Thomas Schade <
tos...@rrr.de>:
> On 01.08.2015 03:54, Rüdiger Silberer wrote:
>> Am 17.07.2015 schrieb Thomas Schade:
>
>>> Ich denke nicht, dass es am Artikel liegt, sondern eher daran, dass
>>> /Bank/ ein 'dinglicher' Begriff ist. 'So geht Haus heute', passt nicht.
>>> 'So geht Schule heute', unauffällig.
>>
>> Öh, nein. Das ist schlechtes Deutsch, sehr schlechtes sogar.
>
> Sicher nicht. Zumindest solange man bereit ist, Sprache als etwas
> Lebendiges zu betrachten, das sich weiterentwickelt, und nicht als etwas
> Statisches, in Stein Gemeißeltes.
Mit letzterem wird eine Art Begriffe zu bilden vorausgesetzt, die auf
Anmaßung und offen gezeigter Frechheit beruht. Wenn das die Zeichen der Zeit
sind, kann man es leicht als Zeichen von Lebendigkeit durchgehen lassen.
Heißa! wir sind alle feudalgeschädigt! ist das nicht schön?
Begriffe bilden heißt in dem Fall, es wird vorausgesetzt, dass Bank als ein
Zusammenhang von bestimmten konkreten Handlungen und Verhaltensweisen
verknüpft und gedanklich einbetoniert ist, als vorausgesetztes breites
Verständnis. So etwas erreicht man aber nicht aufgrund von alltäglichen
Gepflogenheiten gesitter Menschen sondern in dem Fall alleine per Propaganda
und Manipulation. Der Erfolg der Hirnwäsche als Massenspektakel wird
vorausgesetzt. Die obige Begriffsbildung ist dann die Erfolgsmeldung, wir
haben es geschafft, wir haben die Leute durch den Kakao gezogen und alle,
die sich dazu breitschlagen lassen, kläffen nun hirnentleeert die Strophe
mit.
Bank ist, wenn man sich von den Bankerfuzzis sagen lässt, was man in dieser
Situation darf, und was in jener, und dann folgsam hin- und hertrottet,
genau wie einem geheißen.
Soweit geht das in der Übertragung, auf der Schiene von Propaganda und
Anmaßung.
Auf der Schiene von Alltagssprache ist diese Art von sprachlicher Wendung
hingegen ein praktisches Vehikel, zwar auch als Spiel mit der Anmaßung, aber
so, dass es im Rahmen einer Unterhaltung noch zurückgewiesen und kritisch
thematisiert werden kann.
Die Werbemasche setzt auf dieser Schiene auf, unter Missachtung des
performativen Details, dass es sich um Anmaßung handelt, wo es nicht mehr in
lockerer Zwiesprache kritisch thematisiert werden kann.
Ich nehme nicht an, dass die Werbefuzzis um diese Ecke mit halbwegs exakten
Vorstellungen auf alleine sprachlicher Schiene weiterdenken. Umso schlimmer,
dass dieser Grad an Unverschämtheit als Bestandteil von Alltagskultur
etabliert wird. Mit Lebendigkeit von Sprache hat das nur insoweit zu tun,
als die Zustände dermaßen leidlich kaputt sind, dass sich die Leute das
gefallen lassen, als propagandistischer Unfug.
Eine Form von Lebendigkeit, die sich alleine auf eine propagandistische Form
des Postulierens und Behauptens stützen kann, ist in sich marode und nicht
auf Dauer tragfähig. Es kann ein Begriff von Lebendigkeit nicht wie oben
angeführt als nicht weiter hinterfragbar vorgebracht werden. Das mündet
unversehens in Richtung Ausreden und Entschuldigungen. In dieser Art
Verwendung fehlt dieser Redensweise die Rückversicherung, es fehlen die
Querverbindungen in den semantischen Feldern des Alltagssprachgebrauchs.
Wenn man natürlich Sprache selbst quasi als ein Ding betrachtet, das
irgendwo näher spezifiziert ist, sozusagen im rein technischen Sinn, dann
bewegt man sich genau im gleichen luftleeren Raum von Anmaßungen und
Frechheiten wie die oben propagierte Redewendung, und merkt es
wahrscheinlich noch nicht einmal, eben, weil man es sich hinter einer Mauer
von statischen Selbstvergewisserungen bequem gemacht hat - und dort
womöglich über Lebendigkeit doziert.
Oder man merkt es doch, und sogar sehr genau, unter einem ganz anderen
Blickwinkel, demjenigen, dass ein aktiver Sprachgebrauch in allgemein gut
verankerten semantischen Feldern des Alltagssprachgebrauchs es zunehmend
schwergemacht wird. Da wurden neue Bildungsideale gesetzt. Da wurde
solidarisches Handeln strategisch vereinnahmt - und Sprache gibt es nur in
dieser Form. Das blitzt dann da und dort als tyrannisches Konstrukt auf, die
Fortsetzung des zivilisatorischen Projekts als ein Experiment zu denken,
dass alles, was den Menschen so im Kopf herumgeht, von außen und nach
vorgefasstem Plan kontrollierbar sein sollte.
Sonderlich im Gefolge der unermesslichen Finanz- und damit
Machtkonzentrationen unserer Tage ist anzunehmen, dass solcherlei Wahn sehr
munter und sehr fröhlich vor sich hinwabert.
Wenn man die Erfahrungen von Yanis Varoufakis mit der Bürokratie in Brüssel
nachliest als eine seltene Chance, dass jemand höchst elaborierterweise
nüchtern und im hohen Grad intellektuell bewusst über die Zustände nebenbei
auch von semantischer Ignoranz berichtet, sieht man auch da, dass
irgendwelche Erwartungen an konkrete Bedeutung von Worten auf diesen Etagen
in etwa ziemlich gleich null sind. Er hätte statt seiner vorbereiteten
Beiträge dort auch die schwedische Nationalhymne singen können, so brachte
er es auf den Punkt, und die Reaktion der Bürokraten und des
Exekutivpersonals aus den Ländern Europas wäre gleich geblieben, Reaktion
absolut null, monatelang nur immer dasselbe einseitige Diktat, einverwoben
in eine feudale Hofhaltung, wo der Wortwechsel nur als endloses Geplappere
geduldet ist.
(zuletzt auf seiner eigenen Seite: <
http://yanisvaroufakis.eu/2015/07/30/
the-defeat-of-europe-my-piece-in-le-monde-diplomatique/>
bzw: <
http://kuerzer.de/Wx5tlO6Fd>),
Es hat aber bis dahin kein System je überlebt, das die breite
gesellschaftliche Teilhabe ersetzt hat durch tyrannische Strukturen von
angenommener Planbarkeit. Und an diesem Punkt lohnt es nun, genauer nach
Lebendigkeit zu fragen:
Teilhabe ist nun einmal reichlich unbequem, bis das Hin und Her in der
Vernetzung von Begrifflichkeiten in der Semantik auch einmal etwas stabilere
Wurzeln schlägt.
Da darf man nochmals auf die Habermas'sche Beschreibung zurückkommen, mit
der späten Frucht des aufklärerischen Denkens, dass es zu diesem Hin und Her
prinzipiell dazugehört, die Einbettung von Begrifflichkeiten radikal auf den
Kopf stellen zu dürfen, immer wieder aufs neue. Der Mensch ist zu dumm, als
dass ihm diese dauerhaft ungemütliche Dynamik erspart bleiben könnte. Er ist
dazu verdammt, im offenen Diskurs stets wachsam zu bleiben.
Wo er es sich erspart, und mit tyrannischen Strukturen die offene Teilhabe
ersetzt, fehlt zugleich die Selbstreflexion, womit der stete Hang zum
Wahnsinn oder womit sonstige ungesunde Übertreibungen zumindest offen
einsichtig blieben, wenn man sie schon nicht abschaffen kann.
Die Deutsche Bank hebelt ihr Eigenkapital vierzigfach, wie mir gerade
unterkam. Bevor da jemand an so gefährlichen Zuständen auch nur leicht
ankratzt, führt man lieber einen Finanzkrieg gegen Millionen von Menschen
und breitet das große Schweigen darüber. In einem Paralleltheater des neuen
zivilisatorischen Experiments mit der kontrollierten Semantik im neuerlichen
Aufguss werden in den U.S.A. Tag für Tag drei Personen von der Exekutive
erschossen.
Billig ist es mithin, umgeben von unhaltbaren Zuständen eine Semantik der
tyrannischen Diktate nicht zumindest etwas deutlicher abzuwehren.
Ob tyrannische Dikate zu mimetisch getreuem Nachplappern geführt haben, wird
man dann aber gewiss nicht als Beweis für Lebendigkeit nehmen dürfen. Ob
unhaltbare Zustände zumindest bewusst gemacht wurden viel eher.
Da und dort blitzt ein Sprachwitz auf, der als Metapher für ein Debakel
erhalten bleibt, so geht lebendige Sprache im offenen Diskurs, die kann und
die darf das. Dann kommt ein Streisandeffekt, der es leider nicht als
Übersetzung in die Niederungen deutscher Biederkeit geschafft hat und als
Begriff aus der Netzwelt mit internationalistischem Anklang verstanden wird,
eben auch ein Zeichen von Lebendigkeit ...
derzeit auf offener Bühne in deutschen Landen zu bewundern im plötzlich
breitenwirksamen Schlagabtausch nach einem Zensurversuch gegen tatsächliche
journalistische Wirksamkeit im Kontrast zum Sumpf der tagtäglichen
Verlautbarungsakrobatik.
(<
netzpolitik.org> ist, weil betroffen, gerade arg in Mitleidenschaft
gezogen, auf <
http://blog.fefe.de/> sind Ausweichstellen zu finden ... gut,
die sogenannte bürgerliche Presse ist nun auch einmal aufgewacht und
solidarisiert sich mit den Eingriffen der Justiz gegen journalistische
Aufklärung via Weblogs.)