Detlef Wirsing schrieb am Wed, 16 Apr 2014 02:18:08 +0200:
> Frank Möller schrieb:
>> Detlef Wirsing schrieb am Tue, 15 Apr 2014 11:33:50 +0200:
>>> Das Messer steckt bei der leisesten Berührung sofort
>>> in der Möhre fest und gleitet durch sie wie durch Butter. Ein
>>> Riesenunterschied zu meinen vorherigen Versuchen mit der 3000er
>>> Körnung und eine Blamage für Windmühle, die das gute Messer mit einem
>>> Schliff ausliefern, der die Möglichkeiten nicht einmal ansatzweise
>>> ausnutzt.
>> Jein. Der Punkt ist, daß eine Klinge nahe ihres jeweils maximal möglichen
>> Schärfegrades ebenjenen maximalen Schärfegrad bei Benutzung relativ bald
>> wieder verliert und auf besseres Mittelmaß zurückfällt. Dann muß halt
>> nachgeschliffen werden. Das ist für viele aber zu früh.
> Das kann ich natürlich nachvollziehen.
Wobei der Vollständigkeit halber gesagt werden muß, daß meine obigen
Ausführungen vor allem für die weichen europäischen Klingen gelten. Bei
hochgehärtetem Stahl mit 62 HRC und mehr (wie bei japanischen Klingen)
sieht das anders aus, da ist die Schnitthaltigkeit von Haus aus
_dramatisch_ höher.
Die sind a) schon in ladenneuem Zustand besser und schärfer als ihre
ladenneuen europäischen Geschwister. Dank der höheren Härte halten sie
_zusätzlich_ diese höhere Schärfe auch um ein _Vielfaches_ länger.
Wenn man sie schleift (egal, ob ladenneu oder nach Benutzung), erreichen
sie dann aber b) auch noch einen Schärfegrad, dem nur richtig gute
Rasiermesser das Wasser reichen können. Dafür reichen schon der genannte
Aka und ein Rozsutec.
> Der Anbieter möchte ein Messer verkaufen, daß auf Anhieb "scharf" ist und
> diese Schärfe möglichst lang behält, sonst nölen die Kunden.
Ja, weil ihnen heute niemand mehr sagt, wie es wirklich ist.
> Aber die beiden Messer von Windmühle, die ich mir als Einstieg gekaufe
> habe, um festzustellen, ob rostender "Karbonstahl" für mich der richtige
> Weg ist, haben mich "out of the box" enttäuscht. So scharf waren meine
> rostfreien Messer schon vorher.
>> Weil heutzutage die leute nicht wissen, wie "das mit der Schärfe" geht, und
>> es auch zumeist nicht wollen, werden solche Messer eben mit einer eher
>> mittelmäßigen Schärfe ausgeliefert. Mittelmäßige Schärfe hält dann aber
>> entsprechend länger und _das_ gefällt den Leuten dann. Und der Hersteller
>> freut sich über die geringeren Fertigungskosten, guter Schliff kostet
>> schließlich Zeit.
> Das verstehe ich, aber Windmühle/Herder wirbt mit dem "Solinger
> Dünnschliff". Wenn er das ist, was ich beim ersten Test der nagelneuen
> Messer hatte, verzichte ich dankend. Soweit war ich schon vorher.
Nun ja, die Crux ist eben, daß bei diesem weichen Stahl trotz richtig guten
Schliffs die Schärfe relativ bald auf das Niveau sinken würde, was sie so
ohnehin schon hatten. Dann müßte man den Käufern jedoch erklären, daß das
a) bei diesem Stahl ganz normal ist und wie das b) zu beheben wäre.
Das wäre in einer Gesellschaft, die alles dazu seit Jahrzerhnten verlernt
hat, eine ziemliche Sisyphos-Arbeit, die wahrscheinlich dem Hersteller auch
noch als angeblicher Mangel angelastet werden würde. Also schweigen alle
gemeinsam zu dem Thema.
Und die paar wenigen "Ketzer", die trotzdem was verlauten lassen, sind eben
"Freaks". Sollen sie besser alle paar Jahre neue Messer kaufen und
zwischendrin irgendwelche Mördertrümmer wie "elektrische Messerschärfer"
und so vom Discounter nehmen. Dient ja dem Geldkreislauf.
>> Echte Rasiermesserschärfe kennen die meisten heutzutage sowieso nicht mehr.
>> Und die paar anderen schleifen einfach sowieso selbst, da schließt sich
>> dann der Kreis.
> Über dieses Thema hatten wir uns bereits unterhalten. Ich denke, man
> muß hier unterscheiden. Die Messer, die ich bereits hatte, wurden
> irgendwann stumpf. Das liegt in der Natur der Sache. Da ich eigentlich
> nur "scharfe" Messer wollte...
Du hast nur dummerweise einen nicht ganz massentauglichen Begriff von
"scharf". ;-)
> ... habe ich mich längere Zeit darum gedrückt, sie selbst zu schleifen.
> Aber es ging nicht. Wenn ich immer scharfe Messer haben wollte, mußte
> ich selbst schleifen.
Wenn man sich erdreistet, das, was heute in Galeria Kaufhof & Co. als
angeblich scharf aus Solingen so vertickt wird, als das anzusehen, was es
wirklich ist, nämlich als Mittelmaß, dann ist das so.
> Damit kommen wir zur zweiten Stufe. Sobald man seine Messer selbst
> schleift, hat man (ich) immer den Eindruck, es könnte eigentlich noch
> schärfer sein. Ich möchte wetten, das ging Dir genauso.
Nicht ganz. Als ich irgendwann auf die Idee kam, das das mit dem
gewaltsamen Drüberwuchten über einen Wetzstahl mit Standardzug wohl einfach
doch nicht alles sein kann, und mich dann überhaupt mal mit der Thematik
befaßt habe, ging das relativ schnell, daß ich gemerkt habe, daß man sich
damit etwas beschäftigen muß, wenn man nicht nur quick'n'dirty an der
Oberfläche kratzen will, man aber dann auch eine sehr steile Lernkurve hat.
So konnte ich dann schon vor dem Kauf der ersten Steine das Herumpanschen
mit Pasten auf Lederstreifen für mich ausschließen. Gleiches galt für
künstliche Steine und für Ölsteine. Meine ersten beiden Wassersteine waren
dann ein Aka und ein Rozsutec. Die Vorteile und Zusammenhänge von Grund-
und Feinschliff waren mir da schon bewußt.
Schon nach den ersten Fingerübungen mit verschiedenen Schleifstilen war mir
dann klar, was das für eine unglaubliche Vera****e ist, die bei dem
gesamten Gefasel über Messer und Marken so abgeht. In Wirklichkeit kann man
mit relativ wenig Geld für ein paar ordentliche Messer und ein paar
passende Steine derartig gute Ergebnisse erzielen, wie man sie ohne
Schleifen auch für den -zigfachen Preis für Solinger Nobelzeux nie bekommen
kann. You know.
Das war die Initialzündung. Heute habe ich so um ein Dutzend Steine von
Körnung 60 bis 12000 und kann von der Axt mit eingehauenen Nagelkerben über
Beitel und Meißel bis zu Messern mit Wellenschliff und Rasiermessern alles
schleifen, was eine Schneide hat, und das auch in professioneller Qualität.
Ein japanischer Samuraischwertschleifmeister mit 50 Jahren Erfahrung wird
vermutlich einen noch etwas gleichmäßigeren Schliff hinbekommen, aber die
Schärfe von dem kann ich schon mal.
> Ich liebe es, wenn meine Messer wie beschrieben arbeiten: Scharf wie ein
> Rasiermesser, gleiten durch Möhren wie durch Butter.
AOL. Und was das für ein Unterschied ist, merkt man eben erst dann, wenn
man es kennt.
> Das ist zwar schön, aber nicht unbedingt für jeden nötig (wahrscheinlich
> für die meisten nicht).
Die kennen es halt noch nicht.
>>> Ich habe diesen Schleifstein im wesentlichen aus drei Gründen
>>> ausgesucht.
>>> 1. Wie gesagt, fehlte mir "der letzte Biß" bei meinen
>>> Schleifbemühungen.
>>> 2. Es ist ein Naturstein, der, im Gegensatz zum synthetischen Stein,
>>> nicht gewässert werden muß. Ein paar Tropfen Wasser auf die
>>> Oberfläche, und los geht's. Deshalb, und weil der Abtrag minimal ist,
>>> kann ich meine Messer damit täglich kurz vor Gebrauch wieder auf
>>> optimale Schärfe bringen. Es dauert nur wenige Minuten.
>> Solltest Du vielleicht irgendwann noch Lust verspüren, auch noch den
>> "letzten Kick" herauszuholen, kannst Du Dir z. B. von hier
>> <
http://gx2.japan-messer-shop.de/Japanische-Naturschleifsteine/Ohzuku/?XTCsid=qffur1ebu47qm0fqgs42o4ddd3>
>> einen Ohzuku für den Politurschliff der Schneide genehmigen. Verlängert die
>> Schnitthaltigkeit noch etwas und macht den Schnitt vor allem noch seidiger.
> Danke für den Tip. Ich möchte fast wetten, daß ich irgendwann darauf
> einsteigen werde. Denn ich hätte nie gedacht, daß der Unterschied
> zwischen einer 3000er und einer 6-8000er Körnung einen solchen
> Quantensprung bewirken würde.
Bei Ebay gibt's auch chinesische Billigausführungen von 12000ern
Natursteinen für um die 33 EUR, die kenne ich aber nicht.
> Messer von Windmühle haben einen guten Ruf. Die beiden relativ
> billigen, die ich mir vor einiger Zeit gekauft habe, dienten dazu
> herauszufinden, ob rostender "Karbonstahl" für mich der richtige Weg
> ist. Daß dies der Fall ist, weiß ich erst sicher, seit ich mit dem
> relativ billigen Rozsutek geschliffen habe. Mein Santoku von Windmühle
> ist jetzt so scharf, daß es _alles_ so schneidet, wie ich es immer
> wollte, auch matschige Tomaten.
Klar, ging mir auch so, als ich anfing. Da steht man da und staunt, was mit
solch einfachen Mitteln möglich ist, und man flucht darüber, daß einem das
vorher nicht mal jemand gesagt hat.
>> Sofern Du mit einer Länge des Steins von 11-14 cm umgehen kannst, sind die
>> auch unter 100 EUR zu haben. Man sollte nur auf möglichst wenig Einschlüsse
>> (braune Verfärbungen) achten.
> Da ich im Versandhandel kaufe, habe ich darauf keinen Einfluß.
Bei den genannten Ohzuku bekommst Du den, der auf dem jeweiligen Bild zu
sehen ist. Wenn es nicht eilt, kannst Du ja warten, bis wieder ein
passender angeboten wird, die kommen wieder nach. Meiner hatte nur ca. 2 mm
vom Längsrand entfernt eine braune Schicht parallel zur Kante. Also hat ihn
der Steinmetz mit dem Diamantschneider um jene 2 mm verschmälert. Die
(ungeschliffene) Unterseite des Steins hab ich mit einem Abrichtstein so
weit begradigt, daß der Stein plan aufliegt. Ist jetzt eine wahre Wonne.
> Wir haben uns über dieses Thema schon häufiger unterhalten, auch per
> E-Mail. Ich war immer der Meinung, daß es nicht nach de.rec.mampf
> gehört, weil wir beide uns von Messern als reine Gebrauchsgegenstände
> schon länger entfernt haben. Zu dieser Einschätzung stehe ich immer
> noch.
Man kann dort auch über andere Mittel und Werkzeuge zur Essenszubereitung
reden. Und Messer sind auch bloß Mittel und Werkzeuge zur
Essenszubereitung. Ist aber hier eh wurscht.
> Aber ich war unglaublich überrascht, was sich für relativ wenig
> Geld an der Schärfe meiner Messer geändert hat, indem ich den
> Endschliff mit 6-8000 statt mit 3000 mache. Noch dazu mit einem Stein,
> der nicht gewässert werden muß, sondern mit wenigen Tropfen Wasser
> sofort einsatzbereit ist.
Es sollte schon die gesamte Schleiffläche naß sein. Ich hab auch so ein
kleines 100-ml-Fläschchen mit Sprühkopf, mit dem während längerer
Schleifphasen die Nässe punktgenau nachreguliert werden kann. Dann
schwemmt's den bis dahin aufgebauten Schleifschlamm nicht gleich wieder
weg, sondern er wird nur nachbefeuchtet.
> [...]
>>> Ich suchte einen Stein, der nicht erst "eingeweicht" werden mußte,
>>> sondern für den täglichen Gebrauch sofort zur Verfügung steht.
>> Das gilt für alle Natursteine. Vor Benutzung einweichen muß man nur das
>> synthetische Zeux.
> Ich weiß, aber die Körnung läßt sich bei Natursteinen nur ansatzweise
> voraussagen.
Die haben immer eine jeweilige Von-bis-Spreizung. Das reicht aber völlig.
Du wirst keinen 12000er Polierstein mit 200er Sandkorneinschlüssen
bekommen. Insofern kann man getrost nach angegebener Körnung kaufen.
Wird auch nicht so wahnsinnig teuer gewesen sein. Das Gefühl, auf
Natursteinen zu arbeiten, wird Dich aber vermutlich auch für die Schritte
auf grobkörnigeren Steinen überfallen, sodaß Du Dir vermutlich natürlichen
Ersatz für den künstlichen Kombikollegen beschaffen wollen wirst. Die
müssen ja nicht sooo teuer sein, dann kannst Du den künstlichen immer noch
in die Bucht werfen.
> Mein Artikel hier war der völligen Überraschung geschuldet, wieviel
> dieser letzte Schliff mit 6000 (8000/12000, egal) tatsächlich noch
> gebracht hat. Endlich war mein Messer so scharf, wie ich es immer
> wollte.
> Das heißt beileibe nicht, daß für mich das Ende der Fahnenstange
> erreicht ist. Im Gegenteil ist es der Anlaß, weiter in der
> eingeschlagenen Richtung zu experimentieren.
> Das alles ist für viele Menschen (früher auch für mich) bestimmt
> schwer nachzuvollziehen. Die wollen einfach nur kochen und Gemüse
> kleinschneiden, was ich gut nachvollziehen kann.
Es hat ihnen halt heutzutage niemand mehr gesagt und/oder gezeigt, wie
einfach das im Grunde und wie gut das mit dem Selberschleifen ist.
> Aber wenn man sich
> mal in scharfe Messer verliebt hat, gibt es nichts schöneres, als beim
> Schnippeln dieses Gefühl des seidigen, fast widerstandlosen Schnittes
> zu haben. Und das ist mit relativ geringem finanziellen Aufwand
> möglich. Deshalb mein Beitrag über den Rozsutec, der mich wirklich
> überzeugt hat. Mal sehen, was noch kommt.
Warten wir's ab, aber vermutlich nicht mehr so viel. Die Einstiegshürde ist
zwar nicht einmal wahnsinnig hoch, aber das Thema ist aus dem allgemeinen
Bewußtsein einfach raus.
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