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Faust, der Komödie erster Teil - Ein wilder Nachtflug

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Walter Anger

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Apr 5, 2009, 10:12:51 AM4/5/09
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Nacht, Stadt, eine einsame Gasse. (unmittelbare Fortsetzung der
vorherigen Szene)

Faust, Mephisto, Geister

Michaela kommt und gesellt sich hinzu. Die Geister entschwinden wieder.

Faust sieht Michaela fragend an.

Mephisto (stellt Michaela vor): Das ist Michaela, meine persönliche
Leibwächterin.

Michaela (lehnt einen Arm auf Mephistos Schulter, Faust abschätzend
anschauend): Ein starker Mann! Ich mag starke Männer. Hallo, Heinrich!

Raffaela geht vorbei.

Faust: (grüßt) Michaela! ... Eine Frau als Leibwächterin? Ungewöhnlich!
Und dann noch die Leibwächterin des Teufels. Dann bist du besser in den
Kriegskünsten als alle Männer der Hölle.

Mephisto: Sie ist verdammt gut, aber nicht die beste. Es gibt auch noch
andere Kriterien: Vertrauen, Sympathie, dem Herrn und Meister willig
ergeben und zu Diensten...

Faust:<goethe> Wohin soll es nun gehen?</goethe>

Mephisto: <goethe>Ich muß dich nun vor allen Dingen in lustige
Gesellschaft bringen.</goethe>

Faust: Wir gehen aus? ... Du zahlst?

Mephisto: Freilich! Außer du meinst, das wär nicht recht?

Faust: <goethe>Den Teufel halte, wer ihn hält! Er wird ihn nicht so
bald zum zweiten Male fangen.</goethe>

Michaela (weist auf Das Gewand des Faust): Ein wenig in Schale sollten
wir ihn noch werfen.

Faust: Ja, ein Anzug, weißes Hemd und Krawatte. Ein mal trug ich so
etwas -- ich glaub, ich sah ganz gut darin aus.

Michaela (fragend, an Mephisto): Anzug, weißes Hemd, Krawatte?

Mephisto (zu Michaela): Geh schon! Besorg es!

Michaela eilt weg.

Faust: <goethe>In jedem Kleide werd ich wohl die Pein des engen
Erdelebens fühlen.</goethe>

Mephisto: Doch die andern merken dann nichts davon.

Ortswechesel: Bei einem engen Seitengang. Lautes Protestieren und
Geschimpfe eines Mannes. Dann Stille. Ein Mann stolpert in Unterwäsche
aus dem Gang. Seine Frau kommt hinzu.

Frau: Was ist denn mit dir geschehen?

Mann: Ein Höllenengel hat mir die Kleider vom Leib gerissen!

Frau: Für wie naiv hältst du mich?! Du Falott!

Standortwechsel: Mephisto und Faust auf der Straße. Michaela kommt mit
dem geraubten Gewand und gibt es Faust.

Michaela: Frisch von der Stange; dennoch wie angemessen! Und eine volle
Brieftache dazu -- Taschengeld!

Ortwechsel, Zeitsprung: Faust, Mephisto und Michaela gehen auf der
Straße. Faust nun im Anzug. Sie kommen zu einem wilden Metallokal.
Besoffene und unheimliche Gestalten lungern umher. Hinter einem Gebüsch
treibt es ein Pärchen. Laute Metalmusik dröhnt aus dem Lokal.

Mephisto und Michaela gehen hinein. Faust zögert zwar kurz,
zweifelnd blickend, geht aber dann doch nach.

Raffaela ist schon da.

Sehr laute Musik. Er ist inmitten all der Gothic- und Metalleute der
einzige mit einem Anzug. Er wird mißtrauisch bis empört bestaunt. Er
wird betuschelt. Sie gehen an die Bar. Eine als häßliche Hexe
herausgeputzte Frau ist die Kellnerin.

Faust (schreit zu Kellnerin): Ein Bier bitte!

Faust steht mit Mephisto und Michaela an der Bar und sieht sich um.

Die Kellnerin bringt das Bier. Sie schreit etwas. Faust nickt und
zahlt. Er deutet, es sei schon in Ordnung. doch er hat den Betrag nicht
richtig verstanden und zu viel gezahlt.

Kellnerin (schreit): Danke! Willst ein Bussi?

Faust (schreit entsetzt): Nein!

Mephisto zieht Faust lachend in eine Ecke, in der es nicht so laut ist.
Faust, Mephisto und Michaela setzen sich auf Hocker.

Mephisto (laut): Du hast zu viel bezahlt.

Faust (laut): Ich habs nicht richtig verstanden.

Mephisto lacht. Die Kellnerin tuschelt mit Freunden und zeigt spottend
auf Faust.

Faust (laut): Was die wohl von uns halten?

Mephisto (laut): Was auch immer -- <goethe>Den Teufel spürt das
Völkchen nie, und wenn er sie beim Kragen hätte.</goethe>

Sie beobachten das Geschehen im Lokal. Gäste unterhalten sich mühsam.
Sie grüßen sich mit "Satanshörnern". Sie "hassen sich gegenseitig an"...

Raffaela geht von einem zum anderen und hetzt die Leute gegeneinander
auf.

Mephisto (laut): Als ich vom Himmel auf die Erde geworfen wurde, meinte
ich, mein Schicksal wäre es nun, mich mit Milliarden von Irren
herumzuärgern. Doch bald drehte ich den Spieß um. Nun trete ich den
Irren mit ihrer eigenen Dummheit in den eigenen Arsch ... und genieße
das Schauspiel! ... Es gibt wenige Wahrheiten und viele Unwahrheiten.
Sieht man, an welch mürben, losen Haaren die Menschen ihre
"Gewißheiten" herziehen; wie leicht sie Lügen und Verleumdungen glauben
schenken, so erkennt man, warum die Wahrscheinlichkeitsverteilung im
großen Hexenkessel der Gedanken nicht wesentlich von von den absoluten
Werten abweicht. Man wundert sich schon, ist geradezu überrascht, wenn
einem dann und wann doch vernünftige Meinungen und gesichertes Wissen
unterkommen ... Seit Jahrhundertausenden fallen sie auf den ewig
gleichen Schmu rein, keine Entwicklung, keine Auslese, keine Evolution,
nichts! Ja, es wird sogar immer schlimmer. Erzähl einem was, was ein
anderer sagt, ist oder tut, und --

Faust, der gerade einen Schluck Bier nahm, sieht auf, sieht wie sich
zwei Männer abwatschen.

Mephisto (lachend, begeistert): -- Sie fangen schon an!

Einer der Männer geht zu Boden; der andere auf ihn; er schlägt weiter
zu; jemand zieht ihn zurück; der geht nun auf ihn los; ein anderer
mischt sich ein; jemand versucht zu beruhigen; er bekommt einen Schlag
ins Gesicht; --

Einer ruft: <goethe>Es war ein Schlag, der ging durch alle
Glieder!</goethe>

-- weitere Gäste beginnen nun zu streiten und zu raufen; ein fest
gebauter Biker drängt einen Kontrahenten mit dem Bauch gegen die Wand;
ein schmächtiger Bursch will mitmischen; seine Freundin schleift ihn an
den Beinen, auf dem Boden aus dem Lokal; der geschlagene, erfolglose
Friedenstifter schlägt nun seinerseits zu; zwei mal während der
Schlägerei versucht jemand, auf die Gruppe Faust-Mephisto-Michaela
loszugehen; --

Einer ruft: <goethe>Wart nur, es sollen Schläge regnen!</goethe>

-- Michaela wehrt die Angriffe bravourös ab; einer beginnt seine
Freundin zu schlagen, die ihn abhalten wollte; sie beruhigt ihn, indem
sie besonders zärtlich zu ihm ist und sich an ihm kuschelt; Mephisto
amüsiert sich; Faust ist eher indigniert. Die Kellnerin beginnt nun
laut schimpfend, mit einem Barhocker zuschlagend, die Raufgesellschaft
aus dem Lokal zu scheuchen.

Ortswechsel, Zeitsprung: Vor dem Lokal. Morgendämmerung. Faust,
Mephisto und Michaela.

Mephisto (zu Faust): Nun, was hast du heut gelernt?

Faust: Nichts! Weil ich nichts lernen wollte. Mich interessiert die
Klugheit, nicht die Dummheit. <goethe>Betrug war alles, Lug und
Schein.</goethe>

Mephisto: Du bist schwer zufriedenzustellen.

Faust: Ich bin müde.

Mephisto: Michaela wird dich nach Hause geleiten, es lungern noch üble
Lumpen auf den Straßen.

Faust: Ist nicht notwendig. (hebt eine Faust) Die üblen Lumpen riechen
die Lattn.

(kurzer) Zeitsprung. Mephisto, Michaela

Faust geht vom Ort. Mephisto sieht ihm nachdenklich nach. Raphaela
tritt hinzu.

Raphaela: Nun?

Mephisto: Es wird nicht einfach. Sonst frohlocken selbst Heilige ob des
Unglücks derer, die es verdienen.


Walter Anger

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