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Positive Vorurteile?

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Marc Rothballer

unread,
Dec 11, 2002, 8:32:52 AM12/11/02
to
Hallo NG,

hat der Begriff "Vorurteil" immer eine negative Funktion oder gibt es auch
"positive Vorurteile" im sprachlichen Gebrauch?
Weil der Begriff "Kritik" ist ja auch nicht nur negativ, sondern kann auch
positiv gebraucht werden.
Was meint ihr dazu? Gibt es da irgendwelche "schlagkräftigen"
Argumente/Beispiele?

Dankend
marc

--
Jeder dumme Junge kann einen Käfer zertreten.
Aber alle Professoren der Welt können keinen herstellen.
(Arthur Schopenhauer)


Matthias Opatz

unread,
Dec 11, 2002, 8:50:34 AM12/11/02
to
"Marc Rothballer" schrieb:

> hat der Begriff "Vorurteil" immer eine negative Funktion oder gibt es auch
> "positive Vorurteile" im sprachlichen Gebrauch?

Wenn Du das Vorurteil hast, das der beurteilte Sachverhalt großartig ist, ist
das auch negativ, weil Du, egal *wie* Du urteilst, ohne Sachkenntnis urteilst.

Matthias


--
__________________________________________________________
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Alexander Nald

unread,
Dec 11, 2002, 9:27:18 AM12/11/02
to
Marc Rothballer schrieb:

[positive Vorurteile]

> Beispiele?

Italiener sind die feurigsten Liebhaber.
Schwarze haben ein besseres Rhythmusgefühl.
Dicke sind gemütlich.

AlN

Mike Nolte

unread,
Dec 11, 2002, 9:27:57 AM12/11/02
to
Marc Rothballer <ngf...@web.de> wrote:

> hat der Begriff "Vorurteil" immer eine negative Funktion oder gibt es auch
> "positive Vorurteile" im sprachlichen Gebrauch?

"Priester sind vertrauenswürdig."

Gruß,
Mike Nolte
--
Andererseits waere auf einer Seite unter vu-Domain mit Zappelgifs,
Mustertapete, MS Sans Comic und Frames ein fehlender Counter ein
glatter Stilbruch.
Olaf Poehlmann, de.comm.infosystems.www.authoring.misc, 04.12.2002

Wolfram Steinacker

unread,
Dec 11, 2002, 9:25:10 AM12/11/02
to
Marc Rothballer wrote:

> hat der Begriff "Vorurteil" immer eine negative Funktion oder gibt es auch
> "positive Vorurteile" im sprachlichen Gebrauch?

Es ist Sprach- und Denkfaulheit. Man gibt sich nicht mehr die Mühe, seine
'positive Erwartungen' oder gar Voreingenommenheiten zu artikulieren.
"Mir warn anjenehm enttäuscht" wird inzwischen genau so salonfähig.
"Nicht wirklich" ist schließlich auch trotz mannigfacher Anstrengungen nicht
wirklich aus unserem Sprachschatz getilgt worden. :-(

> Weil der Begriff "Kritik" ist ja auch nicht nur negativ, sondern kann auch
> positiv gebraucht werden.

Dieser Satz kommt in dieser NG so hanebüchen daher, dass ich von jeglicher
Kritik absehe.

Grüße von
Wolfram

Peter Bruells

unread,
Dec 11, 2002, 9:44:44 AM12/11/02
to
"Marc Rothballer" <ngf...@web.de> writes:

> Hallo NG,
>
> hat der Begriff "Vorurteil" immer eine negative Funktion oder gibt es auch
> "positive Vorurteile" im sprachlichen Gebrauch?
> Weil der Begriff "Kritik" ist ja auch nicht nur negativ, sondern kann auch
> positiv gebraucht werden.
> Was meint ihr dazu? Gibt es da irgendwelche "schlagkräftigen"
> Argumente/Beispiele?


Das konkrete Vorurteil kann positiv sein. ("Australier sind gut im
Bett.")

Die Praxis des Vorurteils ist aber grundsätzlich negativ, da ein Urteil
ohne Sachkenntniss getroffen wird.

Ulrich Hoffmann

unread,
Dec 11, 2002, 9:52:55 AM12/11/02
to

"Wolfram Steinacker" schrieb:

> Es ist Sprach- und Denkfaulheit.

Ob es das immer ist, wage ich zu bezweifeln. Ich
meine eher, das das "negative Wirtschaftswachstum"
durchaus eine kreative Denkleistung unserer Politi-
ker ist. ;-)


UH


Christian Volk

unread,
Dec 11, 2002, 10:50:54 AM12/11/02
to
Peter Bruells wrote:

> Das konkrete Vorurteil kann positiv sein. ("Australier sind gut im
> Bett.")

ack


> Die Praxis des Vorurteils ist aber grundsätzlich negativ

NACK!


>, da ein Urteil ohne Sachkenntniss getroffen wird.

Ein Urteil mit _wenig_ Sachkenntnis, was besser sein kann
als gar kein Urteil.
Schlecht ist hingegen, wenn man ein Vorurteil in einem
bestimmten Fall nicht verwerfen kann, falls es sich
nicht bestätigt.

Christian

Ralf Heinrich Arning

unread,
Dec 11, 2002, 10:49:45 AM12/11/02
to
Wolfram Steinacker <Wolfram.S...@t-online.de> wrote:

> Marc Rothballer wrote:
>
> > hat der Begriff "Vorurteil" immer eine negative Funktion oder gibt es auch
> > "positive Vorurteile" im sprachlichen Gebrauch?
>
> Es ist Sprach- und Denkfaulheit. Man gibt sich nicht mehr die Mühe, seine
> 'positive Erwartungen' oder gar Voreingenommenheiten zu artikulieren.

Das gibt es oft, ja. Aber:

> "Mir warn anjenehm enttäuscht" wird inzwischen genau so salonfähig.

klingt mir eher nach einem ironisch-spöttelnden Hieb, der etwas
kräftiger bedeutet: "Nicht der Rede wert."

Ralf

Ralf Heinrich Arning

unread,
Dec 11, 2002, 10:49:43 AM12/11/02
to
Marc Rothballer <ngf...@web.de> wrote:

> Hallo NG,
>
> hat der Begriff "Vorurteil" immer eine negative Funktion oder gibt es auch
> "positive Vorurteile" im sprachlichen Gebrauch?
> Weil der Begriff "Kritik" ist ja auch nicht nur negativ, sondern kann auch
> positiv gebraucht werden.

<mode imploring strong>
Bitte, bitte, nicht diese negative Sitte mitmachen, die in "weil" keine
Konjunktion zur Einleitung eines Nebensatzes mehr sieht!
</mode>

> Was meint ihr dazu? Gibt es da irgendwelche "schlagkräftigen"
> Argumente/Beispiele?

Was Du ansprichst, ist nicht ein Problem, sondern die Mischung mehrerer
Probleme. Irgendwann hat sich eingebürgert, "positiv" und "negativ" als
wertende Adjektive einzusetzen. Daß das zu Konfusionen führt, hat man
gemerkt, als medizinische Testergebnisse öffentlich diskutiert wurden:
"HIV-Test positiv" war dann plötzlich "negativ".

In Testergebnissen -- also in den "Nachurteilen" -- heißt "positiv", daß
die Antwort auf die Frage "Gibt es x?" mit "Ja" beantwortet wird.
"Negativ" heißt: "Nein, kann nicht nachgewiesen werden."
Ein positiver Schwangerschaftstest kann bekanntlich unterschiedlich
aufgefaßt werdern.

1) Vorurteile hält man deshalb für nicht gut, weil sie etwas behaupten,
was nicht bewiesen oder wenigstens gründlich geprüft wurde.
2) Vorurteile können etwas behaupten, das man als gut oder das man als
schlecht bewertet.
3) Vorurteile können behaupten, daß etwas ist oder daß etwas nicht ist.
4) Vorurteile können behaupten, daß es gut ist, daß etwas, von dem
behauptet wird, daß es ist, ist.
5) Vorurteile können behaupten, daß es gut ist, daß etwas, von dem
behauptet wird, daß es nicht ist, nicht ist.

usf.

Unabhängig vom Inhalt der Vorurteile, haben die Vorurteile immer den
Mangel, daß sie Ungewisses behaupten.

Die Ausdrücke "positive Kritik" und "negative Kritik" haben den Mangel,
daß ihre Bedeutung unklar ist. Jeder kann sich etwas anderes darunter
vorstellen. Beispiele für "positive Kritik":
--> gut finden
--> erkären, was ist
--> erklären, was gut ist
--> erklären, warum etwas gut ist.
--> Problem aufzeigen und Lösungsvorschläge biete.

Das unkritische Verständnis des Begriffes Kritik im Sinne von
abwertender Meinungsäußerung führt zusammen mit dem Verständnis von
"positiv" im Sinne von "irgendwie gut findend", zur seltsamen Akrobatik,
die das scheinbare Problem "Gibt es eine positive Kritik?"
entproblematisieren möchte.

Es mag ja sein, daß "positive Vorurteile" gebräuchlich sind. Aber auch
sie müssen enttäuscht werden.

Ralf

Matthias Opatz

unread,
Dec 11, 2002, 11:20:35 AM12/11/02
to
"Christian Volk" schrieb:

> Schlecht ist hingegen, wenn man ein Vorurteil in einem
> bestimmten Fall nicht verwerfen kann, falls es sich
> nicht bestätigt.

Vorurteile haben es an sich, recht erkenntnisresistent zu sein.
Das andere sind Erwartungen.

Ulrich Hoffmann

unread,
Dec 11, 2002, 11:25:10 AM12/11/02
to

"Bernd Scheid" schrieb:

> Das nennt man dann Urteil. Stelle Dir mal vor, im Strafrecht
> gäbe es Vorurteile. :-)

- Haftbefehl?
- Einstweilige Verfügung (Zivilrecht)?

Das sind doch so eine Art "Vor-Urteile". ;-)

UH


Johannes Volkmar

unread,
Dec 11, 2002, 11:29:32 AM12/11/02
to
Bernd Scheid wrote:

> Ich hätte noch Vornefeldverteidigung (...) zu bieten.

Das kenne ich wiederum nur ohne -feld-.

> Gruss
> Bernd

Gruß zurück jovo

Joachim Pense

unread,
Dec 11, 2002, 11:39:21 AM12/11/02
to
part of Ralf Heinrich Arning's product
<1fn19ap.n2ipne1bfzuk1N%Muell...@despammed.com>:

>> auch positiv gebraucht werden.
>
> <mode imploring strong>
> Bitte, bitte, nicht diese negative Sitte mitmachen, die in "weil" keine
> Konjunktion zur Einleitung eines Nebensatzes mehr sieht!
> </mode>

http://www.duden.de/index2.html?dtsprache/zumthema/weil.html

Joachimi

Dietmar Kulsch

unread,
Dec 11, 2002, 11:42:01 AM12/11/02
to
Marc Rothballer schrieb:

>
> Hallo NG,
>
> hat der Begriff "Vorurteil" immer eine negative Funktion oder gibt es auch
> "positive Vorurteile" im sprachlichen Gebrauch?

Wenn man Vorurteil in positiven Sinne
verwenden will, gebraucht man eher
das Wort Lebenserfahrung.

Peter Bruells

unread,
Dec 11, 2002, 12:01:22 PM12/11/02
to
"Christian Volk" <Ch....@gmx.de> writes:


> Ein Urteil mit _wenig_ Sachkenntnis, was besser sein kann
> als gar kein Urteil.


> Schlecht ist hingegen, wenn man ein Vorurteil in einem
> bestimmten Fall nicht verwerfen kann, falls es sich
> nicht bestätigt.


Zum Wesen eines Vorurteils gehört, daß der Urteilende *glaubt* die
notwendige Sachkenntis zu besitzen und daher oft lernresistent ist.

Wolfram Steinacker

unread,
Dec 11, 2002, 12:23:44 PM12/11/02
to
Ralf Heinrich Arning wrote:

> Wolfram Steinacker <Wolfram.S...@t-online.de> wrote:
>
> > "Mir warn anjenehm enttäuscht" wird inzwischen genau so salonfähig.
>
> klingt mir eher nach einem ironisch-spöttelnden Hieb, der etwas
> kräftiger bedeutet: "Nicht der Rede wert."

Offensichtlich ist mir die Wiedergabe doch misslungen. Es ist hoch anerkennend
gemeint. Aber man hat halt auf 'überrascht' verzichtet. Man hat die Aussage durch
ihr Gegenteil ausgedrückt.
'Vorurteil' und 'Erwartung' könnten als vergleichbare Gegensatzpaare angesehen
werden.
Aber es soll durchaus Sprachen geben, wo genau solche Modelle 'diametraler
Entsprechung' gängig sind.
Mir fiele auf die Schnelle 'sanktionieren' ein.

grüße von
Wolfram


Reinhard Gonaus

unread,
Dec 11, 2002, 3:01:13 PM12/11/02
to
On Wed, 11 Dec 2002 14:32:52 +0100, "Marc Rothballer" <ngf...@web.de>
wrote:

>Hallo NG,
>
>hat der Begriff "Vorurteil" immer eine negative Funktion oder gibt es auch
>"positive Vorurteile" im sprachlichen Gebrauch?

Man könnte das Vorurteil auch als etwas sehen, das notwendigerweise
vor dem Urteil kommt, damit man überhaupt anfangen kann, sich mit
einer unbekannten Sache oder Person zu beschäftigen. Es müsste dann
Schritt für Schritt von einem fundierten Urteil abgelöst werden.

Nur: In sprachlichem Gebrauch ist diese Auffassung nicht.

Reinhard
--
Liebliche Schneeflocken,
sie fallen nirgends sonst.
(Zen-Sprichwort)

Christian Volk

unread,
Dec 11, 2002, 3:36:52 PM12/11/02
to
Reinhard Gonaus wrote:

> Man könnte das Vorurteil auch als etwas sehen, das notwendigerweise
> vor dem Urteil kommt, damit man überhaupt anfangen kann, sich mit
> einer unbekannten Sache oder Person zu beschäftigen.

Siehe mein voriges Posting im Thread.


>Es müsste dann Schritt für Schritt von einem
> fundierten Urteil abgelöst werden.

Genau so.


> Nur: In sprachlichem Gebrauch ist diese Auffassung nicht.

Leider, oder?

Christian

Ralf Heinrich Arning

unread,
Dec 11, 2002, 3:49:45 PM12/11/02
to
Ulrich Hoffmann <UH20...@web.de> wrote:

Ein Verdacht (der einem Haftbefehl oder einer einstweiligen Verfügung
vorausgeht) ist kein Vorurteil, sondern fordert ein Urteil nach einer
Prüfung.

Ein Vorurteil -- um das gleich mit abzuhaken -- ist auch keine
Hypothese.

Ralf

Ralf Heinrich Arning

unread,
Dec 11, 2002, 3:49:44 PM12/11/02
to
Joachim Pense <joachi...@t-online.de> wrote:

Ein paar der in dem Artikel aufgeführten Beobachtungen sind schon wieder
überholt. Eine Sprechpause nach dem "weil" ist nicht mehr üblich. Und
der Anlaß meines sprachpflegerischen Klagerufs belegt, daß inzwischen
die Weil-Sätze mit Verbzweitstellung auch vorangestellt werden.

Die Frage, ob es sich um einen syntaktischen oder lexikalischen Wandel
handelt, halte ich für falsch, weil sie von einer Alternative ausgeht,
die gar nicht da ist. Es ist sowohl ein syntaktischer als auch
lexikalischer Wandel.

Wenn Weil-Sätze mit Verbzweitstellung solche mit Verbendstellung
verdrängen, dann gelten Weil-Sätze nicht mehr als Nebensätze. Damit ist
die Vorstellung verschwunden, daß zwischen einem Haupt- und einem
Nebensatz eine Abhängigkeit besteht. Das Verhältnis zwische Begründung
und Begründetem wird nicht mehr ausgedrückt.

Ralf

Joachim Pense

unread,
Dec 11, 2002, 4:20:31 PM12/11/02
to
part of Ralf Heinrich Arning's product
<1fn1ms3.111c8051bzhzpeN%Muell...@despammed.com>:

> Joachim Pense <joachi...@t-online.de> wrote:
>
>> part of Ralf Heinrich Arning's product
>> <1fn19ap.n2ipne1bfzuk1N%Muell...@despammed.com>:
>>
>> >> auch positiv gebraucht werden.
>> >
>> > <mode imploring strong>
>> > Bitte, bitte, nicht diese negative Sitte mitmachen, die in "weil" keine
>> > Konjunktion zur Einleitung eines Nebensatzes mehr sieht!
>> > </mode>
>>
>> http://www.duden.de/index2.html?dtsprache/zumthema/weil.html
>
> Ein paar der in dem Artikel aufgeführten Beobachtungen sind schon wieder
> überholt. Eine Sprechpause nach dem "weil" ist nicht mehr üblich.

Bei den Jüngeren, oder meinst du, das wär allgemein schon so? Ich kann das
Hauptsatz-Weil nur mit Sprechpause denken. (Merkwürdig ist übrigens der
innere Zwang, weil mit Hauptsatz zu benutzen).

> Und
> der Anlaß meines sprachpflegerischen Klagerufs belegt, daß inzwischen
> die Weil-Sätze mit Verbzweitstellung auch vorangestellt werden.

Das habe ich noch nicht beobachtet. Das ist bemerkenswert. Ich kenne das
Weil allerdings alleinstehend am Satzende, *ohne* folgende Begründung (mit
drei gedachten Punkten)

>
> Wenn Weil-Sätze mit Verbzweitstellung solche mit Verbendstellung
> verdrängen, dann gelten Weil-Sätze nicht mehr als Nebensätze. Damit ist
> die Vorstellung verschwunden, daß zwischen einem Haupt- und einem
> Nebensatz eine Abhängigkeit besteht. Das Verhältnis zwische Begründung
> und Begründetem wird nicht mehr ausgedrückt.

Diese These scheint mir allerdings eher merkwürdig als bemerkenswert :-)

Wie ist es eigentlich bei "denn"? Wird da auch das Verhältnis zwischen
Begründung und Begründetem nicht ausgedrückt?

Mein Erklärungsversuch: Anscheinend (und naheliegenderweise) gibt es in der
Umgangssprache den Drang zur parataktischen Sprechweise; schließlich muss
man die Sätze ja "live" konstruieren. In der Umgangssprache allerdings ist
"denn" leider nicht korrekt (das gehört zur Schriftsprache bzw. formalen
Sprache). Also hat man mit den Bordmitteln der Umgangssprache den
Kausalhauptsatz neu gebaut: Nämlich mit Doppelpunkt (=gedachter Pause). Der
gedachte Doppelpunkt geht ganz den üblichen Gesetzmäßigkeiten des
Sprachwandels folgend mit der nächsten Generation verloren.

Erstaunlich, dass die Umgangssprache eine benötigte Kosntruktion lieber neu
schafft als sie sich aus der Schriftsprache zu holen.

Und dieses hochinteressante Phänomen willst du bekämpfen? Schade eigentlich.

Joachim.

Matthias Warkus

unread,
Dec 11, 2002, 3:47:50 PM12/11/02
to
Wed, 11 Dec 2002 17:42:01 +0100, message by
Dietmar Kulsch <dk.n...@kulsch.de>:

Lebenserfahrung ist jedoch kein vorauseilendes Urteil über etwas, das
man (noch) nicht kennt, sondern zusammenfassende Bewertung dessen, was
man kennt oder irgendwann einmal gekannt hat.

mawa
--
NUR BEI UNS

Dietmar Kulsch

unread,
Dec 11, 2002, 5:59:53 PM12/11/02
to
Matthias Warkus schrieb:

> > > hat der Begriff "Vorurteil" immer eine negative Funktion oder gibt es auch
> > > "positive Vorurteile" im sprachlichen Gebrauch?
> >
> > Wenn man Vorurteil in positiven Sinne
> > verwenden will, gebraucht man eher
> > das Wort Lebenserfahrung.
>
> Lebenserfahrung ist jedoch kein vorauseilendes Urteil über etwas, das
> man (noch) nicht kennt, sondern zusammenfassende Bewertung dessen, was
> man kennt oder irgendwann einmal gekannt hat.

Das Problem ist doch, daß man andauernd gezwungen ist,
Entscheidungen zu treffen, ohne zuvor eine wirklich
hieb- und stichfeste Entscheidungsgrundlage zu haben.
Da muß man sich eben auf seine bisherigen Erfahrungen
verlassen. Anders gesagt: Da man kein abschließendes
Urteil fällen kann, muß man sich auf ein Vor-Urteil
zurückziehen.

Problematisch wird es dann, wenn man seine
Vor-Urteile nicht als solche erkennt, bzw.
auch dann nicht davon abrückt, wenn man es
im Einzelfall besser wissen könnte.

Florian Ritter

unread,
Dec 11, 2002, 6:58:08 PM12/11/02
to
Wolfram Steinacker <Wolfram.S...@t-online.de> wrote in message news:<3DF7749F...@t-online.de>...

> > > "Mir warn anjenehm enttäuscht" wird inzwischen genau so salonfähig.
> >
> > klingt mir eher nach einem ironisch-spöttelnden Hieb, der etwas
> > kräftiger bedeutet: "Nicht der Rede wert."
>
> Offensichtlich ist mir die Wiedergabe doch misslungen. Es ist hoch anerkennend
> gemeint. Aber man hat halt auf 'überrascht' verzichtet. Man hat die Aussage durch
> ihr Gegenteil ausgedrückt.
> 'Vorurteil' und 'Erwartung' könnten als vergleichbare Gegensatzpaare angesehen
> werden.
> Aber es soll durchaus Sprachen geben, wo genau solche Modelle 'diametraler
> Entsprechung' gängig sind.
> Mir fiele auf die Schnelle 'sanktionieren' ein.

Alle Klischees stimmen, glöw mi dat, is so - FR

Florian Ritter

unread,
Dec 11, 2002, 7:00:29 PM12/11/02
to
Johannes Volkmar <Johannes...@unibw-muenchen.de> wrote in message news:<3DF767EC...@unibw-muenchen.de>...

>
> > Ich hätte noch Vornefeldverteidigung (...) zu bieten.
>
> Das kenne ich wiederum nur ohne -feld-.

"Vom Feeling her habe ich ein gutes Gefühl" (R. Völler) - FR

Florian Ritter

unread,
Dec 11, 2002, 7:06:58 PM12/11/02
to
Peter Bruells <bru...@rogue.peter.ecce-terram.de> wrote in message news:<at7j0s$b...@news.Informatik.Uni-Oldenburg.DE>...

Als ich meinem Vater mal vorhielt, daß das, was er da gerade gesagt
hatte, doch wohl auf einem Vorurteil beruhte, wurde mir die Antwort
zuteil: das möge ja sein, aber er wäre stolz auf sein Vorurteile;
oratorisch nicht schlecht - FR

Florian Ritter

unread,
Dec 11, 2002, 7:19:13 PM12/11/02
to
use0...@onlinehome.de (Matthias Opatz) wrote in message news:<A53BAA48A....@0.NewsSIEVE.com>...

>
> > Schlecht ist hingegen, wenn man ein Vorurteil in einem
> > bestimmten Fall nicht verwerfen kann, falls es sich
> > nicht bestätigt.
>
> Vorurteile haben es an sich, recht erkenntnisresistent zu sein.
> Das andere sind Erwartungen.

Interessante war bei meinem Vater war, daß er - ohnerachtet seiner
Vorurteile gegen Juden, Polen, Russen e tutti quanti - mit einem
moskowitischen Juden befreundet war. Das waren dann eben Ausnahmen.
Ich weiß noch, wie ich von meinem Vater ermahnt wurde, gegenüber jenem
Juden, der meteorhaft in Berlin aufgetaucht war, nicht zu erwähnen,
daß ich gerade von einer Veranstaltung der ev. Jungen Gemeinde kam. Da
wurde er plötzlich sensibel, 'n betten strange - FR

Yvonne Steiner

unread,
Dec 11, 2002, 7:22:55 PM12/11/02
to
Marc Rothballer <ngf...@web.de> wrote:

> Hallo NG,
>

> hat der Begriff "Vorurteil" immer eine negative Funktion oder gibt es auch
> "positive Vorurteile" im sprachlichen Gebrauch?
> Weil der Begriff "Kritik" ist ja auch nicht nur negativ, sondern kann auch
> positiv gebraucht werden.

Ich denke, es kommt nur dann zu einem Vorurteil gegenüber jemandem, wenn
man ihm/ihr nicht gerade gut gesinnt ist?
Es hat sich dann etwas aufgebaut, das bestimmt nicht auf objektiven
Tatsachen beruht, sondern sich durch "feindselige" Gefühle oder Gedanken
zu eben diesem Vorurteil entwickelte.

Deshalb meine ich: Ein Vorurteil ist immer negativ.

Yvonne Steiner

Johannes Volkmar

unread,
Dec 12, 2002, 4:34:51 AM12/12/02
to

In diesem Zusammenhang bemerkte ich jene - dort wohl nicht Strategie zu
nennende - Taktik zwar zum ersten Mal beim Spiel des Werder Bremen in
den frühen 90ern, also doch zu Zeiten, da beregter (Achtung: Hallo!)
Ballkünstler bereits als Legionär an Cäsars Throne diente; dem
Mittelstürmer Bernd Hobsch kam dabei nicht, wie man meinen könnte, die
Aufgabe zu, viele, viele Tore zu schießen (was er in der Tat auch nicht
vollbrachte), sondern er stellte die erste Verteidigungslinie dar,
gewissermaßen ein Feldposten am Rande des gegenerischen Straftraums.

Die Fixierung aufs Defensive hat (auf jeden Fall im Fußballerischen (-:
)¹ italienischen Ursprung und sollte somit nicht Vornefeldverteidigung,
sondern statt dessen Catenaccio heißen.

¹) Daß die Italiener aber auch sonst ganz gut verteidigen konnten,
erschließt sich aus den jeweiligen Kapitulationsdaten in Afrika im
letzten Kriege.

> - FR

Sport frei! jovo

Holger Kiefhaber

unread,
Dec 12, 2002, 4:51:30 AM12/12/02
to
Florian Ritter schrieb:

>"Vom Feeling her habe ich ein gutes Gefühl" (R. Völler) - FR

Du hast (A. Möller) nur ganz leicht flachs geschrieben.

SCNR Holger

Frederic Wenzel

unread,
Dec 12, 2002, 5:20:46 AM12/12/02
to
Wolfram Steinacker wrote:
>>>"Mir warn anjenehm enttäuscht" wird inzwischen genau so salonfähig.
>>
>>klingt mir eher nach einem ironisch-spöttelnden Hieb, der etwas
>>kräftiger bedeutet: "Nicht der Rede wert."
>
> Offensichtlich ist mir die Wiedergabe doch misslungen. Es ist hoch anerkennend
> gemeint. Aber man hat halt auf 'überrascht' verzichtet. Man hat die Aussage durch
> ihr Gegenteil ausgedrückt. [...]

Etwas euphemistisch mit dem Gegenteil auszudrücken ist aber, wenn
bewusst benutzt, ein Stilelement, um eben diesen Umstand zu relativieren:

Ein Betrieb geht schon seit langem nicht mehr "bankrott". Entweder er
wird "insolvent", oder er hat ein "strukturelles Problem auf der
Ausgabenseite"...

Euphemismen einzusetzen gefällt dem Menschen halt, weil er sich mit
einer "weichen" Formulierung möglicherweise keiner oder weniger Kritik
der Mitmenschen aussetzen muss - wo ist da die "Sprach- oder Denkfaulheit"?

Fred

Lothar Frings

unread,
Dec 12, 2002, 6:36:26 AM12/12/02
to
Frederic Wenzel tat kund:

> Etwas euphemistisch mit dem Gegenteil auszudrücken ist aber, wenn
> bewusst benutzt, ein Stilelement, um eben diesen Umstand zu
>relativieren:
>
> Ein Betrieb geht schon seit langem nicht mehr "bankrott". Entweder er
> wird "insolvent", oder er hat ein "strukturelles Problem auf der
> Ausgabenseite"...

Das hat doch nichts mit dem Gegenteil zu tun -
es ist eine ganz normale Beschönigung, so wie
"umstrukturieren" oder "gesundschrumpfen" für
"Leute entlassen". Wobei das "strukturelle Problem"
auch nicht unbedingt gleich den Bankrott bedeutet.

------------------------------------------------------------------------
Immer auf dem aktuellen Stand mit den Newsgroups von freenet.de:
http://newsgroups.freenet.de


Frederic Wenzel

unread,
Dec 12, 2002, 5:41:14 AM12/12/02
to
Yvonne Steiner wrote:
>>hat der Begriff "Vorurteil" immer eine negative Funktion oder gibt es auch
>>"positive Vorurteile" im sprachlichen Gebrauch?
>>Weil der Begriff "Kritik" ist ja auch nicht nur negativ, sondern kann auch
>>positiv gebraucht werden.
>
> Ich denke, es kommt nur dann zu einem Vorurteil gegenüber jemandem, wenn
> man ihm/ihr nicht gerade gut gesinnt ist? [...]

Ich glaube eher, man ist jemandem wegen eines Vorurteils nicht gut
*gesonnen*, oder? Das ist ja fast schon ein "Huhn-Ei-Problem" ;)

> Deshalb meine ich: Ein Vorurteil ist immer negativ.

Ack.


Fred

Ulrich Hoffmann

unread,
Dec 12, 2002, 6:33:46 AM12/12/02
to

"Frederic Wenzel" schrieb:

> Ein Betrieb geht schon seit langem nicht mehr "bankrott".
> Entweder er wird "insolvent", oder er hat ein "strukturelles
> Problem auf der Ausgabenseite"...

Eher auf der Einnahmeseite!

Aber zurück zu den Begriffen:

"Bankrott" ist eine Konkursstraftat (§ 283 ff StGB) und
keine "normale" Pleite.

"Insolvent" wird man, seit dem am 1.1.1999 die Konkurs-
ordnung durch die Insolvenzordnung abgelöst wurde. Bis
zum 31.12.1998 ging man "Konkurs". Die neue Insolvenz-
ordnung bemüht* sich verstärkt um die Sanierung des insol-
venten Unternehmens, während beim Konkurs die Zerschla-
gung des Unternehmens im Vordergrund stand.

*) "Bemüht" im Sinne der Zeugnissprache: "Müller hat sich
stets bemüht...". Immerhin: Ganz neu ist die Möglichkeit der
vollständigen Entschuldung von Privatpersonen (Restschuld-
befreiung nach sechs Jahren Wohlverhaltens).


UH


Lothar Frings

unread,
Dec 12, 2002, 8:21:59 AM12/12/02
to
Ulrich Hoffmann tat kund:


> "Frederic Wenzel" schrieb:
>
> > Ein Betrieb geht schon seit langem nicht mehr "bankrott".
> > Entweder er wird "insolvent", oder er hat ein "strukturelles
> > Problem auf der Ausgabenseite"...
>
> Eher auf der Einnahmeseite!

Noch eher auf beiden Seiten.

>
> Aber zurück zu den Begriffen:
>
> "Bankrott" ist eine Konkursstraftat (§ 283 ff StGB) und
> keine "normale" Pleite.
>
> "Insolvent" wird man, seit dem am 1.1.1999 die Konkurs-
> ordnung durch die Insolvenzordnung abgelöst wurde.

[ ] Du hast verstanden, worum es in diesem Thread geht.
[ ] Hier ist de.soc.rect.misc

alex k.

unread,
Dec 12, 2002, 7:26:01 AM12/12/02
to
Muell...@despammed.com (Ralf Heinrich Arning) wrote in message news:<1fn1ms3.111c8051bzhzpeN%Muell...@despammed.com>...

> Wenn Weil-Sätze mit Verbzweitstellung solche mit Verbendstellung
> verdrängen, dann gelten Weil-Sätze nicht mehr als Nebensätze.

dass sich auf breiter front "weil" von einer subordinierenden zu einer
nebenordnenden konjunktion wandelt, scheint wohl festzustehen. aber
das hier:

> Damit ist
> die Vorstellung verschwunden, daß zwischen einem Haupt- und einem
> Nebensatz eine Abhängigkeit besteht.

meines erachtens nicht. warum auch? wird denn durch die nebenordnende
konjunktion "denn" keinerlei abhängigkeit ausgedrückt?

> Das Verhältnis zwische Begründung
> und Begründetem wird nicht mehr ausgedrückt.

warum denn das nicht? nur weil ein satz dem anderen nicht direkt
untergeordnet ist? pfffffft.

mfg
a.

Ulrich Hoffmann

unread,
Dec 12, 2002, 7:32:58 AM12/12/02
to

"Lothar Frings" schrieb:

> > Aber zurück zu den Begriffen:
> >
> > "Bankrott" ist eine Konkursstraftat (§ 283 ff StGB) und
> > keine "normale" Pleite.
> >
> > "Insolvent" wird man, seit dem am 1.1.1999 die Konkurs-
> > ordnung durch die Insolvenzordnung abgelöst wurde.

> [ ] Du hast verstanden, worum es in diesem Thread geht.

Ich hätte hier ein aber Kreuz gesetzt. ;-)

Denn es ist in der Tat so, dass der Begriff "Insolvenz"
eben _erst_ seit der neuen Insolvenzordnung, die die
Konkursordnung abgelöst hat, die heutige breite Ver-
wendung gefunden hat. Hier hat das neue Gesetz auch
die Sprache (zumindest der Medien) verändert.

Unternehmen werden nicht "insolvent", weil das net-
ter/harmloser klingt, sondern weil dies seit einigen
Jahren der aktuelle juristische Tatbestand ist. Und ge-
nau diese Aussage _passt_ zum Thread, oder?

Bei "Bankrott" gestehe ich ein, dass diese Anmerkung
etwas OT ist, aber dazu passt und, wie ich finde, auch
nicht ganz uninteressant ist.


UH

Ralf Heinrich Arning

unread,
Dec 12, 2002, 7:40:29 AM12/12/02
to
Dietmar Kulsch <dk.n...@kulsch.de> wrote:

> Das Problem ist doch, daß man andauernd gezwungen ist,
> Entscheidungen zu treffen, ohne zuvor eine wirklich
> hieb- und stichfeste Entscheidungsgrundlage zu haben.

Ja, stimmt. Und es ist gut, wenn man weiß, daß das so ist.

> Da muß man sich eben auf seine bisherigen Erfahrungen
> verlassen. Anders gesagt: Da man kein abschließendes
> Urteil fällen kann,

Bis hierher ist noch alles richtig, aber die Folgerung:

> muß man sich auf ein Vor-Urteil zurückziehen.

ist falsch. Denn Vermutungen, Hoffnungen und Erwartungen sind keine
Vorurteile. Vorurteile haben die Form von sicheren Urteilen.
Die Annahmen oder Einschätzungen, die keine hieb- und stichfeste
Entscheidungsgrundlage bilden, haben eine andere Form: Sie schließen die
Ungewißheit ein.

Nichtsdestoweniger gibt es Handlungen, die sich auf Vorurteile stützen.


>
> Problematisch wird es dann, wenn man seine
> Vor-Urteile nicht als solche erkennt, bzw.
> auch dann nicht davon abrückt, wenn man es
> im Einzelfall besser wissen könnte.

Genau das ist das Problem. Solange man seine Vorurteile nicht erkannt
hat, hält man sie für Urteile.

Ralf

Ralf Heinrich Arning

unread,
Dec 12, 2002, 7:40:22 AM12/12/02
to
Joachim Pense <joachi...@t-online.de> wrote:

> part of Ralf Heinrich Arning's product

> <1fn1ms3.111c8051bzhzpeN%Muell...@despammed.com>:


>
> > Eine Sprechpause nach dem "weil" ist nicht mehr üblich.
>
> Bei den Jüngeren, oder meinst du, das wär allgemein schon so?

Die Sprechpause kommt zwar noch vor, aber nicht mehr oft. Das ist mein
Eindruck. Ich werde drauf achten, ob das mit dem Alter zusammenhängt.

> Ich kann das
> Hauptsatz-Weil nur mit Sprechpause denken. (Merkwürdig ist übrigens der
> innere Zwang, weil mit Hauptsatz zu benutzen).

Ein Denn-Satz steht auch selten allein.


>
> > Und
> > der Anlaß meines sprachpflegerischen Klagerufs belegt, daß inzwischen
> > die Weil-Sätze mit Verbzweitstellung auch vorangestellt werden.
>
> Das habe ich noch nicht beobachtet. Das ist bemerkenswert. Ich kenne das
> Weil allerdings alleinstehend am Satzende, *ohne* folgende Begründung (mit
> drei gedachten Punkten)

Das ist kein Grund zur Klage. Da könnte ja wenigsten das Verb am Schluß
stehen.


>
> >
> > Wenn Weil-Sätze mit Verbzweitstellung solche mit Verbendstellung
> > verdrängen, dann gelten Weil-Sätze nicht mehr als Nebensätze. Damit ist
> > die Vorstellung verschwunden, daß zwischen einem Haupt- und einem
> > Nebensatz eine Abhängigkeit besteht. Das Verhältnis zwische Begründung
> > und Begründetem wird nicht mehr ausgedrückt.
>
> Diese These scheint mir allerdings eher merkwürdig als bemerkenswert :-)

Dahinter steht, daß die Strukturen der Sprache mit dem sprachlichen
Denken in einer Wechselwirkung stehen.


>
> Wie ist es eigentlich bei "denn"? Wird da auch das Verhältnis zwischen
> Begründung und Begründetem nicht ausgedrückt?

Es ist MUSEN lockerer.


>
> Mein Erklärungsversuch: Anscheinend (und naheliegenderweise) gibt es in der
> Umgangssprache den Drang zur parataktischen Sprechweise; schließlich muss
> man die Sätze ja "live" konstruieren.

Da ist etwas dran. Es gibt allerdings auch Menschen, die live interviewt
werden und dabei nicht auf Hypotaxen verzichten. Sie bilden lupenreine
Nebensätze mit "weil", ohne daß dasn nach Schriftdeutsch klingt. Diese
Menschen sind allerdings auch weniger hektisch.

> In der Umgangssprache allerdings ist
> "denn" leider nicht korrekt (das gehört zur Schriftsprache bzw. formalen
> Sprache).

Stimmt. Aber warum muß das so bleiben?

> Also hat man mit den Bordmitteln der Umgangssprache den
> Kausalhauptsatz neu gebaut: Nämlich mit Doppelpunkt (=gedachter Pause). Der
> gedachte Doppelpunkt geht ganz den üblichen Gesetzmäßigkeiten des
> Sprachwandels folgend mit der nächsten Generation verloren.

Da gab es noch einen Zwischenschritt. In den späten achtziger Jahren
fiel mir in Radiokommentaren eine Marotte auf, die so heute nur noch
selten zu hören ist: Anstelle des kausalen Nebensatzes trat ein
Hauptsatz, der mit einem emphatischen "Grund: " eingeleitet wurde. Man
wollte wohl den Grund besonders hervorheben und hat den
Kausalzusammenhang dabei vernachlässigt. Irgendwann wurde dann "Grund: "
durch "weil: " ersetzt. Und jetzt ist der Doppelpunkt auch oft
verschwunden.


>
> Erstaunlich, dass die Umgangssprache eine benötigte Kosntruktion lieber neu
> schafft als sie sich aus der Schriftsprache zu holen.

Wozu wird sie benötigt? Warum muß der Parataxe der Vorzug gegeben
werden? Was wird damit erreicht?
Und ist das eigentlich sicher, daß es die Umgangssprache war, die diesen
Sprachwandel hervorgebracht hat? Ich halte es für wahrscheinlicher, daß
eher die konstruierte Sprache in den Medien diese Entwicklung
eingeleitet hat. Nicht daß dieser Wandel geplant gewesen wäre. Man hat
schlicht versucht, besonders wichtig zu wirken. Dazu durchbricht man
schon mal die herkömmliche Syntax.


>
> Und dieses hochinteressante Phänomen willst du bekämpfen? Schade eigentlich.

Nun ja, man kann sich auch für interessante Kriminalfälle interessieren
oder für neue Methoden Wohnungen zu knacken. Das kann beim Bekämpfen
sogar helfen.

Ralf

Ralf Heinrich Arning

unread,
Dec 12, 2002, 8:40:39 AM12/12/02
to
alex k. <worts...@gmx.net> wrote:

> Muell...@despammed.com (Ralf Heinrich Arning) wrote in message
> news:<1fn1ms3.111c8051bzhzpeN%Muell...@despammed.com>...
>
> > Wenn Weil-Sätze mit Verbzweitstellung solche mit Verbendstellung
> > verdrängen, dann gelten Weil-Sätze nicht mehr als Nebensätze.
>
> dass sich auf breiter front "weil" von einer subordinierenden zu einer
> nebenordnenden konjunktion wandelt, scheint wohl festzustehen. aber
> das hier:
>
> > Damit ist
> > die Vorstellung verschwunden, daß zwischen einem Haupt- und einem
> > Nebensatz eine Abhängigkeit besteht.
>
> meines erachtens nicht. warum auch?

Weil eine Parataxe etwas anderes ist als eine Hypotaxe. Ein Haupt- und
ein Nebensatz stehen in einer anderen (gedanklichen) Beziehung
zueinander als zwei Hauptsätze.

> wird denn durch die nebenordnende
> konjunktion "denn" keinerlei abhängigkeit ausgedrückt?

Eine deutlich schwächere.


>
> > Das Verhältnis zwische Begründung
> > und Begründetem wird nicht mehr ausgedrückt.
>
> warum denn das nicht? nur weil ein satz dem anderen nicht direkt
> untergeordnet ist? pfffffft.

Ein Nebensatz hängt vom Hauptsatz ab. Zwei Hauptsätze hängen nicht
syntaktisch von einander ab. Das ist doch trivial.

Ralf

Joachim Pense

unread,
Dec 12, 2002, 9:59:24 AM12/12/02
to
part of Ralf Heinrich Arning's product
<1fn1weu.yquqwu2p3jruN%Muell...@despammed.com>:

> Joachim Pense <joachi...@t-online.de> wrote:
>>
>> Erstaunlich, dass die Umgangssprache eine benötigte Kosntruktion lieber
>> neu schafft als sie sich aus der Schriftsprache zu holen.
>
> Wozu wird sie benötigt? Warum muß der Parataxe der Vorzug gegeben
> werden? Was wird damit erreicht?

Habe ich doch weiter oben geschrieben: weil - da kann man sich die Sätze
während man spricht bilden. :-)

> Und ist das eigentlich sicher, daß es die Umgangssprache war, die diesen
> Sprachwandel hervorgebracht hat?

Mir schon. Ziemlich. So rein musenmäßig.

> Ich halte es für wahrscheinlicher, daß
> eher die konstruierte Sprache in den Medien diese Entwicklung
> eingeleitet hat. Nicht daß dieser Wandel geplant gewesen wäre. Man hat
> schlicht versucht, besonders wichtig zu wirken. Dazu durchbricht man
> schon mal die herkömmliche Syntax.

Entspricht nicht meinen Erfahrungen. Na ja, Verschwörungen finden ja auch
heimlich statt... Ich vermute aber eher, dass dieses weil mit Hauptsatz in
regionalen Dialekten schon länger vorkam.

Aufgefallen ist mir die Kontruktion übrigens zuerst in den Siebzigern (davor
war ich zu jung). Gibt es ältere Belege?

>>
>> Und dieses hochinteressante Phänomen willst du bekämpfen? Schade
>> eigentlich.
>
> Nun ja, man kann sich auch für interessante Kriminalfälle interessieren
> oder für neue Methoden Wohnungen zu knacken. Das kann beim Bekämpfen
> sogar helfen.
>

Naja, das meiste, was den Zustand einer Sprache zu einem beliebigen
Zeitpunkt ausmacht, geht auf solche "Verbrechen" zurück. Aber das muss ich
dir ja wohl am wenigsten sagen.

Joachim

Florian Ritter

unread,
Dec 12, 2002, 11:18:02 AM12/12/02
to
Holger Kiefhaber <holger.k...@sap.com> wrote in message news:<cvmgvusofsnr15n9j...@4ax.com>...

>
> >"Vom Feeling her habe ich ein gutes Gefühl" (R. Völler) - FR
>
> Du hast (A. Möller) nur ganz leicht flachs geschrieben.

Wer is ejal, Hauptsache daß - FR

Armin Saam

unread,
Dec 12, 2002, 11:37:15 AM12/12/02
to

"Frederic Wenzel" <frederi...@stud.uni-karlsruhe.de> schrieb im
Newsbeitrag news:at9p4c$425$1...@news.rz.uni-karlsruhe.de...

Yvonne Steiner wrote:
>>hat der Begriff "Vorurteil" immer eine negative Funktion oder gibt es auch
>>"positive Vorurteile" im sprachlichen Gebrauch?
>>Weil der Begriff "Kritik" ist ja auch nicht nur negativ, sondern kann auch
>>positiv gebraucht werden.
>
> Ich denke, es kommt nur dann zu einem Vorurteil gegenüber jemandem, wenn
> man ihm/ihr nicht gerade gut gesinnt ist? [...]

Ich glaube eher, man ist jemandem wegen eines Vorurteils nicht gut
*gesonnen*, oder? Das ist ja fast schon ein "Huhn-Ei-Problem" ;)

Fred
_______________________________________

Nein, hier ist nur "gesinnt" richtig.

gesinnt sein = eine bestimmte Gesinnung haben
Beispiel: Er ist mir übergesinnt, wohlgesinnt, feindlich gesinnt.

gesonnen sein = gewillt sein, etwas zu tun (im Sinne haben, etwas zu tun)
Beispiel: Ich bin nicht gesonnen, Wortverwechslungen unkommentiert zu
lassen.

Armin


Yvonne Steiner

unread,
Dec 12, 2002, 11:59:39 AM12/12/02
to
Frederic Wenzel <frederi...@stud.uni-karlsruhe.de> wrote:

> Yvonne Steiner wrote:

> > Ich denke, es kommt nur dann zu einem Vorurteil gegenüber jemandem, wenn
> > man ihm/ihr nicht gerade gut gesinnt ist? [...]
>
> Ich glaube eher, man ist jemandem wegen eines Vorurteils nicht gut
> *gesonnen*, oder?

Nein, denke ich, denn diese böse Gesinnung gegen diesen "Jemand", hegt
man eben _bevor_ es zu dem Vorurteil kommt.
Also nochmals: Nur - oder erst - aus einer solchen schlechten Gesinnung
heraus erwächst schliesslich ein Vorurteil.

Zu *gesonnen* sein: Das heisst soviel wie "willens" sein.

Ich würde es z. B. verwenden in einem Satz wie:

Ich bin überhaupt nicht gesonnen, mich bei ihm wegen des falschen
Vorurteils zu entschuldigen.

Eigentlich entspricht es mir aber gar nicht, so geschwollenes Deutsch zu
sprechen und zu schreiben. ;-)

Yvonne Steiner

Reinhard Gonaus

unread,
Dec 12, 2002, 1:20:47 PM12/12/02
to
On Wed, 11 Dec 2002 21:36:52 +0100, "Christian Volk" <Ch....@gmx.de>
wrote:

>
>>Es müsste dann Schritt für Schritt von einem
>> fundierten Urteil abgelöst werden.
>
>Genau so.
>
>
>> Nur: In sprachlichem Gebrauch ist diese Auffassung nicht.
>
>Leider, oder?
>
Nö.
Der sprachliche Gebrauch ist, wie er ist, und er gibt den Wörtern und
Sätzen ihre weithin verständliche Bedeutung. Weicht einer davon ab,
gibt's Missverständnisse, bis die Sprachgemeinschaft oder ihr
relevanter Teil die Veränderung angenommen hat. Durch Gebrauch. Nicht
durch Abstimmung.
Leider oder nicht leider ist da eine reine Gusto-Frage.

Reinhard
--
Liebliche Schneeflocken,
sie fallen nirgends sonst.
(Zen-Sprichwort)

alex k.

unread,
Dec 12, 2002, 2:11:27 PM12/12/02
to
Muell...@despammed.com (Ralf Heinrich Arning) wrote in message news:<1fn31t8.wr6px11f1957mN%Muell...@despammed.com>...

ich gehe nach hause, weil ich kopfschmerzen habe.
ich gehe nach hause, denn ich habe kopfschmerzen.

diese beiden sätze sind nicht sinnverschieden, da kannst du nichts
auseinander- und heruminterpretieren.

erzähl mir mal nichts von trivial.

im grunde kannst du jeden satz der form
-----, weil ~~~.

umformen in:
-----, denn ---.
(--- soll für einen hauptsatz stehen, ~~~ für einen nebensatz.)

vgl. übrigens das englische "because" mit "weil" und "denn". es
("because") kann sowohl "weil" als auch "denn" heißen.

und wo zum teufel ist jetzt das verbrechen, wenn sich die mehrheit der
sprecher der deutschen sprache dazu entschließt, die beiden obigen
formen miteinander verschmelzen zu lassen, zu vereinheitlichen quasi,
sodass ein satz der form:
----, weil ---. herauskommt? oder darfst _du_ etwa entscheiden, was
genau "gutes deutsch" ist? oder gar "richtiges" deutsch?

ich verstehe die aufregung nicht. sprache verändert sich nun einmal.
DAS ist trivial.

mfg
a.

Ralf Heinrich Arning

unread,
Dec 12, 2002, 2:52:01 PM12/12/02
to
Joachim Pense <joachi...@t-online.de> wrote:

> part of Ralf Heinrich Arning's product
> <1fn1weu.yquqwu2p3jruN%Muell...@despammed.com>:

> > Ich halte es für wahrscheinlicher, daß


> > eher die konstruierte Sprache in den Medien diese Entwicklung
> > eingeleitet hat. Nicht daß dieser Wandel geplant gewesen wäre. Man hat
> > schlicht versucht, besonders wichtig zu wirken. Dazu durchbricht man
> > schon mal die herkömmliche Syntax.
>
> Entspricht nicht meinen Erfahrungen. Na ja, Verschwörungen finden ja auch
> heimlich statt...

Keine Verschwörung. Da wollten welche, denen man nachahmt, besonders
wirken.

[...]

> Aufgefallen ist mir die Kontruktion übrigens zuerst in den Siebzigern (davor
> war ich zu jung). Gibt es ältere Belege?

Bist Du sicher? Mir ist es erst deutlich später aufgefallen.

Ralf

Ralf Heinrich Arning

unread,
Dec 13, 2002, 4:27:37 AM12/13/02
to
alex k. <worts...@gmx.net> wrote:

> Muell...@despammed.com (Ralf Heinrich Arning) wrote in message

> news:<1fn31t8.wr6px11f1957mN%Muell...@despammed.com>...


> > Ein Nebensatz hängt vom Hauptsatz ab. Zwei Hauptsätze hängen nicht
> > syntaktisch von einander ab. Das ist doch trivial.
>
> ich gehe nach hause, weil ich kopfschmerzen habe.
> ich gehe nach hause, denn ich habe kopfschmerzen.
>
> diese beiden sätze sind nicht sinnverschieden, da kannst du nichts
> auseinander- und heruminterpretieren.
>
> erzähl mir mal nichts von trivial.

Wenn Du den Unterschied nicht bemerkst, dann kann ich Dir nicht helfen.


>
> im grunde kannst du jeden satz der form
> -----, weil ~~~.
>
> umformen in:
> -----, denn ---.
> (--- soll für einen hauptsatz stehen, ~~~ für einen nebensatz.)

Was umgeformt worden ist, wurde verändert. Was verändert worden ist, ist
anders als vorher. Das was anders ist, ist nicht mehr das Gleiche.


>
> vgl. übrigens das englische "because" mit "weil" und "denn". es
> ("because") kann sowohl "weil" als auch "denn" heißen.

So what?
(Außerdem würde ich "denn" eher mit "for" übersetzen.)


>
> und wo zum teufel ist jetzt das verbrechen, wenn sich die mehrheit der
> sprecher der deutschen sprache dazu entschließt,

"Entschließt"?

> die beiden obigen
> formen miteinander verschmelzen zu lassen, zu vereinheitlichen quasi,
> sodass ein satz der form:
> ----, weil ---. herauskommt? oder darfst _du_ etwa entscheiden, was
> genau "gutes deutsch" ist? oder gar "richtiges" deutsch?

Ich darf meine Meinung äußern.
Immer wenn die Sprache Möglichkeiten der Differenzierung aufgibt, stört
mich das.


>
> ich verstehe die aufregung nicht. sprache verändert sich nun einmal.

Man muß nicht alle Veränderungen gleichermaßen gut finden.

> DAS ist trivial.

Was "trivial" ist, das ist ein anderes Thema.

Ralf

alex k.

unread,
Dec 13, 2002, 10:55:13 AM12/13/02
to
Muell...@despammed.com (Ralf Heinrich Arning) wrote in message news:<1fn3khy.188mf481eoi6hrN%Muell...@despammed.com>...
> alex k. <worts...@gmx.net> wrote:

> > ich gehe nach hause, weil ich kopfschmerzen habe.
> > ich gehe nach hause, denn ich habe kopfschmerzen.

> Wenn Du den Unterschied nicht bemerkst, dann kann ich Dir nicht helfen.

das glaube ich gern.

> Was umgeformt worden ist, wurde verändert. Was verändert worden ist, ist
> anders als vorher. Das was anders ist, ist nicht mehr das Gleiche.

schon mal was von logik gehört? von äquivalenzumformungen?

> > vgl. übrigens das englische "because" mit "weil" und "denn". es
> > ("because") kann sowohl "weil" als auch "denn" heißen.
>
> So what?
> (Außerdem würde ich "denn" eher mit "for" übersetzen.)

die übersetzung mit "for" ist sehr altertümelnd. im übrigen kannst du
auch "for" jeweils mit "weil" und "denn" übersetzen.

> > und wo zum teufel ist jetzt das verbrechen, wenn sich die mehrheit der
> > sprecher der deutschen sprache dazu entschließt,
>
> "Entschließt"?

ja, entschließt im weitesten sinne.

> Ich darf meine Meinung äußern.

zum glück sind meinungen etwas subjektives.

> Immer wenn die Sprache Möglichkeiten der Differenzierung aufgibt, stört
> mich das.

das ist dein problem, nicht das problem der sprache oder gar ein
sprachproblem.
wenn du eine klare, bin ins kleinste detail reglementierte sprache
haben möchtest, halte dich an formale sprachen. aussagenlogik und so.
natürliche sprachen funktionieren eben anders.

> > ich verstehe die aufregung nicht. sprache verändert sich nun einmal.
>
> Man muß nicht alle Veränderungen gleichermaßen gut finden.

man sollte sich auch nicht vor veränderungen verschließen. was du
"gutes deutsch" nennst, ist ja mehr oder weniger ein duden-deutsch,
nehme ich an. dir wird aber schon irgendwann eingegangen sein, dass
der duden nur eine art spiegel der sprache sein kann?

a.

Ralf Heinrich Arning

unread,
Dec 13, 2002, 1:29:23 PM12/13/02
to
alex k. <worts...@gmx.net> wrote:

> Muell...@despammed.com (Ralf Heinrich Arning) wrote in message
> news:<1fn3khy.188mf481eoi6hrN%Muell...@despammed.com>...
> > alex k. <worts...@gmx.net> wrote:
>
> > > ich gehe nach hause, weil ich kopfschmerzen habe.
> > > ich gehe nach hause, denn ich habe kopfschmerzen.
>

[...]


>
> > Was umgeformt worden ist, wurde verändert. Was verändert worden ist, ist
> > anders als vorher. Das was anders ist, ist nicht mehr das Gleiche.
>
> schon mal was von logik gehört? von äquivalenzumformungen?

Schon mal Frege gelesen?


>
> > > vgl. übrigens das englische "because" mit "weil" und "denn". es
> > > ("because") kann sowohl "weil" als auch "denn" heißen.
> >
> > So what?
> > (Außerdem würde ich "denn" eher mit "for" übersetzen.)
>
> die übersetzung mit "for" ist sehr altertümelnd. im übrigen kannst du
> auch "for" jeweils mit "weil" und "denn" übersetzen.

Können Übersetzungen unterschiedlich treffend sein?


>
> > > und wo zum teufel ist jetzt das verbrechen, wenn sich die mehrheit der
> > > sprecher der deutschen sprache dazu entschließt,
> >
> > "Entschließt"?
>
> ja, entschließt im weitesten sinne.

Was ist das? Wieso ist das Entschließen und nicht Nachplappern.
>
[...]


>
> > Immer wenn die Sprache Möglichkeiten der Differenzierung aufgibt, stört
> > mich das.
>
> das ist dein problem, nicht das problem der sprache oder gar ein
> sprachproblem.

Wenn Dein Fahrrad oder Auto einen Platten hat, ist es auch nicht das
Problem des Fahrzeugs.

> wenn du eine klare, bin ins kleinste detail reglementierte sprache
> haben möchtest, halte dich an formale sprachen. aussagenlogik und so.
> natürliche sprachen funktionieren eben anders.

Jetzt kommt raus, daß Du mich völlig mißverstehst.
Ich erkenne Unterschiede in verschiedenen Formulierungen in der
natürlichen Sprache. Schriftsteller benutzen die vorhandenen
Möglichkeiten mit Bedacht. Man kann sich bereits nuanciert ausdrücken.
Und als Leser muß man demgegenüber nicht nicht gleichgültig sein,
sondern darf solche Feinheiten genießen.
Warum soll ich ich dann die Beseitigung bestimmter Satzkonstruktionen
gutheißen.


>
> > > ich verstehe die aufregung nicht. sprache verändert sich nun einmal.
> >
> > Man muß nicht alle Veränderungen gleichermaßen gut finden.
>
> man sollte sich auch nicht vor veränderungen verschließen.

Vor welchen. Darf man selbst entscheiden, was man gut oder schlecht
findet, oder muß man sich dem angeblichen Entschluß der Mehrheit der
Sprecher der deutschen Sprache beugen?

> was du
> "gutes deutsch" nennst, ist ja mehr oder weniger ein duden-deutsch,
> nehme ich an.

Wo habe ich in letzter Zeit hier etwas "gutes Deutsch" genannt?

> dir wird aber schon irgendwann eingegangen sein, dass
> der duden nur eine art spiegel der sprache sein kann?

Der Duden ist eine Mischung aus Sprachbeobachtungen und einer
Interpretation von Regeln. Letztere kritisiere ich hier gelegentlich.
An den Sprachbeobachtungen stört mich in dem (in dieser Frage
relevanten) "großen Wörterbuch" der anscheinend beschränkte Textkorpus,
auf den sich die Duden-Redaktion stützt.

Nein, es gibt in der natürlichen Sprache keine Qualitätsnorm, die nicht
zu übertreffen wäre. Aber Standards, die man unterbieten kann, die gibt
es schon.

Ralf

Diedrich Ehlerding

unread,
Dec 13, 2002, 2:07:37 PM12/13/02
to
Ralf Heinrich Arning meinte:

>> > > ich gehe nach hause, weil ich kopfschmerzen habe.
>> > > ich gehe nach hause, denn ich habe kopfschmerzen.

> Ich erkenne Unterschiede in verschiedenen Formulierungen in der
> natürlichen Sprache. Schriftsteller benutzen die vorhandenen
> Möglichkeiten mit Bedacht. Man kann sich bereits nuanciert ausdrücken.
> Und als Leser muß man demgegenüber nicht nicht gleichgültig sein,
> sondern darf solche Feinheiten genießen.

Ja klar darf er . Aber welcher Bedeutungsunterschied, welche Nuance
unterscheidet denn die beiden strittigen Formulierungen? MUSEN sind die
nämlich wirklich gleichbedeutend.

Diedrich
--
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fingerprint = 2C 49 FF B2 C4 66 2D 93 6F A1 FF 10 16 59 96 F3
Bitte keine HTML-Mail. Folgende Mime-Types werden ungelesen entsorgt:
** text/html ** multipart/alternative ** multipart/related **

Diedrich Ehlerding

unread,
Dec 13, 2002, 2:05:37 PM12/13/02
to
Ralf Heinrich Arning meinte:


> Keine Verschwörung. Da wollten welche, denen man nachahmt, besonders
> wirken.

Diese Formulierung klingt nun für mich eigenwillig: ich hätte "die man
nachahmt" gesschrieben; auch der Duden benutzt "nachahmen" mit
Akkusativ. Auch die Passivvariante "die nachgeahmt werden" klingt für
MUSE ganz normal (und ist mit einer Dativkonstruktion nicht möglich).
Sprachwandel, wie bei "weil + Hauptsatz"? Regionalismus? Deine
persönliche Note? Oder wolltest Du eigentlich ein anderes Verb
verwenden und hast schneller gedacht als geschrieben (nur welches)?

Andreas Thomsen

unread,
Dec 13, 2002, 3:56:32 PM12/13/02
to
Ralf Heinrich Arning wrote:

> Immer wenn die Sprache Möglichkeiten der Differenzierung aufgibt, stört
> mich das.

Treffend formuliert!

A.


Andreas Thomsen

unread,
Dec 13, 2002, 4:04:31 PM12/13/02
to
Ralf Heinrich Arning wrote:

> Joachim Pense <joachi...@t-online.de> wrote:
>
> > part of Ralf Heinrich Arning's product
> > <1fn1ms3.111c8051bzhzpeN%Muell...@despammed.com>:
> >
> > > Eine Sprechpause nach dem "weil" ist nicht mehr üblich.
> >
> > Bei den Jüngeren, oder meinst du, das wär allgemein schon so?
>
> Die Sprechpause kommt zwar noch vor, aber nicht mehr oft. Das ist mein
> Eindruck. Ich werde drauf achten, ob das mit dem Alter zusammenhängt.

Bei Brecht (z.B. in "Mutter Courage") kommt das noch als "...., weil: ...." vor.

> > Ich kann das
> > Hauptsatz-Weil nur mit Sprechpause denken. (Merkwürdig ist übrigens der
> > innere Zwang, weil mit Hauptsatz zu benutzen).
>

> [...]

> > Mein Erklärungsversuch: Anscheinend (und naheliegenderweise) gibt es in der
> > Umgangssprache den Drang zur parataktischen Sprechweise; schließlich muss
> > man die Sätze ja "live" konstruieren.
>
> Da ist etwas dran. Es gibt allerdings auch Menschen, die live interviewt
> werden und dabei nicht auf Hypotaxen verzichten. Sie bilden lupenreine
> Nebensätze mit "weil", ohne daß dasn nach Schriftdeutsch klingt. Diese
> Menschen sind allerdings auch weniger hektisch.
>
> > In der Umgangssprache allerdings ist
> > "denn" leider nicht korrekt (das gehört zur Schriftsprache bzw. formalen
> > Sprache).
>
> Stimmt. Aber warum muß das so bleiben?

Gibt es eine "korrekte Umgangssprache" ? Wie bestimmt man die?

> > Also hat man mit den Bordmitteln der Umgangssprache den
> > Kausalhauptsatz neu gebaut: Nämlich mit Doppelpunkt (=gedachter Pause). Der
> > gedachte Doppelpunkt geht ganz den üblichen Gesetzmäßigkeiten des
> > Sprachwandels folgend mit der nächsten Generation verloren.
>

[...]

A.


Joachim Pense

unread,
Dec 13, 2002, 4:19:01 PM12/13/02
to
part of Andreas Thomsen's product
<3DFA4B5F...@informatik.uni-bonn.de>:

> Gibt es eine "korrekte Umgangssprache" ? Wie bestimmt man die?

*Eine* wohl eher nicht. Und kodifiziert ist sie natürlich auch nicht (obwohl
sowas z.B. im Englischen ansatzweise durchaus vorzukommen scheint). Aber es
gibt korrektes und falsches Xyrbwl, auch wenn die Xyrbwl-Sprache noch nicht
aufgeschrieben worden ist und auch keine Grammatik dafür existiert.
Entscheidend ist dabei das Sprachgefühl der Xyrbwler, und feststellen kann
man das durch die Beobachtung, ob man verstanden wird, ob man verbessert
wird, ob die verwendete Konstruktion Befremden erregt etc...

Und so ist es mit der deutschen Umgangssprache eben auch.

Joachim

Ralf Heinrich Arning

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Dec 13, 2002, 4:37:25 PM12/13/02
to
Andreas Thomsen <tho...@informatik.uni-bonn.de> wrote:

> Ralf Heinrich Arning wrote:
>
> > Joachim Pense <joachi...@t-online.de> wrote:
> >
> > > In der Umgangssprache allerdings ist
> > > "denn" leider nicht korrekt (das gehört zur Schriftsprache bzw. formalen
> > > Sprache).
> >
> > Stimmt. Aber warum muß das so bleiben?
>
> Gibt es eine "korrekte Umgangssprache" ? Wie bestimmt man die?
>

"Korrekt" könnte hier "unauffällig" heißen. Auffällig sind
dann Elemente einer unangemessenen Sprachebene oder einer Fachsprache,
wenn sie nicht besonders gekennzeichnet sind, z. B. durch besonders
deutliche Artikulation.

Ralf

Ralf Heinrich Arning

unread,
Dec 13, 2002, 4:37:24 PM12/13/02
to
Diedrich Ehlerding <diedrich....@t-online.de> wrote:

> Ralf Heinrich Arning meinte:
>
>
> > Keine Verschwörung. Da wollten welche, denen man nachahmt, besonders
> > wirken.
>
> Diese Formulierung klingt nun für mich eigenwillig: ich hätte "die man
> nachahmt" gesschrieben;

Für mich selbst auch. Ich habe mich da verhaspelt.

[...]

> Oder wolltest Du eigentlich ein anderes Verb
> verwenden und hast schneller gedacht als geschrieben (nur welches)?

Ja, irgendsoetwas war da. Man könnte "nacheifert" schreiben.

Ralf

Ralf Heinrich Arning

unread,
Dec 13, 2002, 4:37:25 PM12/13/02
to
Diedrich Ehlerding <diedrich....@t-online.de> wrote:

> Ralf Heinrich Arning meinte:
>
> >> > > ich gehe nach hause, weil ich kopfschmerzen habe.
> >> > > ich gehe nach hause, denn ich habe kopfschmerzen.
>
>
> > Ich erkenne Unterschiede in verschiedenen Formulierungen in der
> > natürlichen Sprache. Schriftsteller benutzen die vorhandenen
> > Möglichkeiten mit Bedacht. Man kann sich bereits nuanciert ausdrücken.
> > Und als Leser muß man demgegenüber nicht nicht gleichgültig sein,
> > sondern darf solche Feinheiten genießen.
>
> Ja klar darf er . Aber welcher Bedeutungsunterschied, welche Nuance
> unterscheidet denn die beiden strittigen Formulierungen? MUSEN sind die
> nämlich wirklich gleichbedeutend.

Sie haben aber nicht denselben Sinn. Im ersten Beispiel wird der
Kausal*zusammenhang* betont, und die Hauptsache ist, daß jemand nach
Hause geht.
Im zweiten Fall wird die Begründung als etwas besonderes hervorgehoben,
da sie nicht in einem Nebensatz steht.

Ralf

Joachim Pense

unread,
Dec 13, 2002, 5:29:56 PM12/13/02
to
part of Ralf Heinrich Arning's product
<1fn5i2m.wywonq1x58r9jN%Muell...@despammed.com>:

> Andreas Thomsen <tho...@informatik.uni-bonn.de> wrote:
>>
>> Gibt es eine "korrekte Umgangssprache" ? Wie bestimmt man die?
>>
> "Korrekt" könnte hier "unauffällig" heißen. Auffällig sind
> dann Elemente einer unangemessenen Sprachebene oder einer Fachsprache,
> wenn sie nicht besonders gekennzeichnet sind, z. B. durch besonders
> deutliche Artikulation.

Gefällt mir gut, diese Beschreibung.

Joachim

Joachim Pense

unread,
Dec 13, 2002, 7:01:09 PM12/13/02
to
part of Rüdiger Silberer's product <atdrkl$pfl$00$1...@news.t-online.com>:

> Ich frage mich schon seit längerem, woran es liegt, daß fast alle
> Sprachen an Nuancierungen verlieren. Es verschwinden Fälle, oder
> Artikel, oder Zeiten. Waren die Sprecher früher klüger?

Es kommen auch neue dazu, oft durch Import aus Fremdsprachen.

(Z.B. "editieren" ist so ein Fall. Dieses Wort hat eine
Differenzierungsmöglichkeit eingeführt, die vorher weder im Deutschen noch
im Englischen vorhanden war, siehe viele frühere Threads)

Das "weil mit Hauptsatz" ist ein weiteres Beispiel für eine Erweiterung der
Differenzierungsmöglichkeiten. Zu den bisher durch "weil mit Nebensatz" und
"denn mit Hauptsatz" ausdrückbaren Nuancen ist die dritte "weil mit
Hauptsatz" hinzugekommen.

Joachim

Christian Volk

unread,
Dec 15, 2002, 2:49:48 PM12/15/02
to
Rüdiger Silberer wrote:

> Grammatische Erweiterungen sind aber nun wirklich selten.

Es gibt aber den Interjektiv und den Interjektivsatz.


*gerade-keine-Lust-auf-eine-ausführliche-Erklärung-hab*

Christian

Walter Koch

unread,
Feb 28, 2003, 6:55:04 AM2/28/03
to
Moin,

Florian Ritter schrobte/wrote vor elend langer Zeit:

> > >"Vom Feeling her habe ich ein gutes Gefühl" (R. Völler) - FR
> > Du hast (A. Möller) nur ganz leicht flachs geschrieben.
> Wer is ejal, Hauptsache daß - FR

Egal ob Völler oder Möller: Hauptsache Schwimmer


Gruss,
Walter

--
"Oma Bates' total durchgeknalltes Motel"
"Liebling, ich habe die Transitvisa versteckt"
"Schiebt das Baby die Freitreppe runter"
Andreas Kabel versucht sich in desd als Deutsch-Verleihtitler

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