteht_) zu ermitteln - kurze Zusammenfassung:
Versuchpersonen werden mit einer Auswahl von Wörterbucheinträgen (drittes Wort
von oben auf jeder achten geraden Seite) konfrontiert und aufgefordert, aus
einer gegebenen Liste das nächste Synonym auszuwählen. Nach einer Korrektur für
mögliches Raten kann das Ergebnis hochgerechnet werden.
Nach Pinker findet man die ausgefeiltesten Ergebnisse bei William Nagy und
Richard Anderson. Diese haben mit einer Liste von 227.553 Wörtern begonnen, von
denen 45.453 einfache Stämme waren. Von den restlichen 182.100 Derivaten und
Komposita befanden sie, dass 42.080 _nicht_ allein durch Verständnis der
Komponenten erkannt werden können. Ergibt eine Summe von 88.533 Wörtern.
Nach Auswahl und Testdurchführung kamen sie zu einem passiven Wortschatz von
45.000 Wörtern bei einem durchschnittlichen Amerikaner. (Gibt es Gründe, warum
der Wortschatz sprachabhängig sein sollte?)
Hinzu kommen Einträge für Namen, Zahlen, Abkürzungen usw. (die Wörter, die bei
Scrabble verboten sind... :-) ), so dass Pinker auf einen durchschnittlichen
Wortschatz von 60.000 Worten schließt. Viermal soviel wie Shakespeare
verwendete!
Auf gleiche Art und Weise kann man den Wortschatz 6-jähriger Kinder testen und
tatsächlich nennt Pinker die Zahl 13.000 - genau wie Rüdiger errechnet hat.
Im übrigen halte ich es für eine unvorstellbare Leistung, zwanzig Jahre lang
tagein tagaus alle zwei Stunden ein neues Wort zu lernen.

Also - meint Ihr nicht, da ist noch Platz für ein lausiges "realisieren"...?

MfG, Silvan
+++


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Silvan Heintze

unread,
Feb 17, 2001, 8:37:46 AM2/17/01
to

armin saam schrieb:

> zu deuten, wenn "erkennen" nun durch "realisieren" ersetzt wird, nämlich als
> gestelzte Sprache von Leuten, die sich groß vorkommen, wenn sie wie die
> Amerikaner reden, und dabei nur zeigen, daß sie weder Englisch noch Deutsch
> können.

Diesen Schluß habe ich nicht verstanden - wieso können diese Leute weder
Englisch noch Deutsch?


> Und was heißt hier "sich sperren" oder "rückwärtsgewandt"? Soll doch jeder so
> dumm daherlabern wie er's (miß-)versteht. Ich sperre mich gegen keine
> sprachliche Dummheit, auch nicht gegen solche, die man versteht. Aber
> "vorwärtsgewandt" ist doch wohl nicht identisch mit dem Übernehmen jeder
> Torheit? Oder?

Vielleicht als krönenden Abschluß des Threads - ich könnte mich ohrfeigen, nicht
früher auf die Idee gekommen zu sein, mal in ein Wörterbuch zu schauen.

Brockhaus Enzyklopädie, Band 27 "Deutsches Wörterbuch", Mannheim 1995, S.2713/1
"realisieren: 1.[...] 2.(in einem Prozeß der Bewußtmachung) erkennen, einsehen,
begreifen:
ich kann das alles noch nicht recht realisieren (Dürrenmatt, Grieche 99)
Thomas ... starrt ... auf die Leinwand, ohne zu realisieren, was dort abläuft
(Ziegler, Kein Recht 380) 3.[...]".

Ich kann nicht oft genug betonen, wie sehr mich Euer Geschwätz von
"dummdeutsch", "dekadent", "Torheit", "falsch", "gestelzt", usw. entsetzt hat
und vielleicht sollte man doch mal etwas für den Umgangston in dieser ng tun.
Werde mich selbst von Herzen bemühen.

MfG, Silvan

PS: Nochmal zum eigentlichen Thema des Threads: Gleiches Wörterbuch:
S.2712: "Realisation: 1.Realisierung [...]"
S.2713: "Realisierung: das Realisieren, Realisiert-werden"

:-))

rp5...@rp-plus.de

unread,
Feb 17, 2001, 12:10:16 PM2/17/01
to
Silvan Heintze schrieb:

> Brockhaus Enzyklopädie, Band 27 "Deutsches Wörterbuch", Mannheim 1995,
> S.2713/1 "realisieren: 1.[...] 2.(in einem Prozeß der Bewußtmachung)
> erkennen, einsehen, begreifen:
> ich kann das alles noch nicht recht realisieren (Dürrenmatt, Grieche
> 99) Thomas ... starrt ... auf die Leinwand, ohne zu realisieren, was
> dort abläuft (Ziegler, Kein Recht 380) 3.[...]".
>
> Ich kann nicht oft genug betonen, wie sehr mich Euer Geschwätz von

> "dummdeutsch", "dekadent", "Torheit", "falsch", "gestelzt", usw. > entsetzt hat[.]

Frage: Was spricht dagegen, Dürrenmatt und Ziegler der Verwendung des
Neumodisch-Dummdeutschen zu zeihen?
BTW Belegstellen (zur RSR): Unser allseits beliebter Duden pflegt
bekanntlich seine literarischen Belege aus älteren Quellen in Neuer
Deutscher Rechtschreibung zu drucken, um zu beweisen, daß das zu
erläuternde Wort neudeutsch rechtgeschrieben wird, und das
offensichtlich schon immer...

Max Siddi

unread,
Feb 17, 2001, 12:56:41 PM2/17/01
to
<rp5...@rp-plus.de> schrieb (wie immer ohne Realnamen):
> Silvan Heintze schrieb:

> > Ich kann nicht oft genug betonen, wie sehr mich Euer Geschwätz von
> > "dummdeutsch", "dekadent", "Torheit", "falsch", "gestelzt", usw.
> > entsetzt hat[.]

Tja, dem muss ich wohl an dieser Stelle leider zustimmen :-/

> BTW Belegstellen (zur RSR): Unser allseits beliebter Duden pflegt
> bekanntlich seine literarischen Belege aus älteren Quellen in Neuer
> Deutscher Rechtschreibung zu drucken, um zu beweisen, daß das zu
> erläuternde Wort neudeutsch rechtgeschrieben wird, und das
> offensichtlich schon immer...

Was hat das mit der Bedeutung und Verwendung des oben besprochenen
Wortes zu tun? Hier geht es nicht um irgendeine neue Schreibweise oder
um irgendwelche paranoiden Verschwörungstheorien, die in der RSR ein
Komplott sehen. Jede Diskussion über die RSR ist an dieser Stelle
wohl überflüssig.

Mit freundlichen Grüßen

Max

rp5...@rp-plus.de

unread,
Feb 17, 2001, 1:28:38 PM2/17/01
to
Max Siddi schrieb:


> <rp5...@rp-plus.de> schrieb (wie immer ohne Realnamen):

[...]



> Was hat das mit der Bedeutung und Verwendung des oben besprochenen
> Wortes zu tun? Hier geht es nicht um irgendeine neue Schreibweise oder
> um irgendwelche paranoiden Verschwörungstheorien, die in der RSR ein
> Komplott sehen. Jede Diskussion über die RSR ist an dieser Stelle
> wohl überflüssig.

Warum führst _Du_ diese Diskussion dann? Ich hatte lediglich eine
Anmerkung "BTW" zum Duden und seinen Belegen gemacht.
Meine Frage zur _Sache_ aber war: "Was spricht dagegen, Dürrenmatt und


Ziegler der Verwendung des Neumodisch-Dummdeutschen zu zeihen?"

BTW und OT: Warum diskutierst Du über Realnamen? Das ist in dieser ng
völlig OT.

Max Siddi

unread,
Feb 17, 2001, 2:09:09 PM2/17/01
to
<rp5...@rp-plus.de> schrieb:
> Max Siddi schrieb:

> Warum führst _Du_ diese Diskussion dann? Ich hatte lediglich eine
> Anmerkung "BTW" zum Duden und seinen Belegen gemacht.

Worauf mir wohl auch eine Anmerkung erlaubt sein dürfte.

> Meine Frage zur _Sache_ aber war: "Was spricht dagegen, Dürrenmatt und
> Ziegler der Verwendung des Neumodisch-Dummdeutschen zu zeihen?"

Eine andere Meinung. Warum sollte ich dem toten Dürrenmatt, der ja als
Schriftsteller über ein besonders feines Sprachgefühl verfügte, genau
dieses Sprachgefühl zum Vorwurf machen? Warum sollte ich mein eigenes
Sprachgefühl zum Gesetz machen, an das sich alle zu halten haben?
Ich werfe ja dem schweizer Komiker "Emil" auch nicht vor, dass er
z.B. Wörter wie "Büro" auf der ersten Silbe betont. Wie käme ich also
dazu, Menschen wegen ihrer "besonderen" Verwendung des Wortes
"realisieren" anzugreifen, wenn dies als korrekt empfunden wird und
diese Art der Verwendung zudem auch noch recht produktiv zu sein
scheint?

> BTW und OT: Warum diskutierst Du über Realnamen? Das ist in dieser ng
> völlig OT.

Wo bitte "diskutiere" ich über Realnamen? Es handelte sich lediglich um
einen dezenten Wink mit dem Zaunpfahl in der Einleitungszeile.

Und BTW u. OT: Ja, ich empfinde E-Mail Adressen in der From-Zeile als
unhöflich. Von mir aus kannst du dich ja auch Mercutio nennen, oder Romeo
Montague.

Mit freundlichen Grüßen

Max

Peter Salewsky

unread,
Feb 17, 2001, 3:30:09 PM2/17/01
to
Silvan Heintze wrote:
>
> Brockhaus Enzyklopädie, Band 27 "Deutsches Wörterbuch", Mannheim 1995, S.2713/1
> "realisieren: 1.[...] 2.(in einem Prozeß der Bewußtmachung) erkennen, einsehen,
> begreifen:
> ich kann das alles noch nicht recht realisieren (Dürrenmatt, Grieche 99)
> Thomas ... starrt ... auf die Leinwand, ohne zu realisieren, was dort abläuft
> (Ziegler, Kein Recht 380) 3.[...]".

Ein Eintrag in einem Wörterbuch ist noch lange keine Gewähr für
gepflegte Sprache. Im Duden stehen auch Wörter wie "nichtsdestotrotz"
oder die leidige "Rückantwort" (früher stand da wenigstens noch der
Hinweis, daß "Antwort" vorzuziehen ist).



> Ich kann nicht oft genug betonen, wie sehr mich Euer Geschwätz von
> "dummdeutsch", "dekadent", "Torheit", "falsch", "gestelzt", usw. entsetzt hat
> und vielleicht sollte man doch mal etwas für den Umgangston in dieser ng tun.
> Werde mich selbst von Herzen bemühen.

Wenn nicht in d.e.s.d auf einen sauberen Umgang mit der deutschen
Sprache geachtet wird - wo dann? Was versprichst Du Dir von dieser
Gruppe, wenn Du auf Deine Sprache so wenig Wert legst?
Und was den Umgangston angeht - findest Du es angemessen, anderen
Geschwätz vorzuwerfen?

Max Siddi

unread,
Feb 17, 2001, 5:15:47 PM2/17/01
to
"Peter Salewsky" <pe...@psalewsky.de> schrieb:
>Silvan Heintze wrote:

>>[Brockhaus-Einträge]


>Ein Eintrag in einem Wörterbuch ist noch lange keine Gewähr für
>gepflegte Sprache. Im Duden stehen auch Wörter wie "nichtsdestotrotz"
>oder die leidige "Rückantwort" (früher stand da wenigstens noch der
>Hinweis, daß "Antwort" vorzuziehen ist).

Wörterbucheinträge weisen darauf hin, dass bestimmte Wörter doch
recht häufig gebraucht werden und eben von vielen Sprechern als
korrekt empfunden werden. Ob die Verwendung jener oben angegebenen
Wörter zum guten Stil gehört, ist eine andere Sache. Gerade Wörter
wie "nichtsdestotrotz" habe ich schon recht häufig lesen können.

>Wenn nicht in d.e.s.d auf einen sauberen Umgang mit der deutschen
>Sprache geachtet wird - wo dann? Was versprichst Du Dir von dieser
>Gruppe, wenn Du auf Deine Sprache so wenig Wert legst?

Man sollte differenzieren können, wann es um Fragen nach gutem oder
schlechtem Stil geht und wann es um sprachliche Korrektheit geht.
Diese beiden Dinge sind IMHO nicht immer deckungsgleich.
Auf solche Fragen wird in der Regel immer kompetent geantwortet,
da hier einige Leute posten, die (berufsbedingt) sehr viel mit
Sprache zu tun haben und aus dem Fundus eines geübten Sprachempfindens
schöpfen können.

In desd geht es aber wohl kaum um den "sauberen Umgang mit der deutschen
Sprache". Der hier unpassend verwendete Begriff der "Sauberkeit" existiert
nur in den Köpfen von Sprachhütern.
Ehrlich gesagt verzichte ich gerne auf die Wiederkehr sprachpuristischer
Vereine und Orden aus der Zeit des Barock; als Beispiele zu nennen wären
hier z.B. der 1644 in Nürnberg gegründete "Pekinesische Blumenorden",
der 1641 gegründete Verein "Deutsch gesinnte Genossenschaft", die 1617
gegründete "Fruchtbringende Gesellschaft" und natürlich die "Academia
Crusca" aus dem Jahre 1583, um mal ein italienisches Beispiel zu nennen.

Mit freundlichen Grüßen

Max

Message has been deleted

Silvan Heintze

unread,
Feb 17, 2001, 7:20:24 PM2/17/01
to
Peter Salewsky schrieb:

> Ein Eintrag in einem Wörterbuch ist noch lange keine Gewähr für
> gepflegte Sprache. Im Duden stehen auch Wörter wie "nichtsdestotrotz"
> oder die leidige "Rückantwort" (früher stand da wenigstens noch der
> Hinweis, daß "Antwort" vorzuziehen ist).

Was hast Du gegen "nichtsdestotrotz"? (Ein guter Freund von mir aus Spanien, der
innerhalb kürzester Zeit hier deutsch gelernt hat, pflegte auch einige seiner
Sätze mit "nichtsdestotrotz" zu beginnen und hatte die Begeisterung der Zuhörer
sicher auf seiner Seite.)
Entweder wir diskutieren um "falsche" und "richtige" Sprache - dann brauchen wir
Regeln und Vorgaben, die in einem WÖRTERBUCH stehen. Das wäre eine angemessene
Authorität.
Oder - was mir viel lieber wäre - wir einigen uns darauf, dass Wörterbücher und
Regeln Sprache eben NICHT festhalten können, es deswegen auch kein "richtig" und
kein "falsch" gibt, und letztlich die pragmatische Verwendung uns zeigt, was
möglich ist. In beiden Fällen kommst Du an "realisieren" aber nicht vorbei.

Ok, es gibt noch eine Chance, auf die Paulchen Müller offensichtlich gerade
setzt: wir wollen auf der richtig-falsch-Ebene diskutieren, brauchen deshalb
Regeln und Wörterbücher, aber der BROCKHAUS, Dürrenmatt und Ziegler sind keine
geeignete Authorität.
Verständlicherweise beteilige ich mich an _dieser_ Art von Diskussion nun
wirklich nicht mehr.



> Wenn nicht in d.e.s.d auf einen sauberen Umgang mit der deutschen
> Sprache geachtet wird - wo dann?

Wer redet von "unsauber"? "Dummdeutsch", "dekadent", "Torheit", "falsch",
"gestelzt", usw. empfinde ich als durchaus saubere deutsche Worte, nur ist ihre
_inhaltliche_Verwendung_ hier unangemessen, arrogant und verbohrt gewesen.

> Was versprichst Du Dir von dieser
> Gruppe, wenn Du auf Deine Sprache so wenig Wert legst?

Lege ich auf meine Sprache wenig wert? Ich versuche als _nahezu_einziger_ Euch
beizubringen, wie reich, produktiv und flexibel die deutsche Sprache ist.
Traurig genug, dass das hier offensichtlich notwendig ist. Feinde der deutschen
Sprache und v.a. ihrer Entwicklung sind IMHO Leute, die so argumentieren wie Ihr
hier - ich liebe meine Sprache!!! Deswegen habe ich auch erst angefangen,
mitzulesen. Zeitweise habe ich allerdings wirklich das Gefühl, in Abgründe zu
schauen... :(

> Und was den Umgangston angeht - findest Du es angemessen, anderen
> Geschwätz vorzuwerfen?

Okok - nenn' mir bitte ein Wort, das die bereits dargelegten Begriffe in all
Ihrer Engstirnigkeit besser zusammenfasst als "Geschwätz". Ich wollte das in
keiner Weise beleidigend verstanden wissen, aber mehr als "Geschwätz" ist es
nicht, denn dahinter steht _null_ Inhalt.

João Luiz

unread,
Feb 17, 2001, 10:39:44 PM2/17/01
to
Peter Salewsky schrieb:


> Ein Eintrag in einem Wörterbuch ist noch lange keine Gewähr für
> gepflegte Sprache. Im Duden stehen auch Wörter wie "nichtsdestotrotz"
> oder die leidige "Rückantwort" (früher stand da wenigstens noch der
> Hinweis, daß "Antwort" vorzuziehen ist).

Ist "nichtsdestotrotz" schlimm? Ich dachte, es wäre gepflegt.



> Wenn nicht in d.e.s.d auf einen sauberen Umgang mit der deutschen
> Sprache geachtet wird - wo dann?

Wenn ein Ausli sich manifestieren darf: Diese Kritik ist falsch
auf der Stelle. Kritisiert wurde der Umgang mit Menschen, nicht
mit der Sprache.

Mich erstaunt manchmal zu sehen, wie leidenschaftlich sich die
Deutschen gegenüber ihrer Sprache verhalten. (Für meine gibt
es nicht mal ein Forum.) Es ist normal, daß bei solchem "Pas-
sionsniveau" einige Fetzen fliegen. Nichtdestotrotz :-) soll
diese eine der höflichsten Gruppen im Usenet sein.

Als Brasilianer erstaunt man sich auch darüber, wie häufig
und überall (besonders) usamerikanische Umgangssprachen hier
übernommen werden (wenn es jemandem interesiert, in Brasi-
lien heißt "realizar" nur verwirklichen, und es gibt nur
"24 Stunden am Tag", obwohl auch dort "rock around the
clock" seinerzeit ein Schlager gewesen sein soll.)

Der erste Eindruck aller brasilianischen Praktikanten, die
nach Ilmenau kommen ist, seine Zeit zu Hause beim Deutsch-
lernen verschwendet zu haben, wenn man überall hier Englisch
liest. Daß man in Frankfurter Flughafen ankommt und mit der
DB nach Ilmenau fährt, soll einen entscheidenden Einfluß
darauf haben.

JL

Ralf Heinrich Arning

unread,
Feb 18, 2001, 1:16:24 AM2/18/01
to
Max Siddi <msi...@smail.uni-koeln.de> wrote:

> Ehrlich gesagt verzichte ich gerne auf die Wiederkehr sprachpuristischer
> Vereine und Orden aus der Zeit des Barock; als Beispiele zu nennen wären
> hier z.B. der 1644 in Nürnberg gegründete "Pekinesische Blumenorden",

Pegnesischer Blumenorden (nict von Peking, sondern von Pegnitz)


> der 1641 gegründete Verein "Deutsch gesinnte Genossenschaft", die 1617

Deutschgesinnete Genossenschaft


> gegründete "Fruchtbringende Gesellschaft" und natürlich die "Academia
> Crusca" aus dem Jahre 1583, um mal ein italienisches Beispiel zu nennen.

Was stört Dich daran, daß sich Leute zusammenschließen, um ihre Sprache
zu pflegen.
Sollen sich Menschen überhaupt nicht zusammenschließen? Oder wenn, dann
auf keinen Fall um der Sprache willen?
Wo ist das Problem?

Ralf

Ralf Heinrich Arning

unread,
Feb 18, 2001, 1:16:22 AM2/18/01
to
Silvan Heintze <silvan....@gmx.net> wrote:

> <verzweifelte Wut> Wacht hier jetzt ENDLICH jemand auf??? Die Verteidiger
> unserer Sprache bemerken nicht, dass Ihre Verteidigung zum Angriff nach
> innen mutiert! Erkennt (sollte ich "realisiert" schreiben? ;) ) denn
> niemand von Euch, wohin diese Diskussion führt? Nach eigenem Gutdünken
> postuliert Paulchen hier Regeln, auf die er unsere Sprache dann
> zurechtschneiden will ("Realisieren heißt im Deutschen nach wie vor nur
> "real machen", verwirklichen, materialisieren [...]"). Der abgeschnitte
> Rest ist "dummdeutsch". </verzweifelte Wut>

<Nerven bewahren>
Hier werden *verschiedene* Positionen diskutiert. Das wird auch weiter
so bleiben. Paulchen kann so viele Regeln postulieren wie er will.
Nichts und niemand ist hier normativ. Im Unterschied zu den meisten
anderen nehmen wir hier nur bewußter am Sprachwandel teil.

[Das </Nerven bewahren> spare ich mir]

Ralf

Max Siddi

unread,
Feb 18, 2001, 1:03:47 AM2/18/01
to
João Luiz <JoaoLuiz...@MB.TU-Ilmenau.DE> schrieb:
> Peter Salewsky schrieb:
> > [Wörterbuch u. Verwendung von Wörtern]

> Ist "nichtsdestotrotz" schlimm? Ich dachte, es wäre gepflegt.

Das dachte ich eigentlich auch, aber scheinbar empfinden es
einige Leute als falsch und ziehen die Verwendung von
"nichtsdestoweniger" vor. Mein Brockhaus-Wörterbuch sagt mir,
dass es sich bei "nichtsdestotrotz" um eine Mischbildung aus
"trotzdem" und "nichtsdestoweniger" handelt, welche oft
umgangssprachlich - und von einigen scherzhaft! - verwendet
wird. Nichtsdestotrotz ist die Verwendung von "nichtsdestotrotz"
scheinbar sehr produktiv und wird von sehr vielen Sprechern
eben nicht als umganssprachlich oder scherzhaft empfunden.

[snip]


> Mich erstaunt manchmal zu sehen, wie leidenschaftlich sich die
> Deutschen gegenüber ihrer Sprache verhalten. (Für meine gibt
> es nicht mal ein Forum.)

Was sehr schade ist, da Portugiesisch IMHO eine sehr schöne
Sprache ist (kein Portugiesisch-Forum?). Aber ich kann mir
ebensogut vorstellen, dass es auch in anderen Ländern
Zweifelsfälle gibt, also Fragen über die richtige Verwendung
bestimmter Wörter gestellt werden.

> Es ist normal, daß bei solchem "Passionsniveau" einige Fetzen


> fliegen. Nichtdestotrotz :-) soll diese eine der höflichsten
> Gruppen im Usenet sein.

ACK: Höflichkeit ist IMHO gerade bei einer Diskussion wichtig,
wenn man mit unterschiedlichen Meinungen konfrontiert wird.
Es sollte doch nicht ausschließlich darum gehen, immer nur
recht zu behalten, denn im Idealfall möchte man ja ein Ergebnis
erzielen oder wenigstens mal eine andere Meinung gehört haben.
Leider gießen einige Teilnehmer auch immer wieder Öl ins Feuer
einer wutentbrannten Diskussion, was beweist, dass dies nicht
immer so leicht ist.

[snip]


> Der erste Eindruck aller brasilianischen Praktikanten, die
> nach Ilmenau kommen ist, seine Zeit zu Hause beim Deutsch-
> lernen verschwendet zu haben, wenn man überall hier Englisch
> liest. Daß man in Frankfurter Flughafen ankommt und mit der
> DB nach Ilmenau fährt, soll einen entscheidenden Einfluß
> darauf haben.

IMHO ist die Verwendung von englischen Wörtern - und zum Teil
wird in der Werbung auch nur Englisch gesprochen - eine ziemlich
erfolgreiche Werbe- und PR-Strategie. Das klang für mich auf
dem ersten Blick zwar seltsam, aber es funktioniert :-)


Mit freundlichen Grüßen

Max

Max Siddi

unread,
Feb 18, 2001, 2:33:50 AM2/18/01
to
Silvan Heintze <silvan....@gmx.net> schrieb:
> Max Siddi schrieb:

> <verzweifelte Wut>
> Wacht hier jetzt ENDLICH jemand auf???
> Die Verteidiger unserer Sprache bemerken nicht, dass Ihre
> Verteidigung zum Angriff nach innen mutiert!
> Erkennt (sollte ich "realisiert" schreiben? ;) ) denn niemand
> von Euch, wohin diese Diskussion führt?

In dieser Form natürlich zu nichts. Man muss doch auch mal selbst
die Ruhe behalten und sich nicht von anderen dazu verleiten lassen,
wütend zu werden. So wichtig ist das Thema ja nun auch nicht. Wozu
sollte man sich gegenseitig verbal die Rübe runterreißen, halte ich
für kontraproduktiv. Im Allgemeinen gilt das natürlich für alle
Diskutanten!

> Nach eigenem Gutdünken postuliert Paulchen hier Regeln, auf die
> er unsere Sprache dann zurechtschneiden will ("Realisieren heißt
> im Deutschen nach wie vor nur "real machen", verwirklichen,
> materialisieren [...]"). Der abgeschnitte Rest ist "dummdeutsch".

Naja, von Regeln kann ja hier keine Rede sein, nur über das, was
er bzgl. der Bedeutung des Wortes "realisieren" für richtig hält.
Ich muss hier aber ganz klar sagen, dass ich solche Ausdrücke wie
"dummdeutsch" für ziemlich dumm halte. Außerdem hast du ja
Textstellen vorweisen können, in denen eine entsprechende
Verwendung vorkam. Ich habe mir übrigens die entsprechende Stelle
im Wörterbuch auch selbst angeschaut, und wie es aussieht wird
"realisieren" schon seit längerem in diesem Sinne verwendet, was
doch ein ziemlich gutes Argument deinerseits darstellt.

>>[Emil u. "richtige" Verwendung von Wörtern]
> Nehme den Kommentar von vorhin zurück - ich bin nicht offensichtlich
> nicht der einzige hier, der das so sieht. DANKE! :-)

Andernfalls würde ich ja auch nicht in dieser NG posten ;-)


Mit freundlichen Grüßen

Max

Max Siddi

unread,
Feb 18, 2001, 3:52:21 AM2/18/01
to
Ralf Heinrich Arning <Ralf....@t-online.de> schrieb:

> Max Siddi <msi...@smail.uni-koeln.de> wrote:
> > Ehrlich gesagt verzichte ich gerne auf die Wiederkehr
> > sprachpuristischer Vereine und Orden aus der Zeit des Barock;
> > als Beispiele zu nennen wärenhier z.B. der 1644

> > in Nürnberg gegründete "Pekinesische Blumenorden",

> Pegnesischer Blumenorden (nict von Peking, sondern von Pegnitz)

Mist. Hab' ich wohl in der Eile falsch abgetippselt :-)

> > der 1641 gegründete Verein "Deutsch gesinnte Genossenschaft", die

> Deutschgesinnete Genossenschaft
> > 1617 gegründete "Fruchtbringende Gesellschaft" und natürlich die


> > "Academia Crusca" aus dem Jahre 1583, um mal ein italienisches
> > Beispiel zu nennen.

> Was stört Dich daran, daß sich Leute zusammenschließen, um ihre
> Sprache zu pflegen.

Kommt darauf an, was man unter Sprachpflege versteht. Wenn es
um die Jagd nach Fremdwörtern in der deutschen Sprache geht,
die es auszutilgen gilt, um ein angeblich reines Deutsch zu
schaffen, dann halte ich das nicht gerade für sinnvoll, da im
Laufe der deutschen Sprachgeschichte ja schon viele Fremdwörter
eingeflossen sind, zu deutschen Wörtern assimiliert wurden und
auch als deutsch empfunden werden. Eine solche Haltung nennt
man Sprachpurismus, oder auch Sprachkonservativismus.
Das gilt nicht nur für Fremdwörter, sondern auch für andere
Sprachwandel, z.B. die Präferenz schwach gebeugter Verbformen,
die sich gegenüber den stark gebeugten durchsetzen (wie "buk"
- "backte"). Sehr häufig beobachte ich auch Äußerungen wie
"[er] frägt" anstelle von "fragt" - vielleicht ein Phänomen,
das nur in bestimmten sozialen Schichten auftaucht, aber
dennoch sehr produktiv ist.

> Sollen sich Menschen überhaupt nicht zusammenschließen? Oder wenn,
> dann auf keinen Fall um der Sprache willen?

Jedenfalls nicht, wenn solche albernen Namen verwendet werden ;-) Dies
hat zumindest in der entsprechenden Vorlesung für einiges an Gelächter
gesorgt - aus heutiger Sicht wirken die Namen natürlich albern.
Es kommt aber darauf an, was für Ziele so ein Zusammenschluss verfolgen
soll: AFAIK gibt es hier in Köln den einen oder anderen Verein, der sich
um die Erhaltung des Stadtkölnischen bemüht.

> Wo ist das Problem?

Zuerst: Diese Orden waren nicht besonders erfolgreich. Außerdem
hatten die ein komisches Verständnis dafür, was Sprache eigentlich
ist: Wenn man Latein als die reinste Sprache ansieht, aus der
"Bastardsprachen" hervorgegangen sind und dann die Anmaßung besitzt,
dass alle anderen nichteuropäischen Sprachen minderwertig sind,
zudem Sprachwandel als Niedergang und Zerfall deutet, hat man nicht
verstanden, dass insbesondere die gesprochene Sprache ein lebendiges,
sich ständig veränderndes System ist, das gerade von Veränderungen,
Neuwortschöpfungen und Fremdwörtern lebt. Schon Wilhelm von
Humboldt meinte, dass Sprache kein statisches System ist (Ergon),
sondern ein dynamischer, sich ständig neu schaffender Prozess
(Energeia). Die oben angegebenen Orden hielten aber Veränderung für
Anzeichen von Verfall und Niedergang einer Sprache.

Will sagen: So etwas wie ein reines Deutsch gibt es überhaupt nicht.
Und was das gesprochene Deutsch angeht: Was ist denn eigentlich deutsch?
Wie will man bei der großen Menge an Varianten eine Grenze ziehen?
Ein Problem sehe ich auch darin, dass so ein normativer, präskriptiver
Ansatz eher zu Spracharmut führt, was wohl einer der Gründe für die
ablehnende Haltung gegenüber diesen Orden gewesen sein wird.
Seit der modernen Linguistik hat man den Bereich der normativen oder
präskriptiven Grammatik schließlich verlassen, ich sehe keinen Grund,
ihn wieder zu betreten.


Mit freundlichen Grüßen

Max

Peter Salewsky

unread,
Feb 18, 2001, 4:39:10 AM2/18/01
to
Max Siddi wrote:
>
> "Peter Salewsky" <pe...@psalewsky.de> schrieb:
> >Silvan Heintze wrote:
>
> >>[Brockhaus-Einträge]
> >Ein Eintrag in einem Wörterbuch ist noch lange keine Gewähr für
> >gepflegte Sprache. Im Duden stehen auch Wörter wie "nichtsdestotrotz"
> >oder die leidige "Rückantwort" (früher stand da wenigstens noch der
> >Hinweis, daß "Antwort" vorzuziehen ist).
>
> Wörterbucheinträge weisen darauf hin, dass bestimmte Wörter doch
> recht häufig gebraucht werden und eben von vielen Sprechern als
> korrekt empfunden werden. Ob die Verwendung jener oben angegebenen
> Wörter zum guten Stil gehört, ist eine andere Sache. Gerade Wörter
> wie "nichtsdestotrotz" habe ich schon recht häufig lesen können.

Eben - Wörterbücher sind immer auch ein Spiegel bestehenden
(guten oder schlechten) Sprachgebrauchs. Es gibt aber neben
Wörterbüchern, die im wesentlichen ein reines Wörterverzeichnis
darstellen, auch solche, in denen guter und schlechter Stil
(inklusive Wortwahl) behandelt werden.

> >Wenn nicht in d.e.s.d auf einen sauberen Umgang mit der deutschen
> >Sprache geachtet wird - wo dann? Was versprichst Du Dir von dieser
> >Gruppe, wenn Du auf Deine Sprache so wenig Wert legst?
>
> Man sollte differenzieren können, wann es um Fragen nach gutem oder
> schlechtem Stil geht und wann es um sprachliche Korrektheit geht.
> Diese beiden Dinge sind IMHO nicht immer deckungsgleich.

Das ist richtig. Sprachliche Korrektheit läßt sich weitgehend
objektiv einschätzen, während das Stilempfinden (wie der Name schon
sagt) sehr subjektiv ist.

> In desd geht es aber wohl kaum um den "sauberen Umgang mit der deutschen
> Sprache". Der hier unpassend verwendete Begriff der "Sauberkeit" existiert
> nur in den Köpfen von Sprachhütern.
> Ehrlich gesagt verzichte ich gerne auf die Wiederkehr sprachpuristischer
> Vereine und Orden aus der Zeit des Barock; als Beispiele zu nennen wären
> hier z.B. der 1644 in Nürnberg gegründete "Pekinesische Blumenorden",
> der 1641 gegründete Verein "Deutsch gesinnte Genossenschaft", die 1617
> gegründete "Fruchtbringende Gesellschaft" und natürlich die "Academia
> Crusca" aus dem Jahre 1583, um mal ein italienisches Beispiel zu nennen.

Ich halte mich nicht für einen Sprachhüter. Mit "sauber" meinte ich
guten Stil. Ich halte das schon für ein wesentliches Anliegen in d.e.s.d.
Sprache und Denken beeinflussen einander sehr stark - eine
schlampige Sprache führt sehr schnell auch zu schlampigem Denken.

Peter Salewsky

unread,
Feb 18, 2001, 4:52:42 AM2/18/01
to
Silvan Heintze wrote:
>
> Peter Salewsky schrieb:
>
> > Ein Eintrag in einem Wörterbuch ist noch lange keine Gewähr für
> > gepflegte Sprache. Im Duden stehen auch Wörter wie "nichtsdestotrotz"
> > oder die leidige "Rückantwort" (früher stand da wenigstens noch der
> > Hinweis, daß "Antwort" vorzuziehen ist).
>
> Was hast Du gegen "nichtsdestotrotz"? (Ein guter Freund von mir aus Spanien, der
> innerhalb kürzester Zeit hier deutsch gelernt hat, pflegte auch einige seiner
> Sätze mit "nichtsdestotrotz" zu beginnen und hatte die Begeisterung der Zuhörer
> sicher auf seiner Seite.)

"Nichtsdestotrotz" ist eine scherzhafte Verbindung aus "nichtsdestoweniger"
und "trotzdem" (siehe auch SAHARA). Ich habe prinzipiell nichts gegen
dieses Wort, aber es ist eher der Umgangssprache zuzurechnen.

> Entweder wir diskutieren um "falsche" und "richtige" Sprache - dann brauchen wir
> Regeln und Vorgaben, die in einem WÖRTERBUCH stehen. Das wäre eine angemessene
> Authorität.

Es gibt Wörterbücher, die sich mit gutem Stil befassen. Und wie das
Attribut "gut" schon andeutet, gelten hier eher subjektive als
objektive Kriterien. Gerade deshalb empfinde ich diesen Punkt als
wesentlich in d.e.s.d. (wenn es nur um Rechtschreibung und
Grammatik ginge, wäre ich mit meinem Duden ausreichend versorgt).

> Oder - was mir viel lieber wäre - wir einigen uns darauf, dass Wörterbücher und
> Regeln Sprache eben NICHT festhalten können, es deswegen auch kein "richtig" und
> kein "falsch" gibt, und letztlich die pragmatische Verwendung uns zeigt, was
> möglich ist. In beiden Fällen kommst Du an "realisieren" aber nicht vorbei.

Es geht nicht darum, ob ich an "realisieren" vorbeikomme, es geht darum,
was ich von diesem Wort (in der Bedeutung "erkennen") halte.

> Ok, es gibt noch eine Chance, auf die Paulchen Müller offensichtlich gerade
> setzt: wir wollen auf der richtig-falsch-Ebene diskutieren, brauchen deshalb
> Regeln und Wörterbücher, aber der BROCKHAUS, Dürrenmatt und Ziegler sind keine
> geeignete Authorität.
> Verständlicherweise beteilige ich mich an _dieser_ Art von Diskussion nun
> wirklich nicht mehr.
>
> > Wenn nicht in d.e.s.d auf einen sauberen Umgang mit der deutschen
> > Sprache geachtet wird - wo dann?
>
> Wer redet von "unsauber"? "Dummdeutsch", "dekadent", "Torheit", "falsch",
> "gestelzt", usw. empfinde ich als durchaus saubere deutsche Worte, nur ist ihre
> _inhaltliche_Verwendung_ hier unangemessen, arrogant und verbohrt gewesen.

Es ist Polemik. Ich halte Polemik (in Maßen) in Diskussionen durchaus
für sinnvoll.

> > Was versprichst Du Dir von dieser
> > Gruppe, wenn Du auf Deine Sprache so wenig Wert legst?
>
> Lege ich auf meine Sprache wenig wert?

Dein Beitrag klang so, als würdest Du ohne großes Nachdenken jedes Wort,
das Dir irgendwo über den Weg läuft, in Deinen Wortschatz aufnehmen.

> Ich versuche als _nahezu_einziger_ Euch
> beizubringen, wie reich, produktiv und flexibel die deutsche Sprache ist.
> Traurig genug, dass das hier offensichtlich notwendig ist. Feinde der deutschen
> Sprache und v.a. ihrer Entwicklung sind IMHO Leute, die so argumentieren wie Ihr
> hier - ich liebe meine Sprache!!! Deswegen habe ich auch erst angefangen,
> mitzulesen. Zeitweise habe ich allerdings wirklich das Gefühl, in Abgründe zu
> schauen... :(

Ich liebe meine Sprache auch. Und deshalb reagiere ich empfindlich auf
ihre (tatsächliche oder vermeintliche) schlechte Verwendung.

> > Und was den Umgangston angeht - findest Du es angemessen, anderen
> > Geschwätz vorzuwerfen?
>
> Okok - nenn' mir bitte ein Wort, das die bereits dargelegten Begriffe in all
> Ihrer Engstirnigkeit besser zusammenfasst als "Geschwätz". Ich wollte das in
> keiner Weise beleidigend verstanden wissen, aber mehr als "Geschwätz" ist es
> nicht, denn dahinter steht _null_ Inhalt.

Der Vorwurf "Geschwätz" ist um keinen Deut besser als der Vorwurf
"dummdeutsch" - es ist Polemik. Ich habe, wie oben geschrieben, kein
Problem mit Polemik, aber Du kannst nicht anderen vorwerfen, was Du
selbst für Dich beanspruchst.

Peter Salewsky

unread,
Feb 18, 2001, 5:01:12 AM2/18/01
to
"João Luiz" wrote:
>
> Peter Salewsky schrieb:
>
> > Ein Eintrag in einem Wörterbuch ist noch lange keine Gewähr für
> > gepflegte Sprache. Im Duden stehen auch Wörter wie "nichtsdestotrotz"
> > oder die leidige "Rückantwort" (früher stand da wenigstens noch der
> > Hinweis, daß "Antwort" vorzuziehen ist).
>
> Ist "nichtsdestotrotz" schlimm? Ich dachte, es wäre gepflegt.

Nein, es ist umgangssprachlich.

> > Wenn nicht in d.e.s.d auf einen sauberen Umgang mit der deutschen
> > Sprache geachtet wird - wo dann?
>
> Wenn ein Ausli sich manifestieren darf: Diese Kritik ist falsch
> auf der Stelle. Kritisiert wurde der Umgang mit Menschen, nicht
> mit der Sprache.

Kritisiert wurden Menschen, die Wert auf einen (ihrer Meinung nach)
guten Stil legen und diese Meinung (polemisch) vertreten.

> Als Brasilianer erstaunt man sich auch darüber, wie häufig
> und überall (besonders) usamerikanische Umgangssprachen hier
> übernommen werden (wenn es jemandem interesiert, in Brasi-
> lien heißt "realizar" nur verwirklichen, und es gibt nur
> "24 Stunden am Tag", obwohl auch dort "rock around the
> clock" seinerzeit ein Schlager gewesen sein soll.)

Ich halte das für eine Modeerscheinung, die nicht unbedingt
überbewertet werden muß (bei "happy" und "easy" in deutschen
Sätzen dreht sich mir allerdings der Magen um).
Vor dreihundert Jahren galt es als vornehm, sich französisch
zu unterhalten - das hat die deutsche Sprache auch überlebt.

Thomas Frieling

unread,
Feb 18, 2001, 8:01:12 AM2/18/01
to

Silvan Heintze schrieb:

> (...)
[Realisieren = Erkennen?]
>> Auch heute gibt es diese Bedeutung nicht usuell,
>> sondern allenfalls individuell, und zwar bei ungebildeten und
>> Fernsehdeutschen.

>Ein Hoch auf Deine Bildung, aber Deine Ignoranz schreit zum Himmel...

Er hat doch recht: wer anstatt 'Erkennen' das Fremdwort
'Realisieren' verwendet, begeht einen Fehler. Es ist genau so ein
amüsanter Fehlgriff wie 'Korrespondenzstreifen' oder 'stehende
Ovulationen'.

> (...)
> Dazu vielleicht ein Schlüsselerlebnis: in meiner Abiturklasse führten wir
> lebhafte Diskussionen um die RSR und mußten uns (mit Recht, wie ich finde)
> letztlich von einer über 50-jährigen Lehrerin Vorwürfe ob unserer Verbohrtheit
> und unseres Konservativismus gefallen lassen. (...)

Wenn Leuten die Argumente ausgehen, beschimpfen sie die
Gegenposition gerne als altertümlich und konservativ. Gerade in
Deutschland ist das ein Totschlagargument. Deine Lehrerin gehört
zu dieser Kategorie. Laß Dir von niemand so einfach einreden, Du
seist verbort.

Gruß

Thomas

Klaus Wacker

unread,
Feb 18, 2001, 8:10:28 AM2/18/01
to
"João Luiz" <JoaoLuiz...@mb.tu-ilmenau.de> wrote:
> Peter Salewsky schrieb:
>
>> Ein Eintrag in einem Wörterbuch ist noch lange keine Gewähr für
>> gepflegte Sprache. Im Duden stehen auch Wörter wie "nichtsdestotrotz"
>> oder die leidige "Rückantwort" (früher stand da wenigstens noch der
>> Hinweis, daß "Antwort" vorzuziehen ist).

> Ist "nichtsdestotrotz" schlimm? Ich dachte, es wäre gepflegt.

Es ist eine scherzhaft gemeinte Zusammenziehung von
"nichtsdestoweniger" und "trotzdem". Als ich etwa um die Mitte des
vorigen Jahrhunderts (frühe 60iger Jahre, glaube ich)
"nichtsdestotrotz" zum ersten Mal gehört habe, war es völlig klar,
dass es vom Sprecher als Witz gemeint und von den Hörern als solcher
verstanden worden war.

Ich bin mal gespannt, ob ich es noch erlebe, dass "zum Bleistift" im
Duden steht.

--
Klaus Wacker wac...@Physik.Uni-Dortmund.DE
51°29'9"N 7°25'9"E http://www.physik.uni-dortmund.de/~wacker

One pecks in one's letter on a 'keyboard,' you see.

M. Opatz

unread,
Feb 18, 2001, 7:50:11 AM2/18/01
to
Klaus Wacker wrote:


> Ich bin mal gespannt, ob ich es noch erlebe,
> dass "zum Bleistift" im Duden steht.


Na, schönen Schrank auch!
:)


Matthias


--
_____________________________________________________________
NewsGroups Suchen, lesen, schreiben mit http://netnews.web.de

Peter Salewsky

unread,
Feb 18, 2001, 9:11:06 AM2/18/01
to
Thomas Frieling wrote:
>
> Silvan Heintze schrieb:
>
> > (...)
> [Realisieren = Erkennen?]
> >> Auch heute gibt es diese Bedeutung nicht usuell,
^^^^^^
Das halte ich ebenfalls für überflüssig.

> >> sondern allenfalls individuell, und zwar bei ungebildeten und
> >> Fernsehdeutschen.
>
> >Ein Hoch auf Deine Bildung, aber Deine Ignoranz schreit zum Himmel...
>
> Er hat doch recht: wer anstatt 'Erkennen' das Fremdwort
> 'Realisieren' verwendet, begeht einen Fehler. Es ist genau so ein
> amüsanter Fehlgriff wie 'Korrespondenzstreifen' oder 'stehende
> Ovulationen'.

Nein, "realisieren" in der Bedeutung von "erkennen" gehört nicht
zu den von Dir hier genannten Fehlern. Diese Verwendung von
"realisieren" ist durchaus möglich, allerdings m.E. überflüssig,
da es genug deutsche Synonyme gibt (erkennen, begreifen, klar
oder bewußt werden). Das Problem bei "realisieren" ist, daß es
einen entsprechenden Kenntnisstand beim Gesprächspartner voraussetzt.
Hier in d.e.s.d. mag das sogar zutreffen, aber im Alltag sollte
es vermieden werden.

Ralf Heinrich Arning

unread,
Feb 18, 2001, 1:25:19 PM2/18/01
to
Max Siddi <msi...@smail.uni-koeln.de> wrote:

> Ralf Heinrich Arning <Ralf....@t-online.de> schrieb:

> > Was stört Dich daran, daß sich Leute zusammenschließen, um ihre


> > Sprache zu pflegen.
>
> Kommt darauf an, was man unter Sprachpflege versteht. Wenn es
> um die Jagd nach Fremdwörtern in der deutschen Sprache geht,
> die es auszutilgen gilt, um ein angeblich reines Deutsch zu
> schaffen, dann halte ich das nicht gerade für sinnvoll, da im
> Laufe der deutschen Sprachgeschichte ja schon viele Fremdwörter
> eingeflossen sind, zu deutschen Wörtern assimiliert wurden und
> auch als deutsch empfunden werden. Eine solche Haltung nennt
> man Sprachpurismus, oder auch Sprachkonservativismus.

Die Sprachvereine des Barock sind aber etwas anderes gewesen: Sie
gehörten zu dem Trend in Europa, die Muttersprachen zu Bildungssprachen
zu machen.
Im übrigen waren die sich auch nicht alle grün. Was denn die "reine
deutsche Sprache" sei, war damals so unklar wie heute. Aber damals haben
sie begonnen, sich über ihre Sprache Gedanken zu machen

> Das gilt nicht nur für Fremdwörter, sondern auch für andere
> Sprachwandel, z.B. die Präferenz schwach gebeugter Verbformen,
> die sich gegenüber den stark gebeugten durchsetzen (wie "buk"
> - "backte"). Sehr häufig beobachte ich auch Äußerungen wie
> "[er] frägt" anstelle von "fragt" - vielleicht ein Phänomen,
> das nur in bestimmten sozialen Schichten auftaucht, aber
> dennoch sehr produktiv ist.

Es handelt sich dabei oft um regionale Unterschiede.

>
> > Sollen sich Menschen überhaupt nicht zusammenschließen? Oder wenn,
> > dann auf keinen Fall um der Sprache willen?
>
> Jedenfalls nicht, wenn solche albernen Namen verwendet werden ;-) Dies
> hat zumindest in der entsprechenden Vorlesung für einiges an Gelächter
> gesorgt - aus heutiger Sicht wirken die Namen natürlich albern.

Welcher heutige Sprachverein hat noch Humor genug, sich einen solchen
Namen leisten zu können? Diese Namen sind auch allegorisch oder
metaphorisch gemeint und mit der schwer entschlüsselbaren Emblematik des
Barock zu vergleichen.
Und es sind wirklich Eigennamen. Soetwas wie "Verein zur Wahrung der
deutschen Sprache" ist doch ein sprachlicher Graus! Mich erinnert das an
die "Entlastungsstraße" in Berlin.
Da könnte man gleich den Verein zur Verbreitung des Verwaltungsdeutsch
gründen.

Den Blumenorden gibt es übrigens immer noch:
<http://www.ai.fh-nuernberg.de/Professors/Kuegel/Blumenorden/PBlO.htm>

> Es kommt
> aber darauf an, was für Ziele so ein Zusammenschluss verfolgen soll:
> AFAIK gibt es hier in Köln den einen oder anderen Verein, der sich um
> die Erhaltung des Stadtkölnischen bemüht.

Das ist doch lobenswert.
(Und Du bist also ein weiterer Vertreter der "Kölner Linguistenschule"
hier in desd.)


>
> > Wo ist das Problem?
>
> Zuerst: Diese Orden waren nicht besonders erfolgreich.

Gemessen an welchen Kriterien? Die Mediziner haben die Krankheiten auch
noch nicht besiegt.

> Außerdem
> hatten die ein komisches Verständnis dafür, was Sprache eigentlich
> ist: Wenn man Latein als die reinste Sprache ansieht, aus der
> "Bastardsprachen" hervorgegangen sind und dann die Anmaßung besitzt,
> dass alle anderen nichteuropäischen Sprachen minderwertig sind,

Diese Auffassung mag es ja gegeben haben. Aber wie verbreitet war sie?
Entscheidend ist, daß sie begannen, die Sprachen zu vergleichen und
nicht einfach wiederkäuten, was ihnen von den alten Griechen und Römern
überliefert war.

> zudem Sprachwandel als Niedergang und Zerfall deutet, hat man nicht
> verstanden, dass insbesondere die gesprochene Sprache ein lebendiges,
> sich ständig veränderndes System ist, das gerade von Veränderungen,
> Neuwortschöpfungen und Fremdwörtern lebt.

Es gab sogar europaweit Bestrebungen zur Schaffung einer
Universalsprache!
Neuwortschöpfungen sind auch die Lehnübertragungen. An der Lebendigkeit
der Sprache waren diese Gesellschaften doch gerade beteiligt.

> Schon Wilhelm von
> Humboldt meinte, dass Sprache kein statisches System ist (Ergon),
> sondern ein dynamischer, sich ständig neu schaffender Prozess
> (Energeia). Die oben angegebenen Orden hielten aber Veränderung für
> Anzeichen von Verfall und Niedergang einer Sprache.

"Schon"? Humboldts Sprachwissenschaft ist durch die Bemühungen im Barock
*erst* möglich geworden


>
> Will sagen: So etwas wie ein reines Deutsch gibt es überhaupt nicht.
> Und was das gesprochene Deutsch angeht: Was ist denn eigentlich deutsch?
> Wie will man bei der großen Menge an Varianten eine Grenze ziehen?
> Ein Problem sehe ich auch darin, dass so ein normativer, präskriptiver
> Ansatz eher zu Spracharmut führt, was wohl einer der Gründe für die
> ablehnende Haltung gegenüber diesen Orden gewesen sein wird.

Es ist sachlich richtig, daß sich das "richtige Deutsch" nicht
definieren läßt.
Es ist auch gar nicht die Aufgabe irgendeines Vereins, Vorschriften zu
machen -- es sei denn sich selbst und seinen Mitgliedern. Die Gefahr der
Spracharmut ist gar nicht gegeben, da es überhaupt keine Institution
gibt, die allen Erwachsenen unter Androhung von Sanktionen Vorschriften
in Sachen Sprache machen könnte. Solche Regulierungen gibt es immer nur
in begrenzten Bereichen wie Zeitungsredaktionen.

> Seit der modernen Linguistik hat man den Bereich der normativen oder
> präskriptiven Grammatik schließlich verlassen, ich sehe keinen Grund,
> ihn wieder zu betreten.

Das ist schlicht eine andere Wissenschaft. Die Linguistik hat eine
andere Aufgabe und eine andere Zielgruppe. Ihre Antworten sind für
Grundschüler, Schreibkräfte, Schriftsteller usw. ziemlich uninteressant.
Wer gut, verständlich, präzise, elegant usf. ausdrücken *will*, der
braucht weder Vorschriften von Leuten, die seine Probleme nicht kennen,
noch braucht er eine Darstellung von dem, was es so alles gibt in der
Sprachwirklichkeit. Die Reduzierung der Sprachwissenschaften auf die
moderne Linguistik ist eine Leugnung des sprachlichen Ausdruckswillens.

Es gibt keinen vernünftigen Grund, die verschiedenen
Sprachwissenschaften gegeneinander auszuspielen -- und auch nicht gegen
vereinte Bemühungen, ein Sozialverhalten, wie es die Sprache ist, zu
verbessern. Im einzelnen streiten kann man sich immer noch.

Ralf

armin saam

unread,
Feb 18, 2001, 3:59:18 PM2/18/01
to

"João Luiz" wrote:

> Ist "nichtsdestotrotz" schlimm? Ich dachte, es wäre gepflegt.

"nichtsdestotrotz" hat ungefähr dieselbe Stilhöhe wie "selbstverfreilich"
oder "eo piso" (statt "eo ipso"). Es ist eine absichtlich gewählte
Ulksprache. Diese Wörter entspringen der puren Lust am Herumalbern.
Gepflegt ist an "nichtsdestotrotz" beim besten Willen nichts. Wenn es von
so vielen für gutes Deutsch gehalten wird, so liegt das - auch - an der
Undurchschaubarkeit des Stammwortes "nichtsdestoweniger". Hat von euch
schon mal einer versucht, dieses Wort aus seinen Bestandteilen zu erklären?

Gruß von
Armin Saam

Wolf Busch

unread,
Feb 18, 2001, 4:09:20 PM2/18/01
to
Max Siddi schrieb:

[Sprachgesellschaften]

> > Was stört Dich daran, daß sich Leute zusammenschließen, um ihre
> > Sprache zu pflegen.
>
> Kommt darauf an, was man unter Sprachpflege versteht. Wenn es
> um die Jagd nach Fremdwörtern in der deutschen Sprache geht,
> die es auszutilgen gilt, um ein angeblich reines Deutsch zu
> schaffen, dann halte ich das nicht gerade für sinnvoll, da im
> Laufe der deutschen Sprachgeschichte ja schon viele Fremdwörter
> eingeflossen sind, zu deutschen Wörtern assimiliert wurden und
> auch als deutsch empfunden werden. Eine solche Haltung nennt
> man Sprachpurismus, oder auch Sprachkonservativismus.

Der Sprachpurismus spielte in den Sprachgesellschaften des 17. Jh.
nicht die Hauptrolle, obwohl sie sich natürlich auch gegen die
damalige Alamodeliteratur wandten. Von Sprachkonservativismus kann
man bei vielen Mitgliedern dieser Gesellschaften nun wahrlich nicht
reden. Wir verdanken ihnen viele Wortneuschöpfungen, über die
übrigens auch damals schon gestritten wurde.

Die führenden Schriftsteller der Zeit gehörten solchen
Sprachgesellschaften an: Opitz, Gryphius, Birken, Logau,
Greiffenberg, um nur einige Namen zu nennen. Das waren also
nicht einfach Miesmacher (Fremdwörter sind doof!), sondern sie
haben die Entwicklung der deutschen Sprache vorangetrieben.

Die Mitglieder dieser Sprachgesellschaften beschäftigten sich
aber nicht nur mit Literatur, sondern schufen auch wichtige
philologisch-grammatische Werke (Schottelius).

> > Sollen sich Menschen überhaupt nicht zusammenschließen? Oder wenn,
> > dann auf keinen Fall um der Sprache willen?
>
> Jedenfalls nicht, wenn solche albernen Namen verwendet werden ;-) Dies
> hat zumindest in der entsprechenden Vorlesung für einiges an Gelächter
> gesorgt - aus heutiger Sicht wirken die Namen natürlich albern.

Wenn Du schon die Namen der Gesellschaften so lustig findest, was
sagst Du dann erst zu den Namen, die sich die Mitglieder gegeben
haben. :-)

Da gab es z. B. den Mehlreichen, den Färtigen, den Wohlsetzenden.
Das klingt natürlich lustig, aber es diente auch dazu, die
Standesunterschiede zu verwischen. Einem Namen wie »der
Schmackhaffte« sieht man es nicht an, daß sich dahinter
Herzog Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar verbirgt.

> Zuerst: Diese Orden waren nicht besonders erfolgreich. Außerdem
> hatten die ein komisches Verständnis dafür, was Sprache eigentlich
> ist: Wenn man Latein als die reinste Sprache ansieht, aus der
> "Bastardsprachen" hervorgegangen sind und dann die Anmaßung besitzt,
> dass alle anderen nichteuropäischen Sprachen minderwertig sind,
> zudem Sprachwandel als Niedergang und Zerfall deutet, hat man nicht
> verstanden, dass insbesondere die gesprochene Sprache ein lebendiges,
> sich ständig veränderndes System ist, das gerade von Veränderungen,
> Neuwortschöpfungen und Fremdwörtern lebt. Schon Wilhelm von
> Humboldt meinte, dass Sprache kein statisches System ist (Ergon),
> sondern ein dynamischer, sich ständig neu schaffender Prozess
> (Energeia). Die oben angegebenen Orden hielten aber Veränderung für
> Anzeichen von Verfall und Niedergang einer Sprache.

Diese Sprachgesellschaften wollten ja gerade die Sprache verändern.
Wenn damals von Verfall und Niedergang die Rede war, dann lag das
auch an den schrecklichen Folgen des Dreißigjährigen Krieges, der
als Strafe Gottes für die Verderbnis der Sprache und der Sitten
angesehen wurde. Sprachpflege war damals auch gleichzeitig
Tugendpflege. Man muß sich vergegenwärtigen, daß damals mehr als ein
Drittel der deutschen Bevölkerung gestorben ist, was natürlich auch
Einfluß auf das Denken und das Weltbild der Menschen hatte.

Schöne Grüße,
Wolf

Thomas Frieling

unread,
Feb 18, 2001, 5:44:07 PM2/18/01
to

armin saam schrieb:
>
> (...) Wenn es von

> so vielen für gutes Deutsch gehalten wird, so liegt das - auch - an der
> Undurchschaubarkeit des Stammwortes "nichtsdestoweniger". Hat von euch
> schon mal einer versucht, dieses Wort aus seinen Bestandteilen zu erklären?
>(...)

In etwa so: 'deswegen nicht weniger'?
'Auch wenn bei BILD (wahlweise auch Spiegel, Focus, Hyriett)
Scharen von Redakteuren beschäftigt sind, so ist die Zeitung doch
nichtsdestoweniger Schrott.'

'Deswegen nicht trotz' ist in jedem Fall Kokolores.

Gruß

Thomas

Sebastian Koppehel

unread,
Feb 18, 2001, 5:55:50 PM2/18/01
to
Hallo,

Silvan Heintze schrieb:

> <verzweifelte Wut>
> Wacht hier jetzt ENDLICH jemand auf???

Du mußt nur laut genug schreien, dann werden die Leute einsehen, daß
du recht hast.

> Die Verteidiger unserer Sprache bemerken nicht, dass Ihre Verteidigung zum
> Angriff nach innen mutiert! Erkennt (sollte ich "realisiert" schreiben? ;) )
> denn niemand von Euch, wohin diese Diskussion führt?

Ich habe den Eindruck, sie führt dahin, daß niemand mehr eine
bewertende Äußerung zu einem bestimmten Sprachgebrauch anderer Leute
abgeben darf, weil niemanden mehr interessiert, was gut und was
schlecht ist, sondern nur noch, was gebräuchlich ist und was nicht.

Natürlich kann kein Wörterbuchautor guten Gewissens darauf verzichten,
die neue Bedeutung bekanntzugeben, auch an Belegstellen dürfte es ihm
nicht mangeln. Wörterbücher protokollieren, aber Menschen wie du und
ich *machen* die Sprache. Diejenigen, die erstmals das Wort
Realisieren »falsch« gebraucht haben, haben sich ja auch sprachlich
engagiert, sich über Lexika hinweggesetzt und etwas erreicht. Warum
sollte das nur ihnen vorbehalten sein -- warum sollen nur die, die
Wortgeklingel betreiben, sprachgestalterisch tätig werden dürfen, und
die anderen nicht? Damit fördert man die falschen Tugenden.

Wesentlich deutlicher als beim harmlosen, fast unschuldigen
Realisieren wird dies übrigens bei einem anderen Modewort, das völlig
falsch benutzt wird, nämlich Technologie. *schüttel* Das Realisieren
liegt mir gar nicht am Herzen, zumal die Bedeutung »erkennen« wirklich
nicht gerade neu und auch nicht sonderlich verbreitet ist. Aber über
die Technologie könnte ich mich aufregen.

- Sebastian

--
Think of that initial post as a single cell dividing again and again,
mutating and expanding geometrically with no predefined direction. The
result is likely something you'd find in a low budget horror movie.
(http://groups.google.com erklärt, wie ein Usenet-Thread entsteht)

Sebastian Koppehel

unread,
Feb 18, 2001, 6:04:41 PM2/18/01
to
Hallo,

Max Siddi schrieb:

> João Luiz <JoaoLuiz...@MB.TU-Ilmenau.DE> schrieb:


>
>> Der erste Eindruck aller brasilianischen Praktikanten, die
>> nach Ilmenau kommen ist, seine Zeit zu Hause beim Deutsch-
>> lernen verschwendet zu haben, wenn man überall hier Englisch
>> liest. Daß man in Frankfurter Flughafen ankommt und mit der
>> DB nach Ilmenau fährt, soll einen entscheidenden Einfluß
>> darauf haben.
>
> IMHO ist die Verwendung von englischen Wörtern - und zum Teil
> wird in der Werbung auch nur Englisch gesprochen - eine ziemlich
> erfolgreiche Werbe- und PR-Strategie. Das klang für mich auf
> dem ersten Blick zwar seltsam, aber es funktioniert :-)

Ob es unbedingt eine besonders erfolgreiche Strategie ist, weiß ich
nicht, aber es ist vor allem eine einfache, bei der sich die
»Kreativen« auf die faule Haut legen bzw. ihre Energie in die
Erfindung toller Firmennamen vom Kaliber »Infineon« investieren
können.

</polemik>

Ralf Heinrich Arning

unread,
Feb 18, 2001, 6:24:35 PM2/18/01
to
Wolf Busch <tei...@web.de> wrote:


> Die Mitglieder dieser Sprachgesellschaften beschäftigten sich
> aber nicht nur mit Literatur, sondern schufen auch wichtige
> philologisch-grammatische Werke (Schottelius).

S. a. Opitz' Poetik.
>

> Wenn Du schon die Namen der Gesellschaften so lustig findest, was
> sagst Du dann erst zu den Namen, die sich die Mitglieder gegeben
> haben. :-)
>
> Da gab es z. B. den Mehlreichen, den Färtigen, den Wohlsetzenden.
> Das klingt natürlich lustig, aber es diente auch dazu, die
> Standesunterschiede zu verwischen. Einem Namen wie »der
> Schmackhaffte« sieht man es nicht an, daß sich dahinter
> Herzog Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar verbirgt.

Logau war WIMRE der Verkleinerer.

Gibt es eigentlich eine Liste dieser Namen?
Manche nannten sich doch auch nach Gemüse.

Ralf

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armin saam

unread,
Feb 18, 2001, 7:58:54 PM2/18/01
to

Silvan Heintze wrote:

> wer von Euch schmunzelt nicht über den Werbespruch der Berliner
> Stadtreinigung "We kehr for you"? Ich find' ihn jedenfalls witzig. :-)

Ich finde es gar nicht witzig, wenn die ehrwürdige Sprache Skakespeares
und Hemingways mit so einem verkauderwelschendem "kehr" verunstaltet wird.

Wo und bei wem kann sich die Berliner Stadtreinigung für diese Frechheit
entschuldigen?

fragt sich
Armin Saam

Silvan Heintze

unread,
Feb 18, 2001, 8:03:07 PM2/18/01
to
armin saam schrieb:

> Wo und bei wem kann sich die Berliner Stadtreinigung für diese
> Frechheit entschuldigen?

<ironie>
Bei der Queen, schlage ich vor. Oder beim "Verein zur Wahrung der
englischen Sprache", wenn dieser die BSR nicht schon zum "Sprachpanscher
des Jahres" gewählt hat...
</ironie>

Ich kann gar nicht glauben, dass Du das wirklich ernst meinst.

MfG, Silvan

Max Siddi

unread,
Feb 19, 2001, 3:09:07 AM2/19/01
to
Peter Salewsky <pe...@psalewsky.de> schrieb:
>Max Siddi wrote:
>>[Wörterbücher]

>
>Eben - Wörterbücher sind immer auch ein Spiegel bestehenden
>(guten oder schlechten) Sprachgebrauchs. Es gibt aber neben
>Wörterbüchern, die im wesentlichen ein reines Wörterverzeichnis
>darstellen, auch solche, in denen guter und schlechter Stil
>(inklusive Wortwahl) behandelt werden.

Diese erfüllen sicher ihren guten Zweck, aber es ist auch ein
Unterschied, in welcher Situation sich ein Sprecher befindet:
In einem Meeting würde mir sehr viel an einem guten Stil liegen,
wenn ich mich mit meiner Freundin unterhalte, bin ich in einer
vollkommen anderen Situation.
Aber wenn ich schreibe, dann bin ich zwangsläufig an einen
guten Stil gebunden, wenn ich meine Gedanken klar darlegen
und den Leser nicht durch bestimmte Unstimmigkeiten in der
Form vom Inhalt ablenken möchte.

[snip]


>Das ist richtig. Sprachliche Korrektheit läßt sich weitgehend
>objektiv einschätzen, während das Stilempfinden (wie der Name schon
>sagt) sehr subjektiv ist.

Das hängt dann auch sehr stark vom Kontext ab, in dem die Sprache
verwendet wird. Im geschriebenen Deutsch herrschen ja andere
Verhältnisse als im gesprochenen: Beim letzten haben wir durch die
große Menge an regionalen Varianten schon viele Unterschiede; und
das schlägt sich ebenso auf die Schriftsprache nieder.
Das war ja IMHO die Schwierigkeit, die in Silvans "realisieren"
steckte.

>Ich halte mich nicht für einen Sprachhüter.

Puh, jetzt bin ich beruhigt :-) Ich hatte schon befürchtet, es würde
hier noch zu Themen wie Sprachverfall und Niedergang kommen.

>Mit "sauber" meinte ich guten Stil. Ich halte das schon
>für ein wesentliches Anliegen in d.e.s.d.

Dem stimme ich natürlich voll und ganz zu. Nur führte der IMHO etwas
unscharfe Begriff der Sauberkeit zu einigen Missverständnissen.

>Sprache und Denken beeinflussen einander sehr stark - eine
>schlampige Sprache führt sehr schnell auch zu schlampigem Denken.

Inwiefern sich Sprache und Denken beeinflussen, ist eigentlich
nicht ganz klar. Für mich ist es immer eine starke wechselseitige
Beziehung. Gedankengänge nachzuvollziehen fällt bei der Lektüre
eines gut strukturierten Textes ja wesentlich leichter, und umso
wichtiger ist dann natürlich die Strukturierung eigener Texte
gut zu durchdenken.
Als schlampig würde ich aber eher Texte bezeichnen, die sich durch
Kleinschreiberei und nachlässige Interpunktion auszeichnet - etwas,
was man besonders im Usenet häufig antrifft.

Viele Grüße

Max

Max Siddi

unread,
Feb 19, 2001, 3:12:30 AM2/19/01
to
Ralf Heinrich Arning <Ralf....@t-online.de> schrieb:

[snip]


> Die Sprachvereine des Barock sind aber etwas anderes gewesen: Sie
> gehörten zu dem Trend in Europa, die Muttersprachen zu
> Bildungssprachen zu machen.

Ja, IIRC gab es solche Bestrebungen bis ins ausgehende 19. Jahrhundert.
Aber eigentlich ging es mir um die Sprachkonservative Haltung (ich habe
hier jene unten genannten Orden in einen Topf geworfen), die ich als
Materiefern bezeichnen wollte - wohl etwas unglücklich in diesem
Zusammenhang.

> Im übrigen waren die sich auch nicht alle grün. Was denn die "reine
> deutsche Sprache" sei, war damals so unklar wie heute. Aber damals
> haben sie begonnen, sich über ihre Sprache Gedanken zu machen

Hm, bzgl. der barocken Sprachorden scheinst du sehr viel besser
informiert zu sein als ich :-)

[snip]


> Welcher heutige Sprachverein hat noch Humor genug, sich einen solchen
> Namen leisten zu können? Diese Namen sind auch allegorisch oder
> metaphorisch gemeint und mit der schwer entschlüsselbaren Emblematik
> des Barock zu vergleichen.

Die man *heute* ja nur schwer entschlüsseln kann.

> Und es sind wirklich Eigennamen. Soetwas wie "Verein zur Wahrung der
> deutschen Sprache" ist doch ein sprachlicher Graus! Mich erinnert das
> an die "Entlastungsstraße" in Berlin.
> Da könnte man gleich den Verein zur Verbreitung des Verwaltungsdeutsch
> gründen.

Ich glaube die erhält sich auch gut ohne einen Verein ;-))

> Den Blumenorden gibt es übrigens immer noch:
> <http://www.ai.fh-nuernberg.de/Professors/Kuegel/Blumenorden/PBlO.htm>

Danke für die URL! Interessant, dass es die noch gibt :-)

[Vereine hier in Köln]


> Das ist doch lobenswert.
> (Und Du bist also ein weiterer Vertreter der "Kölner Linguistenschule"
> hier in desd.)

Wenn man das so sagen will :-)

> > Außerdem
> > hatten die ein komisches Verständnis dafür, was Sprache eigentlich
> > ist: Wenn man Latein als die reinste Sprache ansieht, aus der
> > "Bastardsprachen" hervorgegangen sind und dann die Anmaßung besitzt,
> > dass alle anderen nichteuropäischen Sprachen minderwertig sind,

> Diese Auffassung mag es ja gegeben haben. Aber wie verbreitet war sie?

Das ist eben der Punkt, der mir im Nachhinein unklar erschien. So gut
kenne ich mich mit den barocken Sprachorden und mit ihren Zielen nicht
aus, als das ich hier spezielleres darüber sagen könnte.
Ich habe jedoch ein wenig nachgeforscht, und wie du schriebst,
schienen sich die Gesellschaften untereinander wirklich nicht so
grün gewesen zu sein :-)
Es war wohl die "Deutschgesinnte Genossenschaft", die von Paul v. Zesen
gegründet wurde, die sich um die Wiederherstellung einer deutschen
"Ursprache" bemühte und sich durch "übersteigerten Purismus den Spott
der Zeitgenossen"(Brockhaus) zuzog. Der Pegnesische Blumenorden wäre
wohl alles andere als erfreut, wenn man ihn mit dieser Gesellschaft
vergleichen würde.

> Entscheidend ist, daß sie begannen, die Sprachen zu vergleichen und
> nicht einfach wiederkäuten, was ihnen von den alten Griechen und
> Römern überliefert war.

Ack!

> > Schon Wilhelm von
> > Humboldt meinte, dass Sprache kein statisches System ist (Ergon),
> > sondern ein dynamischer, sich ständig neu schaffender Prozess
> > (Energeia). Die oben angegebenen Orden hielten aber Veränderung für
> > Anzeichen von Verfall und Niedergang einer Sprache.
>
> "Schon"? Humboldts Sprachwissenschaft ist durch die Bemühungen im
> Barock *erst* möglich geworden

Das will ich auch gar nicht bestreiten. Aber so sehr man auch z.B.
die Leistungen der Junggrammatiker bewundern muss, sollte man ihre
Methoden in der heutigen Zeit auch als veraltet ansehen.
Mir liegt es auch fern, die Leistungen dieser Sprachgesellschaften,
von denen du oben schriebst, zu kritisieren.
Nur, wenn ich von Begriffen wie "Reinheit" und "Pflege" lese, denke
ich in erster Linie an jene rein sprachpuristische Züge, die es
nun einmal gegeben hat und an das überzogene Bestreben, Fremdwörter
aus einer Nationalsprache zu entfernen. (Ob ich nun "Adresse" oder
"Anschrift" schreibe, ist ja heute fast egal.)

["reines" Deutsch]


> Es ist sachlich richtig, daß sich das "richtige Deutsch" nicht
> definieren läßt.
> Es ist auch gar nicht die Aufgabe irgendeines Vereins, Vorschriften zu
> machen -- es sei denn sich selbst und seinen Mitgliedern.

In diesem Sinne hatte ich eigentlich die Funktion oben genannter Orden
eingeschätzt - fälschlicherweise. Daher meine Behauptung, dass sie wenig
erfolgreich gewesen seien.

> Die Gefahr der Spracharmut ist gar nicht gegeben, da es überhaupt

> keine Institutiongibt, die allen Erwachsenen unter Androhung von


> Sanktionen Vorschriften in Sachen Sprache machen könnte.

Hier habe ich mir vorgestellt, was wäre, wenn man z.B. aus dem Duden
alle vermeintlichen Fremdwörter herausnehmen würde und Verbote in
öffebtlichen Bereichen (Medien) ausspräche. So ein Vorhaben erscheint
mir nicht durchführbar. Aber ich glaube, dass wir darüber die selbe
Meinung vertreten.

> Das ist schlicht eine andere Wissenschaft. Die Linguistik hat eine
> andere Aufgabe und eine andere Zielgruppe. Ihre Antworten sind für
> Grundschüler, Schreibkräfte, Schriftsteller usw. ziemlich
> uninteressant.

Natürlich, etwas anderes wäre mir auch nicht in den Sinn gekommen. So
manch einer hat aber auch eine falsche Vorstellung von dem, was ein
Linguist eigentlich macht, und ich kann mich an die Klagen einiger
Dozenten erinnern, denen immer wieder Fragen nach sprachlicher
Richtigkeit und besonders nach ihrer Meinung über die Rechtschreibreform
gestellt wurden. Die Sicht eines Linguisten auf die eine oder andere
Sache mag wohl viele ziemlich enttäuscht haben :-)

> Wer gut, verständlich, präzise, elegant usf. ausdrücken *will*, der
> braucht weder Vorschriften von Leuten, die seine Probleme nicht
> kennen, noch braucht er eine Darstellung von dem, was es so alles
> gibt in der Sprachwirklichkeit.

Das nicht, aber an gewissen Stellen wird doch immer wieder gefragt,
was denn nun "richtiges" Deutsch ist und was nicht; es scheint ja ein
Bedürfnis zu bestehen zu wissen, was sprachlich korrekt ist, besonders
auf dem Gebiet des Standarddeutschen und der Schriftsprache. Dann geht
es aber IMHO nicht um Vorschriften, sondern eher um Ratschläge.

> Die Reduzierung der Sprachwissenschaften auf die moderne Linguistik
> ist eine Leugnung des sprachlichen Ausdruckswillens.

Ich fürchte, bei mir besteht Aufklärungsbedarf: Meinst du eine bestimmte
Sprachwissenschaft (historisch-vergleichende) vs. allgemeine Linguistik?

> Es gibt keinen vernünftigen Grund, die verschiedenen
> Sprachwissenschaften gegeneinander auszuspielen -- und auch nicht
> gegen vereinte Bemühungen, ein Sozialverhalten, wie es die Sprache
> ist, zu verbessern. Im einzelnen streiten kann man sich immer noch.

Die Frage, die sich mir stellt ist nur, in welcher Form sich dieses
Verbessern vollziehen soll. Was empfindet man denn als sprachliche
Verbesserung? Ich kann das nur in Begriffen wie Stil und dem eigenen
Sprachempfinden nachvollziehen, und mir stellt sich die Frage nach
einem Maßstab, an dem sich dieses Verbessern richten soll. Aus meiner
Sicht sind solche Bemühungen folglich Teil einer notwendigen
Sprachkritik.
Im Allgemeinen sehe ich in deinen Aussagen nur Richtigkeiten.


Viele Grüße

Max


M. Opatz

unread,
Feb 19, 2001, 3:32:57 AM2/19/01
to
Max Siddi wrote:


> In einem Meeting würde mir sehr viel an einem guten

> Stil liegen, ...


Was ist ein Meeting? Das ist doch sehr kontextabhängig.
In den 70er Jahren war es WIMRE eine meist mit einer
politischen Willensbekundung verbundene Zusammenkunft.
Im Sport ist es ein Wettkampf, Sportfest. In
Managerkreisen ist es wohl eine Arbeitsberatung. In allen
Fällen kann man es aber durch passende deutschsprachige
Begriffe ersetzen (und sollte es MUSEN auch tun).

Sebastian Koppehel

unread,
Feb 19, 2001, 10:06:04 AM2/19/01
to
Hallo,

Silvan Heintze schrieb:

> Ok, wann ist Polemik schon gerecht ;-) - aber ehrlich:


> wer von Euch schmunzelt nicht über den Werbespruch der Berliner
> Stadtreinigung "We kehr for you"? Ich find' ihn jedenfalls witzig. :-)

Dagegen sind "Be inspired" (Siemens), "IT's your future" (AM
Informatik), "There is no time for conventional thinking" (CSC
Ploenzke), "For a better understanding" (Otelo) usw. auf Dauer schon
etwas langweiliger.

Wieso die Berliner Stadtreinigung Geld für eine Image-Kampagne
verschleudert, weiß der Himmel.

Sebastian Koppehel

unread,
Feb 19, 2001, 10:37:21 AM2/19/01
to
Hallo,

Silvan Heintze schrieb:

> Sebastian Koppehel schrieb:


>
>> Ich habe den Eindruck, sie führt dahin, daß niemand mehr eine
>> bewertende Äußerung zu einem bestimmten Sprachgebrauch anderer Leute
>> abgeben darf, weil niemanden mehr interessiert, was gut und was
>> schlecht ist, sondern nur noch, was gebräuchlich ist und was nicht.
>

> Ursprünglich ging es ja leider nicht um Bewertungen (stilistischer Art),
> sondern um die Entscheidung "richtig oder falsch", die hier gefällt
> wurde. Dagegen habe ich mich gewehrt, weil es mAn unzulässig ist, Wörter
> einer Sprache als "falsch" zu bezeichnen, wenn sie doch gebräuchlich
> sind.

In diesem Fall muß man fragen, was gebräuchlich schon heißt.
Sonderlich weit verbreitet dürften der Gebrauch und das Verständnis
realisieren = erkennen auch wieder nicht sein. In amerikanischen
Filmen in der deutschen Fassung hört man gelegentlich auch von Leuten,
die »für die Regierung« arbeiten (in Wirklichkeit natürlich for the
government = für die Behörden). Jeder versteht, was gemeint ist,
falsch ist es trotzdem.

> Meine Meinung: die einen sind produktiv und die anderen kontraproduktiv.
> Keine Ahnung, warum ich Produktivität intuitiv der Kontraproduktivität
> vorziehe...

Ich kann wenig Produktives daran erkennen, auf "false friends"
hereinzufallen. Und was wird geschaffen, was für ein Ziel wird
verfolgt, wenn ich dem Realisieren eine weitere Bedeutung hinzufüge,
für die wahrlich schon genug Ausdrücke zur Verfügung stehen? Es wird
ja nicht mal eine weitere Bedeutungsnuance eingeführt.

(Aber ich weiß auch nicht so genau, auf welchen Wegen das Wort
realisieren ins Deutsche gekommen ist, daher weiß ich auch nicht, ob
es sich wirklich um einen "false friend" handelt.)

> Im übrigen finde ich natürlich, dass alle Menschen sprachgestalterisch
> tätig werden dürfen - warum sollte man solch aussichtlose Vorhaben (wie
> Wörter bzw. Bedeutungen aus einer Sprache zu tilgen) auch verbieten?

Ich muß wohl nicht darauf hinweisen, daß es sozusagen »tägliches
Geschäft« der Sprachentwicklung ist, daß Wörter aussterben und
Bedeutungsverengungen erfahren.

>> Damit fördert man die falschen Tugenden.
>

> Mir leuchtet nicht ein, warum Produktivität DAn eine "falsche Tugend"
> ist. Deinem Chef sicher auch nicht. ;-)

Sich durch wissenschaftlich klingende Bezeichnungen wichtig zu machen,
ist eine falsche Tugend. Eine gute Stilregel, jedenfalls für die
meisten Texte, in denen Dinge realisiert werden dürften, ist: Drücke
dich einfach, klar und verständlich aus.

>> benutzt wird, nämlich Technologie. *schüttel* Das Realisieren
>> liegt mir gar nicht am Herzen, zumal die Bedeutung »erkennen« wirklich
>> nicht gerade neu und auch nicht sonderlich verbreitet ist. Aber über
>> die Technologie könnte ich mich aufregen.
>

> Bitte kläre uns, die wir es doch sicher auch "falsch" verwenden,
> freundlicherweise auf. Ich ziehe schonmal beschämt den Kopf ein. ;-)

Sieh in einem Fremdwörterbuch nach, was Technologie ist (Tip: Es
handelt sich um eine Wissenschaft). Dann schlage eine beliebige
Computerzeitschrift auf und versuche, den dortigen Gebrauch mit dieser
Bedeutung in Einklang zu bringen.

Kurz gesagt: Fast überall, wo Technologie steht, könnte und sollte
Technik oder eine genauere Bezeichnung stehen, was nicht nur schöner,
sondern eben auch -- richtiger wäre.

Silvan Heintze

unread,
Feb 19, 2001, 2:13:57 PM2/19/01
to
Martin Gerdes schrieb:
> "Realisieren" im Sinne von "erkennen" ist ein Anglizismus,
> und zwar ein unnötiger.

Wir hatten wohl geklärt, dass es _kein_ Anglizismus ist, oder?
BTW: Was ist ein "Anglizismus"? ;-)

> Solche als stilistisch unglücklich zu bezeichnen
> fördert das Sprachbewußtsein eher, als daß es es hemmt.

Da gehe ich ja auch mit, nur leider war hier nicht von "stilistisch
unglücklich" die Rede (was ja auch immer ein subjektiver Eindruck ist),
sondern von objektiver Falschheit.

> Im übrigen ist der Begriff "richtig" quoad Sprache stets
> höchst relativ.

Welch weise Einsicht. Ich wünschte, sie würde auch die Teilnehmer dieser
ng ereilen, die das noch nicht realisiert haben. ;-)

MfG, Silvan


Silvan Heintze

unread,
Feb 19, 2001, 2:10:42 PM2/19/01
to
Sebastian Koppehel schrieb:

> In amerikanischen
> Filmen in der deutschen Fassung hört man gelegentlich auch von Leuten,
> die »für die Regierung« arbeiten (in Wirklichkeit natürlich for the
> government = für die Behörden). Jeder versteht, was gemeint ist,
> falsch ist es trotzdem.

Nun gut - ohne noch einmal näher darauf eingehen zu wollen möchte ich
Dein "falsch" hier zurückweisen. Ich kann nichts falsches Erkennen.

> Und was wird geschaffen, was für ein Ziel wird
> verfolgt, wenn ich dem Realisieren eine weitere Bedeutung hinzufüge,
> für die wahrlich schon genug Ausdrücke zur Verfügung stehen? Es wird
> ja nicht mal eine weitere Bedeutungsnuance eingeführt.

Unnötiger Diskussionsansatz, wie ich finde. Man sollte nicht damit
anfangen, Wörter zu suchen, für die keine unmittelbare Notwendigkeit
besteht um diese zu verdammen. Die Existenzberechtigung für Wörter ist
_mit_ihrem_Gebrauch_ gegeben.

> (Aber ich weiß auch nicht so genau, auf welchen Wegen das Wort
> realisieren ins Deutsche gekommen ist, daher weiß ich auch nicht, ob
> es sich wirklich um einen "false friend" handelt.)

Ich leider auch nicht. Hatte auf Latein getippt, es aber im Wörterbuch
nicht gefunden. In jedem Fall gehe ich davon aus, dass das deutsche
"realisieren" und das englische "to realize" eine gemeinsame Wurzel
haben, die beide Bedeutungen hatte. Weiß jemand näheres?

> > Im übrigen finde ich natürlich, dass alle Menschen
> > sprachgestalterisch tätig werden dürfen - warum sollte man solch
> > aussichtlose Vorhaben (wie Wörter bzw. Bedeutungen aus einer Sprache
> > zu tilgen) auch verbieten?
>
> Ich muß wohl nicht darauf hinweisen, daß es sozusagen »tägliches
> Geschäft« der Sprachentwicklung ist, daß Wörter aussterben und
> Bedeutungsverengungen erfahren.

Ja, das ist doch aber ein _passiver_Prozess_ und keine aktive Bemühung
einiger weniger "Sprachgestalter". Warum rechtfertigst Du letzteres?

> Kurz gesagt: Fast überall, wo Technologie steht, könnte und sollte
> Technik oder eine genauere Bezeichnung stehen, was nicht nur schöner,
> sondern eben auch -- richtiger wäre.

Wir müssen die Diskussion bitte nicht von vorn beginnen. Zusammengefasst
bin ich der Meinung, dass "Technologie" genau dann richtig ist, wenn es
von der breiten Computer-Bild-Leserschaft so verstanden wird, wie die
Redaktion es verstanden wissen wollte. Um "schön" brauchen wir nicht zu
diskutieren (Ich finde, "Technologie" ist ein sehr schönes Wort ;-)).
Das ganze Dilemma eröffnet sich einem doch aber durch deinen Begriff
"richtiger":

<???>
1+2=2003-2000 ist "richtig".
1+2=2+1 ist "richtiger".
1+2=3 ist "am richtigsten".
"Meine Freundin ist ein bisschen schwanger".
</???>

Ich würde mich freuen, wenn die ganze hitzige Debatte uns wenigstens
soweit gebracht hat, "richtig", "richtiger" und "am richtigsten" sowie
"falsch", "falscher" und "am falschesten" bei der Bewertung von Sprache
zu vermeiden. Naja, und in diesem Zusammenhang eben auch "dummdeutsch".

MfG, Silvan


Sebastian Koppehel

unread,
Feb 19, 2001, 4:00:41 PM2/19/01
to
Hallo,

Silvan Heintze schrieb:

> Sebastian Koppehel schrieb:
>
>> In amerikanischen
>> Filmen in der deutschen Fassung hört man gelegentlich auch von Leuten,
>> die »für die Regierung« arbeiten (in Wirklichkeit natürlich for the
>> government = für die Behörden). Jeder versteht, was gemeint ist,
>> falsch ist es trotzdem.
>
> Nun gut - ohne noch einmal näher darauf eingehen zu wollen möchte ich
> Dein "falsch" hier zurückweisen. Ich kann nichts falsches Erkennen.

Ich sehe einen Übersetzungsfehler.

>> Und was wird geschaffen, was für ein Ziel wird
>> verfolgt, wenn ich dem Realisieren eine weitere Bedeutung hinzufüge,
>> für die wahrlich schon genug Ausdrücke zur Verfügung stehen? Es wird
>> ja nicht mal eine weitere Bedeutungsnuance eingeführt.
>
> Unnötiger Diskussionsansatz, wie ich finde. Man sollte nicht damit
> anfangen, Wörter zu suchen, für die keine unmittelbare Notwendigkeit
> besteht um diese zu verdammen. Die Existenzberechtigung für Wörter ist
> _mit_ihrem_Gebrauch_ gegeben.

Es geht ja nicht gegen ein Wort, sondern gegen den Gebrauch, der im
übrigen offenbar nach Meinung vieler gerade erst eingeführt werden
soll. Hinter welchem Vorhaben wiederum viele wichtigtuerisches
Wortgeklingel vermuten.

>> Ich muß wohl nicht darauf hinweisen, daß es sozusagen »tägliches
>> Geschäft« der Sprachentwicklung ist, daß Wörter aussterben und
>> Bedeutungsverengungen erfahren.
>
> Ja, das ist doch aber ein _passiver_Prozess_ und keine aktive Bemühung
> einiger weniger "Sprachgestalter". Warum rechtfertigst Du letzteres?

Ein passiver Prozeß ist das nicht unbedingt. Wenn man heute unter der
Republikflucht nicht die Flucht aus irgendeiner Republik versteht,
sondern aus einer ganz bestimmten, woran mag das wohl liegen? Und es
sind weder einzelne »Sprachgestalter«, die dem Realisieren eine neue
Bedeutung andichten wollen, noch sind es welche, die sich dem
verweigern. Den Einfluß einzelner Menschen sollte man zwar nicht
unterschätzen (man denke an Luther, Goethe ...), aber darum ging es
mir eigentlich nicht.

>> Kurz gesagt: Fast überall, wo Technologie steht, könnte und sollte
>> Technik oder eine genauere Bezeichnung stehen, was nicht nur schöner,
>> sondern eben auch -- richtiger wäre.

[...]

> Das ganze Dilemma eröffnet sich einem doch aber durch deinen Begriff
> "richtiger":
>
> <???>
> 1+2=2003-2000 ist "richtig".
> 1+2=2+1 ist "richtiger".
> 1+2=3 ist "am richtigsten".
> "Meine Freundin ist ein bisschen schwanger".
> </???>

Im Falle meines obigen Satzes wohl eher:

A ist richtig.
B ist falsch.
A ist richtiger als B.

Wann allerdings etwas als richtig anzuerkennen ist, davon haben wir
wohl unterschiedliche Vorstellungen.

armin saam

unread,
Feb 19, 2001, 5:05:38 PM2/19/01
to

Silvan Heintze wrote:

> Das wäre eine angemessene Authorität.

> aber der BROCKHAUS, Dürrenmatt und Ziegler sind keine
> geeignete Authorität.

Nicht als Besserwisserei mißverstehen, sondern als Hilfe akzeptieren, damit sich das
Falsche nicht festsetzt:
Autorität (ohne h)

Es gibt also bei Fragen zur Sprache doch "richtig" und "falsch" - oder nicht?

Walter Koch

unread,
Feb 19, 2001, 5:42:16 PM2/19/01
to
Moin,

Sebastian Koppehel schrobte/wrote:

>Dagegen sind "Be inspired" (Siemens) [...] usw. auf Dauer schon
>etwas langweiliger.

Aber beim ersten Blick auf ein S25-Handy[1] grübelte ich eine Weile, bis
ich bemerkte, daß nicht "Bein spired" gemeint war.


Gruss,
Wal "Ein Tisch ist ein Tisch" ter

[1] Das Leerzeichen ist schon arg schmal.

--
Walter Koch
Hochdahl am Neandertal
http://www.u32.de/

Silvan Heintze

unread,
Feb 19, 2001, 6:01:05 PM2/19/01
to
armin saam schrieb:

>
> Nicht als Besserwisserei mißverstehen, sondern als Hilfe akzeptieren,
> damit sich das Falsche nicht festsetzt:
> Autorität (ohne h)

*peinlich* Vielen Dank! :-)

> Es gibt also bei Fragen zur Sprache doch "richtig" und "falsch" - oder

> nicht? ^^^^^^^

Schade - Du verzerrst die Diskussion. Wir sollten auch hier klar
zwischen Sprache und Rechtschreibung unterscheiden. Siehe Thread
"Onestep".

MfG, Silvan


Silvan Heintze

unread,
Feb 19, 2001, 6:24:11 PM2/19/01
to
Sebastian Koppehel schrieb:
> Silvan Heintze schrieb:

> > Unnötiger Diskussionsansatz, wie ich finde. Man sollte nicht damit
> > anfangen, Wörter zu suchen, für die keine unmittelbare Notwendigkeit
> > besteht um diese zu verdammen. Die Existenzberechtigung für Wörter
> > ist _mit_ihrem_Gebrauch_ gegeben.
>
> Es geht ja nicht gegen ein Wort, sondern gegen den Gebrauch, der im
> übrigen offenbar nach Meinung vieler gerade erst eingeführt werden
> soll. Hinter welchem Vorhaben wiederum viele wichtigtuerisches
> Wortgeklingel vermuten.

Unnötiger Diskussionsansatz, wie ich finde. Man sollte nicht damit

anfangen, Bedeutungen von Wörtern zu suchen, für die keine unmittelbare


Notwendigkeit besteht um diese zu verdammen. Die Existenzberechtigung

für Bedeutungen von Wörtern ist _mit_ihrem_Gebrauch_ gegeben.
BTW: "viele" = "viele in dieser ng" ???

> Und es
> sind weder einzelne »Sprachgestalter«, die dem Realisieren eine neue
> Bedeutung andichten wollen, noch sind es welche, die sich dem
> verweigern. Den Einfluß einzelner Menschen sollte man zwar nicht
> unterschätzen (man denke an Luther, Goethe ...), aber darum ging es
> mir eigentlich nicht.

Na da bin ich ja beruhigt, dass ich Dich wissverstanden hatte. Recall:

Sebastian Koppehel schrieb:


> Warum sollte das nur ihnen vorbehalten sein -- warum sollen nur die,
> die Wortgeklingel betreiben, sprachgestalterisch tätig werden dürfen,
> und die anderen nicht?

Wenn denn bloß die _selbsternannten_ Sprachgestalter aufhören würden, zu
verdammen, was ihnen nicht in den Kram passt...

> >> Kurz gesagt: Fast überall, wo Technologie steht, könnte und sollte
> >> Technik oder eine genauere Bezeichnung stehen, was nicht nur schöner,
> >> sondern eben auch -- richtiger wäre.
[...]

> Im Falle meines obigen Satzes wohl eher:
>
> A ist richtig.
> B ist falsch.

Schade - ich hatte ernsthaft gehofft, wir wären weg von "richtig" und
"falsch".

> Wann allerdings etwas als richtig anzuerkennen ist, davon haben wir
> wohl unterschiedliche Vorstellungen.

Wohl.

MfG, Silvan

Max Siddi

unread,
Feb 20, 2001, 2:53:14 AM2/20/01
to
M. Opatz <ste...@web.de> schrieb:

> Max Siddi wrote:
> > In einem Meeting würde mir sehr viel an einem guten
> > Stil liegen, ...
>
> Was ist ein Meeting? Das ist doch sehr kontextabhängig.
> In den 70er Jahren war es WIMRE eine meist mit einer
> politischen Willensbekundung verbundene Zusammenkunft.
> Im Sport ist es ein Wettkampf, Sportfest. In
> Managerkreisen ist es wohl eine Arbeitsberatung. In allen
> Fällen kann man es aber durch passende deutschsprachige
> Begriffe ersetzen (und sollte es MUSEN auch tun).

Sicher ist klar, dass ich oben eine Arbeitsberatung meinte,
und in der oben angegeben Stelle wäre die entsprechende
deutsche Bezeichnung klarer, da hast du natürlich recht.

Nur in Zeiten von Großkonzernen, die international operieren
und in denen sich Englisch als Arbeitssprache durchgesetzt
hat, sind solche Begriffe nun mal häufig. Der Kollege aus
Belgien, England und den USA weiß in der Regel sofort, dass
es sich bei einem Meeting um ein Arbeitstreffen handelt,
und ebenso weiß er, was ein "Timing Plan" ist. Die Verwendung
eines passenden deutschsprachigen Begriffes ist also nicht
immer passend und geht an der sprachlichen Realität vorbei.

Dass z.B. im PR- und Werbebereich innerhalb von Agenturen
in einem ähnlichen Umfang mit englischen Begriffen hantiert
wird, hat IMHO vielleicht auch ganz andere Gründe: Es ist
Ausdruck einer - wenn auch unbewussten -
Gruppenzugehörigkeit. Es ist zwar nervig zu hören, dass
bald ein "briefing" oder gar ein "mailing" ansteht, aber
die Frage nach deutschen Begriffen stellt sich einem in
einem solchen Umfeld nicht.


Viele Grüße

Max

Sebastian Koppehel

unread,
Feb 20, 2001, 9:27:28 AM2/20/01
to
Hallo,

Silvan Heintze schrieb:

> Sebastian Koppehel schrieb:
>

>> Und es
>> sind weder einzelne »Sprachgestalter«, die dem Realisieren eine neue
>> Bedeutung andichten wollen, noch sind es welche, die sich dem
>> verweigern. Den Einfluß einzelner Menschen sollte man zwar nicht
>> unterschätzen (man denke an Luther, Goethe ...), aber darum ging es
>> mir eigentlich nicht.
>
> Na da bin ich ja beruhigt, dass ich Dich wissverstanden hatte. Recall:
>
> Sebastian Koppehel schrieb:
>> Warum sollte das nur ihnen vorbehalten sein -- warum sollen nur die,
>> die Wortgeklingel betreiben, sprachgestalterisch tätig werden dürfen,
>> und die anderen nicht?
>
> Wenn denn bloß die _selbsternannten_ Sprachgestalter aufhören würden, zu
> verdammen, was ihnen nicht in den Kram passt...

Jeder Mensch, der sich der Sprache bedient, hat IMHO die Möglichkeit,
an ihrer Gestaltung mitzuwirken. Niemand muß von sich selbst oder von
anderen zum »Sprachgestalter« ernannt werden. Und warum sollte jemand
aufhören, zu verdammen, was ihm nicht in den Kram paßt?

Thomas Bliesener

unread,
Feb 20, 2001, 12:40:06 PM2/20/01
to
Martin Gerdes wrote:

>Eine "government company" ist ein Staatsunternehmen und
>keine "Regierungskompanie", ein "FBI agent" kein FBI-Agent,
>sondern ein FBI-Beamter, wenn man nicht gleich "Beamter der
>Bundespolizei" schreiben will.

Manche Leute reden auch davon, einen News- oder Webserver "aufzusetzen" (to
set up). Bisher kannte ich nur, daß man Kaffeewasser aufsetzt oder sich
einen Hut aufsetzt. Aber einen Server?

bli

Wolf Busch

unread,
Feb 20, 2001, 1:43:18 PM2/20/01
to
Ralf Heinrich Arning schrieb:


> Wolf Busch <tei...@web.de> wrote:
>
> > Die Mitglieder dieser Sprachgesellschaften beschäftigten sich
> > aber nicht nur mit Literatur, sondern schufen auch wichtige
> > philologisch-grammatische Werke (Schottelius).
>
> S. a. Opitz' Poetik.
> >
>
> > Wenn Du schon die Namen der Gesellschaften so lustig findest, was
> > sagst Du dann erst zu den Namen, die sich die Mitglieder gegeben
> > haben. :-)
> >
> > Da gab es z. B. den Mehlreichen, den Färtigen, den Wohlsetzenden.
> > Das klingt natürlich lustig, aber es diente auch dazu, die
> > Standesunterschiede zu verwischen. Einem Namen wie »der
> > Schmackhaffte« sieht man es nicht an, daß sich dahinter
> > Herzog Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar verbirgt.
>
> Logau war WIMRE der Verkleinerer.

Der »Verkleinernde«, um genau zu sein.

> Gibt es eigentlich eine Liste dieser Namen?
> Manche nannten sich doch auch nach Gemüse.

Nach Gemüse? Könnte sein, das weiß ich nicht, vielleicht gab's ja
einen Johann "Rübe" Rist oder Andreas "Gurke" Gryphius. ;-)

Die Ordensnamen der Mitglieder des Pegnesischen Blumenordens
kann man im Netz nachlesen:
http://www.ai.fh-nuernberg.de/Professors/Kuegel/Blumenorden/MITGL.HTM

Im Killy-Literaturlexikon werden manchmal auch die Gesellschaftsnamen
der Schriftsteller erwähnt, z. B.:

Martin Opitz: der Gekrönte.
Andreas Grypius: der Unsterbliche.

Andere Schriftsteller hatten bescheidenere Namen:

Rudolf von Dieskau: der Niedrige.
Johann Valentin Andreae: der Mürbe.

Als es Zesen endlich gelang, Mitglied der Fruchtbringenden
Gesellschaft zu werden, bekam er den Namen »der Wohlsetzende«.
Der Name sollte ihn zu sprachlichem Wohlverhalten verpflichten,
aber trotzdem hat sich Zesen schon nach kurzer Zeit mit der
Fruchtbringenden Gesellschaft zerstritten.

Schöne Grüße,
Wolf

Wolfgang Mederle

unread,
Feb 20, 2001, 3:44:10 PM2/20/01
to
Es schrieb Thomas Bliesener:

> Manche Leute reden auch davon, einen News- oder Webserver "aufzusetzen"
> (to set up). Bisher kannte ich nur, daß man Kaffeewasser aufsetzt oder
> sich einen Hut aufsetzt. Aber einen Server?

Ich habe diesen Begriff immer wörtlich verstanden, im dem Sinne, daß ich
einen Rechner mit Betriebssystem habe, und auf dieses System drauf setze ich
die Applikation Webserver. Ich habe den Begriff nie mit Setup in Verbindung
gebracht, denn das nenne ich "Installation".

--
Wolfgang Mederle
wolfgang...@stud.uni-muenchen.de
http://www.mederle.de/
ICQ# 1435333

Silvan Heintze

unread,
Feb 20, 2001, 6:47:32 PM2/20/01
to
Sebastian Koppehel schrieb:

>
> Hallo,
>
> Silvan Heintze schrieb:
>
> > Sebastian Koppehel schrieb:
> >
> >> Und es
> >> sind weder einzelne »Sprachgestalter«, die dem Realisieren eine neue
> >> Bedeutung andichten wollen, noch sind es welche, die sich dem
> >> verweigern. Den Einfluß einzelner Menschen sollte man zwar nicht
> >> unterschätzen (man denke an Luther, Goethe ...), aber darum ging es
> >> mir eigentlich nicht.
> >
> > Na da bin ich ja beruhigt, dass ich Dich wissverstanden hatte. Recall:
> >
> > Sebastian Koppehel schrieb:
> >> Warum sollte das nur ihnen vorbehalten sein -- warum sollen nur die,
> >> die Wortgeklingel betreiben, sprachgestalterisch tätig werden dürfen,
> >> und die anderen nicht?
> >
> > Wenn denn bloß die _selbsternannten_ Sprachgestalter aufhören würden, zu
> > verdammen, was ihnen nicht in den Kram passt...
>
> Jeder Mensch, der sich der Sprache bedient, hat IMHO die Möglichkeit,
> an ihrer Gestaltung mitzuwirken. Niemand muß von sich selbst oder von
> anderen zum »Sprachgestalter« ernannt werden.

Sorry für das fullquoting, aber Du siehst vielleicht: Du drehst Dich im
Kreis.
Immer abwechselnd sprichst Du dem Einzelnen die Fähigkeit zu und wieder
ab, Sprache zu gestalten.

> Und warum sollte jemand
> aufhören, zu verdammen, was ihm nicht in den Kram paßt?

Warum verallgemeinerst Du? War nicht klar, dass wir um die Bedeutung
einzelner Worte und deren Verdammung diskutierten?
Warum sollte man das also bleiben lassen? Weil es doch _sinnlos_ ist,
und weil es überdies zu beleidigenden Beschimpfungen führt und wiederum
dazu, dass sich einige wenige wichtig machen wollen und über andere
stellen. Siehe dazu Diskussionsverlauf oben.

Man kann Sprachentwicklung nicht aufhalten und sollte es mE auch nicht
versuchen.

MfG, Silvan


Silvan Heintze

unread,
Feb 20, 2001, 7:10:53 PM2/20/01
to
Martin Gerdes schrieb:
>
> Silvan Heintze <silvan....@gmx.de> schrieb:

>
> >BTW: Was ist ein "Anglizismus"? ;-)
>
> Daß Du hier mitdiskutierst über Begriffe, die Du gemäß
> eigener Einsicht selbst nicht kennst, darf verwundern.
>
> Ein Anglizismus ist beispielsweise, wenn man "Author" oder
> "authorisieren" mit h schreibt,

Nein, ich wollte diese Diskussion nicht wirklich anstoßen, wollte nur
andeuten, dass der Begriff es wohl wert ist, diskutiert zu werden.

> ein recht häufiger Lapsus,
> der auch einem gewissen Silvan Heintze neulich unterlaufen ist.

Danke, ich bin nicht in der Lage, mails und postings zu lesen und muß
deswegen erneut öffentlich auf ein "h" aufmerksam gemacht werden. Das
wird wohl helfen. Ich bekenne mich unwürdig und zeige Reue.

Gruß, Silvan


Silvan Heintze

unread,
Feb 20, 2001, 6:49:54 PM2/20/01
to
Wolfgang Mederle schrieb:

>
> Es schrieb Thomas Bliesener:
>
> > Manche Leute reden auch davon, einen News- oder Webserver "aufzusetzen"
> > (to set up). Bisher kannte ich nur, daß man Kaffeewasser aufsetzt oder
> > sich einen Hut aufsetzt. Aber einen Server?
>
> Ich habe diesen Begriff immer wörtlich verstanden, im dem Sinne, daß ich
> einen Rechner mit Betriebssystem habe, und auf dieses System drauf setze ich
> die Applikation Webserver. Ich habe den Begriff nie mit Setup in Verbindung
> gebracht, denn das nenne ich "Installation".

Na los, laßt uns eine Diskussion um die Eindeutschung gebräuchlicher
Englischer Begriffe führen... ;-))

MfG, Silvan


Sebastian Koppehel

unread,
Feb 20, 2001, 9:35:38 PM2/20/01
to
Hallo,

Silvan Heintze schrieb:

> Sebastian Koppehel schrieb:

[...]

>> Jeder Mensch, der sich der Sprache bedient, hat IMHO die Möglichkeit,
>> an ihrer Gestaltung mitzuwirken. Niemand muß von sich selbst oder von
>> anderen zum »Sprachgestalter« ernannt werden.
>
> Sorry für das fullquoting, aber Du siehst vielleicht: Du drehst Dich im
> Kreis.
> Immer abwechselnd sprichst Du dem Einzelnen die Fähigkeit zu und wieder
> ab, Sprache zu gestalten.

Diese Fähigkeit habe ich niemandem abgesprochen, und schon gar nicht
in Abwechslung mit der Behauptung des Gegenteils. Ich habe nur an
einer einzigen Stelle darauf hingewiesen, daß es sich nicht um
»einzelne Sprachgestalter« handelt, sondern um jeden Menschen, der
dies wünscht. Alles andere wäre ja auch unsinnig und dürfte dir
leichtfallen zu widerlegen, auch ohne meinen eigenen Text
heranzuziehen.

> War nicht klar, dass wir um die Bedeutung
> einzelner Worte und deren Verdammung diskutierten?
> Warum sollte man das also bleiben lassen? Weil es doch _sinnlos_ ist,
> und weil es überdies zu beleidigenden Beschimpfungen führt und wiederum
> dazu, dass sich einige wenige wichtig machen wollen und über andere
> stellen. Siehe dazu Diskussionsverlauf oben.

Daß es gelegentlich widersprüchliche Meinungen gibt, ist gewiß kein
Grund, alles kommentarlos hinzunehmen, auch wenn es einem, wie du so
freundlich formuliert hast, »nicht in den Kram paßt«.

> Man kann Sprachentwicklung nicht aufhalten und sollte es mE auch nicht
> versuchen.

Die Sprachentwicklung ist kein Naturphänomen.

Ralf Heinrich Arning

unread,
Feb 21, 2001, 3:36:17 AM2/21/01
to
Max Siddi <msi...@smail.uni-koeln.de> wrote:

> Ralf Heinrich Arning <Ralf....@t-online.de> schrieb:

> > Wer gut, verständlich, präzise, elegant usf. ausdrücken *will*, der
> > braucht weder Vorschriften von Leuten, die seine Probleme nicht
> > kennen, noch braucht er eine Darstellung von dem, was es so alles
> > gibt in der Sprachwirklichkeit.
>
> Das nicht, aber an gewissen Stellen wird doch immer wieder gefragt,
> was denn nun "richtiges" Deutsch ist und was nicht; es scheint ja ein
> Bedürfnis zu bestehen zu wissen, was sprachlich korrekt ist, besonders
> auf dem Gebiet des Standarddeutschen und der Schriftsprache. Dann geht
> es aber IMHO nicht um Vorschriften, sondern eher um Ratschläge.

Na ja, auch Ratschläge sind Schläge.
Die Frage ist halt, wie man begründet, was man für richtig hält.


>
> > Die Reduzierung der Sprachwissenschaften auf die moderne Linguistik
> > ist eine Leugnung des sprachlichen Ausdruckswillens.
>
> Ich fürchte, bei mir besteht Aufklärungsbedarf: Meinst du eine bestimmte
> Sprachwissenschaft (historisch-vergleichende) vs. allgemeine Linguistik?

Ich meine vor allem nicht "XY vs. allgemeine Linguistik".
Ich meine aber, daß die Linguistik nicht alle Fragen zur Sprache
behandelt. Das leistet keine Wissenschaft.
Zu den Sprachwissenschaften zähle ich auch die Philologien,
Vergleichende Sprachwissenschaften, Indogermanistik u. ä., Bereiche der
Logik, Rhetorik, Literaturwissenschaften, Teile der Informatik usf.,von
den Unterabteilungen Semantik, Semiotik, Grammatik, Etymologie etc. ganz
zu schweigen.


>
> > Es gibt keinen vernünftigen Grund, die verschiedenen
> > Sprachwissenschaften gegeneinander auszuspielen -- und auch nicht
> > gegen vereinte Bemühungen, ein Sozialverhalten, wie es die Sprache
> > ist, zu verbessern. Im einzelnen streiten kann man sich immer noch.
>
> Die Frage, die sich mir stellt ist nur, in welcher Form sich dieses
> Verbessern vollziehen soll. Was empfindet man denn als sprachliche
> Verbesserung? Ich kann das nur in Begriffen wie Stil und dem eigenen
> Sprachempfinden nachvollziehen, und mir stellt sich die Frage nach
> einem Maßstab, an dem sich dieses Verbessern richten soll.

Wenn Sprache der Verständigung dienen soll, dann ist eine bessere
Verständigung auch eine Verbesserung der Sprache.
(Natürlich wird der, der mit der Sprache manipulieren will, eine
effektivere Manipulation als Verbesserung ansehen.)

> Aus meiner Sicht sind solche Bemühungen folglich
> Teil einer notwendigen Sprachkritik.

Du bist kurz davor einen Sprachverein zu gründen. Denk Dir schon mal
einen schönen Namen aus.

Ralf
>.

Ralf Heinrich Arning

unread,
Feb 21, 2001, 3:36:19 AM2/21/01
to
Wolf Busch <tei...@web.de> wrote:

> Ralf Heinrich Arning schrieb:

> > Logau war WIMRE der Verkleinerer.
>
> Der »Verkleinernde«, um genau zu sein.

Danke.


>
> > Gibt es eigentlich eine Liste dieser Namen?
> > Manche nannten sich doch auch nach Gemüse.
>
> Nach Gemüse? Könnte sein, das weiß ich nicht, vielleicht gab's ja
> einen Johann "Rübe" Rist oder Andreas "Gurke" Gryphius. ;-)

Ja, z. B. nach Kohl.


>
> Die Ordensnamen der Mitglieder des Pegnesischen Blumenordens
> kann man im Netz nachlesen:
> http://www.ai.fh-nuernberg.de/Professors/Kuegel/Blumenorden/MITGL.HTM
>

Kenn' ich. Reicht mir nicht. Ich will sie alle. ;-)

Aber die sind auch schon entzückend -- und so dicht beieinander:

| 91/Doris/Schlangenmord//Frau//Dorothea/Lang, geborene Spitz/Ehefrau
| von Nr. 85, verheiratet und aufgenommen 1704; Amarantes 588

| 92/Regilis I./Engelsüß//Frau//Regina/Ingolstetter, geborene
| Bardilin/2. Ehefrau von Nr. 46; aufgenommen 1705; Amarantes 590

Anfang des 19. Jahrhunderts scheinen sie mit diesen internen Namen
aufgehört zu haben. Schade.

Ralf

Michael Dietrich

unread,
Feb 21, 2001, 5:46:42 AM2/21/01
to
"Max Siddi" <msi...@smail.uni-koeln.de> schrieb im Newsbeitrag
news:96t8ol$921$1...@news.rrz.Uni-Koeln.DE...

> Dass z.B. im PR- und Werbebereich innerhalb von Agenturen
> in einem ähnlichen Umfang mit englischen Begriffen hantiert
> wird, hat IMHO vielleicht auch ganz andere Gründe: Es ist
> Ausdruck einer - wenn auch unbewussten -
> Gruppenzugehörigkeit. Es ist zwar nervig zu hören, dass
> bald ein "briefing" oder gar ein "mailing" ansteht, aber
> die Frage nach deutschen Begriffen stellt sich einem in
> einem solchen Umfeld nicht.

Dir ist aber schon klar, daß es sich bei "briefung" und "mailing"
um zwei völlig verschiedene Dinge handelt, oder?

Michael


Sebastian Koppehel

unread,
Feb 21, 2001, 3:49:10 PM2/21/01
to
Hallo,

Silvan Heintze schrieb:

Diese Fähigkeit habe ich niemandem abgesprochen, und schon gar nicht


in Abwechslung mit der Behauptung des Gegenteils. Ich habe nur an

einer einzigen Stelle - ich nehme an, du beziehst dich auf den ersten
Absatz - darauf hingewiesen, daß es mir nicht um einzelne
Sprachgestalter geht, die eine herausragende Stellung innehaben,
sondern um den ganz allgemeinen Prozeß der Sprachentwicklung, bei dem
eben jeder, wenn er dies wünscht, mitmachen kann.

Du kannst ja gerne mal erklären, wodurch denn der von dir postulierte
»passive Prozeß« bewirkt wird, irgendeine Ursache muß er ja haben.
Oder meinst du einfach den alltäglichen Sprachgebrauch ohne weiteres
Nachdenken? Tja, aber die Sprachentwicklung hat eben in der
Vergangenheit in einer Mischung aus gedankenlosem und sehr
durchdachtem Sprachgebrauch stattgefunden, davon gehe ich jedenfalls
aus.

>> Und warum sollte jemand
>> aufhören, zu verdammen, was ihm nicht in den Kram paßt?
>
> Warum verallgemeinerst Du? War nicht klar, dass wir um die Bedeutung
> einzelner Worte und deren Verdammung diskutierten?
> Warum sollte man das also bleiben lassen? Weil es doch _sinnlos_ ist,
> und weil es überdies zu beleidigenden Beschimpfungen führt und wiederum
> dazu, dass sich einige wenige wichtig machen wollen und über andere
> stellen. Siehe dazu Diskussionsverlauf oben.

Wie willst du beurteilen, ob es sinnlos ist? Ist Sinn für dich erst
bei landesweiter Beachtung und Aufnahme in den Schulunterricht
gegeben? Und die Diskussionskultur im Usenet ist ja nun auch nicht
unbedingt Maßstab der Dinge, oder?

> Man kann Sprachentwicklung nicht aufhalten und sollte es mE auch nicht
> versuchen.

Dem stimme ich zwar zu, aber die Formulierung ist in unzulässiger
Weise tendenziös. Du postulierst einfach, diejenigen, die gedankenlos
mit Fremdwörtern um sich werfen, deren wahre Bedeutung sie gar nicht
kennen (nun formuliere ich tendenziös, OK), würden etwas »produzieren«
und wären der Urheber der Sprachentwicklung, und diejenigen, die
dagegen protestieren, wären keine Teilnehmer an diesem Prozeß, sondern
im Gegenteil dessen Gegner.

Ich persönlich meine, die beste Art und Weise, seine Vorlieben in
sprachlichen Dingen durchzusetzen, ist, sie selbst ständig
vorzumachen, wenngleich man meine Usenet-Artikel vielleicht besser
nicht an diesem Anspruch messen sollte. Aber das ist lediglich meine
Auffassung, und ich würde nicht gleich auf jemanden losgehen, der es
anders sieht. Zusammenfassend gesagt: Wenn wir jetzt mal von
Sprachschutzgesetzen u. ä. absehen, kann man kaum »gegen« die
Sprachentwicklung sein, denn selbst sich gegen bestimmte Moden zu
stellen, fällt wiederum in die Kategorie Sprachentwicklung - IMHO.
Aber man muß dann auch verlieren können, und was das Realisieren
betrifft, könnte es durchaus schon zu spät sein.

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