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Spracherziehungs-Regeln

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Ralf Joerres

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Jul 10, 2016, 4:53:28 AM7/10/16
to
In der Diskussion über 'der er und die sie' fand ich u.a. interessant,
welche Erziehungssprüche eingesetzt wurden, um den Kindern die
Verwendung der Formen 'der' und 'die' mit Bezug auf Personen
auszutreiben. Christina kannte "die steht im Stall und du daneben",
sicherlich mit betontem 'die'. Bei Antonia H. hieß es "DIE ist
Zwiebelliese, DER ist Wagenschmiere". Meine Wenigkeit kannte das
als "DIIE steht auf'm Markt und verkauft Äppel." Etwas weniger
bildhaft könnte es auch heißen "DIE/DER hat auch einen NAMEN!"

Solche Sätze sind eine Teilmenge der Elternsprüche bzw. weiterer
Erziehungssprüche: Wer sich das Zeug am Leibe flickt, der hat den
ganzen Tag kein Glück. Gib/Nimm das schöne Händchen. Habt ihr zu Hause
Säcke vor den Türen? Wenig genderkorrekt hieß es auch: Mädchen, die
pfeifen, und Hühnern, die krähen, denen sollte man beizeiten die
Hälse umdrehen.

Mir fallen im Moment nur zwei weitere solcher sprachbezogenen
Erziehungsregeln ein:

1 Wer brauchen ohne zu gebraucht, braucht brauchen gar nicht zu
gebrauchen.

2 In Schuld gibt es nicht, nur Unschuld. (In meiner Region hieß es
früher oft 'Ich bin das nicht in Schuld.')

Ansonsten fällt mir nur noch der Kalauer ein: Mit mir und mich, vertu ich
mir nich, dat kommt bei mich nich vor. Eignet sich aber nicht als
Merkspruch.

Meine Vermutung ist, dass solche Sprachregeln deswegen existieren und
immer wieder eingebläut werden müssen, weil es starke Gegenkräfte im
System der gesprochenen Sprache gibt. Bei 'brauchen' erscheint mir das
relativ offensichtlich: Es wird in negierter Form als Verneinung von
'müssen' benutzt, ist damit Modalverb und schließt wie die anderen
Modalverben auch das sinntragende Verb mit dem Infinitiv ohne 'zu' an:
Du musst kommen - du brauchst nicht kommen. Interessanterweise wird
zumindest bei uns in der Gegend die dritte Person Singular (oft) ohne
die Endung –t gesprochen, eine Eigentümlichkeit, die es mit den anderen
Modalverben teilt: Der brauch mir garnich nochmal angeschoben kommen.

Meine eigentliche Frage aber: Kennt man hier noch andere
'Spracherziehungssprüche'?

Gruß: Ralf Joerres

Walter Schmid

unread,
Jul 10, 2016, 5:06:30 AM7/10/16
to
Am 10.07.2016 um 10:53 schrieb Ralf Joerres:

> Meine eigentliche Frage aber: Kennt man hier noch andere
> 'Spracherziehungssprüche'?


Mir fallen für Deutsch gar keine Sprüche ein, und für Englisch
nur "Körperteile, Kleidungsstücke [immer mit 'my' oder 'her' usw]".



Gruss

Walter

--
Es würde niemand auf die Idee kommen,
ein Rudolf-Steiner-Schule-Kind zu essen.
(Hazel Brugger)


Detlef Meißner

unread,
Jul 10, 2016, 5:13:30 AM7/10/16
to
Am 10.07.2016 um 10:53 schrieb Ralf Joerres:

> Meine eigentliche Frage aber: Kennt man hier noch andere
> 'Spracherziehungssprüche'?
>
http://www.tippsundtricks.net/Eselsbruecken-fuer-deutsche-Rechtschreibung

http://eselsbruecken.woxikon.de/deutsch

Detlef



Manfred Hoß

unread,
Jul 10, 2016, 9:54:29 AM7/10/16
to
Am Sun, 10 Jul 2016 01:53:27 -0700 (PDT) schrieb Ralf Joerres:

> Meine eigentliche Frage aber: Kennt man hier noch andere
> 'Spracherziehungssprüche'?

Wenn jemand immer wieder "Ding" sagt, so heißt es "Jedes Ding hat seinen
Namen."

Gruß
Manfred.

Ralf Joerres

unread,
Jul 10, 2016, 11:39:14 AM7/10/16
to
... und wenn einem der nicht einfällt gibt es so merkwürdige Platz-
halterwörter wie 'Eumel, Örnie, Dingsbums, Prengel, Zachel, Brackmann,
Öschi, Pinöckel...' (alle aus meiner Gegend). Die sind nicht alle
austauschbar, da gibt's Namen für längere (Prengel), für schwere
(Kawennzmann/Kaventsmann, Brackmann, Öschi), für spitze (Zachel),
für kaum definierbares Längliches (Pinorrek/Pinockel/Pinöckel), und
als Passe-Partout das Dingsbums, womit wir wieder beim Anfang wären.

An den Satz 'Jedes Ding hat seinen Namen' erinnere ich mich nicht,
ich glaube in meiner Familie war der ungebräuchlich. Ich glaube sowieso,
dass jede Familie ihr eigenes Sortiment an Erziehungssprüchen hat(te).

Da fällt mir ein: Wir sollten keine 'Ausdrücke' benutzen, das war unser
familieninterner Jargon für 'Schimpfwörter'. Vielleicht hieß es ab und
an auch 'schlimme Wörter'. Dazu muss es teilweise witzige
Fehleinschätzungen gegeben haben, weil Kinder ja noch gar nicht wissen,
welche Wörter tabuisiert werden: 'Mama, die Ötsch hat einen Ausdruck
über mich gesagt.' - 'Wieso, was hat die denn gesagt?' - 'Die hat
gesagt, ich hab Kulleraugen.'

Gruß Ralf Joerres

Ralf Joerres

unread,
Jul 10, 2016, 11:43:19 AM7/10/16
to
Danke, die grobe Richtung stimmt, das meiste davon kenn ich nicht mal,
lehrreich insofern. Allerdings hoffte ich eher auf Regulierungsversuche
zum mündlichen Sprachgebrauch.

Grüße: Ralf Joerres

Detlef Meißner

unread,
Jul 10, 2016, 11:49:57 AM7/10/16
to
Vermutlich hat man die meisten vergessen.
Und der Umgang mit jungen Eltern würde auch nicht viel bringen, weil die
solche Sprüche auch nicht mehr kennen.
Da müsste man mal eine Umfrage unter den Urgroßeltern machen oder ein
paar schriftliche Schilderungen aus der guten alten Zeit durcharbeiten.
Memorien von BB oder DB dürften da aber weniger hilfreich sein.

Detlef


Manfred Hoß

unread,
Jul 10, 2016, 12:18:51 PM7/10/16
to
Am Sun, 10 Jul 2016 08:39:13 -0700 (PDT) schrieb Ralf Joerres:

> Da fällt mir ein: Wir sollten keine 'Ausdrücke' benutzen, das war unser
> familieninterner Jargon für 'Schimpfwörter'.

Falls jemand "scheiße" sagte, so hieß es "Was du in den Mund nimmst, nehm
ich nicht einmal in die Hand."

Gruß
Manfred.

Thomas Schade

unread,
Jul 10, 2016, 1:10:40 PM7/10/16
to
Ist nicht so mein Ding.


Ciao
Toscha
--
Und die Jahre ziehen ins Land
Und wir trinken immer noch ohne Verstand
Denn eins das wissen wir ganz genau
Ohne Alk da wäre der Alltag zu grau
[Die Toten Hosen: Bis zum bitteren Ende]

Detlef Meißner

unread,
Jul 10, 2016, 2:14:22 PM7/10/16
to
Stimmt, jetzt fällt's mir wieder ein. :-)

Detlef

Ralf Joerres

unread,
Jul 10, 2016, 4:41:58 PM7/10/16
to
Jetzt haben die Jungschen dazu einen neuen Spruch auf Lager:
'Scheiße sagt man nicht, Scheiße macht man.' Ob sich das für die
Kindererziehung so gut eignet? Man weiß es nicht...

Gruß Ralf Joerres

Christina Kunze

unread,
Jul 11, 2016, 12:19:01 AM7/11/16
to
Am 10.07.2016 um 10:53 schrieb Ralf Joerres:
>
> 1 Wer brauchen ohne zu gebraucht, braucht brauchen gar nicht zu
> gebrauchen.
>
> 2 In Schuld gibt es nicht, nur Unschuld. (In meiner Region hieß es
> früher oft 'Ich bin das nicht in Schuld.')

3. Der deutsche konditionale Nebensatz ist ein würdeloser Satz.
(Kein Eltern-, sondern ein Lehrerspruch.)

chr

Christina Kunze

unread,
Jul 11, 2016, 12:22:30 AM7/11/16
to
Am 10.07.2016 um 17:39 schrieb Ralf Joerres:
>
> Da fällt mir ein: Wir sollten keine 'Ausdrücke' benutzen, das war unser
> familieninterner Jargon für 'Schimpfwörter'.

So hieß es bei uns auch.
Auf Berlinern an falscher Stelle wurde mit "icke dette kieke mal!" reagiert.
Und für "wa?!" statt "wie bitte" gab es auch einen Spruch, aber da muss
ich erstmal meine Eltern fragen.

chr

Christina Kunze

unread,
Jul 11, 2016, 12:23:09 AM7/11/16
to
Am 10.07.2016 um 18:19 schrieb Manfred Hoß:
Der war bei uns "so hartes Wort für sone weiche Masse".

chr

Matthias Opatz

unread,
Jul 11, 2016, 5:19:55 AM7/11/16
to
Dies schrieb Ralf Joerres:

> Da fällt mir ein: Wir sollten keine 'Ausdrücke' benutzen, das war unser
> familieninterner Jargon für 'Schimpfwörter'.

Hier ebenso.

Manchmal fiel auch der Begriff Kraftausdrücke. Ausdrücke scheint mir
das Kurzwort für Kraftausdrücke zu sein.

Matthias

Oliver Cromm

unread,
Jul 11, 2016, 5:24:25 PM7/11/16
to
* Manfred Hoß:
Wenn einem aber der gute Name nicht einfällt, heißt es "Gut Ding
will Weile haben".

--
The Internet? Is that thing still around? - Homer Simpson

Florian Ritter

unread,
Jul 12, 2016, 7:49:00 AM7/12/16
to
Am Montag, 11. Juli 2016 23:24:25 UTC+2 schrieb Oliver Cromm:

>> Wenn jemand immer wieder "Ding" sagt, so heißt es "Jedes Ding hat seinen
>> Namen."

> Wenn einem aber der gute Name nicht einfällt, heißt es "Gut Ding
> will Weile haben".

Aller guten Dinge sind drei - FR

Sepp Neuper

unread,
Jul 12, 2016, 12:45:39 PM7/12/16
to
Florian Ritter <hansr...@googlemail.com> schrieb:

>Aller guten Dinge sind drei - FR

Und damit ist auch ganz einfach die Trinität erklärt.

Servus, Sepp
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