Am 18.04.2016 um 07:50 schrieb Heiner Veelken:
> Wer gelesen hat, die neue Spritpumpe ist drin, Fiesta hat Feuerprobe
> gestern von Aachen nach Köln und zurück bestanden :-)
Ach 170 km Strecke sind schon Feuerprobe. :-)
> Demnächst möchte ich ein kleineres Kaltstartproblem bekämpfen:
> Wenn man den Wagen aus kaltem Zustand startet, läuft er sehr unrund und
> droht, auszugehen. Ich hatte, während er so unrund lief, mal an einem
> Luftführungsplastikrohr geruckelt und es an einer Verbindungsstelle
> gemeint, näher zusammengesteckt zu haben, worauf der Motor dann sofort
> rund lief. Leider konnte ich diese "Problemlösung" nicht reproduzieren.
Schon mal guter Ansatz, aber nicht reproduzierbares Verhalten ist eben
noch keine Lösung.
> Der Wagen wird nur samstags vormittags benötigt und eine Reparatur eilt
> nicht. Kann ich da selbst noch etwas machen? Bin interessierter Amateur
> mit Multimeter, Schraubenzieher und Akkuschrauber :-)
Das ist bisschen dünne an Equipment. :-) Aber starten wir damit mal.
Ford Fiesta
1.25 Ford Sigma Motor, 75 PS
BJ2002
Ab 2001 war OBD Pflicht in Europa bei Benzinern, also erster Schritt
bevor du alles weitere machst:
* Fehlerpeicher des Motorsteuergeräts auslesen (auf Ford J1850 PWM als
unterstütztes Diagnoseprotokoll achten) und die Diagnostic Trouble Codes
samt Freeze Frame Daten notieren/speichern.
Dann geht's weiter. Es lohnt sich, da was eigenes zu kaufen. Klein und
günstig, unterwegs immer dabei ist ein Diamex DX45. Schon besser für
echte Diagnose wäre ein OBDLink-SX USB und ScanMaster-Elmscan dazu (79
EUR) - braucht Windows-Laptop/Tablet mit USB. Einige
herstellerspezifische Sachen für Ford sind da schon dabei. Oder Forscan
als Software zum gleichen Interface.
Warum das Fehlerauslesen vorher schon mal machen: weil die Versuche
unten alle möglichen Fehler in den Fehlerspeicher bringen werden. Die
müsstest du dann auch löschen, aber dann siehst du nicht mehr durch, was
was war. Deshalb lohnt sich vorher mal auslesen, aufschreiben, dann
alles löschen. Dann nochmal Fehlersituation herstellen und dann noch mal
auslesen.
Falls du da Codes bekommst, würden die ggf. helfen bei der Analyse.
So, und nun Diagnose auf klassische Art:
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Problem kann sein: Zündung, Luft, Sprit, denn das sind die drei Sachen,
die in jedem Zylinder im Otto-Motor zusammenkommen müssen. Und das alles
unter einer gemeinsamen Steuerung des Motorsteuergerätes. Motormechanik
(z.B. Kompression, Zahnriemen) lass ich mal beiseite. Das scheint ja
dann im warmen Zustand zu passen.
Annahme: Zündung in einem oder mehreren Zylindern funktioniert nicht
richtig beim Kaltstart.
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Einfach-Diagnosen:
- Zündkabel jedes Zylinders wackeln.
- Zündkabel im Leerlauf einzeln kurz von der Zündkerze abziehen, auf
Änderungen im Motorlauf achten, dann wieder drauf. Wenn der Motorlauf
sich nach Abziehen verändert => Gut, das ist das Soll-Verhalten. Wenn er
sich nicht verändert, hat da schon vorher nichts gezündet. So alle
Zylinder identifizieren, die im kalten Zustand nicht zünden. Wenn
auffällig, dann weiter untersuchen: Zündkerzen, Zündkabel. Wenn es das
nicht ist: Zündsteuerung. Und da die Temperaturabhängigkeit finden.
Annahme Kraftstoffversorgung in einem oder mehreren Zylindern
funktioniert nicht richtig beim Kaltstart.
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* Nebeneinflüsse: Luft im Kraftstoffsystem, die sich beim Abkühlen
bilden könnte
Einfach-Diagnosen:
- Spannungsversorgung an der Kraftstoffpumpe dauerhaft messen; Kabel wackeln
- Kabel zu den Injektoren wackeln
- am Kraftstoffpumpenrelais wackeln/klopfen
- auf Geräusche beim Abkühlen achten (Kraftstoffleitungen würden dann
Luft ziehen)
Annahme: Luftversorgung in einem oder mehreren Zylindern funktioniert
nicht richtig beim Kaltstart.
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* Nebeneinflüsse: Falschluft im Ansaugtrakt
Einfach-Diagnosen:
* Luftschläuche undicht?
* Gaszug schön freigängig?
* Drosselklappe innen schön sauber oder verdreckt?
* Kurbelgehäuseentlüftungsschlauch verschmoddert?
Annahme: Motorsteuerung funktioniert nicht richtig beim Kaltstart.
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Die Leerlaufregelung passiert beim Kaltstart ja erstmal open loop über
einige Sensorwerte.
Erst später, wenn die Lambdasonden heiß sind über die
Lambdasondenheizung, dann erst wechselt das Motorsteuergerät auf closed
loop. Wichtig aber auch: du bekommst innen offenbar keine
Motorkontrollleuchte (MIL = Malfunctuin Indicator Light) zu sehen.
* Nebeneinflüsse:
Spannungsversorgung Motorsteuergerät => Prüfen. Wenn die nicht passt,
spielt alles verrückt.
Spannungsversorgung Sensoren 5V Referenzspannung => Prüfen.
* Temperatursensoren:
* Kühlmitteltemperatursensor (ECT = Engine Coolant Temperature)
* Ansauglufttemperatursensor (IAT = Intake Air Temperature)
=> Werte in Ohm gegen Referenzwerte bei bestimmten Temperaturen prüfen,
auch ggf. im Wasserbad
und eben das, was am Motorsteuergerät ankommt.
* Wackelkontakte in der Leitung?
Weitere Sensoren von geringerem Interesse in diesem Fall:
- Kurbelwellendrehzahlsensor (CKP oder CPS = Crankshaft Position Sensor),
- Nockenwellendrehzahlsensor (CMP oder CAM = Camshaft Position Sensor),
- Luftmassenmesser/Luftmengenmesser (MAF oder VAF, Mass/Volume Airflow
Sensor),
- Saugrohrdrucksensor (MAP = Manifold Absolute Pressure);
- Drosselklappenpositionssensor (TPS = Throttle Position Sensor) mal an
den Zuleitungen wackeln.
Die Live-Werte, die das Motorsteuergerät von seinen ganzen Sensoren
verstanden hat, kann man sich unter verschiedenen PIDs (Parameter ID)
alle im OBD Mode 1 auf den Bildschirm holen mit der
Laptop-Diagnoselösung oben.
Einfacher: mal an verschiedenen Sensoren (immer nur einer! nacheinander,
dann wieder dran) den Stecker abziehen im Leerlauf. Dann arbeitet das
Motorsteuergerät in der Regel mit einem geschätzten Ersatzwert. Dieser
Ersatzwert kann aber besser sein als ein Grützewert/verfälschter Wert
vom Sensor. Dann verbessert sich mit Abziehen des Steckers der Motorlauf
und du hast eine Spur.
Weitere Aktoren von Interesse:
* Leerlaufregelventil (LLRV, IAV = Idle Air Control Valve)
* Leerlaufregelventil innen verdreckt? Das käme durch Öldämpfe aus der
Kurbelgehäuseentlüftung. Kann man reinigen mit Reinigungsalkohol und
zyklisches Ansteuern.
* Die Fuel-Trim-Werte an die Injektoren.
* Die Ansteuerung der Lambdasondenheizung (Spannung und Strom). Da sieht
man, ob die Heizung überhaupt wirkt.
(HEGO = Heated Exhaust Gas Oxygen Sensor = Lambdasonde.) Geht diese
Heizung nicht, verlängert sich die Open Loop Phase.
Parallel kannst du dir schon mal einen Überblick da im Motorraum
verschaffen.
* genannte Sensoren finden
* genannte Aktoren finden
* Motorsteuergerät finden
* Schläuche anschauen
Deutlich leichter tut man sich mit einem Schrauberbuch, wo zumindest mal
die Position von allem erklärt ist und auch einige Wirkzusammenhänge.
Buchvorschlag siehe das andere Posting im Benzinpumpen-Faden.
Die ganzen englischen Begriffe habe ich dazu geschrieben, weil so die
Otto-Motor-Kenner in englischsprachigen Foren kommunizieren. Kein Mensch
schreibt das sonst alles aus. Da würde man ja dusslig werden.
Grüße,
Ralf