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Die Mondbrille

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Paul Holzreiter

unread,
Nov 29, 2002, 6:42:11 PM11/29/02
to
.
Die Mondbrille
--------------

Meine Mondbrille. Ach, wie soll man das einer gewöhnli-
chen Sterblichen erklären, was eine an ihr hat, wie die
Welt so ruhig und friedlich wird, wie die Straßen sich
leeren und die Geschäfte schließen, wie die Lichter ange-
hen und die Nachtschwärmer herauskommen, den dunklen Him-
mel und die funkelnden Sterne und schließlich den Mond
selbst. Und das alles nur durch diese Brille? werden Sie
fragen. Die Brille und der Glaube an sie, werde ich Ihnen
antworten, wenn wir uns dereinst in einer Mondnacht be-
gegnen und auch Sie die Brille mit den sanften Wellen und
den psychodelischen Gläsern tragen. Aber natürlich, werde
ich sagen, und entschuldigen Sie vielmals, wie unüberlegt
von mir, wie schrecklich der Smalltalk der Leute, deren
Tage und Nächte sich nach der Sonne und der Astronomie
richten. Wie konnte ich nur übersehen, daß auch Sie die
magische Brille tragen und an sie glauben.


Das Geschäft war klein und altmodisch gewesen, damals,
versteckt und ein bißchen schmuddelig in einer engen Sei-
tengasse, die der Tourismus noch nicht entdeckt hatte.
Eine Treppe führte hinunter. Das Schild sagte einfach nur
"Bruns". Es war nicht wichtig, ob dies der Nominativ oder
der Genetiv war. Auch gab sich das Schild keine Mühe, ir-
gendetwas zu vermarkten. Wer hier kaufte, der hatte ge-
sucht und gefunden. Die Auslagen waren klein und das biß-
chen Dekoration darin war arg verblichen. Da lagen sie
also, zu Hunderten, wie mir schien, Brillen und anderer
Plunder, die Klinke war wackelig und die Ladenglocke bim-
melte antiquiert und heimelig und ich wußte gar nicht,
was ich wollte, ich hatte nämlich kein Geld dabei.
Kein Geld? Ja, so war das damals. Nicht nur, daß die
Mondbrille magisch ist, das wird wohl niemand bestreiten,
der sie oder ihresgleichen besitzt, auch das Geschäft
hatte etwas Magisches an sich. Jedenfalls betrat ich es
unter einem Einfluß, der sich mit irdischen Kräften
schwerlich erklären läßt. Hinter mir bimmelte die Laden-
glocke zum zweiten Mal, dann stand ich ganz allein in
diesem Chaos von Brillen und allen erdenklichen Kuriosi-
täten. Was wollte ich eigentlich?
Regale bis unter die Decke und hölzerne Leitern und ei-
serne Stangen, an denen die Leitern entlanggeschoben wer-
den konnten. Dort oben vermutete ich die wahren Schätze,
während dies hier unten in den Vitrinen wohl die gängigen
Modelle für die konventionellen Käufer und die seltene
Laufkundschaft waren, die sich gelegentlich in diese Ge-
gend verirrte und bei strengem Sonnenschein plötzlich ei-
ne Sonnenbrille zu brauchen meinte. Unruhig trat ich von
einem Bein auf das andere, während der Boden unter mir
knarrte und ich den Blick auf den abgewetzten Teppich
senkte.
"Ja bitte?"
Ich erschrak. Der Mann war lautlos hinter der Theke er-
schienen, ein Männchen mehr, ein Gnom, der diese magi-
schen Schätze und unverkäuflichen Antiquitäten bewachte.
"Ja bitte?" fragte er noch einmal und weckte mich aus
meiner Erstarrung.
"Herr Bruns?", fragte ich zurück, als ob ich von nie-
mandem sonst in diesem Laden etwas gekauft hätte, "Sie
sind es persönlich?"
Ja, es war Herr Bruns persönlich. Die Frage hätte sich
wahrlich erübrigt. Der Inhaber sah genauso aus wie sein
Laden. Er war verschrumpelt und antiquiert, dürr wie eine
Heuschrecke und die Brille, die er trug, war grün und
völlig unsinnig, ein Kneifer, wie er nur noch auf alten
Stichen vorkam.
"Ja, ich bin es persönlich", sagte er, etwas strenger
und mit einem Hauch von Indignation, auf jeden Fall nicht
ganz so heimelig wie sein Laden, so daß er mich unsicher
machte. Fast hätte ich das Geschäft wieder verlassen, a-
ber dann mußte ich doch Herrn Bruns unvermeidliche Frage
beantworten und ich tat dies so selbstverständlich, wie
dieser sie stellte:
"Womit kann ich dienen?"
"Ich habe kein Geld", sagte ich.
"Kein Geld." Er wiederholte das Ungeheuerliche ohne
Emotion, als ob er mich erwartet und meinen leeren Geld-
beutel erahnt hätte und als ob er schon wußte, daß mit
mir die gewöhnliche Sorte von Geschäften nicht zu machen
war.
"Kommen Sie", sagte er und machte die entsprechende Be-
wegung mit seiner dürren Hand. "Kein Geld", sagte er mehr
zu sich selbst als zu mir, als er sich ohne sich nach mir
umzudrehen auf den Weg in die Magazine machte, ich immer
ein paar Schritte hinter ihm auf den knarrenden Bohlen.
Kein Geld. Selbstverständlich hatte ich Geld. Es lag im
Hotel. Ein Urlaub ohne Geld, wie hätte das auch gehen
sollen? Und doch war ich ohne Geld losgezogen und ich
hätte nicht sagen können, warum. Ein Spaziergang durch
die weiße Stadt, hinunter bis zu dem kleinen Hafen mit
seinen Jachten, ich nur Auge und Ohr für das Leben auf
den Straßen, und die Geschäfte waren nur Sehenswürdigkei-
ten, an denen ich mich ebenso erfreuen konnte wie an den
Häusern und Kirchen, ohne daß ich sie besitzen mußte. Und
so war ich, ganz in Betrachtung vertieft, in jene Gegend
geraten, in der die Geschäfte spärlicher, die Häuser be-
scheidener und die Leute weniger vornehm waren. So war
ich in diesen Laden mit seinen skurrilen Brillen geraten.
"Nahbrillen, Fernbrillen, Lesebrillen, Schreibbril-
len ..." Herr Bruns hatte sie alle aus den Regalen und
Magazinen geholt. Sie lagen jetzt griffbereit. Ich würde
sie alle über mich ergehen lassen müssen. Daran gab es
keinen Zweifel. Eine nach der anderen setzte er sie mir
mit seinen knochigen Fingern auf die Nase, prüfte, ob die
Bügel richtig über beide Ohren liefen, wozu er jedesmal
im Halbkreis um mich herumlaufen mußte, strich dann meine
Haare glatt und begann seinen Monolog über das Gestell,
die Linsen, die Farben, Schliffe, polarisierenden Wirkun-
gen und schließlich, indem er seine Stimme senkte, über
die magischen Eigenschaften der Brillen. Dies alles, wäh-
rend ich den Kopf auf die Nackenstütze des antiquierten
augenärztlichen Stuhls legte. Die Tafel mit den immer
kleiner werdenden Ziffern interessierten weder mich noch
Herrn Bruns, ja nicht einmal die Frage "besser oder
schlechter?" wurde gestellt. Diese Brillen konnte man
nicht mit den gewöhnlichen Maßstäben messen.
Es waren in der Tat erstaunliche Schöpfungen und ich
war nicht sicher, ob sie auch draußen noch funktionieren
würden, ohne die hypnotische Stimme des alten Herren und
die verrückt-verzückten Bewegungen, die er jedesmal voll-
führte, wenn er mir eine noch verrücktere Kreation
schmackhaft zu machen versuchte, mir, der Käuferin ohne
Geld.
"Sind Sie sicher", fragte ich Herrn Bruns zwischen-
durch, obwohl ich schon ahnte, daß ich keine Chance hat-
te, "sind Sie sicher, daß ich überhaupt eine Brille brau-
che?"
"Jeder Mensch braucht eine Brille, Werteste, oder wol-
len Sie behaupten, daß Sie oder irgend sonstwer auch ohne
Brille den magischen Blick hätte?"
"Den magischen Blick?"
"Den Blick ins Innere der Dinge, in deren wahres Wesen!
Wollen Sie behaupten, daß Sie schon alles gesehen hätten,
alle Brennweiten, alle Dioptrien, Refraktionen und
Astigmatismen? Ein Hohlbrille zum Beispiel ...?"
Eine Hohlbrille? Weder hatte ich je davon gehört, noch
glaubte ich, etwas Wichtiges versäumt zu haben, bis ...
"Sie dürfen den Kopf nur ganz vorsichtig drehen," hörte
ich Herrn Bruns sagen. Ich war plötzlich in einer anderen
Welt.
"Puh!" machte ich und fast hätte ich diese allerschwer-
ste aller magischen Brillen abgeworfen. Was für ein ver-
rücktes Gefühl! Nicht nur, daß alles völlig hohl darin
aussah, es fühlte sich auch hohl an und hatte einen hoh-
len Klang. Für diese Brille hätte ich eine Menge Geld ge-
geben. Geld aus dem Hotel, versteht sich.
"Wenn Ihnen die Hohlbrille gefällt, werden Sie die
Mondbrille gewiß besitzen wollen", sagte Herr Bruns und
er ignorierte auch mein leises Aufbäumen, mit dem ich ihn
daran erinnern wollte, daß an mir nichts zu verdienen
war. "Ach", sagte er mit einer Handbewegung, mit der sich
jede Art von Problem hinwegfegen ließ, "wer die Hohlbril-
le gut findet, ist für die Mondbrille wie geschaffen!"
Er machte mich neugierig.
"Warten Sie", sagte er, ließ mich mit dem Brillenmon-
ster auf der Nase sitzen und ich hörte ihn auf den knar-
renden Bohlen wieder in die Magazine verschwinden. Als
ich den Kopf ein kleinwenig in seine Richtung drehte, wä-
re ich beinahe aus dem Stuhl gefallen. Mit der Schwer-
kraft schien etwas nicht zu stimmen. Ich hielt mich an
den Armlehnen fest, aber der Stuhl schien sich mit mir in
die Luft erhoben zu haben. Oder war es wirklich die Luft,
in der ich plötzlich schwebte? War es nicht ein ganz an-
derer Raum? Ich sah Herrn Bruns durch Regale wühlen und
Schubladen durchsuchen. Er schien mir nicht mehr so si-
cher, wie ich ihn eben noch gesehen hatte, vielleicht so-
gar ein bißchen nervös.
Es muß nicht unbedingt eine Mondbrille sein, sagte ich
zu ihm.
Doch, doch, erwiderte er. Sie sind es, für die die
Mondbrille geschaffen wurde!
Eine Mondbrille speziell für mich? Was redete der Alte?
War er nicht in den Magazinen? Alles um mich fing sich zu
drehen an. Der Stuhl schien kopfzustehen und ich klammer-
te mich daran fest, als ob ich mich auf einer jahrmärkt-
lichen Schiffsschaukel befunden hätte. Was war bloß los
mit mir? Ich konnte den Alten ganz deutlich sehen, wie er
wühlte, wie er kramte, wie er panisch nach seinem wert-
vollsten Stück suchte, das er speziell für mich aufgeho-
ben hatte.
Aber konnte es zu dieser Hohlbrille - ich nahm eine
Hand von der Armlehne und tastete nach dem Brillenmonster
auf meine Nase - konnte es dazu noch eine Steigerung ge-
ben? Zugleich sah ich, wie ein Lächeln über die Züge des
Alten in den Magazinen huschte. Dann sah ich ihn die
Schubladen zurück in die Regale schieben. Kurz darauf war
er wieder bei mir.
"Tut mir leid, Gnädigste", hörte ich ihn sagen und ich
überlegte, ob er nun wirklich da war, oder ob das die Ma-
gie der Brille war. "Die Mondbrille, Gnädigste, das ist
die Brille für Sie."
Sorgsam nahm er mir die magische Hohlbrille vom Ge-
sicht. Die Mondbrille, die er in der Hand hielt und die
angeblich für mich geschaffen war, schien überhaupt
nichts Magisches an sich zu haben. Man hätte sie für eine
gewöhnliche Sonnenbrille halten können.
"Gnädigste," sagte Herr Bruns und durch die Routine des
Wortes hörte ich ein leises Zittern in seiner Stimme,
"die Mondbrille". Feierlich hob er sie hoch. Er senkte
den Blick, als ob er selber nicht durch die Linsen hätte
hindurchschauen dürfen, und setzte mir sein allerwert-
vollstes Stück auf die Nase.
Ich drehte den Kopf, rollte die Augen, konnte aber
nichts Besonderes feststellen.
"Das soll die Mondbrille sein?" fragte ich ungläubig.
"Ja", sagte Herr Bruns, und seine Stimme senkte sich zu
einem andächtigen Wispern, "das ist sie".


Und tatsächlich, das war sie: die Mondbrille. Der Neu-
mond ist nie gekommen, zu dem ich sie hätte bezahlen oder
zurückbringen sollen. Über Jahre kein Neumond? werden Sie
fragen. Nicht, wenn ich die Mondbrille aufhabe. Sie ent-
führt mich in die Stadt meiner Träume, ihre laue Luft,
die nächtlichen Straßen mit den flanierenden Paaren, dem
Hafen und dem immerwährenden Mond. So sehr ich auch such-
te, das Geschäft des alten Herrn Bruns habe ich nie wie-
der gefunden.

p.s.: Diese Geschichte ist nur zur Hälfte von mir. Ich
bin einmal einer Frau begegnet, die ebenfalls Geschichten
schrieb. Ich möge ein paar davon lesen, bat sie mich, und
ihr meine Meinung sagen, und drückte mir einen Packen Pa-
pier in die Hand.
Meine Meinung über ihre Geschichten war sehr schlecht.
Ich wußte auch nicht, was ich ihr hätte raten sollen. Sie
schien mir ein hoffnungsloser Fall zu sein. Dann fragte
ich sie, ob ich die ein oder andere davon in meine Spra-
che übertragen dürfe. Sie hatte nichts dagegen. So ent-
stand "Die Mondbrille".

Ekkard Brewig

unread,
Nov 30, 2002, 6:04:34 PM11/30/02
to

"Paul Holzreiter" <paul.ho...@munich.netsurf.de> schrieb im Newsbeitrag
news:3DE7FB53...@munich.netsurf.de...
> .
> Die Mondbrille
> --------------
Ich mag einfach "magische Geschichten". Wenn ich die Deine in einem Magazin
gefunden hätte, hätte ich sie vermutlich auch gelesen. Manches hätte ich
selbst anders geschrieben. Aber das ist ja nun 'mal kein Maßstab.

Einleitung und Schluss?
Beide sind für die lebendige Beschreibung und die Dialoge zwischen der Dame
und Herrn Bruns eine fast tödliche Klammer. Wäre die Einleitung nicht so
kurz gewesen, und hätte ich mich nicht gleich ein paar Abschnitte später
eingelesen, die Geschichte wäre mir entgangen - Im Nachhinein wäre mir damit
eine schöne Geschichte entgangen.

> von mir, wie schrecklich der Smalltalk der Leute, deren
> Tage und Nächte sich nach der Sonne und der Astronomie
> richten. Wie konnte ich nur übersehen, daß auch Sie die
> magische Brille tragen und an sie glauben.

Das "an sie glauben" klingt aufgesetzt, entschuldigend. Wozu? Puristen der
Realität lesen solche Geschichten nicht, wenn sie poetische Magie auch nur
ansatzweise spüren. Sie verfallen automatisch in eine Identitätskrise,
verschließen sich im gefühlsmäßigen Trockenschrank und hören Marschmusik.
Im übrigen wäre die Nutzung der Mondbrille einer näheren Beschreibung wert
gewesen. Zumindest am Schluss hätte ich gerne noch einen Knalleffekt mit der
Mondbrille. Sie käme erst zur Geltung, wenn sich daraus Erzählstränge
ergeben hätten mit Konflikten, die ... (na ja usw.). Dagegen hat die
Hohlbrille einige überraschende Nebenwirkungen gezeigt, die durch die
Mondbrille nicht gesteigert werden - nach meinem Empfinden.

Die Sache mit dem fehlenden Geld: Sie spielt eigentlich überhaupt keine
Rolle. Ich habe eher den Eindruck, zum Schluss muss noch ein nicht
vorhandener Neumond her halten um der Erklärung willen. (Auf mich wirkte
dies aufgesetzt und störend).

> nicht ganz so heimelig wie sein Laden, so daß er mich unsicher
> machte. Fast hätte ich das Geschäft wieder verlassen, a-
> ber dann mußte ich doch Herrn Bruns unvermeidliche Frage

Das ist ungenau, weil sich ja physisch gar nichts abspielt. Die
Protagonistin verspürt nur den dringenden Wunsch, sich mit einer Floskel
möglichst rasch zu verabschieden. Genau genommen leistet diese Passage
nichts Wesentliches zum Fortgang der Story. 'Geplänkel'! würde ich sagen.

> fast hätte ich diese allerschwer-
> ste aller magischen Brillen abgeworfen.

Hm? Das klingt nicht gut und setzt zudem eine Erfahrung mit "allen" oder
jedenfalls sehr vielen "magischen Brillen" voraus. Also entweder ist es die
"schwerste aller probierten Brillen" oder die "schwerste Brille, die ich je
mit der Nase stützen musste" oder kürzer "die bisher schwerste aller
Brillen".

> psychodelischen Gläsern
Wie sehen "psychodelische Gläser" aus. Ich kenne nur "psychedelische Musik".

> Tage und Nächte sich nach der Sonne und der Astronomie

Das ginge ja noch. Unsere Alltagswelt richtet sich minutiös nach etwas
absolut Künstlichem, nach der Uhr!


> p.s.: Diese Geschichte ist nur zur Hälfte von mir. Ich
> bin einmal einer Frau begegnet, die ebenfalls Geschichten
> schrieb.

> Meine Meinung über ihre Geschichten war sehr schlecht.

Sorry, so schlecht kann sie nicht geschrieben haben. Vermutlich hat sie
Deinen Geschmack nicht getroffen. In solchen Fällen schreibt man: "Paul
Holzreiter nach einer Idee/Vorlage von Marlene Krein" (oder so).

--
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard Brewig


Dagmar Coerdt

unread,
Dec 1, 2002, 5:12:00 AM12/1/02
to

paul.holzreiter schrieb am 30.11.02
unter dem Betreff "Die Mondbrille"

Hallo Paul,

gerade habe ich die Anmerkungen von Ekkard gelesen und 'muß' nun doch
etwas schreiben. Wie schon bei anderen Geschichten von Dir vermute ich
eine etwas andere Intention als die offensichtliche, mühelos greifbare.
Ein wesentlichr Bestandteil scheint mir die Tatsache, daß die
Protagonistin kein Geld mitgenommen hat bei ihrem Streifzug. Das tun
Frauen niemals. Sie werden panisch wenn sie eine interessante Auslage
sehen und kein Geld dabei haben. Rennen gehetzt zurück zum Hotelzimmer -
oder stürzen sich auf den Ladenbesitzer, umklammern verzweifelt seine
Waden und bitten ihn mit flehentlich aufschauenden, in Tränen schwimmenden
Augen, um Gottes willen den Laden zu schließen und keine andere Kundschaft
'reinzulassen bis sie wieder zurück sind.
Sie hat also ihr Geld bewußt im Hotelzimmer gelassen, wie Du schriebst.
Sie wollte sich auf Deine Geschichte einlassen. An der Stelle hakte meine
Erinnerung an eigene Beutezüge ein: sie gehören dem Tag, der Sonne, dem
Lärm und den lächerlichen Reklameschildern. Der wirkliche - magische -
Zauber entfaltet sich erst, wenn die Wellen im Schein des Mondes um ihrer
selbst betrachtet werden, nicht mit dem prüfenden Blick dessen, der mit
irgendeinem Gerät auf ihnen herumreiten will. Die Mondbrille muß ein
Geschenk sein, sonst hat sie keine magische Wirkung oder ist nur eine
stinknormale Sonnenbrille.
Das P.S.-Ende der Geschichte habe ich ebenfalls mißtrauisch beäugt...
gehört es zur Geschichte? Sich etwas schenken lassen (von einer Frau die
ein hoffnungsloser Fall zu sein scheint), etwas teilen und es sich OHNE
(kommerziellen) Hintergedanken entfalten zu lassen zu einer Magie die
JEDER erleben kann - wenn er nur die richtige Brille 'aufhat'?

Das Lesen hat wieder einmal Spaß gemacht, danke!
Und damit Du nicht denkst, ich nehme alles von Dir geschriebene kritiklos
hin ;-): "war gewesen" stellt mir beim Lesen die Nackenhaare auf... ist
das eigendlich erlaubt?!?


Liebe Grüße
Dagmar

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Paul Holzreiter

unread,
Dec 1, 2002, 11:59:39 AM12/1/02
to
Ekkard,

ah, ich dachte immer, die Magie sei was für kleine Mädchen und alte
Mütterchen in Strickjacken. Aber derzeit soll's da ja so ne Welle geben,
ist mir mal zugetragen worden ...

"Paul Holzreiter nach einer Vorlage von Marlene Krein", das wäre schön
und einfach, nur leider weiß ich den Namen der Frau nicht. Die Vorlage
habe ich zurückgegeben. Ich kann nicht mal mehr prüfen, wie schlecht sie
wirklich war. Ich könnte sie ein bißchen besser darstellen, als sie mir
in Erinnerung ist. Das ließe mich weniger überheblich erscheinen. Ich
könnte das p.s. aber auch ganz weglassen und die Geschichte zu meiner
eigenen machen. Kein Hahn würde danach krähen. Wahrscheinlich müßte ich
nichtmal ein schlechtes Gewissen haben.

Allerschwerste aller magischen Brillen? Ob es nicht genauer die
"schwerste Brille, die ich je mit der Nase stützen mußte" heißen sollte?

Ich glaube, es gibt so etwas wie eine geheime Komplizenschaft zwischen
Autor und Leser. Sie sind gemeinsame Täter in einer Sache, die nicht
ganz sauber ist. Wenn der Autor ganz präzise (und vor allem erschöpfend)
beschreibt, dann sagt ihm der Leser: "Du vertraust mir wohl nicht mehr!"
Wenn er hingegen schludert, dann sagt ihm der Leser, er könne ihn mal,
er solle doch seinen Dreck alleine machen. In beiden Fällen wird das
Ding nicht gedreht. (Wenn ein Kritiker einen Fehler findet, so bezeugt
er gleichzeitig, daß er den Sinn des Textes trotz des Fehlers verstanden
hat, daß er sich aber von diesem Autor nicht zum Komplizen machen lassen
möchte.)

Der Knaller der Geschichte ist nicht sehr laut: Die Brille macht ihre
eigene Bezahlung unmöglich, indem sie die kleine Seitengasse samt dem
Geschäft von Herrn Bruns verschwinden läßt. Daß nicht nur das Geschäft,
sondern gleich das ganze Gäßchen verschwindet, steht nicht in der
Geschichte. Das sage ich dir als Autor, der, wie üblich, besser
informiert ist.

Gruß,
Paul

Paul Holzreiter

unread,
Dec 1, 2002, 11:59:47 AM12/1/02
to
Dagmar,

ich mache das nicht oft, daß ich mich als Frau ausgebe. Ich komme mir
immer ein bißchen wie ein Transvestit vor. Aber in diesem Fall ließ es
sich nicht vermeiden. Herr Bruns, davon bin ich überzeugt, hätte die
Mondbrille an keinen Mann verkauft. Und dann mache ich natürlich prompt
auch Fehler wie jenen, daß ich die Ich-Frau ohne Geld aus dem Hotel
gehen lasse. Die Ernsthaftigkeit und der Nachdruck, mit dem du das ins
Reich der Fabel verbannst, gibt mir aber schon zu denken, und zwar über
diese Geschichte hinaus.

Das p.s. ist und bleibt ein Problem. Ich weiß nicht, wie die Frau heißt.
Es gibt da keine etablierte Floskel wie etwas "Nach einer Geschichte von
Unbekannt". Man kann das p.s. aber so wie es jetzt da steht durch
gänzlich verschiedene Brillen sehen und als solches ("Gehört es zur
Geschichte?") ist es ebenfalls nicht ohne Reiz. Man kann das so lesen,
daß sich ein genialer Autor bei einer Dilettantin eine kleine Anregung
geholt hat. Man kann es aber auch so lesen, daß sich der Autor nicht bei
ihr bedient hätte, wenn er sie wirklich für eine Dilettantin hielte.

Gruß,
Paul

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Peter Ley

unread,
Dec 2, 2002, 9:22:21 AM12/2/02
to
Hi Paul,

Leider langweilige Dutzenderzählung, trostlos abgehandelte,
runtererzählte Magie im schicki micki Märchenmodus für junggebliebene
erwachsene Bücherfresser, die wie konditioniert auf solche stereotypen
Schilderungen anspringen. Das ist kein "Schreiben", das ist rühriges
Basteln für Weihnachten.

Grüßle
Peter


>.
> Die Mondbrille

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Peter Ley

unread,
Dec 3, 2002, 7:38:22 AM12/3/02
to
Hi David,


>Ich muß zugeben, dass es mein Geschmack an Literatur auch nicht eben ist,
>aber wer definiert denn bitte was "Schreiben" ist? Du wohl nicht.
>mfg

Wie kommst Du darauf, dass ich "Schreiben" definiert hätte?

Grüßle
Peter

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Heinele

unread,
Dec 4, 2002, 3:28:30 AM12/4/02
to
hi,

"Peter Ley" schrieb...
> Hi David,
>
> Ich glaube, da interpretierst Du etwas falsch. Ich habe nur
> ausgeschlossen, aber nicht definiert. Mal ein einfaches Beispiel:
>
> "Die Zahl 8 ist keine Primzahl!"
>
> Kannst Du aus dieser Aussage eine Definition für Primzahlen herleiten?
>
einleuchtend
auch dem wildesten argumenauten ;-)

> Grüßle
> Peter
>

ich werd mich hüten
mich mit dir anzulegen :-)

gruß
hei


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Peter Ley

unread,
Dec 4, 2002, 6:36:10 AM12/4/02
to


LOL

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Heinele

unread,
Dec 4, 2002, 7:56:35 AM12/4/02
to

"Peter Ley" <Mr.Ket...@web.de> schrieb im Newsbeitrag
news:j2qruu0hbsqu14ugi...@4ax.com...
>
>

was heisst
>
> LOL
>

bru...

h


Peter Ley

unread,
Dec 4, 2002, 8:21:25 AM12/4/02
to
Hi David,

>Hehe, nagut.
>Ich schließe die Diskussion, stehe als Arschloch da, aber habe keine Lust
>mehr, mich mit dieser oder jener Verdrehung zu beschäftigen, die aus einem
>einzigen unklaren Sachverhalt entstand.

Nicht resignieren! Mein Beispiel war natürlich hundsfies, das machen
Naturwissenschaftler sehr gerne: Auf emotionale Intelligenz scheißen,
und sich auf obercoole Prädikatenlogik verlegen. Georg hat das sehr
schön veräppelt. Du hast natürlich richtig vermutet, dass ich eine
eigene Definition von "Schreiben" mein Eigen nenne. Auf eine Kurze
Formel gebracht könnte sie so aussehen: Aus einem existentiellen Drang
heraus (reicht von Begeisterung über Empörung bis Wut) mit Sprache
Nochnichtsprachliches für sich selbst sprachlich gestaltend zu
durchdringen, und die während dieses Arbeitsprozesses entstehenden,
spontanen Schöpfungen nicht nur zu erkennen, sondern "literarisch"
auszuformen.


Grüßle
Peter

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Marc-Ivo Schubert

unread,
Dec 4, 2002, 5:49:29 PM12/4/02
to
"Heinele" <heinz....@gmx.at> schrieb:

> was heisst
> >
> > LOL
> >
>
> bru...

haha!
Yep, paßt prima.

Gruß,
Marc

Peter Ley

unread,
Dec 3, 2002, 4:54:34 PM12/3/02
to
Hi David,

Ich glaube, da interpretierst Du etwas falsch. Ich habe nur
ausgeschlossen, aber nicht definiert. Mal ein einfaches Beispiel:

"Die Zahl 8 ist keine Primzahl!"

Kannst Du aus dieser Aussage eine Definition für Primzahlen herleiten?

Grüßle
Peter

>
>"Peter Ley" <Mr.Ket...@web.de> schrieb im Newsbeitrag

>news:c89puug350uqd1j6p...@4ax.com...


>
>> Wie kommst Du darauf, dass ich "Schreiben" definiert >hätte?
>

>Wenn du sagst, dies sei kein schreiben, gehst du von einer privaten
>Definition des Schreibens aus, die die obige Geschichte nicht erfüllt.
>
>mfg
>David Jorch
>

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