Am 29.10.2021 um 00:09 schrieb Stefan Ram:
> Ralf Joerres <
rjoe...@gmail.com> writes:
>> Am 27.10.2021 um 23:48 schrieb Helmut Richter:
>>> On Wed, 27 Oct 2021, Quinn C wrote:
>>>> * Ralf Joerres:
>>>>> - Wir waren Samstag rausgefahren ins Grüne.
>>>>> - Wir waren Samstag ins Grüne rausgefahren.
>>>> Beim ersten Beispiel wurde "ins Grüne" zunächst vergessen und dann im
>>>> Nachklapp ergänzt.
>> Ich denke nicht, dass es 'vergessen' wurde, sondern den in meiner Region
>> absolut üblichen Sprachgebrauch darstellt
>
> Das erinnert mich daran, daß ich kürzlich las, wie Sanders
> den französische Satzbau besser findet als den deutschen.
>
> Er nennt dann ein Beispiel, wo, ähnlich wie in Deinem
> Beispiel, das Verb früher kommt und die Objekte später.
>
> (Bei "Wir waren Samstag rausgefahren" rückt das "rausgefahren"
> näher an "waren", wie unten "verdeutlichen" näher an "wollen",
> obwohl die Struktur nicht vollkommen gleichartig ist.)
>
> Sanders stellt gegenüber:
>
> (de) Wir wollen das Gesagte an Beispielen verdeutlichen.
> (fr) Wir wollen verdeutlichen das Gesagte an Beispielen.
>
> Dazu schreibt er:
>
> | § 32. Deutsche und französische Wortstellung
> |
> | 1) Es ist unbestreitbar und unbestritten, daß die
> |deutsche Wortstellung an Klarheit, Deutlichkeit und
> |Übersichtlichkeit z. B. hinter der französischen zurücksteht.
> |Hier, und ähnlich z. B. in der englischen Sprache, herrscht,
> |abgesehen von einigen geringfügigen und verschwindenden
> |Ausnahmen, die streng gedankenmäßige (logische) Anordnung und
> |Folge, und zwar dieselbe in Haupt= und Nebensätzen; hier
> |steht im Großen und Ganzen immer und überall der regierende
> |Satztheil vor dem davon abhängenden; hier giebt es keine
> |unecht zusammengesetzten Verba, deren Theile durch dazwischen
> |Tretendes aus einander gerissen werden (s. § 12); hier gieht
> |es eben so wenig ein Auseinanderreißen der Satzformen eines
> |Verbums und der dazu gehörigen ruhenden Formen u. ä. m.
> | 2) Wir wollen das Gesagte an Beispielen verdeutlichen -,
> |wofür es in der französischen ɔc. Worstellung lauten würde:
> |"Wir wollen verdeutlichen das Gesagte an Beispielen."
> |...
> Satzbau und Wortfolge der deutschen Sprache - Daniel Sanders (1883)
>
> Nun ist das Japanische wohl für die höchste Regelhaftigkeit
> bekannt. Dort steht das Determinans /immer/ vor dem Determinatum.
> Das hätte Sanders vielleicht gefallen.
Jean-Marie Zemb zieht ähnliche Vergleiche, wobei er für den deutschen
Satzbau allerdings von der Nebensatz-Wortstellung ausgeht, bei der das
Bauprinzip deutscher Sätze klarer hervortritt:
- (parce qu') [1] il [2] avait [3] dû [4] être [5] à la maison [6] hier
[7] à huit heures
- (weil) [1] er [6] gestern [7] um 8 Uhr [5] zu Hause [4] gewesen sein
[3] muss- [2] -te
Es wäre im Prinzip noch klarer, wenn auch im deutschen Satz das
Modalverb im Plusquamperfekt stünde, aber derartige Konstruktionen
(hatte zu Hause gewesen sein müssen) sind einerseits unüblich und
andererseits gibt es hier die Sonderregelung des Vorziehens des finiten
Verbs, das sonst immer am Ende steht (zu Hause sein gemusst hatte).
Zemb nennt in seiner "Vergleichende[n] Grammatik Französisch-Deutsch"
den deutschen Satzbau vor allem in Bezug auf das Verbaltaxem (= grosso
modo 'das Prädikat') zentripetal, den französischen hingegen
'zentrifugal'. Belege dafür gibt's en masse:
(sobald er das) verstanden haben wird
(dès qu'il) aura compris
(weil das) geschrieben worden sein kann
(parce que cela) peut avoir été écrit
usw.
Mit Blick aufs Japanische hätte Zemb möglicherweise darauf verwiesen,
dass im deutschen Verbaltaxem die Reihenfolge bedeutungsmäßig irrelevant
ist (es sind zwar nicht alle Reihenfolgen zulässig, aber regional gibt's
relativ große Spielräume, 'kann worden geschrieben sein' kann man
jedenfalls noch verstehen, und wenn, dann in derselben Bedeutung wie bei
der Standardreihenfolge), anders als etwa bei den Substantivkomposita,
wo eine Salatkartoffel durchaus nicht dasselbe ist wie ein Kartoffelsalat.
Im Französischen lassen sich mit Hilfe der Voran- oder Nachstellung der
Adjektive spezielle semantische Effekte erzielen: << d'importants
investissements >> sind "erhebliche / umfangreiche (massive)
Investitionen", << des investissements importants >> sind "wichtige
Investitionen".
Gruß Ralf Joerres