On 25.09.2015 11:16,
fc3...@uni-hamburg.de wrote:
> Dachte ich doch immer, Brechts Stadt wäre aus Mahagoni :-)
> Wenn man einmal nicht die Primärliteratur bemüht:
> "...das heißt Netzestadt". Kann also nix mit Mahagoni zu
> tun haben, da ist die Etymologie unbekannt. (Sagt Wiki.)
>
> OK, desd ist vielleicht nicht die optimale Newsgroup,
> aber haben wir hier zufällig einen Brecht-Kenner,
> der weiß, ob "Mahagonny" aus irgendeiner Sprache stammt
> oder nur so erfunden wurde?
| 122 Vgl. BFA 11, 100-106. - Zum Begriff 'Mahagonny' vgl. Bronnen,
| 104: "Brecht hatte damals [1923] zuerst das Wort 'Mahagonny'
| gefunden. Es war ihm aufgetaucht, als er die Massen braunbehemdeter
| Kleinbürger gesehen hatte, hölzerne Gestalten mit ihrer falsch
| eingefärbten, durchlöchterten roten Fahne. Der Begriff wuchs ihm aus
| dem Wort, wandelte sich mit ihm; doch in jenem Sommer mochte er ihm
| zunächst Spießers Utopia bedeuten, jenen zynisch-dummen Stammtisch-
| Staat, der aus Anarchie und Alkohol die bis dahin gefährlichste
| Mixtur für Europas Hexenkessel zusammenbraute."
|
(Frank Thomsen, Hans-Harald Müller, Tom Kindt, "Ungeheuer Brecht: Eine
Biographie seines Werks", 2006, S. 82.)
| Der Name "Mahagonny" leitet sich, wie die neuere Forschung erwiesen
| hat (Hauff, S. 9), von dem 1922 publizierten und rasch populär
| gewordenen "afrikanischen Shimmy" /Komm nach Mahagonne/ her [...]
|
(Jan Knopf, Joachim Lucchesi, "Brecht Handbuch", 2001, S. 152 - Angaben
nach Google Books.)
| Zum Ursprung des Worts 'Mahagonny' bei Brecht gibt es etliche
| verschiedene Meinungen. Inzwischen muss die 1980 von Knopf und noch
| 1988 von Schebera vorgetragene These, dass das Wort 'Mahagonny' und
| auch einige Mahagonny-Gedichte schon um 1920 bei Brecht vorhanden
| gewesen wären, als nicht belegbar und sogar wenig wahrscheinlich
| gelten.
|
| Relativ spät, erst durch Kommentare von Fritz Hennenberg, Jürgen
| Schebera und Michael Feingold sowie durch den mit weiteren
| Hintergrundfakten versehenen Artikel Andreas Hauffs ist die Forschung
| auf den Schlager "Komm nach Mahagonne" von Leopold Krauss-Elka
| (Musik) und O. A. Alberts (Text) als mutmaßliche Quelle gestoßen;
| diese Verbindung darf wegen deutlicher textlicher Parallelen mit
| Brechts späterer Mahagonny-Dichtung als relativ sicher gelten. Eine
| Notenausgabe von "Komm nach Mahagonne" wurde 1922 veröffentlicht, und
| eine erste Aufnahme dieses Lieds erschien ungefähr gleichzeitig.
|
| Die /Mahagonny/-Forschung der 1960er und 1970er Jahre, darunter
| Voigts und Milfull, erklärt das Wort gemeinhin durch die späte (1960)
| Aussage Arnolt Bronnens, Brecht habe mit dem Wort 'Mahagonny' - und
| zwar über die braune Farbe des Edelholzes Mahagoni - schon sehr früh
| den aufkeimenden Nationalsozialismus bezeichnen wollen. [...]
|
| Vor allem Helfried Seliger zweifelt jedoch Bronnens Aussage stark an,
| und nannte sie einen "nachträgliche[n], von der fertigen Oper her
| gefärbte[n] Interpretationsversuch". Aber noch 2001 spricht Jan Knopf
| im /Brecht-Handbuch/ von einem angeblichen "Bezug zu den
| Nationalsozialisten, den B[recht] und Bronnen über den Namen der
| Stadt hergestellt hatten".
|
(Esbjörn Nyström, "Libretto in Progress: Brechts und Weills /Aufstieg
und Fall der Stadt Mahagonny/ aus textgeschichtlicher Sicht", 2005, S.
33-35.)
| Denn auch die "Netzestadt" - das fiktive Übersetzungswort spielt auf
| die mit dem Himmelsgleichnis verbundene Netzmetaphorik der Bibel an
| [16] - hat ihre Reglementierungen, dekretiert in den Gesetzen der
| Witwe Begbick, und sie läßt nur den glückselig werden, der sich die
| Ergötzlichkeiten mit Geld erkaufen kann.
|
| [...]
|
| [16] Brecht 2, 502. - Vgl. Matth. 13,46: "Abermals ist das
| Himmelreich gleich einem Netze, das ins Meer geworfen ward und
| allerlei Gattung fing."
|
(Wolfgang Ruf, "Gebrauchsmusik in der Oper: Der 'Alabama Song' von
Brecht und Weill", in "Beiträge zu einer Problemgeschichte des
Komponierens: Festschrift für Hans Heinrich Eggebrecht zum 65.
Geburtstag", 1984, S. 414.)
--
Steve
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